20 Jahre Institut für Realienkunde des Mittelalters
und der frühen Neuzeit. Ein Resümee
Im Kontext mit der Exposition „Gotik in Osterreich“ in der Minoritenkirche
in Krems-Stein 1967 versuchte der Verfasser, die zur Schau gestellten
bildliehen Quellen als Informationsträger für die Sachkultur und Alltagsgeschichte
zu interpretieren, wurden die ikonographischen Darstellungen
doch als Medium für die Vermittlung des Glaubensgutes in einer weitgehend
illiteralen Gesellschaft eingesetzt; sie sollten gleichermaßen zur Erbauung,
Emotionalisierung und Kontemplation der Gläubigen beitragen.
Ein Aufsatz in der Festschrift von Karl Lechner im selben Jahr skizzierte
erstmals die Ziele einer interdisziplinären Sachkulturforschung und betonte
die Notwendigkeit zur Gründung einer Forschungsstätte für die Realienkunde
des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Mein Doktorvater, Alphons
Lhotsky, der zunächst am Kunsthistorischen Museum in Wien tätig
war, hat in seinen Vorlesungen und Übungen stets auf die Bedeutung von
Realien hingewiesen und damit entscheidende Anregungen gegeben.
Nachdem über Initiative des Verfassers der Gemeinderat der Stadt
Krems den Beschluß gefaßt hatte, für ein solches Institut die geeigneten
Räume zu adaptieren, auszustatten und zur Verfügung zu stellen und zudem
die Stadt Krems und das Land Niederösterreich sich grundsätzlich
bereit erk.ärten, je die Hälfte des jährlichen Sachaufwandes zu finanzieren,
faßte die Osterreichische Akademie der Wissenschaften den Entschluß, das
„Institut für mittelalterliche Realienkunde Österreichs“ zu gründen und
den Personalaufwand zu übernehmen. Am 1. Februar 1969 erfolgte im
Festsaal des Rathauses in Krems-Stein die Gründungsfeier.
Die wissenschaftliche Zielsetzung des Instituts bestand ursprünglich in
der systematischen Erfassung aller realienkundlieh relevanten Bildquellen
der Österreichischen Territorien in deren mittelalterlicher geographischer
Ausdehnung. Alsbald wurde diese wissenschaftliche Tätigkeit auch auf die
schriftlichen Zeugnisse und überlieferten Originalgegenstände konzentriert.
Im Bereich der Tafelmalerei kann diese Aufgabe als abgeschlossen betrachtet
werden, hingegen ist die große Zahl an Wandmalereien nur teilweise dokumentiert,
schließlich sind die überaus reichen Bestände an Buchmalerei
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und Graphik ein Desiderat der Zukunft, abgesehen von der Handschriftenund
Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek.
Ein vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und von
der Kulturabteilung des Amtes der Niederösterreichen Landesregierung finanziertes
Sonderforschungsprojekt – „Dokumentation bildlicher und archivalischer
Zeugnisse mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Alltags im
donaueuropäischen Raum“ – ermöglicht der in der Zwischenzeit auf „Institut
für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit“ umbenannten
Forschungsstätte die Ausweitung der wissenschaftlichen Tätigkeit
auf die donaueuropäischen Länder, und zwar in Zusammenarbeit mit den
jeweiligen Kunsthistorischen Instituten in der Slowakei, in Böhmen und
Mähren, in Ungarn und Slowenien. Geplant ist die Aufbereitung der Bildund
Schriftquellen mittels EDV unter Einsatz der digitalen Bildverarbeitung.
Die zur Verfügung gestellten Softwarepakete IMAGE ASSISTANT
von IBM und �>.>.cLW vom Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen
bieten die Möglichkeit, „Bilder in einer Datenbank zu verwalten, ihre Lesbarkeit
mit Hilfe des Computers zu verbessern und Voraussetzungen in
bezug auf Pattern Recognition und Bild/Text-Bindungen zu schaffen“. Zudem
ist es möglich, innerhalb der Datenbanksoftware „beliebige Segmente
eines Bildes mit einer beliebigen Informationseinheit der Datenbasis zu
verbinden“.
Das zunächst auf zwei Jahre limitierte Projekt „Digitale Bildverarbeitung
in der Mediävistik“ soll nach dem Projektablauf in vier Phasen
eine so weit wie mögliche „Integration von digitalisiertem Bildmaterial in
den Forschungsprozeß des Historikers“ gewährleisten. „Damit soll auch
das Problem vermindert werden, daß die Bildinterpretation im starken
Maß allein von der verbalen Beschreibung des Bearbeiters abhängig ist“.
Künftig wird die Erkennung, „Rekonstruktion und Interpretation einheitlicher
oder abweichender ‚Muster‘ von Bildinhalten in entscheidendem Maße
erleichtert werden“.
Von eminenter Bedeutung sind die seit 1976 im zweijährigen Rhythmus
abgehaltenen internationalen Kongresse, die sich zu einem Kommunikationszentrum
und zum Katalysator der historischen Forschung entwickelt
haben. Die bislang vorliegenden dreizehn Bände der „Veröffentlichungen
des Instituts“ wurden in den Rezensionen der wissenschaftlichen
Fachwelt durchwegs positiv aufgenommen. Das Round-Table-Gespräch
des Jahres 1982 unter dem Titel „Die Erforschung von Alltag und Sachkultur
des Mittelalters. Methode – Ziel – Verwirklichung“ brachte weitge-
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hend eine Standortbestimmung der Institutstätigkeit sowie eine Klärung
der interdisziplinären Zusammenarbeit, zumal die Realienkunde damals
im Zentrum der Diskussion der internationalen historischen Wissenschaft
stand.
August Nitschke hat bei Bewertung der Österreichischen Geschichtswissenschaft
im internationalen Vergleich dem Institut für Realienkunde
konzidiert, eine Forschungsstätte einmaligen Charakters zu sein. „Eine
ähnlich sachbezogene Forschungsstelle wünschen sich die Deutschen in der
Bundesrepublik seit langem. Einige wenige Ansätze scheint es jetzt auch
in dieser zu geben, doch den Stand, der in Österreich seit langem eine
Selbstverständlichkeit ist, werden die Deutschen wohl kaum so schnell erreichen.“
Harry Kühne}
11
……
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Eröffnung und Besi chtigung des Instituts, Februar 1969.
Von links nach re chts: Dr . Gert Adamek, Generalsekretär Univ. Prof. Dr. Herbert Hunger,
Präsident der ÖAW, Univ. Prof. Dr. Albin Lesk y, Univ. Prof. Dr. Otto Demus .
……
w
Ausstellungsvorbereitung „800 Jahre Franz von Assisi“, M inoritenkir che Krems-Stein, 1982. Von
links nach rechts : Dr. Elisabeth Vavra, Arch itekt Dip!. Ing. Albert Gattermann, Dr. G e rhard Ja ritz.
..,.
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Round Table -Gesprä ch des Instituts am 20. September 1982. Von links nach re chts : Univ. Pro f.
Dr. Dietrich W. H. Schwarz (Zürich), Univ. Pro f. Dr. Gernot Kocher (Gra.z), Dr. Elisabeth Vavra
(Krems), Univ. Pro f. Dr. Harry Kühne! (Krems).
……
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Zwanzigj ahr-Feier des Instituts am 11. April 1989. Von links n ach rechts: Altpräsiden t Univ. Prof. Dr.
Herbert Hunger, Kuratoriumsobmann Univ. Prof. Dr. Heinrich Appelt, Institutsdirektor Univ. Prof.
Dr. Harry Kühne!.
…..
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Zwanzigjahr-Feier des Instituts am 11. April 1989.
Von links nach rechts: Altpräsident Univ. Prof. Dr. Erwin Plöckinger, Hon. Prof. Dr. Kurt Holter.
……
Zwanzigjahr-Feier des Instituts am 1 1 . April 1 98 9. Die Mitarbeiter des Instituts.
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
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Zwanzig Jahre
Institut für Realienkunde
DES MITTELALTERS UND DER FRÜHEN NEUZEIT
DER ÖSTERREICHISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
K R EM S 1 9 9 2
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Umschlagbild: Blumenvasenbild. Gestochen von Abraham Aubry,
nach J. Toussyn, um 1660/70.
Alle Rechte vorbehalten
– ISBN 3-90 1094 04 0
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich – Druck:
KOPITU Ces. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
HARRY KÜHNEL, 20 Jahre Institut für Realienkunde des
Mittelalters und der frühen Neuzeit. Ein Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
WOLFGANG BRÜCKNER, Der Blumenstrauß als Realie. Gebrauchs-
und Bedeutungswandel eines Kunstproduktes aus
dem christlichen Kult . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Publikationen des Instituts für Realienkunde bei der OAW 63
Publikationen des Institutsmitarbeiter 73
Mitarbeit des Instituts an Ausstellungen 95
Personalstand des Instituts für Realienkunde 96
Vorwort
Obwohl seit der Feier des zwanzigjährigen Bestehens des Instituts für Realienkunde
des Mittelalters und der frühen Neuzeit (früher: Institut für mittelalterliche
Realienkunde Österreichs) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften bereits mehr als drei Jahre vergangen sind, haben wir dennoch
gerne die von mehreren Seiten geäußerte Anregung aufgegriffen und
verwirklicht, diesem Anlaß – wenn auch sehr verspätet- ein Heft von Medium
Aevum Quotidianum zu widmen.
Neben einem kurzen Resümee der Tätigkeit des Instituts durch Harry
Kühne! kommt dabei vor allem der stark erweiterte Vortrag zum Abdruck,
welchen Wolfgang Brückner anläßlich des am 1 1 . April 1989 stattgefundenen
Festaktes gehalten hat. Er erscheint uns als Musterbeispiel systematischer
und kritischer realienkundlieber Analyse und verweist gleichzeitig auf
die so notwendige interdisziplinäre Kooperation, in diesem Falle zwischen
Geschichte und Volkskunde.
Des öfteren wurde es als bedauerliches Manko vermerkt, daß bis dato
keine bibliographische Erfassung der Publikationen des Instituts für Realienkunde
und seiner ehemaligen und derzeitigen Mitarbeiter vorlag. Dem
Anlaß entsprechend erschien es uns angemessen, dieselbe – in bis 1992
aktualisierter Form – hier zur Veröffentlichung zu bringen.
Das Programm der nächsten Bände von Medium Aevum Quotidianum
steht bereits fest. Im September 1992 wird als Sonderband 2 „Crudelitas.
Papers from the International Conference on ‚The Politics of Cruelty in the
Ancient and Medieval World‘ “ in Zusammenarbeit mit dem Institut für
Klassische Philologie der Universität Turku erscheinen. Aus Anlaß des von
Medium Aevum Quotidianum in Kooperation mit dem Institut für Realienkunde
in Krems veranstalteten Kongresses „Kommunikation zwischen
Orient und Okzident. Alltag und Sachkultur“ (6. bis 9. Oktober 1992)
werden die Kurzfassungen der gehaltenen Referate wie gewohnt zum Abdruck
kommen. Band 27 wird die ebenfalls bereits angekündigte Arbeit
von Sandor Petenyi „Games and Toys in Medieval Hungary“ enthalten
und voraussichtlich im Oktober/November 1992 erscheinen.
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Anfangs 1993 wird als Sonderband 3 die umfassende Dissertation
von Elke Schlenkrich (Leipzig) zum Alltag sächsischer Lehrlinge (15.-
18. Jahrhundert) publiziert werden. In Zusammenarbeit mit „History
& Society in Central Europe“ (Budapest) werden wir voraussichtlich einen
gemeinsamen Band zur mittelalterlichen Adelskultur in Mitteleuropa
veröffentlichen.
Gerhard Jaritz
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