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‚Möbel‘ als Analysekategorie der mittelalterlichen Bildwelt.

17
‚Möbel‘ als Analysekategorie der mittelalterlichen Bildwelt.
Strukturierendes und funktionalisiertes Interieur
in konfigurierten Innenraumdarstellungen
Isabella Nicka
Möbel – oder weiter gefasst mobile Bestandteile – und Accessoires des Innenraums
zählen im Hochmittelalter neben formelhaften Landschaften und architektonischen
Versatzstücken zu den angewandten Visualisierungsstrategien der
Verortung des Bildgeschehens innerhalb eines imaginierten, sich aus Mitteln des
sichtbaren „Realraumes“ konstituierenden, konfigurierten Raums. Daneben
existieren aber auch Räume, die sich nicht-referentieller Mittel dieser Art bedienen,
sondern wo Präsenz, Handlung, Interaktion und/oder Konstellation der
menschlichen/tierischen/fabelhaften Protagonisten einen Ort induzieren, der
durch die RezipientInnen zu rekonstruieren ist, das heißt, der keine Definitionen
zum Ort des Geschehens auf der Objektebene enthält und im Bild nur als „Leerstelle“
1, als ornamentierte, bemalte, goldgrundige, reliefierte, aus ungestaltetem
Materialgrund etc. bestehende Flächenkomposition ausgewiesen ist. Im Hochmittelalter
ist jedoch meist eine Kombination von beiden möglichen Varianten
vorzufinden. So verhält es sich auch in einem aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
stammenden Evangeliar aus St. Lambrecht, wo die ganzseitige Federzeichnung
auf fol. 13r (Abb. 1) in zwei Bildfeldern Szenen aus der Kindheitsgeschichte
Jesu wiedergibt. Im oberen Abschnitt, der die Geburt zeigt, ruht Maria
auf einem mit gedrechselten, balusterförmigen Sprossen verzierten Pfostenbett.
Weitere Ausstattungsstücke sind die hohe, massive Krippenkonstruktion,
die das Jesuskind aufnimmt und hinter der Ochs und Esel hervorschauen, sowie
die Sitzgelegenheit mit Sockel und Podest, auf der Joseph – dessen Darstellung
zum Teil das querrechteckige Bildfeld überschneidet – Platz genommen hat.
Dass das Geschehen in oder vor einem wie auch immer gearteten umbauten
Raum stattfindet, evoziert die zinnenbekrönte Arkade im Hintergrund, von der
Rundbögen sowie die blattverzierten Kapitelle und eine Basis (rechts unten) der
Säulen sichtbar sind. Im Unterschied dazu ist die Verkündigung an die Hirten im
1 Der Begriff der „Leerstelle“ ist der Literaturwissenschaft entlehnt; vgl. Wolfgang Iser, Der
implizite Leser. Kommunikationsformen des Romans von Bunyan bis Beckett. München
21979, 59.
18
unteren Segment anhand des fehlenden architektonischen Versatzstücks, dem
hohen pflanzlichen Element und den davor kauernden Weidetieren eindeutig im
Außenraum verortet.
Abb. 1: Geburt Christi und Verkündigung an die Hirten.
Federzeichnung in einem Evangeliar aus St. Lambrecht, 1. Hälfte 13. Jh.
Graz, Universitätsbibliothek, cod. 185, fol. 13v
Es ist vor allem der Bereich jener hier nur spärlich angegebenen Bild-Orte, deren
„Leerstellen“ im Lauf des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit eine ungeheure
Ausdifferenzierung und Auffüllung erfahren, sowohl was die Quantität
der dargestellten Elemente, den Detailreichtum als auch eine zunehmende, unseren
Sehgewohnheiten eher entsprechende Raumwirkung angeht. Es entsteht so
19
das „naturalistisch“ anmutende Bild, dessen „Realitätserzeuger“ die détails inutiles2,
die über das „Notwendige“ hinausgehenden Elemente der Darstellung
sind. Im Projekt „Strukturen der Räume. Möbeldarstellungen auf mittelalterlichen
Bildwerken und ihre Funktion(en)“ wird untersucht, ob und inwieweit
überkommene Funktionen der Möbel des Hochmittelalters – wo sie als Verortungshinweis
dienen, Mittel der Strukturierung sind und/oder narrativ gefordert
sein können – für die in Spätmittelalter und früher Neuzeit einsetzenden ‚mimetischen’
Darstellungsmodi übernommen oder transformiert werden oder ob Möbel
gänzlich andere Funktionen erfüllen.
Nicht-visuelle Quellen zum Möbel im Mittelalter
Über Aussehen und Funktionen von Möbeln im Mittelalter geben verschiedene
Quellen und Artefakte Auskunft. Die naheliegendsten Ressourcen, die man in
diesem Zusammenhang befragen kann, sind erhaltene Möbelstücke aus der Zeit.
Gesamte profane Ausstattungen haben sich jedoch nicht erhalten3 und die wenigen
vereinzelten Möbel- und Ausstattungsstücke, die in Museen und Sammlungen
konserviert werden, entstammen meist einem sakralen Zusammenhang oder
sind der Kategorie Repräsentationsmobiliar zuzurechnen.4 Nur in diesen Fällen
scheinen sie nicht – im Unterschied zu wesentlich kostenaufwändigeren Veränderungen
der immobilen Architektur – einem neuen Gestaltungswillen oder der
Abnutzung zum Opfer gefallen zu sein. Vermeintlich mittelalterliche Möbelstücke
entpuppen sich darüber hinaus bei genauerer Untersuchung oft als (historistische)
Nachschöpfungen (vgl. dazu Abb. 2 und 3) oder aber sie weisen erhebliche
Veränderungen oder Umarbeitungen jüngeren Datums auf, die unser heutiges
Bild vom mittelalterlichen Mobiliar wesentlich beeinflusst haben.5 Eine
Korrektur dieses Bildes muss folglich mit gründlichen kunsthistorischen und
technologisch-restauratorischen Analysen einhergehen, welche für einen Großteil
der erhaltenen Objekte jedoch bis dato fehlen.
2 Vgl. Roland Barthes, L’effet de réel, in: Communications 8 (1968) 85. Zur Anwendung von
Barthes‘ „Realitätseffekt“ auf die spätmittelalterliche Kunst siehe auch: Keith Moxey, Reading
the „Reality Effect“, in: Gerhard Jaritz (Hg.), Pictura quasi Fictura. Die Rolle des Bildes
in der Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters und der frühen Neuzeit (Forschungen
des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Diskussionen
und Materialien 1) Wien 1996, 15-22.
3 Sven Lüken, Die Verkündigung an Maria im 15. und frühen 16. Jahrhundert. Historische
und kunsthistorische Untersuchungen. Göttingen 2000, 9.
4 Vgl. Thorsten Albrecht, Die Anfänge künstlerischer Raumausstattung. Gotische Möbel, in:
Bruno Klein (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland 3. Darmstadt u. a. 2007,
569-577.
5 Vgl. Anja Grebe, Mikroarchitektur und Möbel – Ornament, Form, Konzept, in: Mikroarchitektur
im Mittelalter. Ein gattungsübergreifendes Phänomen zwischen Realität und Imagination.
Leipzig 2008, 519-533, hier 521 f.
20
Aussagen zum Kontext des mittelalterlichen Interieurs können dagegen – je
nach Erhaltungsbedingung und Fundzusammenhang – aus archäologischen
Quellen gewonnen werden. Der archäologische Bestand an Möbelteilen aus
Holz, die sich nur unter bestimmten Fundbedingungen im Boden erhalten haben,
ist entsprechend gering und die Fragmente lassen nur Vermutungen über das ursprüngliche
Aussehen und die Funktion des Möbels zu.6 Fundobjekte, die als
Möbelbestandteile aus Metall – beispielsweise Beschläge oder Schlösser – angesprochen
werden können, kommen zwar ob ihres sich weniger leicht zersetzenden
Materials viel häufiger in Fundkomplexen vor und können zu quantitativen
Analysen des Möbelbestandes herangezogen werden, geben aber ebenso nur
partiell Auskunft über das Aussehen des gesamten Möbels.
Auch historische Schriftquellen, wie beispielsweise in Stadtbüchern
überlieferte Testamente,7 inkludieren Möbelstücke. Allerdings finden sie in diesem
Zusammenhang nicht zwingend und zudem überraschend selten Erwähnung
und ihre Nennung kann formelhaft, gemeinsam mit anderen Mobilien erfolgen,8
6 Vgl. Heiko Schäfer, Zeugen einer leicht vergänglichen Welt – Holzgefäße und Möbelteile,
in: Hauke Jöns u. a. (Hg.), Archäologie unter dem Straßenpflaster. 15 Jahre Stadtkernarchäologie
in Mecklenburg-Vorpommern (Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-
Vorpommerns 39) Schwerin 2005, 335-338; Ulrich Müller, Holzfunde aus Freiburg/
Augustinereremitenkloster und Konstanz. Herstellung und Funktion einer Materialgruppe
aus dem späten Mittelalter (Forschungen und Berichte der Archäologie des Mittelalters in
Baden-Württemberg 21) Stuttgart 1996, 193-207.
7 Eine andere hier zu nennende Schriftquelle sind Inventare; siehe dazu Grebe, Mikroarchitektur
und Möbel 521.
8 Gerhard Jaritz, Die Aussage der sogenannten „Wiener Testamentsbücher“, in: Das Leben in
der Stadt des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde
Österreichs 2) Wien 1977, 171-190, hier 176 und 179 f.
Abb. 2: Stollenschrank, 2. H. 15. Jh. (?).
Waidhofen/Ybbs, Stadtmuseum
Abb. 3: Stollenschrank, 2. H. 19. Jh.
Brixen-Milland, Schloss Ratzötz
21
oder aber mit einer Ausnahmeregelung in Verbindung stehen, wie es auf ein
Korneuburger Testament aus dem Jahr 1433 zutrifft:
Item auch hat er geschafft seiner hausfrawn Kathrein alle varunde hab uber das
gegenbùrttig geschefft, ausgenomen die dreỳ tysch, die yecz(unt) in der unttern
stuben steen mit penkchen, stulen, so darczù gehoren, die almar bey der tùr, darunder
das eysnein getter, das sol alles bey dem haws beleyben.9
Das Beispiel zeigt auch, dass anhand dieser Quellen Informationen zum Raumzusammenhang
gewonnen werden können; Informationen zu Aussehen oder
Funktion sind jedoch weitgehend nicht vorhanden. Diese haben nur in Einzelfällen
Eingang in diese Schriftquellen gefunden, nämlich dann, wenn die Besonderheit
eines Ausstattungsstücks oder seines Materials vermittelt werden sollte.10
Zudem gilt es zu bedenken, dass Stadtbücher allgemein erst verstärkt im 16.
Jahrhundert auftreten oder erst ab diesem Zeitpunkt angelegt wurden.11
Von den literarischen Schriftquellen ist im Zusammenhang mit Möbeln
eine Sonderform erwähnenswert, die heute unter dem Begriff „Hausratsgedicht“
12 zusammengefasst wird. Ihr ist ein ähnlich aufzählender Charakter eigen,
wie er auch in den Testamenten und Inventaren überwiegend anzutreffen ist. So
heißt es in einem von Hans Folz verfassten Gedicht Von Allem Hauß rot, das
sich unter anderem in einem Druck um 1485 in der Herzog August Bibliothek in
Wolfenbüttel erhalten hat, stül, penck vnd sidel muß man han / dischtuch, zwehel
vnd fazilet / gießfas, hantpeck vnd kandel pret.13 Handlungsinnenräume werden
in narrativen literarischen Quellen vor dem sogenannten Realismus in der spätmittelalterlichen
Literatur14 meist nicht explizit thematisiert, sondern werden darin
„fragmentarisch“ und selektiv angegeben und müssen „im Rezeptionsprozess
aktiv mitkonstruiert und ergänzt werden.“15
9 StA Korneuburg, Hs. 3/159, fol. 43r (Auszug aus dem „Geschäft des Hans Hakensmid“,
Eintrag in den Korneuburger Testamentsbüchern zum 22. April 1433). Für diesen Hinweis
und die Transkription der genannten Stelle bedanke ich mich herzlich bei Kornelia Holzner-
Tobisch, die eine Edition der Korneuburger Testamentsbücher vorbereitet.
10 Jaritz, „Wiener Testamentsbücher“ 180.
11 Herwig Weigl, Schriftlichkeit in einer spätmittelalterlichen Kleinstadt. Verlorene Quellen
und des Kleinstadt-Historikers Not, in: Mitteilungen für österreichische Geschichtsforschung
100 (1992) 254-267, hier 256 und Anm. 17. Zu den wenigen, auch für das Spätmittelalter
umfangreich erhaltenen Stadtbüchern zählen jene Wiens; vgl. Paul Uiblein, Die
Quellen des Spätmittelalters, in: Erich Zöllner (Hg.), Die Quellen der Geschichte Österreichs.
Wien 1982, 82 f.
12 Kurt Ruh u. a. (Hg.), Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 3. Berlin-
New York 21981, Sp. 556-558.
13 Zit. nach: Ingeborg Spriewald, Hans Folz. Auswahl (Studienausgaben zur neueren deutschen
Literatur 4) Berlin 1960, 119-127, hier 119, V. 8-10.
14 Vgl. Siegfried Grosse, Zur Frage des „Realismus“ in den deutschen Dichtungen des
Mittelalters, in: Wirkendes Wort. Deutsche Sprache in Forschung und Lehre 22 (1972) 73-
89, hier 76.
15 Gabriele Klug, Intimer und öffentlicher Raum in der Burg: Raumkonstruktion und Raumfunktion
in zwei deutschen Prosaromanen des späten Mittelalters, in: Klára Berzeviczky
22
Verbildlichte Innenräume und ihr Inventar
Die letzte zu nennende Quellengattung, die den virtuellen Korpus, der Aussagen
zum Thema „mittelalterliche Möbel“ beinhaltet, vervollständigt und – wenn
auch in einer noch genauer abzusteckenden Form – gleichzeitig den konkreten
Korpus des hier vorzustellenden Projektkonzepts darstellt, sind visuelle Quellen.
Leider muss konstatiert werden, dass, vor allem bezogen auf die Kunstgeschichte,
Arbeiten zum Thema „Innenraumausstattung auf mittelalterlichen
Bildwerken“ rar sind,16 wie überhaupt Möbeln des Mittelalters vergleichsweise
wenig Interesse von Seiten der WissenschafterInnen entgegengebracht wird17
und eine umfassende Monographie als Desiderat der Forschung gilt.18 Mit Ausnahme
von Annette LeZotte, die in gewissen Kombinationen von Ausstattungsstücken
Signaturen einzelner Künstler oder Werkstätten erkennen will, unterzieht
das Gros der AutorInnen, die zu diesem Gebiet arbeiten, den jeweilig ausgewählten
Korpus – überwiegend handelt es sich dabei um Tafelmalerei – einer
Analyse und Erhebung der dargestellten Interieurs, um sie anschließend mit einer
anderen (meist historischen) Quelle zu vergleichen.
u. a. (Hg.), Gelebte Milieus und virtuelle Räume. Der Raum in der Literatur- und Kulturwissenschaft.
Berlin 2009, 45-56, hier 46.
16 Abhandlungen jüngeren Datums, die sich – zumindest teilweise – mit verbildlichtem Interieur
beschäftigen, sind: Luke Syson, Representing Domestic Interiors, in: Marta Ajmar-
Wollheim und Flora Denis, At Home in Renaissance Italy. London 2006; Jeremy Aynsley
u. a. (Hg.), Imagined Interiors. Representing the Domestic Interior since the Renaissance.
London 2006; Anja Grebe, Möbel und Wohnkultur im spätmittelalterlichen Burgen- und
frühen Schloßbau, in: Arx 29 (2007) 30-38; dies., Wie lebten sie? Mobile und feste Bestandteile
der Wandausstattung, in: dies. und Ulrich Großmann, Burgen in Deutschland,
Österreich und der Schweiz. Architektur und Alltag. Petersberg 2007, 144-165; Grebe,
Mikroarchitektur und Möbel; Patricia May Gathercole, The Depiction of Architecture and
Furniture in Medieval French Manuscript Illumination. Lewiston (NY) 2006; Katja
Kwastek, Camera. Gemalter und realer Raum der italienischen Frührenaissance. Weimar
2001; Anette LeZotte, Home Setting in Early Netherlandish Paintings. A Statistical and
Iconographical Analysis of Fifteenth- and Early Sixteenth-century Domestic Imagery. Lewiston
(NY) 2008; Lüken, Verkündigung; Ilka Wonschik, Der profane Innenraum in der
spätgotischen Altkölner Malerei. Studien zum bürgerlichen Interieur 1460–1490. Bonn
2000; Georg Traska, Die Gesellschaft der Räume. Laikale und bürgerliche Handlungsräume
in der italienischen Malerei und Literatur um 1300. Trier 2009.
17 So enthält etwa der dritte Band der Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich.
Spätmittelalter und Renaissance (hg. von Artur Rosenauer. München-Berlin-London-New
York 2003) trotz der anhand des Titels bereits offenkundigen Gewichtung auch einen Beitrag
zur angewandten Kunst (Franz Kirchweger, Kunsthandwerk, in: ebd. 572-596), worin
Möbel mit drei Absätzen behandelt werden und die beiden Katalognummern zum Mobiliar
des 15. Jahrhunderts, der Oberteil eines Festwagens Friedrichs III. und ein Chorgestühl,
Beispiele sakraler und profaner Repräsentation darstellen. Für den Zeitraum noch immer
grundlegend sind Franz Windisch-Graetz, Möbel Europas. Von der Romanik bis zur Spätgotik.
München 1982, und Heinrich Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels. München
1967.
18 Grebe, Möbel und Wohnkultur 31.
23
Die Bilanz der Ergebnisse solcher methodischer Ausrichtung sind unterschiedlich:
Katja Kwastek zieht etwa am Ende ihrer Studie zu den gemalten
Schlafräumen der italienischen Frührenaissance den Schluss, dass, was die mobile
Ausstattung angeht, zwar alle dargestellten Möbel auch in den Inventaren
vorkommen, aber nur solche Verbildlichung finden, die für die Szene benötigt
werden.19 „Der Raum […] bleibt […] ein künstlerisches Produkt, das nicht nur
durch seine Schauöffnung, sondern auch durch die Auswahl der ins Bild aufgenommenen
Elemente einer individuellen Bildlogik unterworfen ist.“20 Ein vollständiger
Abgleich der Quellen Bild und Inventar ist demnach nicht möglich.21
Sven Lüken, der von den auf Innenräumen dargestellten Verkündigungen
an Maria ausgeht, resümiert, dass Bildquellen sowohl als „illustrierende Quelle“
herangezogen werden können, also anhand des Vergleichs von Inventar und
Bild etwa ein schriftlich erwähntes Ausstattungselement auch im visuellen Befund
nachgewiesen werden kann, als auch, dass die Bildwerke als „eigenständige
Quelle“ zu betrachten sind, die Aussagen über Objekte und ihre Verwendung
zulässt; letzteres, so Lüken, jedoch nur dann, wenn gewährleistet werden
kann, dass sich der Künstler nicht an niederländischen Vorbildern orientierte,
sondern eigenständige Bildfindungen – und das meint in diesem Fall Motive aus
seiner unmittelbar erfahrbaren geographischen Umgebung verwertend – realisierte.
22 Am Ende dieser ‚Rechnung‘ bleiben also nach Lüken „reale“, „erreichbare“
Gegenstände und Architekturen übrig; nur „die abgebildete Zusammenstellung
der Utensilien“ ist nicht real, sondern entspricht „einem Ideal, mit dem
sich die meisten Betrachter identifizieren konnten“.23 Ob und inwieweit dennoch
auch andere Faktoren, wie die dem Prinzip der Vergegenwärtigung24 gegenläufige
‚historisierende‘ Darstellungsweise, ‚Detailrealismen‘25 sowie Funktionalisierungen
von Motiven im Dienst der Bildhandlung, neben der Orientierung an
geographisch entfernten Vorbildern den ‚Wirklichkeitsgehalt‘ und damit den
Dokumentationswert der Bilder beeinflusst haben, bleibt in dieser conclusio offen.
Grundsätzlich ist auffallend, dass Publikationen, die sich (auch) dem
Thema der Möbel auf Bildquellen widmen, vor allem auf Werke des Spätmittelalters
und der Renaissance konzentrieren. Belegt wird ein solches Vorgehen fast
immer mit der – unbestritten – höheren Dichte an dargestellten Objekten sowie
19 Kwastek, Camera 283.
20 Ebd. 285. Zum Begriff der „Schauöffnung“ siehe Anna Rohlfs-von Wittich, Das
Innenraumbild als Kriterium für die Bildwelt, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 18 (1955)
109-135, hier 113.
21 Kwastek, Camera 285.
22 Lüken, Verkündigung 277-311.
23 Ebd. 311f.
24 Vgl. Martin Feltes, Architektur und Landschaft als Orte christlicher Ikonographie. Eine
Untersuchung zur niederrheinischen Tafelmalerei des 15. Jahrhunderts. Diss. phil., Aachen,
1987, 219-225, und Achim Simon, Österreichische Tafelmalerei der Spätgotik. Der niederländische
Einfluß im 15. Jahrhundert. Berlin 2002, 126 f.
25 Vgl. Simon, Österreichische Tafelmalerei 135-167.
24
der bereits angesprochenen ‚naturalistischen‘ Darstellungsweise, die nach Meinung
vieler AutorInnen überhaupt erst Fragen und Untersuchungen zum Thema
Innenräume erlaubt. So begründet Sven Lüken beispielsweise die zeitliche Absteckung
seiner Untersuchung mit den Worten:
„Der Beginn des Untersuchungszeitraumes wird durch einen künstlerischen Stilwandel
markiert. Im Verlauf des zweiten Drittels des 15. Jahrhunderts wurde die
Stilrichtung der Internationalen Gotik durch eine stärker von der realistischen
Darstellungsweise geprägte Kunstrichtung abgelöst, die hauptsächlich von den
Niederlanden ausging. Diese neue Stilrichtung war um eine wirklichkeitsgetreue
Abbildung von Gegenständen, Räumen und Menschen bemüht, so daß seit dieser
Zeit auch wirklichkeitsgetreue Darstellungen von Innenräumen zu erwarten
sind.“26
Die nicht gänzlich unverständliche Fokussierung auf die Kunst nach dem Einsetzen
‚realistischer‘ Tendenzen im italienischen Trecento bzw. nördlich der Alpen
im 15. Jahrhundert führte allerdings auch zu einer Betrachtung der zuvor
entstandenen Innenraumdarstellungen ex negativo, wenn sie denn überhaupt in
den Blickpunkt rückten. Ähnliches gilt auch für den Raum als kunsthistorische
Kategorie. So konstatiert Cornelia Logemann:
„Die […] häufig genährte Fiktion einer realistischen Raumdarstellung der Frühen
Neuzeit ließ die mittelalterlichen Bildwelten im Gegenzug immer raumloser erscheinen
und führte in letzter Konsequenz dazu, daß das heuristische Potential des
Raumbegriffs praktisch ausschließlich für die Zeit ab Erfindung der Zentralperspektive,
für ihre Wegbereiter und Heroen nutzbar gemacht wurde“.27
Maßgeblich beteiligt an einer derart geführten Diskussion waren die Schriften
Erwin Panofskys, allen voran der Aufsatz Perspektive als „symbolische Form“28
und sein zweibändiges Werk Early Netherlandish Painting29. Um zu verdeutlichen,
warum es für meine Untersuchungen wichtig ist, diesen Diskurs unter die
Lupe zu nehmen, möchte ich ein Beispiel aus dem letztgenannten Werk herausgreifen.
Zu einer Verkündigung von 134430, die sich heute in der Pinacoteca
Nazionale in Siena befindet, bemerkt Panofsky, dass Ambrogio Lorenzetti in
diesem Bildwerk „ein grundlegendes Schema der Raumkonstruktion ein[führt],“
wofür er „in Ermangelung eines besseren Begriffs die Bezeichnung „impliziertes
Interieur“ vorschlagen möchte: Ohne die Andeutung einer Architektur wird
der Umstand, daß das Geschehen in einem Innenraum stattfindet, durch das einfache
Mittel verdeutlicht, die Figuren auf einen Fliesenfußboden statt auf Felsen
oder Gras zu stellen, wobei gerade das Fehlen seitlicher oder oberer Begrenzun-
26 Lüken, Verkündigung 12.
27 Cornelia Logemann, Heilige Ordnungen. Die Bild-Räume der „Vie de Saint Denis“ (1317)
und die französische Buchmalerei des 14. Jahrhunderts. Köln-Weimar-Wien 2009, 17.
28 Erwin Panofsky, Die Perspektive als „symbolische Form“, in: ders., Deutschsprachige Aufsätze,
hg. von Karen Michelis u. a. (Studien aus dem Warburg-Haus 1) Berlin 1998, Bd. 2,
664-757.
29 Erwin Panofsky, Early Netherlandish Painting. 2 Bde. Cambridge 1953.
30 http://www.wga.hu/art/l/lorenzet/ambrogio/9annunci.jpg, letzter Zugriff 15. 7. 2010.
25
gen den Eindruck der Unbegrenztheit vermittelt.“31 Dass sich Panofsky beim
Begriff „Interieur“ vielmehr auf die Beschaffenheit der Hülle des dargestellten
Innenraumes und nicht auf dessen Ausstattung bezieht, wird noch einmal deutlicher
in dem Abschnitt, in dem er über eine Illumination aus einer französischen
Übersetzung Boccaccios De mulieribus claris32 schreibt:
„Anscheinend genügte dieses Verfahren [gemeint ist die Verwandlung der Standlinie
in eine zurückfluchtende Bodenlinie, Anm. d. Verf.] weitgehend den räumlichen
Bedürfnissen des Meisters; es ist eines seiner Charakteristika, daß er wenig
Interesse an Architektur zeigt. Seine Interieurs – wie der Raum in dem Sappho
[…] zwei jungen Schülern und einem grauhaarigen Kollegen vorträgt – sind nur
impliziert, nämlich durch einen verkürzten Schachbretterboden angedeutet, der
jedoch aufgrund seiner beträchtlichen Tiefe einen wirkungsvollen Raumeindruck
erzeugt. Nur wo der Architektur eine bestimmte ikonographische Bedeutung zukommt,
macht sich der Meister von 1402 die Mühe, sie überhaupt darzustellen;
selbst dann aber wagt er sich nicht darüber hinaus, was ich „Puppenhaus“-Arrangement
genannt habe, bei dem das Innere und das Äußere des kleinen Gebäudes
gleichzeitig sichtbar ist.“33
Anhand dieser und ähnlicher Stellen im Panofsky’schen Schrifttum wird deutlich,
dass seine Analysen zur Kategorie Raum in der Kunstgeschichte wesentlich
durch eine – seinen Überlegungen (zumindest implizit) zugrunde liegende –
Raumkonzeption beeinflusst wurden, die vom Modell einer Behälter- oder
Containerauffassung ausgeht. Für das gesamte Mittelalter, vor allem aber für die
Zeit vor dem Aufkommen ‚mimetischer‘ Darstellungsmöglichkeiten in den visuellen
Medien, scheint eine Konfigurationsauffassung von Raum jedoch die
weitaus ertragreichere Perspektive zu bieten. Während bei der Containerauffassung
die Objekte vor allem auf ihre Lage im Behälter hin gedacht sind, ist eine
relative Vorstellung von Raum geprägt von der Lage der physikalischen Körper
im Verhältnis zueinander, also ihrer Konfiguration, denn: Ort kann immer nur
Ort von etwas sein, existiert aber nicht per se.34 (s. schematische Darstellung,
Abb. 4)
Im von Panofsky erwähnten Beispiel der französischen Buchmalerei
ermöglicht eine Analyse, die von einer Konfigurationsauffassung ausgeht, die
Strukturierung des Raumes durch das gestühlartige, weitgehend steinerne architektonische
Element, in dem Sappho untergebracht ist, wahrzunehmen und seine
Funktion zu erkennen, nämlich sie gegen die dargestellten Zuhörer bzw. Schüler
31 Zit. nach Erwin Panofsky, Die altniederländische Malerei. Übersetzt und herausgegeben
von Jochen Sander und Stephan Kemperdick. Bd. 1. Köln 22006, 26. Im Englischen Original
heißt der Begriff „interior by implication“. Panofsky, Early Netherlandish Painting, Bd.
1, 19.
32 Paris, BNF Ms. fran. 598, fol. 71v, Anfang 15. Jahrhundert. http://visualiseur.bnf.fr/
ConsulterElementNum?O=IFN-8100285&E=JPEG&Deb=51&Fin=51&Param=C – letzter
Zugriff 15. 7. 2010.
33 Panofsky, Altniederländische Malerei 54 (im Original: Panofsky, Netherlandish Painting
53).
34 Vgl. Petra Weiß, Raumrelationen und Objekt-Regionen. Psycholinguistische Überlegungen
zur Bildung lokalisationsspezifischer Teilräume. Wiesbaden 2005, 8 f.
26
abzugrenzen und von ihnen abzuheben – also eine hierarchische Ordnung herzustellen.
Abb. 4: Panofsky’s Raumkonzeption
Zudem kann erst dann, wenn die räumliche Wirkung eines Innenraumes nicht an
der Darstellung dessen Raumhülle gemessen wird, die plastische Qualität des
Figuren-Ausstattungskomplexes in den Blickpunkt genommen und gewürdigt
werden, auch wenn eine perspektivisch einheitliche Konstruktion nicht gegeben
ist.
Um die strukturierende Wirkung von Interieur und Ausstattungselementen
und deren Funktion noch genauer zu skizzieren, sei an dieser Stelle ein weiteres
Beispiel, die Geburt Christi, eine von vier erhaltenen Tafeln eines Augustineraltars
aus der Zeit um 1350/70 genannt, die sich heute im Angermuseum in Erfurt
befindet.35
Das gerüstartig aufgebaute, offenbar gänzlich zusammenhängende Ausstattungselement
übernimmt die Funktion, einerseits die Hauptszene zu strukturieren
und das von der Bibelstelle geforderte Accessoire, die Krippe, bereitzustellen
und andererseits von dem Ort der Präfigurationen abzuheben. Jedem
Protagonisten und jedem Handlungsort wird so ein klar definierter Raum zugewiesen:
Während die Baldachine, gleichsam als visuelle Klammern für die Aufnahme
von Maria mit dem Kind links und Joseph rechts fungieren, die gleichzeitig
Kanzeln für die Evangelisten Lukas und Johannes bilden, grenzt die ‚Bühne’
des Hauptgeschehens den Raum für die Weissagungen von Jesaja und König
David nach unten hin ab. Vergleicht man dieses Setting mit der Werktagsseite
des Genter Altars von 143236 so fallen, bei aller Unterschiedlichkeit in der Darstellungsweise,
Ähnlichkeiten im Aufbau und der Vermittlungsstrategie auf.
Hubert und Jan van Eyck erschaffen durch den – freilich unseren Sehgewohnheiten
stärker entsprechenden und detaillierter ausgestatteten – Verkündigungsraum
mit seinem Ausblick auf eine Stadt und dem Himmel, der sich in den Zwickeln
der Darstellungen der Sibyllen und der Propheten fortsetzt, auf den ersten
Blick den Eindruck eines mehrgeschossigen Hauses. Tatsächlich verfügt aber
nur die Darstellung der Verkündigung über einen zuordenbaren Innenraum,
35 Abb. 110 in: Franz Matthias Kammel, Kunst in Erfurt 1300–1360. Studien zu Skulptur und
Tafelmalerei. Berlin 2000, 341-344.
36 http://www.wga.hu/art/e/eyck_van/jan/09ghent/2closed.jpg, letzter Zugriff 15. 7. 2010.
Container-Auffassung Konfigurations-Auffassung
27
während die anderen ‚Figuren-Orte‘ keinen eindeutig benennbaren Raum wiedergeben:
eine Konstruktion, die der Etablierung verschiedener Realitätsebenen
entgegenkommt.37 Hier wie im zuvor vorgestellten 60 bis 80 Jahre jüngeren Augustineraltar
wird das – nicht der realen Erfahrungswelt entnehmbare – Verkündigungsgeschehen
inklusive der Präfigurationen dargestellt. Beim Beispiel des
Genter Altars haben die Maler aber in „raffinierter Weise von den neu entwickelten
mimetischen Möglichkeiten ihrer Kunst Gebrauch [gemacht], die es ihnen
erlauben, diese Themen in neuem Gewand darzustellen.“38
Die verbildlichte Ausstattung kann aber nicht nur mithelfen, ganze (gedachte)
Räume und ‚weit auseinanderliegende Realitäten‘ gegeneinander abzugrenzen,
sie kann auch – wie bereits anhand der lehrenden Sappho kurz angerissen
– maßgeblich daran beteiligt sein, Teilräume innerhalb eines Handlungsraumes
für eine oder mehrere Figuren abzustecken. Im Falle Mariens im Genter
Altar kommt hier auch noch das Moment der „Direktionalisierung“39 hinzu:
Durch die Anordnung des (nicht eindeutig als Pult oder Fensterbank erkennbaren)
Ausstattungsstücks, auf dem das Buch liegt, und durch die Haltung Mariens,
die sich bereits aus dem Konzept „kniend an einem Pult lesend“ gelöst
hat, ist in einer Art Momentaufnahme gleichzeitig das Wissen um eine bereits
stattgefunden habende Bewegung enthalten. Mit dem implizit vorhandenen Aufrichten
vom Betpult – in den meisten Fällen erfordert eine einseitig abgeschrägte
Buchauflagefläche eine konkrete Positionierung Mariens – und dem, der Bewegung
des Erzengels gegenläufigen nach hinten Wenden, ist ein Darstellungsmodus
geschaffen worden, der sich nach 1400 langsam durchsetzte und noch lange
großer Beliebtheit erfreute.40
Ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit einer Analyse sowohl der
Verknüpfung von Interieur und Narration – und damit Strukturierung und Funktion
– als auch dem vorsichtigen Umgang mit ‚aus dem Leben gegriffenen’ Ausstattungsstücken
auf Bildwerken des Spätmittelalters soll an dieser Stelle anhand
einer bestimmten Darstellungsvariante des Letzten Abendmahles vorgestellt
werden. Im abendländischen Kontext erfolgt die Einnahme dieses Mahles meist
an einem Tisch sitzend. Die horizontale Ebene des Tisches eröffnet zum einen
Raum für die Darstellung von Speisen, Getränken und – je nach Maßgabe – anderen
Elementen der Tischkultur. Zum anderen ist der Tisch aber auch ein Ausstattungselement,
das die Handlungsakteure im Raum strukturieren kann, d. h.
37 Zu den verschiedenen Realitätsebenen im Genter Altar, siehe: Michael Viktor Schwarz, On
the Construction of Reality and Imagery in Jan van Eyck and Woody Allen, in: Artibus et
Historiae 49 (2004) 19-31.
38 Bastian Eclercy, Von Mausefallen und Ofenschirmen. Zum Problem des „Disguised
Symbolism“ bei den frühen Niederländern, in: Stephan Kemperdick und Jochen Sander
(Hg.), Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden. Ausstellungskatalog des Städel
Museums, Frankfurt am Main. Ostfildern 2008, 132-147, hier 147.
39 Darunter versteht man die Beschreibung einer Ortsveränderung, die von einer eingenommenen
Position ausgehend erfolgt; vgl. Weiß, Raumrelationen 13.
40 Z. B. El Greco, Verkündigung an Maria, Szépmüvészeti Múzeum, um 1600/05. http:
//www.wga.hu/art/g/greco_el/11/1106grec.jpg, letzter Zugriff 15. 7. 2010.
28
sie in örtliche Nähe oder Distanz bringen bzw. hierarchisch nach einer vorherrschenden
kulturhistorischen Ordnung zu gruppieren im Stande ist. Die Figur des
Judas kann neben vielen anderen Merkmalen, wie der roten Haartracht, der gelben
Kleidung, dem Geldbeutel mit den Silberlingen sowie dem fehlenden oder
schwarzen Nimbus41, die ebenfalls in anderen Szenen – so beispielsweise im
Verrat im Garten Gethsemane – eingesetzt werden, auch durch ihre Isolierung
vom restlichen Personal der Handlung abgesetzt sein.42
Abb. 5: Letztes Abendmahl, Fresko. Naturns, Filialkirche St. Prokulus, Anf. 15. Jh.
In einem Südtiroler Fresko aus dem frühen 15. Jahrhundert (Abb. 5) ist Christus
gerade im Begriff die so genannte Judaskommunion43 zu spenden. Die beiden
Akteure des dargestellten Erzählmoments sitzen einander gegenüber. Der Tisch
zwischen ihnen fungiert als Aktionsraum, aber auch als Distanz und Opposition
schaffendes Moment. Rechts und links von Judas sitzen – allerdings nicht direkt
im Anschluss – zwei Apostel. Auf den ersten Blick nimmt die/der BetrachterIn
die Lücke zwischen dem Verräter und den übrigen Jüngern wahr und Letztere
können gemeinsam mit Christus als u-förmig geschlossene Einheit perzipiert
werden.
41 Ruth Mellinkoff, Outcasts. Signs of Otherness in Northern European Art of the Late Middle
Ages. Berkley-Los Angeles-Oxford 1993, Bd. 1, 51 f., 71 f., 133-135 und 150-154, Überblick
zur Literatur zur Judas-Ikonographie ebd. 256, Anm. 110; siehe auch Art. Judas Ischariot,
in: Lexikon der christlichen Ikonographie 2. Rom-Freiburg-Basel-Wien 1970, Sp. 444-
448.
42 Seit dem 15. Jahrhundert treten die Motive zur Charakterisierung vermehrt geballt auf; vgl.
Peter Dinzelbacher, Judastraditionen. Wien 1977, 35. Aufgrund der im Mittelpunkt stehenden
Frage nach den Strukturen und Funktionen der Ausstattungsstücke wird in weiterer
Folge nicht überall auf diese einzelnen Motive eingegangen, ohne damit ihre indizierende
Qualität leugnen zu wollen.
43 Zum Begriff und zur Darstellungskonvention siehe Gertrud Schiller, Ikonographie der
christlichen Kunst 2: Die Passion Jesu Christi. Gütersloh 1968, 41, und Barbara Welzel,
Abendmahlsaltäre vor der Reformation. Berlin 1991, 39, 40 und 43.
29
In einer anderen Abendmahlsdarstellung, die sich auf dem Churburger
Passionsdiptychon vom Anfang des 15. Jahrhunderts44 (Abb. 6) erhalten hat, ist
die Zusammengehörigkeit der Apostel und Christus durch eine nahezu geschlossene,
runde Bank, die den ebenfalls runden Tisch umläuft, erzielt.
Bereits seit dem 12. Jahrhundert anzutreffen,45 erfreute sich vor allem im 14.
Jahrhundert eine Bildtradition großer Beliebtheit, die diese Trennung des Judas
von der übrigen Abendmahlsgruppe noch radikaler umsetzt.46 Wie beispiels-
44 Leo Andergassen, Das Churburger Passionsdiptychion, in: Martina Giovanni u. a., Vogt
Gaudenz von Matsch. Ein Tiroler Adeliger zwischen Mittelalter und Neuzeit (Veröffentlichungen
des Südtiroler Kulturinstituts 3) Bozen 2004, 131-158.
45 Z. B. Letztes Abendmahl. Andreaskästchen (Vorderseite). Siegburg, St. Servatius, um
1180–1230; Nikolaus von Verdun, Letztes Abendmahl. Grubenschmelz, vergoldet. Stift
Klosterneuburg, 1181.
46 Weitere Beispiele: Federzeichnung in der Biblia Pauperum. St. Florian, Stiftsbibliothek,
cod. III 207, fol. 5r, um 1310; kolorierte Federzeichnung in der Concordantiae caritatis. Lilienfeld,
Stiftsbibliothek, cod. 151, fol. 72v, 1349–1351; kolorierte Federzeichnung in der
Biblia Pauperum. Wien, ÖNB, cod. 1198, fol. 5r, um 1330; Passionszyklus. Wandmalerei.
Waltensburg, Reformierte Kirche, um 1330; Corpus Christi-Altar. Tafelmalerei. Bad Doberan,
Zisterzienserkloster, um 1320; Netzer Altar. Flügelaltar. Netze, Klosterkirche, um
1370; Meister Bertram von Minden, sog. Pariser Tafeln. Paris, Musée des Arts décoratifs,
um 1380/90; Mittelfenster im Chor, Mühlhausen in Thüringen, Pfarrkirche St. Blasius, um
1330.
Abb. 6: Churburger Passionsdiptychon, Letztes Abendmahl, Tempera auf Holz.
Churburg, Gem. Schluderns, Anf. 15. Jh.
30
weise in einer Darstellung im Speculum humanae salvationis aus dem dritten
Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts (Abb. 7),47 wird dabei der Abendmahlstisch als
regelrechte Grenze zwischen den ‚Christustreuen’ und dem Verräter eingesetzt.
Abb. 7: Letztes Abendmahl. Kolorierte Federzeichnung aus einem Speculum humanae Salvationes,
Südwestdeutschland oder Österreich. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, cod.
ser. nova 2612, fol. 18v (Detail), 1330er Jahre
Neben dieser horizontalen Bildaufteilung in Gut und Böse, wird die subalterne
Stellung des Judas dadurch verstärkt, dass dieser auf dem Boden sitzend dargestellt
ist und er kaum zum Tisch hinaufzureichen scheint. Eine andere sehr
ähnliche Variante unterscheidet sich nur darin, dass Judas nun auf einem
Schemel platziert ist. Auch für diese Bildtradition haben sich bereits Beispiele
seit dem 11. Jahrhundert erhalten.48 Im Perikopenbuch aus St. Nikola in Passau
von 1170/80 findet sich ebenfalls eine derartige Illumination.49 Judas sitzt hier
auf einem offenbar sogar gepolsterten Schemel, seine Füße ruhen auf einem
kleinen Fußschemel. Diese Form der Judasisolierung basiert also, neben der
47 Gerhard Schmidt (Hg.), Mitteleuropäische Schulen 1 (ca. 1250–1350) (Die illuminierten
Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Nationalbibliothek 10) Wien 1997, 293-
302.
48 Z. B.: Salzburgisch (?), Illumination aus einem Lektionar. New York, Pierpont Morgan
Library, G.44, fol. 80r.
49 Peter von Baldass u. a., Romanische Kunst in Österreich. Wien 1962, Abb. 53.
31
Zuweisung des Sonderplatzes vor der Tafel,50 durch die Positionierung auf
einem Möbelstück, das an sich nur einer Person Platz gewährt.
Eine mittelrheinische, kolorierte Federzeichnung von 1420/3051 zeigt eine
Strukturierung der Figuren, wie wir sie vom Churburger Passionsdiptychon her
kennen. In der Mittelachse, deutlich durch Größe und Kreuznimbus hervorgehoben,
befindet sich Christus; an seiner Brust lehnt der Lieblingsjünger Johannes.
Die Apostel haben sich dicht gedrängt um einen runden Tisch versammelt. Ob
die Sitzgelegenheit tatsächlich eine runde Bank meint, wie der Vergleich nahe
legen könnte, ist ungewiss. Zu sehen ist nur jeweils eine Seitenwange, die
schlüssellochförmige Aussparungen und rechts eine mit kleinen Dreiecken angedeutete
Schnitzdekoration aufweist. Judas dagegen ist etwas abgesetzt von
den anderen Jüngern auf einem Schemel platziert, dessen seitliche Bretter mit
einfachen Flachbogenausschnitten versehen sind.
50 Darauf, dass eine derartige Anordnung auch in Passionsspielen eingenommen wurde, weist
eine ,Regieanweisung‘ des Donaueschinger Passionsspiels, das um 1480 (?) entstanden ist,
hin: Nu stat der saluator vff mit denn | iungern vnd gat zů tisch vnd den | loufft iudas vnd
bringt ein brates | lembly oder gitzi und stelt das für | in das gesegnet der saluator vnd |
Sitzt iudas ze vnderst an tisch iohan | nes vf der rechten sitten des | saluators vnd petrus vff
der lingken […] (meine Hervorhebung). Zitiert nach: Anthonius H. Touber, Das
Donaueschinger Passionsspiel. Stuttgart 1985, 137.
51 http://diglit.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg432/0049?sid=c795ed6de71bbf72d8477cccc297
d22c, letzter Zugriff 7. 7. 2010.
Abb. 8: Letztes Abendmahl. Glasmalereifenster an der Nordseite.
Viktring, ehem. Stiftskirche, um 1390–1400
32
Dass man es hier mit einer bildkünstlerischen Verwendung von Interieur, nämlich
dem Kontrast zwischen der mehrere Figuren aufnehmenden Bank und einem
„Einsitz“ zu tun hat, verdeutlicht auch die Abendmahlsdarstellung einer
Glasmalerei in der ehemaligen Stiftskirche von Viktring, die ins letzte Jahrzehnt
des 14. Jahrhunderts datiert52 wird (Abb. 8).
In anderen aus ungefähr derselben Zeit stammenden Werken, wie der
Glasmalerei in St. Erhard in der Breitenau und einer Illumination im so genannten
Rationale Durandi,53 wird das Abendmahl ebenfalls an einer querrechteckigen
Tafel abgehalten, und auch hier sitzt Judas als einziger an der Vorderseite
des Tisches auf der diesen umlaufenden Eckbank. Auf seine Abgrenzung von
den Aposteln weist neben dieser Positionierung einmal mehr die frei bleibende
Sitzfläche, also der Abstand zu den Anderen hin. In Viktring aber, wo sich die
Szene – und damit auch der Tisch – über zwei Scheiben erstreckt, empfängt Judas
auf einem einfachen vierbeinigen Schemel die Kommunion.
52 Günter Brucher (Hg.), Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 2: Gotik, München-
London-New York 2000, 429.
53 Glasfenster, Nordseite. Breitenau am Hochlantsch, St. Erhard, um 1386–1395, abgebildet
bei Ernst Bacher, Die mittelalterlichen Glasgemälde in der Steiermark 1. Wien-Köln-Graz
1979, XXXIX, Abb. 34; Rationale divinorum officiorum. Wien, ÖNB, cod. 2765, fol. 57v,
um 1385/95, siehe Bildnr. 006197C auf http://www.imareal.oeaw.ac.at/realonline/, letzter
Zugriff 7. 7. 2010.
Abb. 9: Meister des Wiener Schottenaltares,
Letztes Abendmahl, Tempera auf Holz.
Wien, Schottenstift. 1469/80
Abb. 10: Meister von Pulkau, Letztes
Abendmahl (Detail), Tempera auf Holz.
Pulkau, Filialkirche zum Heiligen Blut,
um 1510–1515
33
Wenn man im Wissen um diese Darstellungsvarianten zwei weitere Tafeln aus
dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, die vom Letzten Abendmahl handeln,
auf die Strukturierung und Funktion der Ausstattung hin analysiert, werden
Zusammenhänge trotz der gänzlich neuen, ‚realistischen‘ Malweise augenfällig:
Auch wenn der Innenraum auf der Tafel des Wiener Schottenaltars (Abb. 9) bereits
so wiedergegeben ist, als wäre die/der BetrachterIn auch in den Raum miteingetreten,
und die Szene mit zeitgenössisch gewandetem Speisenaufträger und
Mundschenk sowie durch die detaillierte Wiedergabe einzelner Realien der
Tischkultur – wie beispielsweise dem minuziös bildlich umgesetzten Muster des
Tischtuchs – bereichert ist, wurde dennoch die überkommene Funktion des
Schemels als Judas von den anderen separierendes, vereinzelndes Bildmotiv zur
Anwendung gebracht.54
Ähnlich verhält es sich in einem Werk der Donauschule, dem Pulkauer
Altar (Abb. 10). Das Abendmahl, das auf den geschlossenen Flügeln der Predella
des Altares zu sehen ist, wird hier an einem schräg in den Raum gestellten
Tisch abgehalten. Judas, deutlich erkennbar durch die gelblich-orange Kleidung,
die rote Haartracht und den am Rücken hängenden Beutel,55 sitzt am unteren
Ende der Tafel auf einem einfachen dreibeinigen Hocker, während die anderen
Jünger auf einer mit einer üppigen roten Auflage ausgestatteten Bank Platz genommen
haben.
***
Mit den wenigen, genannten Beispielen sollte gezeigt werden, dass bei Untersuchungen
zu mittelalterlichen Bildwerken die ihnen eigene hybride Natur von
Tradition und Innovation grundlegend zu berücksichtigen ist.56 Nicht überall tritt
diese jedoch so offen zu Tage wie auf einer Tafel, die dem Umkreis des Meisters
des Tucher Altars zugeschrieben wird (Abb. 11).
Während alle anderen Jünger am Tisch Platz genommen haben, ist Judas
im Bildvordergrund im Begriff auf dem Boden kniend die Kommunion aus der
Hand Christi zu empfangen. Neben dieser exponierten Positionierung und den
anderen auf den Verrat hinweisenden Elementen, übernimmt auch die kreisbogensegmentförmige
Bank ihren Anteil an der Inhaltsvermittlung. Wie in der
54 Artur Saliger, Der Wiener Schottenmeister. München-Berlin-London-New York 2005, 103
erkennt bereits diesen Umstand, ohne auf eine existierende Bildtradition hinzuweisen.
55 Die exponierte Positionierung und die ihn deutlich als Verräter kennzeichnenden
Charakteristika müssen an diesem Altar freilich auch in Zusammenhang mit dem damit korrespondierenden
antisemitischen Thema des Hostienfrevels, der auf den Standflügeln der
Predella dargestellt ist, gesehen werden. Die Parallelen in der Farbgebung von Judas und
dem Juden, der gerade im Begriff ist, die Hostie mit einem Dolch zu durchbohren (links)
bzw. zu verstecken (rechts), ist sicher beabsichtigt; siehe Bildnr. 011263 und 011266 auf
http://www.imareal.oeaw.ac.at/realonline, letzter Zugriff 7. 7. 2010. Vgl. dazu Mitchell B.
Merback, Fount of Mercy, City of Blood: Cultic Anti-Judaism and the Pulkau Passion Altarpiece,
in: The Art Bulletin 87 (2005) 589-642, hier 604 f.
56 Eclercy, Mausefallen und Ofenschirme 147.
34
oben genannten Darstellung aus dem Speculum humanae Salvationes (Abb. 7),
wo der Tisch als zusätzliche Abgrenzung zu Judas hin fungiert, weist auch hier
die Bank dem Verräter einen eigenen Ort zu. Auch wenn die Tischform nicht
eindeutig identifizierbar ist, kann anhand der Apostel in Rückenansicht geschlossen
werden, dass diese Bank nicht auf den Tisch, sondern auf den vor ihr
Knienden hin konzipiert ist – und wohl kaum jemand wird annehmen, dass diese
‚Judasexklusionsbank‘ so aufgestellt in der Erfahrungswelt des Künstlers vorkam.
Dagegen verdeutlicht das Beispiel m. E. anschaulich, wie Möbel im
Dienste der Bildhandlung funktionalisiert wurden; wie sehr sie an der Strukturierung
des Geschehens teilhaben können.
Abb. 11: Letztes Abendmahl, Tafelmalerei. Langenzenn, Evangelische Friedhofskirche,
spätes 15. Jahrhundert
35
Das hier vorgestellte Projekt macht es sich zur Aufgabe, die bis dato stiefmütterlich
behandelten dargestellten Möbel als Analysekategorie in der Erforschung
der Konstruktion mittelalterlicher Erzähl-Räume und ihrer konfigurierten
Zusammensetzung in Anspruch zu nehmen. Dazu verorten breit angelegte
Fallstudien einerseits einzelne Möbelstücke in einem Bilddiskurs, der verschiedene
Kontexte, Kunstgattungen sowie einen Entstehungszeitraum, der die
hochmittelalterlichen Bildtraditionen inkludiert, umfasst. Andererseits wird das
Mobiliar einzelner Figuren analysiert, um figurspezifische oder soziale Referenzen
dokumentieren zu können. Ziel des Projekts ist eine quellenkritische Erhebung
der Funktion(en) der Möbel auf mittelalterlichen Darstellungen, die es in
weiterer Folge ermöglichen soll, sie in interdisziplinäre Forschungen zu Raum
und Wohnen im Mittelalter adäquat einzubinden.
© Die Bildrechte aller verwendeten Abbildungen liegen beim Institut für Realienkunde des
Mittelalters und der frühen Neuzeit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
M E D I U M A E V U M
Q U O T I D I A N U M
60
KREMS 2010
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramèr
ISSN 1029-0737
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ……………………………………………………..…………….…… 4
Kristina Potuckova, Female Messages from the High Altar ..………….……… 5
Isabella Nicka ‚Möbel‘ als Analysekategorie der mittelalterlichen Bildwelt.
Strukturierendes und funktionalisiertes Interieur
in konfigurierten Innenraumdarstellungen …………………………….. 17
Romedio Schmitz-Esser, Prudentia in a Classroom?
A Late-Medieval Mirror as Revealing Object
in a Miniature from London, BL Harley MS 3828 ………………….… 36
Buchbesprechungen ………………………………………………………..….. 46
Anschriften der Autoren ………………………………………………………. 59
4
Vorwort
Das vorliegende Heft von Medium Aevum Quotidianum beschäftigt sich vorrangig
mit der Untersuchung und Analyse von verschiedenen Bereichen spätmittelalterlicher
bildlicher Überlieferung und ihrer Bedeutungsmuster. Die Beiträge
von Kristina Potuckova und Isabella Nicka sind die für den Druck überarbeiteten
Vorträge der Autorinnen, welche sie am 45. International Medieval Congress
in Kalamazoo/Michigan im Mai 2010 in der Sektion „Intention and Response:
Late Medieval Images and Public Space“ gehalten haben.1 Beide Aufsätze zeigen
in beeindruckender Weise, wie stark Alltag und materielle Kultur einerseits
mit religiösen, andererseits sozialen und geschlechtsspezifischen Komponenten
des mittelalterlichen Lebens verbunden waren. Sie vermitteln darüber hinaus,
wie wichtig sich die Analyse der ‚Zeichensprache‘ von Bildinhalten des Zeitraums
für ein besseres Verständnis der Wirkung visueller Botschaften darstellt.
Der Beitrag von Romedio Schmitz-Esser widmet sich der Neuinterpretation
einer flämischen Miniatur aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, die bis dato
als die Wiedergabe eines Schulraumes für den Unterricht von Mädchen gedeutet
worden war. Mit Hilfe des Herausarbeitens und einer Analyse der allegorischen
und realistischen Bildelemente gelingt ihm ein wichtiger neuer Vorschlag zur
Sinngebung der Darstellung.
Gerhard Jaritz
1 Die Sektion wurde vom Department of Medieval Studies von Central European University
(Budapest) und dem Consortium for Medieval and Early Modern Studies (Claremont,
Kalifornien) organisiert. Die Vortragstitel waren: Kristina Potuckova, Female Messages
from the High Altar (Central Europe, Fifteenth and Sixteenth Centuries); Isabella Nicka,
Saintly Distance and Domestic Proximity: The Sign Language of Furniture in Late
Medieval Art.

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