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MEMO-Sonderband

Kongress Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Kurzfassungen der Referate

MEDIUM AEVUM
QUOTIDIANUM
20
KREMS 1990
Gedruckt mit Unterstützung der Kulturabteilung
des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung
Herausgeb<.r: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft &ur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Körnermarlet 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für den Inhalt verantwortlich
&eichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruclc,
auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druclc: Copytu Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße
8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Kongreß Kommunikation und Alltag in Spätmittelalter und früher Neuzeit.
Kurzfassungen der Referate
J anos M. Bak:
Symbolik und Kommunikation im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . · 8
Geert Berings:
Transport and Communication in Medieval Society 1 0
Philippe Bra unstein:
La communication dans le monde du travail a la fin du Moyen Age 12
Harald Witthöft:
Maß und Gewicht im 13. bis 16. Jahrhundert
und das Problem der Kommunikation
Jens Christian Johansen:
Aspects of Communication between Courts of Justice
13
aud Its lufluence o n Early Modern Man . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Robert Jütte:
Sprachliches Handeln und kommunikative Situation. Der Diskurs
zwischen Obrigkeit und Untertanen am Beginn der Neuzeit . . . . . . . . . . . 17
Robert Scribner:
Oral Communication and the Strategies of Power
in Sixteenth Century Germany . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Lyndal Roper:
Tokens of Affection: Communication and Courtship
in Sixteenth Century Germany . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Albert Müller:
Mobilität, Kommunikation, Interaktion: Sozial- und alltagsgeschichtliche
Bemerkungen am Beispiel des spätmittelalterlichen Österreichs 22
Ulrich Knefelkamp:
Der Reiz der Fremden in Mittelalter und früher Neuzeit.
Über Neugier und Wissen europäischer Reisender 27
3
Gerhard J aritz:
Fremde Namen – Namen des Fremden 29
Staale Sinding-Larsen:
Medieval Images as a Medium of Ritualized Communication 31
Elisabeth Vavra:
Neue Medien – neue Inhalte. Zur Entwicklung
der Druckgraphik im 15. und frühen 16. Jahrhundert 34
Jan-Dirk Müller:
Zwischen mündlicher Anweisung und schriftlicher Sicherung von Tradition.
Zur Kommunikationsstruktur spätmittelalterlicher Fechtbücher 35
Heinz-Dieter Heimann:
Brievedregher: Kommunikations- und alltagsgeschichtliche Zugänge
zur vormodernen „Post“- und Dienstleistungskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Heiko Steuer:
‚Objektwanderung‘ als Quelle der Kommunikation.
Möglichkeiten der Archäologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Evalds Mugurevics:
Aspekte der Kulturkommunikation anhand archäologischer FUnde
im baltischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Weitere Referate (keine Kurzfassungen eingetroffen) 43
Julian G. Plante:
Manuscript Sources on Microfilm in North America:
The Hill Monastic Manuscript Library . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Wolfgang Urban:
DDR-Arbeitskreis für Alltagsgeschichte gegründet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Manfred Ttipps:
Internationale Gotik in Mitteleuropa. Bericht über das
Symposium 1989 der Sommerakademie Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
Rezensionen
Ankündigungen
4
61
70
Vorwort
Medium Aevum Quotidianum fungiert auch im Jahre 1990 zusammen mit dem
Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit der Österreichischen
Akademie der Wiuenschaften als Veranstalter eines internationalen
Kongresses, der sich diesmal mit der Thematik „Kommunikation und Alltag
in Spätmittelalter und früher Neuzeit“ auseinandersetzt. Band 20 unseres Publikationsorganes
ist daher wieder vorrangig der Veröffentlichung von Kurzfassungen
der Referate gewidmet. Wir danken der Mehrzahl der Referenten, daß
sie auf Grund der rechtzeitigen Ablieferung der Abstracts das termingerechte
und aktuelle Erscheinen dieser Ausgabe ermöglicht haben. Die Publikation des
Kongreßbandes ist wieder in den Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde
des Mittelalters und der frühen Neuzeit vorgesehen und für Anfang 1992
zu erwarten.
Der oben genannte Kongreß widmet sich einem Thema, das sich in den historischen
Wissenschaften vor allem in den letzten Jahren vermehrten Interesses
erfreut und von vielen verschiedenen Disziplinen mit besonderer Betonung einer
nötigen interdisziplinären Sichtweise behandelt wird. Ziel der Tagung ist zu
diskutieren, in welcher Art und Weise der breite Bereich von Kommunikation
Einflüsse auf die Gestaltung des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Alltags ausübt bzw. in welcher Form Kommunikation selbst als integrativer
Bestandteil von Alltag angesehen werden kann. Dies wird sowohl aus dem
Blickpunkt verbaler als auch nonverbaler Kommunikation zu sehen sein. Die
Fragen von Austausch und Gegenseitigkeit, von Innovation und Fortschritt sowie
der unterschiedlichen Bewertung des Phänomens der Kommunikation an
sich werden eine entscheidende Rolle spielen.
Neben den Kurzfassungen der Kongreßreferate bietet das vorliegende Heft
wieder eine Reihe von Berichten, vor allem jedoch eine Auseinandersetzung mit
dem neuestenStand der Aufnahmetätigkeit der Hili Monastic Microfilm Library
an der St. Johns University (Collegeville, Minnesota) durch ihren Leiter
Julian G. Plante. Da die vielseitigen Möglichkeiten, welche die Benützung
jener Institution den Mediävisten verschiedenster Schwerpunkte bieten kann,
nicht nur für die amerikanische Forschung von außerordentlicher Bedeutung
erscheinen, sind wir über die Präsentation dieses Überblicks besonders erfreut
und danken dem Autor herzlich.
Gleichzeitig mit dem Erscheinen von Heft 20 von Medium Aevum Quotidianum
erfolgt die Publikation und der Versand des bereits angekündigten
5
Sonderbandes I unserer Reihe. Dabei handelt es sich um eine überarbeitete
Züricher Dissertation von Maria Elisabeth Wiltmer-Butsch zum Thema „Zur
Bedeutung von Schlaf und Traum im Mittelalter“. Wir freuen uns, den Mitgliedern
von Medium Aevum Quotidianum diese zusätzliche Leistung bieten
zu können. Wir hoffen, in unregelmäßigen Abständen weitere Sonderbände
publizieren zu können und damit auch umfangreichere Studien zu Alltag und
materieller Kultur des Mittelalters einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu
machen.
Für das Jahr 1990 ist das Erscheinen von zwei weiteren Heften unserer
Reihe vorgesehen. Heft 21 (Erscheinungstermin Anfang November) wird unter
der Autorschaft von Ingrid Matschinegg und Albert Müller (beide Wien)
die bereits angekündigte Auswahlbibliographie zu Migration und horizontaler
Mobilität des Mittelalters enthalten, Heft 22 wird gleichzeitig als Band der
Halbgrauen Reihe für hiJtori&che Fachinformatik (herausgegeben durch Manfred
Thaller, Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen) publiziert werden
und widmet sich der computerunterstützten Analyse mittelalterlicher Bildquellen
( Autor: Gerhard Jaritz, Erscheinungstermin Dezember). Für das Jahr
1991 ist das Erscheinen des bereits angekündigten Sammelheftes zur Erforschung
von Alltag und materieller Kultur des Mittelalters in Ungarn vorgesehen,
der ebenfalls schon angekündigten Auswahlbibliographie zum mittelalterlichen
Kleidungswesen, einer Auswahlbibliographie zur Erforschung von Alltag
und materieller Kultur des Mittelalters in Polen sowie einer weiteren Bibliographie,
die sich dem Themenbereich von Migration und Reisen in Byzanz widmen
wird. Ferner wurden Verhandlungen mit estnischen Forschern aufgenommen,
so daß wir hoffen können, Ende 1991 oder Anfang 1992 ein Sonderheft zur
Forschungssituation in Estland zu publizieren. Schließlich besteht wieder die
Absicht, für unseren Forschungsbereich relevante Beiträge des nächstjährigen
Medieval Congreu in Kalamazoo (Michigan) zu übernehmen.
Gerhard Jaritz, Herausgeber
6
‚KOMMUNIKATION UND ALLTAG
IN SPÄTMITTELALTER UND F RÜHER NEUZEIT‘
Kongreß
veranstaltet vom
Institut für Realienkunde des Mittelalters
und der frühen Neuzeit
der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften
und von
Medium Aevum Quotidianum
Krems, 9. bis 12. Oktober 1990
Kurzfassungen der Referate
Symbolik und Komnnmikation im Mittelalter
JANOS M. BAK (VANCOUVER)
Daß Gesten, Bilder, Zeichen – also Symbole im weitesten Sinne – in schriftlosen
Gesellschaften eine zentrale Rolle spielen, ist Gemeinplatz. Das europäische
Mittelalter kann allerdings kaum als ’schriftlose Welt‘ gelten, da wir ja, trotz der
immensen Verluste derselben, eine überwältigende Menge von Schriftzeugnissen
besitzen. Doch in bezug auf das Allta.gsleben, ja. auch da.s Festtagserlebnis
der ‚gemeinen‘ Leute, ist diese Bezeichnung nicht unbegründet. Der obige Satz
könnte also für da.s Mittelalter folgendermaßen abgewandelt werden: Während
ein Teil der Eliten unter sich und auch die große Mehrzahl der einfachen Leute
schriftlich bzw. mündlich eine – nennen wir es so – ‚direkte‘ Kommunikation
pflegten, wurde der sozial, politisch und geistig relevante Kontakt unter
manchen Teilen der (illiteraten) Elite und zwischen Elite und Volk weitgehend
durch symbolträchtige Worte, Bilder, Gesten, Objekte usw. bewerkstelligt.
In den meisten Fällen handelte es sich nicht bloß um eine ‚Verlegenheitslösung‘
( d. h. Symbolik wird angewandt, um Kommunikationsschwierigkeiten
zu überwinden), sondern um Fälle, in denen die symbolische Kommunikation
im ‚Kürzel‘ ausgedehnte Sinngehalte zu vermitteln hatte, die aus
zeitlichen, räumlichen, ja auch perzeptioneilen Gründen in keiner anderen Form
hätten übermittelt werden können. Zum Beispiel wäre es weder durch geschriebene
‚Transparente‘ noch durch gesprochene Worte möglich gewesen, all das
für die vielen Teilnehmer und Zuschauer verständlich auszudrücken, was eine
kirchliche Gemeindefahne mit dem Bild des heiligen Patrons, unter Umständen
in Verbindung mit einem bildliehen Hinweis auf ein lokales Wunder oder eine
V ision – der Gemeinde vorangetragen (von wem getragen, wann, von woher,
wohin?) – mitteilen konnte: Gemeinschaft, heiligen Schutz, Hierachie in der
Gemeinde, geheiligte Stätten, Herkommen des Zuges (etwa ‚Wallfahrt‘) usw.
Durch die Symbolik im Kontext konnte all dies nicht nur ‚mitgeteilt‘, sondern
sowohl nach außen gezeigt als auch nach innen zur Stärkung der Zusammengehörigkeit
dargelegt werden.
Während Symbolik im Bereich der Herrschaft (Herrschaftszeichen, Königsund
Ka.iserritual) oft und ausführlich untersucht wurde, hat man auch in diesem
Bereich selten danach gefragt, wie diese Symbolik kommuniziert wurde.
Für die Legitimation der Herrschaft ist es aber vorrangig, daß die Inhalte der
Herrschaftssymbolik ‚a.n den (gemeinen) Mann [die (gemeine) Frau) gebracht‘
8
werden. Noch mehr muß nach dem Kommunikationsmodus und -weg bei Symbolen
von Gemeinschaften und bei der vielfältigen Rechtssymbolik gefragt werden.
Ein ganzes Feld für sich ist die religiöse Symbolik, über die wir allerdings
doch einiges betreffend ihrer Kommunikationsfunktion wiss.en: Man denke nur
an die berühmten Worte Papst Gregors des Großen über die „Bibel der Analphabeten“
und ähnliches mehr.
Beim heutigen Stand der Forschung kann man wenige Antworten auf diese
wichtigen Fragen geben. Die Fragen sollen aber zumindest gestellt und auf ihre
Erforschbarkeit geprüft sowie die Umrisse möglicher Antworten anhand einiger
Beispiele diskutiert werden.
9
Transport and Communication in Medieval Society
GEERT HERINGS (BRUSSELS)
When we study the communication system of a society we are penetrating
one of the basic elements of this society’s Organisation, namely its spacial or
horizontal structure. In a period in which every form of communication in
distance requires a physical movement of at least one person, communication
and transportation are closely linked.
This was the case in the Middle Ages. We want to find out how transportation
and communication were related to each other in this period of history.
The traditional picture of the Middle Ages is one of a period of great mobility.
This picture is mainly created by itinerant sovereigns, travelling clergy, pilgrims,
students and other people travelling on the medieval roads. A striking
nurober of publications about travels and transport in the Middle Ages have
appeared during the last decades.
Many of these publications deal with infrastructure and means of transportation.
One of the central themes is the discussion on continuity and discontinuity
of the Roman road network and the creation of an original medieval
road system. A lot of attention is also paid to the evolution of means of transport
(among others, the growing and more efficient use of horses, the technical
improvements of waggons). On the basis of this studies we are trying to get a
view on the material possibilities and mainly on the material limits of transport
and communication in medieval society.
Who were the travellers, or the bearers of communication in this material
framework? The majority of authors stick to the forementioned types of
travellers and of those, long-distance travellers receive most of their attention.
Pilgrims to Santiaga de Compostela, Rome and Jerusalem mostly serve as a
model for the medieval mobility. But how do these super-travellers fit in the
context of medieval communication? A nurober of recent studies on medieval
pilgrimage, the outstanding symbol of medieval mobility, are relevant for this
issue. From collections of miracle stories we know tha.t the majority of pilgrims
lived in a region less than one day-trip away from the place of pilgrimage. Even
in the most renowned places of pilgrimage, the long-distance travellers formed
a small, but not to be neglected minority. In the studies on urban immigration
in the late Middle Ages, though a totally different field, we find similar
data. Here, too, the largest part of the immigrating population originated
10
from the regions around the cities. These and other forms of regional mobility
undoubtedly played an important role in the medieval communication system.
Regional mobility is the subject of a study we have been working on for
the last few years. The study deals with the County of Flanders between the
10th and the 12th century. This early period might cause some surprise. We
thought it interesting to study the regional mobility and communication in the
precommercial era, because trade was then not yet developed to such an extent
that it would be a dominating factor of traffic. The !arger part of the recorded
forms of mobility in that period were to be found outside the economic field
and they seem to have developed quite independently.
The County of Flanders is for this period sufficiently documented to allow
significant research. The first part of our study consisted of the making of
an inventory of the place names in travel-context, based on the complete but
strongly diversified supply of narrative sources. A critical evaluation of this
material allows us to acquire insight into the regional mobility in the County of
Flanders. Who went where, and how often? What were the poles of attraction
for this scene of communication and how strongly was communication channeled
to these centres? Was the communication scene hierarchically organized?
In anticipation of the final results of this study we are offering tentative results
based on specific random checks of the material.
11
La communicat ion dans le monde du travail
a la fin du Moyen Age
PHILIPPE BRAUNSTEIN (PARIS)
C’est moins la rapidite de circulation de l’information que les canaux par lesquels
eile s’opere qui dotent les acteurs sociaux qui en beneficient d’un avantage
decisif.
Sur le plan de l’histoire du travail, trois axes peuvent etre explores:
– La tran􀃛mi􀃛􀃛ion du 􀃛avoir: il s’agit des modalites de l’apprentissage d’un
metier et des vecteurs sociaux par lesquels s’opere Ia formation; Ia longue
accumulation d’un savoir finalise est susceptible de structurer des espaces
et des groupes.
– La tran􀃛mi􀃛􀃛ion de& nouvelle􀃛, particulierement Ia transmission et Ia diffusion
de l’innovation: position sociale des diffuseurs, modalites de Ia diffusion,
inscription des propositions neuves dans un savoir et un savoirfaire
constitue, avec !es problemes de justaposition technique, et ceux de
l’econciation et de Ia description qui sont lies a Ia presentation des nouveautes.
– Le fonctionnement de􀃛 re􀃛eauz inter-individuel􀃛. Meme si !es cheminements
derneureut obscurs, on peut parler d’activation d’une ‚internationale‘
des specialistes; sur le modele des diplomaties publiques, des reseaux
ecclesiastiques et universitaires, de grandes entreprises liees au pouvoir
economique et politique ont su creer, dans !es cours princieres, sur !es
grands chantiers, un recrutement des hommes !es plus judicieusement choisis
hors des limites habituelles des structures professionnelles et des organisations
locales.
On examinera par des exemples empruntes a diverses branches professionnelles
Je cheminement des repetitions et des nouveautes; on tentera de saisir !es relais
de l’information, mais aussi !es zones opaques, ou le neuf se couvre du secret.
12
Maß und Gewicht im 13. bis 16. Jahrhundert
und das Problem der Kommunikation
HARALD WITTHÖFT (SIEGEN)
Ein Nachdenken über Maß und Gewicht unter dem Aspekt der Kommunikation
räumt Mißverständnisse beiseite und öffnet den Weg zu einer neuen, dem Stand
der historischen Forschung angemessenen Sichtweise. ‚Kommunikation‘ ist auf
komplexe Weise ein konstitutives Element der Geschichte der materiellen wie
geistigen Kultur.
Das ältere Maßwesen insgesamt und in seinen Teilsystemen läßt sich begreifen
als Spiegelbild menschlicher Naturerfahrung – als System der Erkenntnis,
das auch auf die Ordnung der alltäglichen Dinge übertragen wurde. Es war
sowohl handlungs- als auch objektbezogen und gründete auf einem Denken in
Relationen ganzer Zahlen, die sich mit Hilfe verschiedener Rechensysteme in
eine umfassende, aber einfach zu handhabende Ordnung fügten. Sehr früh bereits
schuf man konkrete Maßstäbe, Meßgefäße, Gewichtsstücke und Waagen
als Realisationen ausgewählter systematischer Positionen. Die grundlegenden
Einheiten für Länge, Fläche, Volumen, Gewicht und Zeit waren prinzipiell genau,
dazu ubiquitär und allzeit verfügbar. „Du aber hast alles nach Maß, Zahl
und Gewicht geordnet“ (Sapientia 1 1 , 20).
Die Medien der älteren Kommunikation waren die Erscheinungen der Natur
bzw. die ihr entnommenen realen Verkörperungen. Aus einer Reduzierung
der natürlichen, materiellen, in Zahlen faßbaren Ordnung auf die sich tagtäglich
wiederholende Praxis des Bauens, des Landwirtschaftens, des gewerblichen Produzierens,
des Transportierens, des Handeins entstanden die zahlreichen Teilsysteme
zu Maß und Gewicht mit ihren spezifischen Einheiten – sei es in natura
oder in effigie, auf einer ersten oder einer weiteren Stufe der Verallgemeinerung
für Güter aller Art:
– gezählt nach Dutzend/Schock/Hundert etc.,
– gemessen oder gewogen nach elementaren Einheiten wie Korn/Handvoll/
Spanne, nach Produktionseinheiten wie Flut/Gate/Pfanne, nach Werkeinheiten
wie Rute/Kette/Waage, nach Verpackungseinheiten wie Sack/Tonne/
Faß/Pipe, nach Transport- und Beladungseinheiten wie Kiepe/Saum/
Last/Schiff, nach Zeiteinheiten wie Jahr/Tag,
– sodann in den Formen erster Maßstäbe, Meßgefäße, Gewichtsstücke, Waagekonstruktionen.
13
Von Herrschaft ist noch nicht die Rede. Die Vorstellung, das Maßwesen des
Deutschen Reiches im Mittelalter sei der Gesetzgebung eines einzelnen Herrschers
zu verdanken gewesen, ist historisch weder beweisbar noch wahrscheinlich
– ebensowenig die Vorstellung, die Maße und Gewichte des späteren Deutschen
Reiches ließen sich auf gestiftete, zentral bewahrte Urmaße und auf deren
Verbreitung zurückführen. Plausibel dürfte hingegen die Annahme sein, daß
ausgewählte Bereiche eines bereits zu fränkischer Zeit in den verschiedenen
Reichsteilen vorhandenen grundständigen, regionalen Maßwesens durch die Reformen
Karls des Großen lediglich verklammert wurden – vor allem im Münz-,
Zehent- und Abgabenwesen und somit insbesondere für Edelmetalle, Getreide
und Wein.
Die mit dem 11./12. Jahrhundert einsetzende und mit dem 13./14. Jahrhundert
sich verdichtende Überlieferung eines zunehmend komplexer erscheinenden
Maßwesens spiegelt die realen Verhältnisse und ist nicht etwa einer
lückenhaften Bewahrung älterer Nachrichten zuzuschreiben. Diese Verhältnisse
waren gekennzeichnet durch die Entfaltung der Gewerbe, des Handels, des Verkehrs,
des bürgerlichen Lebens, von Schule und Wissenschaft, der Gesellschaft
und Kultur in allen ihren Bereichen, auch durch korrespondierende Entwicklungen
feudaler Herrschaft. Ein seit jeher vorhandenes grundständiges Maßwesen
wurde in seiner Substanz evident, als es überörtliche und überregionale Geltung
erlangte – mit allen zugleich ablaufenden Prozessen der Selektion und Ausbreitung
dominierender Einheiten für Gold und Silber, Salz und Eisen, Fisch,
Getreide oder Tuch, beim Bauen, Landmessen oder Warentransport über ganz
Europa.
Die Verlagerung von Schwerpm1kten des Maßgebrauchs im späten Mittelalter
und der frühen Neuzeit, wie sie sich u. a. im Übergang politischer und
wirtschaftlicher Bedeutung von der Champagne auf Flandern und schließlich
auf Brabant und Holland nachvollziehen läßt, ging einher mit entsprechenden
Wandlungen und Differenzierungen auch des Maß- und Gewichtswesens. Nicht
weniger folgenreich waren die zunehmende Rechenhaftigkeit und Schriftlichkeil
im Kaufmannswesen, die Ausformung territorialer und staatlicher Verwaltungen,
schließlich die aufblühende humanistische Wissenschaft an den Universitäten
und Höfen der Residenzstädte.
Bei allem Wandel im Laufe der Jahrhunderte- das ältere System des Maßund
Gewichtswesens war bis zum Ende des 16. Jahrhunderts nicht in Frage gestellt.
Teilsysteme und Einheiten weiteten und mehrten sich systemimmanent,
wenn auch unter zunehmender Abstraktion. Die Kommunikation verdichtete
sich, bediente sich neuer Medien, beruhte aber nach wie vor auf einem Geflecht
ganzzahliger Relationen auch zwischen Einheiten verschiedener Rechensysteme.
Maße und Gewichte gleichen Namens konnten abweichende, aber jeweils
14
systematisch richtige, weil vergleichbare Größen halten. Leitende Maß- und
Gewichtseinheiten einzelner Epochen und Räume wechselten nach Herkunft
und Norm. Sie wurden weder mit einzig gültigen Urmaßen in Verbindung
gebracht, noch gar als absoluter Standard in metrisch identischen Kopien über
ganz Europa verbreitet.
Beispiele liefern uns zu diesen Thesen einerseits die Münz- und Edelmetallgewichte
von Köln und von Troyes in fränkischer Tradition, andererseits
die Informationssysteme des Francesco Pegolotti aus dem 14. und des Georg
Agricola aus dem 16. Jahrhundert. Medien und Wege einer zeitgebundenen
Kommunikation werden in ihrer kulturellen Typik in Umrissen sichtbar und
zur Diskussion gestellt.
15
Aspects of Communication between Courts of Justice
and Its Influence o n Early Modern Man
JENS CHRISTIAN JOHANSEN (COPENHAGEN)
My paper will address a quite simple question: How did the judges of the lower
courts know how to pass a correct sentence in criminal cases as well as in cases
of civil litigation?
The court system of Denmark was a three tiers system. At the lowest Ievel
were the herredJ- og byting (rural and urban courts), then came the landJting
(court of appeal), and at the top was Retterfinget (the King’s Court). After
an registration of approximately 8000 cases from the King’s Court in Denmark
between 1537 and 1660, among a Iot of interesting questions this sprang to
mind: at a time when the Danish HpjeJteretJtidende (the equivalent of the
American Supreme Court Reports) did not exist, how were the judges of the
herredJ- og byting informed of the interpretation of the laws that were put
forward by the judges of the King’s Court?
It is a significant question, because the judges of the lower courts could
be made responsible for an incorrect decision and could be punished accor·
dingly. This rather harsh way of handling these judges seems seldom to have
taken place, however. The paucity of those kind of trials indicates that the
sentences of the King’s Court were quite effectively communicated through the
hierarchical court structure. A comparison with similar structures in other
countries could Iead to an explanation of the relatively few complaints about
Danish courts during the 18th century, – keeping in mind that the uneasiness
surrounding the French courts was one of the reasons of the Revoulution of
1789.
16
Sprachliches Handeln und kommunikative Situation.
Der Diskurs zwischen Obrigkeit und Untertanen
am Beginn der Neuzeit
RoBERT JÜTTE (STUTTGART)
„Gravamen, heisset eine Beschwerung und Beklagung ueber allerhand Maengel,
Gebrechen und Bedrueckungen, um deren Abhelffung oder Remedirung gebeten
wird“ – diese Definition aus Zedlers-Universal-Lexicon ( 1734) umreißt in knappen
Worten eine Kommunikationssituation, der in der alteuropäischen Gesellschaft
eine zentrale Bedeutung zukommt. Neben den Verhandlungen und den
Debatten auf Land- und Reichstagen oder sonstigen lokalen, regionalen und nationalen
Ständeversammlungen machten die meist schriftlich geäußerten „Gravamina“
den Großteil des Diskurses zwischen Herrschenden und Beherrschten
aus.
Die moderne Kommunikationswissenschaft hat die These aufgestellt, daß
die Notwendigkeit koordinierten Handeins in der Gesellschaft einen bestimmten
Kommunikationsbedarf erzeugt. In der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen
Gesellschaft, die auch nach Erfindung des Buchdrucks nur über unzureichende
Formen von Massenkommunikation (Predigt, Flugblatt, Ausschreiben
etc.) verfügte, war Kommunikation außerhalb des engumgrenzten lokalen Bereichs
ein zentrales Problem jeder Herrschaft und Staatsbildung. So erfüllten
die Beschwerden der Untertanen eine dreifache Funktion, nämlich Information,
Rat und Kritik zu geben.
Doch nicht nur die Stände nahmen sich das Recht, ihre Kritik und Verbesserungsvorschläge
in Form von Gravamina direkt dem Herrscher vorzutragen.
Auch Gruppen, die in der Regel (mit Ausnahme einiger kleiner Territorien,
vor allem im Nord- und Südwesten des Reiches) in den Landtagen nicht Sitz
und Stimme hatten, wie z. B. die Bauern, greifen zu unterschiedlichen Zeiten,
besonders aber im Vorfeld des Bauernkrieges von 1524/25, auf diese Kommunikationsform,
die bereits eine lange Tradition als herrschaftsstabilisierendes
Element im Diskurs zwischen Herrschenden und Beherrschten in der Feudalgesellschaft
hat, zurück. Allerdings findet im 16. Jahrhundert insofern eine
Neuerung statt, als die überkommenen Äußerungsformen durch die technischen
Neuerungen (Buchdruck) einen größeren Grad an Öffentlichkeit erreichen. Rezipient
ist nicht mehr allein der Adressat dieser Beschwerdeschriften, sondern
1 7
die politische Öffentlichkeit. Das gilt nicht nur für die „Zwölf Artikel“, sondern
auch für die bekannten „Gravamina der deutschen Nation“ gegen den
römischen Klerus.
Im Unterschied zu Frankreich hat sich die Frühneuzeit-Forschung in der
Bundesrepublik lediglich mit Aufforderungstexten beschäftigt, die im Zusammenhang
mit dem Deutschen Bauernkrieg und seinen Vorläufern entstanden
sind. Während französische Geschichtsforscher und Sprachhistoriker wie auch
deutsche Romanisten gerade auf Form und Inhalt der zahlreichen „Cahiers de
doleances“ ihr Augenmerk gerichtet haben, hat die deutsche Stände-Forschung
diese Texte bisher allein von ihrer Inhaltsseite interpretiert. Daß es sich bei diesen
Aufforderungstexten um Dokumente eines kommunikativen Vorgangs von
zentraler Bedeutung handelt, ist den Historikern (mit wenigen Ausnahmen)
entgangen.
Das hier untersuchte Textcorpus ist also notwendigerweise recht heterogen.
Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit besteht darin, daß in allen Fällen eine spezifische
Aufforderungshandlung vorliegt. Im Vergleich zu anderen Aufforderungstexten
sind die Beschwerdeschriften durch ihre spezifische intentionale Haltung
und Adressatengruppe wie folgt gekennzeichnet: Sie sind an die jeweilige Obrigkeit
gerichtet, beziehen sich auf religiöse, gesellschaftliche, wirtschaftliche und
politische Mißstände und enthalten bestimmte Aufforderungsmuster (BITTE,
FORDERUNG, ANKLAGE, RAT, WUNSCH), mit denen performative Handlungen
vollzogen werden. Bei der Untersuchung dieser Untergruppe von „Aufforderungshandlungen“
sind auch die allgemeinen Komponenten dieser Klasse
von Sprechakten (bei Rabermas „Regulativa“ genannt) zu berücksichtigen: (a)
die Aufforderungsquelle, (b) der Aufforderungsadressat, (c) der Aufforderungsinhalt,
(d) die Aufforderungsbekundung, (e) die Aufforderungsformulierung.
Anhand dieser fünf Faktoren wird im einzelnen die Historizität des Sprechakts
„Auffordern“ am Beispiel der ständischen Gravamina herausgearbeitet.
Gezeigt wird, daß nicht nur das Inventar des damals wie heute verfügbaren
Handlungstyps, sondern auch seine Ausformung historisch-gesellschaftlich geprägt
ist. Auch das Frühneuhochdeutsche verfügte bereits über verschiedene
aufforderungsgeeignete Ausdrucksklassen. Ihre system-strukturelle Beschreibung
obliegt naturgemäß der Sprachwissenschaft, Aussagen über die Strategie
ihrer Anwendung kann dagegen der Historiker treffen.
18
Oral Communication and the Strategies of Power
in Sixteenth Century Germany
ROBERT SCRIBNER (CAMBRIDGE)
This paper will examine the role played by oral communication in the local
politics of sixteenth century Germany. The desire of town councils to maintain
a veil of secrecy over their deliberations led to much of their business being
transacted orally, often enabling them to adopt ambivalent positions on matters
of internal and external politics. The perceived task of many oppositional
groups was to break through this screen of secrecy, calling not only for public
accountability but also for written evidence of diplomatic, political and financial
transactions. On the other hand, the oral traditions of many oppositional
groups such as dissident guilds enabled them to cha.llenge the political hegemony
of ruling elites who managed to ‚mislay‘ written testimony of rights and
privileges. The same was true of political struggles between Iords and peasants,
with forms of oral or written communication playing a role in negotiations over
rights and privileges of feudal tentants or subjects. The demand to have feudal
agreements recorded in writing, rather than relying on the memory of oral
transactions was used on occasiou by both Iord and subject. The paper will
explore these themes by examining examples of communal conflict during the
early sixteenth century. A provisional hypothesis is that forms of communication
in themselves played only a subordinate, if important, role in the power
plays within sixteenth century German communities.
1 9
Tokens of Affection:
Communication and Courtship in Sixteenth Century Germany
LYNDAL ROPER (LONDON)
This paper will attempt to Iook at different kinds of communication between
men and women by considering ways men and women conveyed feelings of Iove.
It will argue that a straight-forward gender analysis of communication, in which
male culture is understood as a set of behaviours which are collectively aquired
and expressed, and female culture viewed as a more problematic but equally
collective enterprise, is inadequate to the task. Communication, because it
forces us to think about subjectivity, demands a more complex analysis of early
modern psychology. It also requires that we think not only about language,
but about non-verbal communication and about implicit messages.
The paper will examine three types of courtship communication. First, it
will consider the rituals of serenading, carried on at night by posses of young
men, under the window of the beloved. These frequently ended in disaster, and
a hail of stones at the windows and doors of the house might be the result. The
paper goes on to examine the related genre of the insult poem, sung outside
a woman’s window, which impugned the woman’s sexual reputation and proclaimed
the jilted man’s honour. I have discovered several of these, written by
sixteenth century craftsmen, in criminal records. Secondly, the paper Iooks at
the objects which circulated during courtship, freighted with emotional meanings.
Objects like gloves, ribbons, drinks and rings were exchanged in various
directions during courtship – their acceptance or mock theft marked out the
stages of a flirtation. But they were also fearsome tokens, for a sorceress could
cast a spell on a man once she bad a piece of bis clothing. Third, I shall
consider another way of speaking about Iove: the accusation that a woman had
caused a man to fall in Iove by casting a spell on him. Love in this case might be
understood as an injury, or a kind of consuming illness. I shall argue timt these
cultural forms of expression of Iove for the opposite sex did not dramatise an
unproblematic sexual identity, but are marked by profound sexual ambivalence
and antagonisms.
It is far easier to write about men’s communication than it is to speculate
about women. The situation is compounded by the fact that the diseruptive
nature of men’s culture made it a target of attack by the authorities, thus
supplying us with records which enable us to arrive at a far more rounded
20
picture of male subjectivity – and reinforce the idea that popular culture is
essentially masucline. The final section of the paper considers this problem.
But it argues that an essentialist view of female networks of communication or
of a separate female culture is mistaken, in part because it also operates on too
mechanistic an understanding of culture and subjectivity.
21
Mobilität, Interaktion, Kommunikation:
Sozial- und alltagsgeschichtliche Bemerkungen am Beispiel
des spätmittelalterlichen Österreichs1
ALBERT MÜLLER (WIEN)
Kommunikation ist ein integrativer Bestandteil des sozialen, ökonomischen und
politischen Lebens, in alltäglichen wie nicht-alltäglichen Sphären. Es ist durchaus
möglich, nahezu alle Lebensäußerungen, sofern sie Rezipienten finden (und
wann geschieht dies nicht), unter vielfältigen Formen von Kommunikation zu
subsumieren. Die angedeutete Universalität des Begriffs ‚Kommunikation‘ –
oder auch, in den Worten J. Baudrillards, der ‚erstaunliche Erfolg‘ der Kommunikation
-erleichtert die Rolle jener Historiker, die sich um eine ‚Kommunikationsgeschichte‘
bemühen, keineswegs.
Kommunikationsforschung (und damit Kommunikationsgeschichte) wurde
und wird von ganz verschiedenen Zugängen her betrieben. Worin besteht und
bestand das Problem der Kommunikationsforschung? Zunächst, so scheint es,
in der Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit eines großen Teiles ihres Gegenstandsbereiches,
der face-to-face-Kommunikation.
Denn Kommunikation (in diesem Sinne) selbst ist meist flüchtig, ja, möglicherweise,
ein ‚Mythos‘ (noch einmal Baudrillard). Der Geschichtswissenschaft
kann sie kaum Gegenstand sein, wohl aber ein Aspekt des (Sozial-)Historischen.
Die ‚Selbstverständlichkeit‘ und ‚Alltäglichkeit‘ scheint eine der Ursachen
zu sein, daß die T heoriebildung im Hinblick auf den gesamten Problembereich
„Kommunikation“ zunächst über die vergleichsweise „neuen“ Medien (Zeitungen
und Radio- zunächst nur am Rande: TV; ganz spät: Computernetze) lief.
Hier hat die Popularität des ominösen Sender-Botschaft-Empfänger-Modells
von Kommunikation seine Wurzeln.
Auch etwas kompliziertere zeichentheoretische Ansätze wurden nicht etwa.
aus der a.lltäglichen face-to-fa.ce-Kommunikation gewonnen, sondern aus der
Analyse von Bildern und Symbolen bzw. aus nicht-sprachlichen Zeichen von
zumeist höherer Komplexität.
1 Di“ vorli<!g<!nd<!n Ausffihrung<!n sind als prä.liminar“ Bem<!rkung<!n zu seh<!n. Sie versteh<!
n sich als ein“ Zusamm<!nfassung th<!or<!tisch<!r und m<!thodischer Grundlagen zur inhaltlich<!
n Auseinand<!rs<!tzung mit dem Problemkr<!is und damit als B<!itrag zur Klärung des
Vorv<!rständiss<!S im Zusamm<!nhang mit d<!r ang<!sprochen<!n Thematik. Das Referat selbst
wird stärk<!r auf d<!r Analys“ historisch<!n Materials basi<!ren.
22
Lediglich im Umfeld des Labelling-Theoretikers und symbolischen Interaktionisten
E. Golfman (und seiner Nachfolger) spielte face-to-face-Kommunikation
eine zentrale Rolle, teilweise auch in der Ethnomethodologie H. Garfinkels.
Es sieht so aus, als müßten die Theoretiker der Kommunikation eben einen
„Umweg“ um den „Alltag“ wählen, um zu Ergebnissen zu gelangen, die dann
mehr oder wet:iger gut auf den „Alltag“ empirisch angewendet werden können.
Mitunter führt dieser Umweg- wie bei G. Bateson -über die ‚Kommunikation
von Delphinen‘.
Heute wird gerade von einigen Theoretikern der Post-Moderne die Bedeutung
der Kommunikation, nicht nur als soziale Technik, sondern geradezu als
gesellschaftliche Universalie besonders stark hervorgehoben. Eine äußerst einflußreich
gewordene Ausstellung des Jahres 1985 (Le$ Immateriauz) unter der
Leitung von J. Lyotard stellte Kommunikation als Kategorie radikal ins Zentrum.
So stark geriet die theoretische Betonung der Kommunikation, daß hier
„McLuhanismus“ zum Vorwurf gemacht werden konnte (K. Bartels).
In der (traditionellen) empirischen Kommunikationsforschung (und -geschichte)
hat diese theoretische Orientierung noch wenig Auswirkungen gezeigt:
zu stark ist das Festhalten an einer durchaus sehr vielfältigen Medienforschung
einerseits sowie an einer weitgefaßten Empirie der Nachrichtenübermittlung/-
rezeption andererseits (der zumeist ein wenig verwässerte informationstheoretische
Konzepte zugrunde liegen).
Ähnliches gilt auch für Spätmittelalter und Frühneuzeit: auch hier spielt
eine in engerem oder weiterem Sinn an ‚Medien‘ orientierte Kommunikationsforschung
eine zentrale Rolle. Ansonsten zentriert sich Kommunikationsgeschichte
vielfach um das Faktum der und Techniken von Information.sübermittlung;
daß dabei „bedeutende“ Informationen (etwa über die Eroberung
von Konstantinopel 1452) stets eine hervorragende Rolle spielen, ist dabei fast
sei bst verständlich.
Wie bei so vielen interessanten Problemen der Geschichtswissenschaft stellt
sich auch im Zusammenhang mit Kommunikation die Frage von Validität und
Aussagekraft der zur Verfügung stehenden Quellen.
Die Quellenlage einer Kommunikationsgeschichte, begreift man sie nicht
sehr eingeschränkt als eine Vorgeschichte des modernen Medienwesens, wie dies
mitunter geschieht, ist paradox. Die meisten, und gerade die alltäglichen oder
die spontanen Formen von Kommunikation sind aufgrund ihrer Flüchtigkeit in
den überlieferten Quellen nicht erfaßt. Aus Quellen sind Kommunikationsakte
des Alltags entweder nicht oder nur sehr indirekt zu erschließen: Umgekehrt
sind wohl alle erhaltenen (schriftlichen) Quellen jeweils unmittelbare Produkte
einer Kette von Kommunikationsakten- und wohl auch häufig Ausgangspunkte
solcher Ketten.
23
Das Dilemma. des Kommunikationshistorikers ist daher ein doppeltes: Gerade
weil er sich guter und adäquater Theorien aus anderen Disziplinen bedienen
kann, weiß er, auf ein wie großes und wie extendiertes Feld des Sozialen
seine Arbeit sich beziehen müßte. Aber auch: Gerade weil er die Quellen kennt,
weiß er, wie schwierig es ist, zu einem einigermaßen sinnvollen empirischen Kontinuum
zu gelangen und es für die Analyse bereit zu stellen.
Selbstverständlich ergibt sich aus den genannten Vorausetzungen, daß es
zunächst keinen direkten oder alleinigen Quellentyp für das Betreiben einer
Kommunikationsgeschichte gibt – andererseits muß mit der gleichen Selbstverständlichkeit
gefordert werden, keine Quellen aus der Analyse auszuschliessen.
(Jene Einschränkungen, die für dieses Referat getroffen werden mußten,
ergaben sich aus rein pragmatischen Gründen).
‚MOBILITÄT‘ UND ‚KOMMUNIKATION‘- (STRUKTUR)
Aus meiner Sicht empfiehlt sich die Einbeziehung der Mobilitäts- bzw. Migrationsproblematik
in den gesamten Fragenkomplex der Kommunikation für
Spätmittelalter und Frühneuzeit aus einer Reihe von Gründen: G. Jaritz hat
in seiner Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters eine Reihe davon
hervorgehoben. Zu ergänzen wäre, daß aus der Sicht einiger formaler
Kommunikations- und Informationstheorien die Rolle des Mediums durch Mobilität
für das Spätmittelalter in gewisser Weise zu substituieren ist.
Die Gewinnung neuer Information und neuen Wissens (oder aber auch die
Konfirmierung alter Information und die Bestärkung ’sicheren Wissens‘) ist in
Spätmittelalter und Frühneuzeit, ohne daß praktische Mobilität im Spiel wäre,
schlicht nicht denkbar, egal nun, wer oder was den Austausch bewerkstelligt.
Für sozial- und alltagsgeschichtliche Empirie spielt der Versuch, zu quantitativen
Befunden zu gelangen eine zentrale Rolle, bei aller Problematik, die
sich dabei gerade für diese Zeit ergeben kann.
Eine Analyse der Regeln, die den räumlichen Beziehungen, die unterschiedliche
Kommunitäten pflegten, etwa in der Frage ihrer Reproduktion (unter Einschluß
deren Konstanten und Veränderungen im Zeita.blauf), zugrunde liegen,
wird mit großer Sicherheit auf strukturelle Voraussetzungen einer historischen
Praxis von Kommunikation (die als solche quellenmäßig eben nicht rekonstruierbar
ist) verweisen.
Der Zusammenhang zwischen Mobilität und Kommunikation stiftet ohne
Zweifel – so könnte man sie nennen – Kommunika.tionsräume. In neueren
Regionalismusdebatten spielt diese Kategorie (wenn auch unter anderen theoretischen
und begriffiichen Voraussetzungen) eine wichtige Rolle. Auch wenn
wir hier an ähnliche Grenzen der Empirie wie die schon beschriebenen sehr
24
rasch stoßen, stimmt unser Interesse dafür mit den Intentionen früherer historischer
Forschung sehr stark überein (etwa Ammann). Ausgangspunkt derartiger
Überlegungen müßte sein, daß räumlich beschreibbare Kontakte, über die
Individuen, Gemeinschaften, Institutionen (sagen wir einmal mehr oder minder
regelmäßig) verfügen, selbstverständlich Kommunikation in diesen Räumen
(wenn auch rr.öglicherweise schiebt- oder gruppenspezifisch sehr selektiv) bedeuten.
Insgesamt, so wird man sagen können, ist es erlaubt, Kommunikationsräume
aus der Sicht des Individuums oder eines Kollektivs nicht nur empirisch,
sondern auch theoretisch als ’soziale Räume‘ im Sinne P. Bourdieus zu fixieren.
‚INTERAKTION‘ UND ‚KOMMUNIKATION‘ – ( LEBENSWELT)
Die Begriffe Kommunikation und Interaktion ’scharf‘ zu trennen, ist bisher
nicht in allgemein verbindlicher Weise gelungen. In den Sozialwissenschaften
gibt es Lösungsversuche, einerseits Kommunikation als Sonderfall der Interaktion
zu sehen, andererseits (und umgekehrt) Interaktion als Sonderfall von
Kommunikation. Beide Ansätze können auf gute Begründungen verweisen,
ohne daß hier darauf näher einzugehen wäre. Für unsere (sozial- und alltagsgeschichtlichen)
Zwecke schließe ich mich der zweiten Variante an, was zur
Konsequenz hat, daß die Begriffe Interaktion und ‚face-to-face-Kommunikation‘
nahezu deckungsgleich verwendet werden müssen.
Von E. Goffman und anderen wurde gezeigt, daß im Alltag die soziale Interpretation
einer Situation durch einzelne Individuen nicht so eindeutig und
klar geschieht, wie dies gemeinhin angenommen wurde. Die ‚gesellschaftliche
Konstruktion der Wirklichkeit‘ in ihrer alltäglichen Dimension scheint ein
schwieriges Geschäft zu sein; ihre Voraussetzung ist die Herstellung eines Einverständnisses
darüber, wie eine konkrete Situation zu interpretieren sei. Ein
solches Einverständnis kommt zumeist nach Kommunikation und Interaktion
zustande. ‚Moralische Unternehmer‘ (H. S. Becker) bedürfen daher besonderer
Kommunikationstechniken, um ihre Anliegen erfolgreich durchzusetzen (als
Beispiel in unserem Beobachtungsfeld etwa: Johannes Capistran).
Wir haben also gute Gründe zur Annahme, daß diese Voraussetzungen
auch für Spätmittelalter und Frühneuzeit Gültigkeit haben. Auch dort sind
Gemeinschaften und Individuen dazu gezwungen, sich ihrer sozialen Regeln
(bzw. deren Gültigkeit) immer wieder aufs Neue zu versichern.
In diesem Punkt scheint mir auch die wesentliche soziale Funktion von
Kommunikation (systemtheoretisch gesprochen wäre sie eine genuine Technik
der Autopoiesis) zu liegen.
Eine Reihe, bedauerlicherweise nicht &.llzu reichlich und vor allem nicht
systematisch überlieferter Quellen erlaubt auch die zumindest exemplarische
25
Analyse von Situationen der face-to-face-Kommunikation oder der Interaktion.
Ihrem Inhalt nach möchte ich diese Quellen meta-kommunikatorisch nennen.
Sie geben Kommunikationssituationen bzw. Interaktionssituationen wieder,
wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise, mit unterschiedlicher Intention und
somit mit unterschiedlicher Genauigkeit. An einigen dieser Beispiele läßt sich,
wie ich glaube, recht gut jene These E. Goffmans überprüfen, nach der Interaktion
etwas stets Gefährdetes sei, und deren Erfolg man sich – gerade auch
im ‚Alltag‘ -immer wieder von Neuern zu versichern hätte.
26
Der Reiz der Fremden in Mittelalter und früher Neuzeit.
Über Neugier und Wissen europäischer Reisender
ULRICH KNEFELKAMP (BAMBERG)
Als „Barbaren“ kennzeichneten die Griechen die Fremden, oft ihre N achbarn,
mit „barbarisch“ meinten sie aber nicht nur die merkwürdig klingende Sprache,
sondern die ganze fremde Kultur. Sie stuften sie damit als minderwertiger
und ihnen unterlegen ein. Dieser Dualismus Griechen – Barbaren, wird in
der christlichen Spätantike mit dem Dualismus Christen – Heiden fortgesetzt.
„Christianitas“ und die damit verbundene Kulturvorstellung bleibt von diesem
Zeitraum an das Bewertungskriterium der Europäer bei der Begegnung mit
dem Fremden.
Der einzelne Reisende aus Europa beobachtet und beschreibt die fremde
Kultur in Abhängigkeit vom kollektiven und individuellen Vorwissen. Je weiter
die betreffende Kultur von Europa entfernt ist, um so mehr stellt man das
Phänomen der Stereotypen und Klischees fest. Denn hier ist der Bericht am
meisten dem Erwartungsdruck des Publikums ausgesetzt, das bestimmte Moc
tive erwartet. Bereits die Auswahl der Themen in den Berichten ist ein Teil
der Standortbestimmung des Beobachters. Was wollte man wissen, was wollte
man weitergeben an das europiüsche Publikum? Reiseberichte geben deshalb
oft mehr Informationen ii. ber die Ausgangskultur des Reisenden, sie verdeutlichen
die spezifische Einstellung verschiedener Epochen, verschiedener Nationen
oder gesellschaftlicher Gruppen zu fremden Kulturen.
Daher sollte an dem konkreten Beispiel ‚Indien‘ gezeigt werden, in welcher
Weise sich die Darstellung über einen längeren Zeitraum verändert. Zur Analyse
werden vorläufig herangezogen: Marco Polo, II Milione (Reise 1271-1295),
ed. Anfang 14. Jahrhundert; Odorico de Pordone, Relatio (Reise 1321-1330),
ed. ca. 1330; Jean de Mandeville, Reisebeschreibung ca. 1370 (fiktiv!).
Bei diesen drei Autoren soll jeweils die folgende Frage gestellt werden:
Geben sie ihr kult.urelles Wissen hauptsächlich wieder, d. h. schildern sie das
Fremde mit Motiven des aus der Antike bekannten Indienbildes, oder haben
sie neuartige bzw. individuelle Elemente? Gleichzeitig wird die anfangs aufgestellte
These bestätigt, daß die reisenden Europäer aufgrund ihres sozialen
Status, ihrer Vorbildung und ihres Reisemotivs bestimmten Themen mehr Aufmerksamkeit
schenken. Entscheidend aber ist, für wen sie schreiben.
27
Das gilt auch für die zweite Quellengruppe. Mit den Fahrten des Kolumbus
tritt neben dem asiatischen Indien ein westliches Indien auf, zugleich altbekannt
(Indien) und fremd (Neue Welt). Die Autoren Kolumbus und Vespucci
haben das erste Bild von ‚Westindien‘ geprägt. Folgen sie den Beschreibungen
des altbekannten Indien, beschreiqen sie, was sie sehen, oder versuchen sie
das Fremde durch Vergleich mit Altbekanntem dem europäischem Publikum
näherzubringen? Ein Blick in die Quellen des 16. Jahrhunderts verdeutlicht
die Wirkung der Berichte der Entdecker, die von Fabelwesen und Monstren, Giganten,
Amazonen und kopflosen Menschen erzählten, die seit der Antike und
in. spätmittelalterlichen Quellen am Rande der Welt, in Indien oder jenseits
davon angesiedelt wurden. Mit den Geschichten über die Menschenfresserei
war dann der Höhepunkt im Hinblick auf die Sensationslust des europäischen
Publikums erreicht.
Zusammenfassend läßt sich sagen: Es gab zwar den Reiz des Fremden bei
europäischen Reisenden, aber das Fremde wurde immer an der Überlegenheit
der eigenen christlichen Kultur gemessen, daher relativiert. Am Beispiel der
zwei Indien, Ost- und Westindien, kann man zeigen, wie lange die Vorstellungen
der Antike vorherrschten, wie die Schilderung abhängig war von dem Status,
dem Vorwissen und dem Motiv des Reisenden, und welche entscheidende Rolle
die Erwartung des Publikums spielte, das man delektieren wollte. Hierin liegt
die Antwort auf den Reiz des Fremden: die Kommunikation zwischen Autor
und Publikum wurde von der Erwartungshaltung des Publikums geprägt.
28
Fremde Namen – Namen des Fremden
GERHARD JARITZ (l(REMS)
Im Rahmen verbaler und nonverbaler Kommunikation spielen die Gegensatzpaare
des Bekannten und des Unbekannten, des Heimischen und des Fremden,
des Nahen und des Fernen, des Gewohnten und des Ungewohnten bzw. Anderen,
des Alten und des Neuen etc. eine entscheidende Rolle. Sowohl die
schriftliche Überlieferung als auch Bildquellen und andere erhalten gebliebene
Originalgegenstände liefern mannigfache Hinweise auf die Bedeutung und den
Stellenwert solcher Gegensätze in der mittelalterlichen Gesellschaft, auf die
Wichtigkeit, diese oft nach ganz bestimmten Mustern zu verdeutlichen und
zu veranschaulichen oder auch zu verstärken und· sie damit als entscheidendes
Mittel in den verschiedensten Bereichen von Kommunikation und Argumentation
zu verwenden. Dies geschieht in der Regel keinesfalls neutral, sondern
mit besonderer Betonung von Positiv- und/oder Negativaspekten, die ihrerseits
in starkem Maß objekt-, situations-, handlungs-, zeit- und ortsbedingt
bzw. -gebunden sind, vor allem aber in Zusammenhang stehen mit der Zugehörigkeit
bzw. Zuordnung betroffener Personen zu einer sozialen Gruppe oder
einem Stand etc. Das Fremde, Unbekannte, Ungewohnte kann sowohl stark positiv
als auch stark negat.iv besetzt sein und damit eine Funktion zur Hebung
von Prestige und zur Verstärkung von Repräsentation erfüllen, genauso aber
auch – und in manchen Fällen durchaus bezogen auf das gleiche Objekt – durch
seine Fremdheit und Andersartigkeit paradigmatisch für Schlechtes, Böses oder
Minderes steheiL
Die dabei auftretenden bzw. bestehenden Vermittlungsmöglichkeiten und
Anwendungsmuster zeigen sich vor allem in der bildliehen Überlieferung. Im
Kommunikationsmedium ‚Bild‘ lassen sich verschiedene und einander oft überlappende
Ebenen des Einsatzes von ‚Fremdem‘ (hier im weitesten Sinne) erkennen,
die damit klar kategorisieren und ihre Wirkung (zur Kenntlichmachung,
Einordnung, Emotionalisierung etc.) ausüben (sollen).
Ähnliches kann in vielfältigen Formen in der schriftlichen Überlieferung
erkannt werden. Dabei ist natürlich allein bezogen auf den Quellentyp zwischen
der toposbeladenen Reisebeschreibung eines fernen Landes (vgl. den Beitrag
von U. Knefelkamp), fachliterarischen Texten, Urkunden, wirtschaftlichen
Quellen etc. eine große Spannweite von unterschiedlichsten Zweckrichtungen
29
und damit Anwendungsmustern zu konstatieren und in der Interpretation zu
berücksichtigen.
Die Vermittlung und Erkennbarmachung eines (wieder im weitesten Sinne)
‚fremden‘ Objektes etc. kann unter anderem durch ausführliche Beschreibung,
durch Verwendung und Zuordnung klar kenntlicher und einordenbarer Attribute
zu einen bekannten Begriff oder aber auch durch die Verwendung eines
an sich schon klassifizierenden Namens vor sich gehen. Dabei lassen sich verschiedene
Möglichkeiten anwendbarer Muster erkennen.
Der folgende Beitrag wird das weit entfernt liegende und in der Regel ’nie
gesehene‘ Exotische weitgehend außer acht lassen. Vielmehr wird er sich auf
die Frage konzentrieren, auf welche Art und Weise Fremdes, Neues, Anderes,
von weit( er) Herkommendes und dessen Auftreten in einer Kommunität in bestimmten
Bereichen der schriftlichen Überlieferung jeweils als solches kenntlich
gemacht und welche ‚realen‘ oder auch symbolischen oder topischen Muster angewandt
werden, um eine klare Einordnung zu ermöglichen, auch wenn man das
Objekt selbst nicht kennt oder sieht. Vor allem ist dabei die Frage zu behandeln,
inwieweit in unterschiedlichen Quellen die oben angesprochene (Positivoder
Negativ-)Wertung vermittelt wird und inwieweit dabei unter Anwendung
konkreter Bezugnahmen oder allgemein formulierend argumentiert wird. Die
herangezogenen Beispiele konzentrieren sich vor allem auf den deutschsprachi
􀋆en Raum des Spätmittelalters mit einer besonderen Schwerpunktsetzung auf
Osterreich.
30
Medieval Images as a Medium of Ritualized Communication
STAALE SJNDING-LARSEN (TRONDHEIM)
The following ‚preview‘ of my lecture is intended to present some basic issues
that I shall not need repeat during the talk, and to give a brief summary of
the problems I am trying to discuss.
Each of the terms evoked in the invitation Ietter and in the title that our
hosts have given for my talk – „daily life“ , „ritual“, „communication“, „influence“,
„medium“, „image“ – is heavily loaded with theoretical and analytical
problems. Considered as a whole these terms reflect a multidisciplinary and
highly complex field of real-world situations and events.
In fact, no single empirical case of the kind we are concerned with can
be either approached or exploited in a meaningful manner without a constant
attention to theory development; I shall therefore focus on this.
Theories, as is recognized by most disciplines today, are no less ‚real‘ than
‚reality‘. A major distinction between science and humanistic disciplines is that
the latter, except on a trivial Ievel, can focus only on theory, whereas the former
also can predict and experiment or test predictions. Humanities, and for the
most part social disciplines, too, do not study ‚reality‘, but our conception of
it and our understanding of how rcality appcars to other individuals or groups,
thus keeping us at least twice removed from real-world condjtions.
In a forty-minutes‘ talk the theoretical and methodological implications
cannot be set out in any workable way, nor can a substantial account of empirical
evidence from relateJ research be given in such a short space.
What I propose to do, then, is to present two or three empirical cases
selected from a relatively surveyable and controllable ( or predictable) type of
situation: specifically, some functions of imagery in a canonical or ‚official‘
ritual context. In an effort to clear up the fundamentals for an approach to
such a complex issue, I shall choose a historical subject which is controllable
to a maximum extent, trying to build a preliminary theory sketch starting out
from an analysis of this material. Canonically prescribed, generated, controlled
and interpreted ritual systems like church liturgies or mosque prayer services,
may seem most appropriate for this.
I shall in fact propose a very simplified and condcnsed description of some
specific cases that represent the challenges involved in our communication problem:
pictorial representations denoting the presence of God in the ritual context
of the Roman Catholic Mass (in an ‚average‘ pre-Vaticanum Secund um,
31
version); and inscriptions functioning as ‚images‘ in classical Sunni Islamic
prayer ritual. In this connection I shall also discuss some questions concerning
the role of the human participants in such a situation and certain perspectives
regarding the visual media, the ‚pictures‘ themselves and – optimally -all sorts
of visual or conceptual focusing involved in this kind of situation. In short, I
shall try to sketch a model for handling communicational events and interactions
within, on one Ievel, formalized liturgy, and, on the other, within the
entire conceptual space, comprising the physical boundaries as well as notional,
‚behavioural‘ and emotional extensions of these.
Having described these cases, I shall Iist the principal aspects of a theory
development which I consider a requisite in dealing with them. F inally, I shall
outline a general research program.
In the invitation Ietter we are asked to „analyse the influence of communication
on daily life“. For my specific purpose it will be preferable to focus on
communication as a system or tool devised and developed for the operation of
ritualised functions in everyday life (the „Alltag“ in the conference program),
the Roman ritual, whose celebration is distributed over the entire calendar
year.
We have also been asked by our generous hosts to stay within a historical
time-span Iabelied the „Middle Ages and Early Modern Tim es“. With regard to
the European -scene, the onset of mass media distribution through the printing
of texts and images in the fifteenth cent ury (subject, in fact, of the next lecture)
makes it advisable not to go beyond the fourteenth century. The introduction
of these printed communication devices renders the overall picture much more
complex and unsurveyable. Secondly, new communicative constraints appear
to have been introduced through the emergence in the pictorial arts of the
mathematically more or less correct central perspective (recently explored in
an excellent study by Martin Kemp).
There is, in fact, a positive motivation for concentrating my attention
on the medieval period, since the liturgical reforms in the thirteenth century
(more·than was the case in the reforms of the Council of Trent) were directly
concerned with the issue of communication -such as· „Je desir de voir Ia sainte
Eucharistie“.
At this point we should have to make a decision about what significance
we should attribute to the term ‚communication‘, and, in my particular case,
what meaning we should give to the term ‚image‘. This is the crucial task we
have before us.
Obviously this issue cannot be tackled within the constraints of the poorly
devised terminology of traditional art history: fortunately other disciplines
are available which provide us with appropriate resources too valuable to be
32
disregarded; the program for the Conference at Krems is itself an indication of
the multidiscipl.inary character of ‚communication‘.
It is evident that whatever definition we apply to the term ‚communication‘,
the issue calls for system theory.
Unfortunately it is often necessary to emphasise that analytical system
modds, being in their essence flexible and Iransformahle toolJ, are not the
same as a didactic or dogmatic, systematically arranged and definite structure
l.ike certain theological systems (as, e. g., Thomas Aquinas‘ Summa theologica).
A whole duster of scholarly disc.ipl.ines and research programs are today trying
to come to terms with the almost frightening complexities involved in any
human action, perception and interaction. The construction of descriptive,
interpretative, or explanatory theories using analytical models is the only tool
available for this task.
Therefore, and, indeed, on account of the very nature of the communication
situations I am going to discuss, one paramount requirement is that theory and
models are communicable across different relevant scientific discipl.ines; that is,
they must be couched in as simple natural-language terms as possible. It is
now a critical necessity for the discipl.ine of art history to work itself out of 􀃿he
present situation of semantic constriction, which is mainly due to dependence
on a vaguely defined jargon; the discipl.ine is in great need of some meta.language
adequate for interdisciplinary research programs.
With these considerations I hope I have sufficiently explained the external
delimitations of what I want to say.
In my Ieelure I shall claim that this complex of situations and events
cannot be handled in traditional terms of separate academic disciplines or in the
disparate languages of additive (versus integrative) interdisciplinarity. What
is required, at any rate at the basic Ievel, is a third approach, a kind of ’nondisciplinarity‘
which adopts and reshuffies the morals while disregarding much
of the special terminology of a number of different fields such as the social
sciences; the theory of organization and management; the theory of cognition
and artificial intelligence; philosophy of logic and mathematics; and, evidently,
humanistic disciplines like art history.
33
Neue Medien – neue Inhalte.
Zur Entwicklung der Druckgraphik
im 15. und frühen 16. Jahrhundert
ELISABETH YAVRA (KREMS)
‚ Kunstwerke‘ dienen zumindest auf zwei Ebenen als Meden der Kommunikation
und können als solche interpretiert werden:
– Zum ersten vermitteln sie bestimmte Inhalte an ihren Rezipientenkreis und
dienen damit als Bindeglied zwischen Auftraggeber und Adressaten. Es
kann dies ‚in ‚offener‘ oder in symbolisch und verschlüsselter Form geschehen.
Zum zweiten stellen sie einen Beleg für die Kommunikation zwischen den
‚Künstlern‘ dar.
Der Beitrag geht der Frage nach, in welcher Form sich Entstehen und Verbreitung
neuer Techniken auf diese beiden Funktionen auswirken. Aufgezeigt wird
u. a. die Wechselwirkung der unterschiedlichen Kunstgattungen aufeinander,
die gegen Ende des 15. Jahrhunderts zunehmende ‚Internationalisierung‘ gerade
auf dem Gebiet der graphischen Künste, die sich offensichtlich nach der
‚Markt’lage orientierende Themenwahl und dergleichen mehr. Untersucht werden
die frühen Einblattholzschnitte und -kupferstiche, ausgeklammert bleibt
das weite Feld der Buchillustration.
34
Zwischen mündlicher Anweisung und schriftlicher Sicherung
von Tradition. Zur Kommunikltionsstruktur
spätmittelalterlicher Fechtbücher
JAN-DIRK MÜLLER (HAMBURG)
Verschriftlichung – so die herrschende Meinung – löst Kommunikation von
face-to-face-Situationen ab, sichert die Tradierung von Wissensbeständen unabhängig
von enaktiv oder mündlich sich miteinander verständigenden Gruppen
und hält sie situationsabhängig für künftiges regelgeleitetes Handeln bereit.
Verschriftlichung erfaßt seit dem 12. Jahrhundert allmählich die meisten Lebensbereiche
und ist Teil jenes Rationalisierungsprozesses, durch den sich die
westliche Zivilisation seit dem hohen Mittelalter von allen anderen entfernt.
Diese globale Auffassung ist an einem Texttypus zu überprüfen, der ebenfalls
im allgemeinen schriftlos tradiertes Handlungswissen bewahrt, auf den aber ein
Teil jener Charakteristiken (Ablösung von face-to-face-Situationen, generelle
Zugänglichkeit, Sicherung von Wissen) nur in eingeschränktem Maße zutrifft:
Anleitungen zum Fechten, wie sie in Deutschland zuerst Johann Liechtenauer
in volkssprachlichen Versen verfaßt hat und wie sie in vielfciltigen Abhandlungen
in spätmittelalterlichen Fechtbüchern immer wieder zitiert werden. Wenn
man mindestens in einem Teil der Überlieferung an der praktischen Tauglichkeit
dieser Anweisungen zweifeln kann, dann zeigen sie eben dadurch, daß der
schriftlich fixierte, in Merkversen stilisierte Text für die Praxis offenbar andere
Funktionen hatte als diejenige eines jederzeit abrufbaren und handhabbaren
Wissens. An einer Reihe von Fechthandschriften wird zu zeigen sein,
wie Liechtenauers ‚Kunst des langen Schwerts‘ – typisch für die Anfänge des
Verschriftlichungsprozesses – Aufgaben erfüllt, die mit ‚Rationalisierung‘ und
‚Generalisierung‘ von Wissen nicht zureichend beschrieben werden können.
35
Brievedregher:
Komnumikations- und alltagsgeschichtliche Zugänge
zur vormodernen ‚Post‘- und Dienstleistungskultur
HEINZ-DIETER HElMANN (BOCHUM)
I. KOMMUNIKATION UND GESELLSCHAFT
Das diesjährige Postjubiläum „500 Jahre Post 1490 – 1 990“ läßt nach den Vorformen
und Vorbedingungen einer erst im 16./17. Jahrhundert allgemein zugänglich
und damit öffentlich gewordenen Organisation im Nachrichtenverkehr
fragen.
Insoweit sich das in der mittelalterlichen Gesellschaft zunächst korporativ
organisierte Nachrichtenwesen vornehmlich in Gestalt des städtischen Botenwesens
in Konkurrenz zu den monopolisierten Staatsbetrieben bis weit in die
frühe Neuzeit hinein erhält, ergeben sich neue Zugänge zur ‚Postgeschichte‘
als Segment der Gesellschaftsgeschichte. Neben bisher vor allem bedachten
unternehmens- (Thurn- und Taxis-Post) und organisationsgeschichtlichen (Stafetten)
Prinzipien ermöglicht die Frage nach der Funktion des Nachrichtenwesens
Zugänge zur ‚Dienstleistungskultur‘, näherhin einer Sozial- und Berufsgeschichte
der Briefboten im Gefüge sich wandelnder Medien und Öffentlichkeit.
li. DIMENSION UND ORGANISATION
Der Begriff brievedregherjbriftreger findet sich um 1400 im nieder- wie oberrheinischen
Raum – dem exemplarischen Beobachtungsfeld. Nach Stadtrechnungen,
Gesandtschaftsabrechnungen, Briefbüchern und Korrespondenz mehren
sich nun auch im städtischen Verwaltungsschriftgut verstärkt Hinweise darauf,
nach denen es sich hier um bereits fest in die Kanzleiorganisation der Städte eingefügte
Ämter bzw. Dienste handelt. Ursprünglich mit den vielfältigen Funktionen
eines Gerichtsdieners und noch eine Zeit lang eng mit dem städtischen
Gesandtschaftswesen verquickt, fußt das Botenwesen und sein nachhaltiges
Leistungsprofil im Urbanisierungsprozeß. Als ein ratsseitig dominiertes, aber
privaten Personen zugängliches Instrumentarium mündlicher wie schriftlicher
Nachrichtenbeschaffung und Nachrichtenübermittlung, gibt das Botenwesen einerseits
Einblick in ‚Nachrichtenlandschaften‘, also in kommunale ‚Wahrnehmungsräume‘
und eine interurbane Vernetzung sowie andererseits in kommunale
‚Meinungslandschaften‘ und ‚Verobrigkeitlichungstendenzen‘ des Rates.
36
Ill. SOZIALGESCHICHTE
Während ‚Bettler‘ und ‚Henker‘ bereits wiederholt das Interesse der städtischen
Sozialgeschichtsforschung gefunden haben, fehlt eine Geschichte des ‚Dienstmanns‘,
der Boten und Botinnen näherhin. Einstellungsverträge, Botenordnungen
oder auch schon reine Besoldungslisten geben einen vielfältigen Eindruck
vom sozialen Profil dieser Träger des Kommunikationssystems.
Eigens die städtischen Botenordnungen seit dem 12./13. Jahrhundert, in
der Mehrheit ab dem 14. Jahrhundert, lassen in differenzierter Weise Dienstobliegenheiten,
Lohngefüge und Versorgung im Konnex mit organisatorischen
Anforderungen an das Nachrichtenwesen selbst (Tarife u. a.) erkennen. Sie
verweisen in diesem Bereich auf einen organisationsgeschichtlichen Vorsprung
der städtischen Verwaltung gegenüber der der Landesherren und zeigen die
Administrierung und soziale Verortung schließlich der Botten, Louffer, nunciis
cum pixidibus (Boten mit der Silberbüchse), die ihre diversen Aufträge teils in
hauptamtlicher Funktion, teils im Nebenamt ausfüllten.
Aus Gründen der Legitimation und des Unterwegsseins entwickelte sich
eine eigene materielle ‚Dienstleistungskultur‘ u. a. mit Botenbüchse, Botenstab,
Botenkleidung, Botenhäusern, verbunden mit der allgemeinen Kulturgeschichte.
Obgleich sich im rechtlichen und kulturellen Rahmen Anknüpfungspunkte
an das spätere Beamtenturn finden, bleibt das Sozialprestige des Botenberufs
hinter dem des Verwaltungsfachmanns zurück und verringert sich sein Ansehen
eher in der Öffentlichkeit:
Zwei Entwicklungen stehen dafür: Von städtischen ‚Knechten‘ über die
zünftischen Berufe bis hin zu randständisch-unterschichtigen Gruppen partizipieren
diverse Bevölkerungsteile daran. Die relativ soziale Offenheit im Zugang
zur Botentätigkeit, die Eigenständigkeit des Boten in seiner Berufsausübung
und damit die mündlichen Nachrichtenleistungen überschnitten sich in der Praxis
mit obrigkeitskonformen Anforderungen (Verschwiegenheit laut Boteneid).
In dieser Konstitution erhielt im Kontext neuer Medien, neuer Nachrichtenverkehrstechniken
(Routen, Stafettenreiter) und sich wandelnder informeller
Öffentlichkeit ( zitung, Zensur) der Leumund der Boten in Bild und Literatur
stärker negative Züge (geschwätzig, dem Alkohol verfallen, „Hinkender Bote“).
37
‚Objektwanderung‘ als Quelle der Kommu nikation.
Möglichkeiten der Ar chäologie
HEIKO STEUER (FREIBURG IM B REISGAU)
Kommunikation als zwischenmenschliche Beziehung ist mit archäologischen
Methoden für das Mittelalter in zweifacher Weise zu erschließen:
(a) Im Spiegel der Fundverbreitung sind Handel, Reisen, Wanderungen, Pilgerfahrten,
aber auch die Ausbreitung von Innovationen zu studieren.
(b) Die Übernahme gleichartiger Züge im Lebensstil und im Verhalten gehört
als Reaktion auf ein Vorbild zum Bereich Kommunikation, und die Frage
ist erlaubt, ob archäologische Funde und Befunde auch hierüber etwas
aussagen können.
Emailbemalte Gläser der Zeit um 1300, ob sie nun aus dem Orient, aus
dem Raum Venedig oder aus anderen Werkstätten stammen, zeugen über ihre
Fundstellen von Handelsbeziehungen, von sozial gehobener Lebensweise in der
Stadt und in der Burg, aber auch zugleich von dem einer sozialen Schicht
europaweit eigenen Wunschvorstellung, an der festlichen Tafel aus derartigen
Gläsern zu trinken und gleichzeitig durch die farbige Auflage ihres Wappens auf
der Glaswand ihren Rang auszudrücken. Romanische gravierte Bronzeschalen,
die sogenannten Hanse-Schalen, sind einerseits eine Quelle zum Handel mit
Bronzegeschirr, verbunden mit der Frage nach Herkunft der Rohstoffe und der
Werkstätten, andererseits verkünden ihre christlichen und weltlichen Bildinhalte
(Tugend- und Laster-Schalen als Paare) moralische Aussagen, die von
den gelehrten Kreisen über die Handwerker zu den unterschiedlichen Gruppen
der Benutzer weitergegeben wurden. Schlagmarken, eingepunzte Zeichen auf
Metallgerät aller Art, die im fortgeschrittenen 13. Jahrhundert erscheinen, sind
Indizien der entstehenden Zunftorganisation und Mitteilung über die Urheberschaft.
Von der Axt bis zur kleinen Maultrommel wird, auch wenn sich die
Form der Gegenstände nicht ändert, dieser Wandel in der Organisation des
Handwerks faßbar.
W ährend noch bis in die Karolingerzeit über archäologische Quellen große
Gebiete Europas gegeneinander abgegrenzt werden können (England, Skandinavien,
westlicher Kontinent, östliche slawische Gebiete etc. ), vereinheitlicht
sich der Lebenszuschnitt und die allgemeine zivilisatorische Ausstattung europaweit
von Island bis Ungarn, von Frankreich bis ins Baltikum mit dem
Aufkommen der Stadt.
38
Der Forschungsstand – die Mehrzahl der großen Mittelalter-Ausgrabungen
ist unvollkommen publiziert – und die mangelhafte Durchdringung des Fundmaterials
bereiten im Gegensatz zu älteren Epochen der Ur- und Frühgeschichte
noch Schwierigkeiten, wenn es um die Frage nach der Ausbreitungsgeschwindigkeit
von Innovationen geht. Kommunikation über Handelswege und Pilgerstraßen
verlief jedenfalls nicht langsamer als in der frühen Neuzeit. In vier
Abschnitten gilt es, Kommunikation im Spiegel der Archäologie zu diskutieren:
1 . VERBREITUNG VON SACHGÜTERN
Gegenstände (Gläser, Bronzeschüsseln, Griffel, Messer mit Beschlägen, Geldwaagen,
Münzen) werden direkt als Handelsgüter verbreitet oder indirekt durch
Nachahmung gleicher Herstellungs weise. Daß man Edelmetall-Waagen, Löffel,
aber auch Leuchter mit Scharnieren versieht, um sie für die Reise platzsparend·
zusammenklappen zu können, ist eine europaweite Lösung. Diese kommt nicht
nur durch Fernhandelsverbindungen, sondern durch Übernahme dieser technischen
Einzelheiten zustande, die zudem praktische Funktion bei der ‚Reise‘
hat.
2. VERBREITUNG VON MENSCHEN
Die Reisewege und Reiseziele sowie vor allem die Reichweite der Verkehrsbeziehungen
werden je nach Lebensbereich durch Pilgerzeichen und Wallfahrtsmedaillen,
durch Waren-Plomben und Beschau-Zeichen markiert, die nicht nur
allgemeine Handels- und Reiseverbindungen erschließen, sondern individuelle
Fernkontakte bezeugen. Von besonderem Interesse ist die Koppelung der Entstehung
von Zünften mit der Struktur des Handwerks mit wandernden Gesellen,
die über Produkt-Formen, Schlagmarken und deren Verbreitung erschlossen
werden kann.
3. VERBREITUNG VON INNOVATIONEN
‚Objektwanderung‘ ist auch die Einführung von Innovationen. Wenn im 9.
Jahrhundert eine voll durchkonstruierte Wassermühle in Jütland errichtet wird,
ohne jegliche Entwicklungsstufen im Lande, dann werden Idee der Mühle,
Zweck und dabei zugleich beabsichtigter Respräsentationscharakter vom ranghohen
Grundherrn durch Einsatz ‚importierter‘ Mühlenbauer transportiert.
Die Ausbreitung des städtischen Steinhauses mit Kemenate um 1100 ist aus
Mangel präziser Chronologie noch nicht als Wanderung von Innovation zu fassen,
sondern erscheint schlagartig vom Alpenrand bis zu den Küsten von Nordund
Ostsee. Die Vorstellung vom feuersicheren, beheizbaren Speicher- und
39
Wohnraum breitet sich so schnell aus, weil Kaufleute den Stil ihrer Handelsgeschäfte
ändern, weniger selber reisen, sondern Kontore und Speicher brauchen.
Aber ihre grundsätzlich vorhandene Mobilität fördert die Ausbreitung
von Neuerungen.
4 . VERBREITUNG VON STILRICHTUNGEN BZW. VON MODEERSCHEINUNGEN
Archäologische Fundgegenstände vom Schlüssel mit rhombischem Griff bis zur
Jacoba-Kanne aus Siegburger Steinzeug haben Merkmale des gotischen Stils
eingefangen, der sich über den Handel mit derartigen Gegenständen über weite
Entfernungen, aber auch von der Stadt auf das Land verbreitet. Das gleiche gilt
für romanischen Tierstil an Altarleuchtern und auch auf Messerbeschlägen im
alltäglichen Gebrauch, für Mörser und Bronzegrapen. Hergestellt in verschiedenen
Werkstätten greifen sie den Zeitstil auf und verbreiten ihn über Handel,
Reisen der Besitzer dieser Gegenstände und nicht zuletzt über wandernde
Handwerksgesellen. Modeerscheinung ist aber auch eine neue Tischsitte, wenn
man statt Tonbecher Gläser verwendet, eine neue Waschsitte, wenn man zwei
gravierte Bronzeschalen oder Schale und Aquamanile einführt.
Die Reihe der Beispiele läßt sich verlängern, wobei Überschneidungen
der skizzierten Bereiche häufig sind: Kommunikation erfolgt über Sprache
und Schrift. Die Verbreitung von bestimmten Griffeltypen veranschaulicht die
Ausweitung der Schriftlichkeit im 12. Jahrhundert. Bild und Inschriften auf
den sog. Hanse-Schalen verbreiten ganze Gedankenkomplexe. Inschriften auf
Schwertern sind nicht nur Qualitätsmarken, sondern bei den Waffen des 1 1 . bis
14. Jahrhunderts ‚Ideologie‘-Träger. Pilgerzeichen aus Blei und Zinn mit oft
recht differenzierten Bildinhalten verbreiten nicht nur Abbilder von Heiligen,
sondern fast wie Postkarten Kirchen- und Stadt-Vorstellungen. Andenken- und
Devotionalien-Handel ist über Emailfibeln des 10./11. Jahrhunderts bis zu den
Tonfigürchen des 13. bis 15. Jahrhunderts vielfach belegt.
Kommunikation und archäologisch faßbare Verbreitung von Gegenständen
und Befunden müssen vielschichtig diskutiert werden. Die Interpretation von
archäologischen Verbreitungskarten allein bleibt bei einigen vordergrundigen
Deutungsmustern. Daß im Fundstoff immer wieder europaweit Gleichartiges
registriert werden kann, ist Abbild intensiver Kommunikation.
40
Aspekte der Kulturkommunikation
anband archäologischer Funde im baltischen Raum
EVALDS MUGUREVICS (RIGA)
Ausgehend von archäologischem Fundmaterial des 13. bis 16. Jahrhunderts,
das auf dem Territorium Lettlands geborgen wurde, handelt unser Bericht von
der Kulturkommunikation zweier unterschiedlicher Kulturkreise (Ostbaltikum
und Deutschland).
Die Invasion des Deutschen Ordens in das Ostbaltikum (Livland) im 13.
Jahrhundert führte zu engeren Kontakten zwischen den Deutschen und der
einheimischen Bevölkerung (den Balten und Ostseefinnen).
Die Deutschen brachten eine neue Form des Befestigungsbaus – den Bau
steinerner Burgen – nach Livland. Neben verschiedenen Entlehnungen aus der
westlichen Bautradition, vor allem aus Deutschland und Skandinavien, spielten
die örtlichen hölzernen Baukonstruktionen auch weiterhin eine bedeutende
Rolle. Im 15. und 16. Jahrhundert wächst der Anteil von Steinbauten und
Fachwerkhäusern sowohl in den Burgen als in den Städten. Hingegen überwiegt
in den ländlichen Siedlungen die Holzbauweise, .ausgenommen in Orten, in denen
deutsche Herrensitze entstehen.
Seit dem 13. Jahrhundert sind verschiedene Typen von Öfen nachgewiesen.
Die Stein- und Lehmöfen waren schon vorher bekannt. Das grundlegend neue
Heizsystem der Warmluftöfen (13. bis 15. Jahrhundert) und Kachelöfen (seit
dem 15. Jahrhundert) wurde in deutschen Burgen, Städten und llerrensitzen
eingeführt . . Zur gleichen Zeit wurden aber in den ländlichen Siedlungen und
Burgen, die von der einheimischen Bevölkerung bewohnt wurden, die alterhergebrachten
Bauweisen mit nur wenigen Neuerungen auch weiterhin gepflegt.
Forschungen über die bäuerlichen Arbeitsgeräte des Mittelalters, z. B. die
eisernen Teile von Bodenbearbeitungsgeräten (Pfiugschare des Gahelpfiuges,
Ernteeinbringungs- und Heumahdgeräte, Bogensichel, Mähsensen) beweisen,
daß diese überwiegend in der älteren Tradition der einheimischen ostbaltischen
Kultur begründet sind.
In bezug auf das Werkzeug und das Haushaltsgerät der einheimischen
Bevölkerung ist festzustellen, daß im Mittelalter Messer mit aufgeschobenen
Holzgriffen, Schafscheren, Feuerstähle, zylindrische Schlüssel üblich .bleiben.
Als Neuerungen des Mittelalters ist .eine gewisse Anzahl . von Gegenständen
41
(Messer mit aufgenieteten Griffen, Klappmesser, Scharnierscheren, verschiedene
Schlüssel- und Schloßtypen) von allgemein europäischer Form zu bet rachten.
Im 13. bis 16. Jahrhundert überwiegen bei Waffen, Zaum- und Sattelzeug
sowie Reitausrüstung solche, deren Ursprung sich aus Westeuropa ableiten läßt
(Armbrustbolzen, Speerspitzen, Schwerter mit Inschriften, Sporen). Gleichzeitig
bleiben aber im Alltagsleben auch die für die ostbaltische Bevölkerung
typische Bewaffnung und Reitausrüstung (Äxte, Pfeilspitzen, Lanzen) sowie
Sporen und Steigbügel für leicht ausgerüstete Reiter in Gebrauch.
Unter den archäologisch geborgenen Schmucksachen der baltischen Bevölkerung
sollen verschiedene Amulett-Anhänger nach dem Glauben ihrer Träger
Unheil abwehren (Schellen, trapezförmige Anhänger). Rund, radähnlich oder
halbmondförmig sind sie eben wie die Thorshämmer Symbole für Himmelskörper
und Naturgewalten. Von der zunehmenden Christianisierung zeugen im
archäologischen Fundmaterial kleine orthodoxe (11. bis 14. Jahrhundert) und
katholische (12. bis 16. Jahrhundert) Kreuze. Das Vorkommen von Kreuzehen
als Frauenschmuck in Kombination mit anderen Anhängern weist darauf hin,
daß die Trägerinnen diese Kreuzehen als Schmuckgegenstände ansahen.
In der Architektur der ältesten Pfarrkirchen Livlands ist der Einfluß der
Bautradition westeuropäischer Sakralbauten des 7. bis 13. Jahrunderts maßgeblich.
In ihrer äußeren Erscheinung erinnern sie an den Typus der im Deutschen
Reich weit verbreiteten Saalkirche. Der überwiegende Teil der einheimischen
Bevölkerung bewahrte, besonders in den ländlichen Gebieten, noch
jahrhundertelang die heidnischen Traditionen, was durch Bergheiligtümer, geheiligte
Bäume und Opfersteine bezeugt wird. Hiernach verehrte sie noch im
16. Jahrhundert Sonne und Mond, Bäume und Steine und brachte ihnen Opfer
dar.
Wir erkennen also in Livland im Mittelalter zwei verschiedene Kulturen
– eine der einheimischen Völker und eine solche der Deutschen. In der
ostbaltischen Kultur spiegelt sich, wie archäologische Befunde zeigen, trotz
ungünstiger Rahmenbedingungen die Tradition der vorangehenden Epoche ( 1 1 .
bis 12. Jahrhundert). Die Träger dieser einheimischen Kultur sind Bauern, die
den größten Bevölkerungsanteil Livlands darstellen. Die deutsche Kultur ist
durch die kleine Minderheit der Oberschicht vertreten (Adelige, Klerus, Bewohner
von Burgen, Herrensitzen und Städten). Beide Kulturen waren durch
Klassenunterschiede und nationale Gegensätze getrennt. Dank ihrer Vitalität
und Widerstandskraft bewahrte die einheimische Kultur ihre Identität durch
das ganze Mittelalter, wenn auch ihre Weiterentwicklung jahrhundertelang gehemmt
wurde. Nach wie vor hielt die einheimische Bevölkerung an heidnischen
Ritualen fest (Leichenverbrennung von Kuren, Nicht-Ostung der Gräber, Grab-
42
beigaben). Wie in den angrenzenden Ländern bestimmte somit auch in Livland
das Heidentum weiterhin die ländliche Weltanschauung .
• * *
Weitere Referate ·
(keine Kurzfassungen eingetroffen)
Willern Frijhoff (Rotterdam): Kommunikation und Alltag in Mittelalter
und Neuzeit. Theoretische und methodische Überlegungen.
Neithard Bulst (Bielefeld): Normative Texte als Quelle zur Kommunikationsstruktur
zwischen städtischer und territorialer Obrigkeit.
Gerhard Dohrn-van Rossum (Bielefeld): Stundenschlag und städtisches
Signalensemble.
* * *
43
Manuscript Sources on Microfilm in North America:
The Hili Monastic Manuscript Library1
JULIAN G. PLANTE (COLLEGEVILLE, MINNESOTA )
The Hili Monastic Manuscript Library was established by the Benedictine
monks of Saint John’s Abbey and University, Collegeville, Minnesota in 1965.
The purpose for which the Library was established is two-fold: ( 1) to preserve
on microfilm the contents of pre-1600 handwritten manuscripts still preserved
– many of them precariously so – in libraries and archives abroad, and (2) to
make these largely inaccessible primary source materials available to scholars
and researches.
The idea for the historic project was posed by Pope Pius XII shortly after
World War II in a private audience with Fr. Colman Barry, 0. S. B., a monk
of Saint John’s Abbey then studying in Rome. The knowledge that the war
had devastated countless artistic, cultural and literary treasures was fresh in
the Pope’s mind. He alluded to the fragile and vulnerable state of important
medieval collections which had survived the destruction of war and he asserted
that it would be appropriate challenge for the American Benedictines to
undertake a comprehensive, international project of microfilming monastic and
other medieval manuscript collections before they would be ravaged further by
natural and human destruction.
Over the past quarter century the Hili Library has microfilmed more than
73.000 codices (bound handwritten manuscript books ), 122.000 papyri and
countless archival units representing over 23 millions of handwritten documentation
dating largely from before the year 1600. The countries in which the
Library has focused its activity include Austria ( 44 % of the Library’s holdings ),
Spain (9 %), Malta (12 %), Ethiopia (11 %), Germany (13 %), Portugal (3 %)
and England (6 %). By purchase or exchange, the Hili Library had added
microfilms of selected manuscripts from other countries ( accounting for the
remaining 2 % of the Library’s holdings).
The original scope of HMML’s microfilm operations to include manuscript
collections of monastic libraries was, early on, expanded to include manuscript
collections of other libraries and archives, whether of monastic provenance or
1 Paper re&d at the 25th International Congress on Medieval Studies, May 10-13, 1990,
Western Michigan University, Kalamazoo
44
not. Similarly, another of the Hili Library’s original guiding principles – to
include only codiccs manuuripti or literary and historical type manuscripts in
bound form dating before the year 1600 – was altered to permit the inclusion of
archival documents and records of the administrative type and of manuscript
materials dating after the year 1600 when deemed significant by the host libra􀂡ian
or archivi5t and/or the Hili Library’s project director. The coll􀂢ctions 􀂣f
manuscripts from Austria, Spain, Malta and Portugal particularly reflect these
changes.
With papyri dating back to the third century B. C. and the codices dating
from the fitth century A. D., the manuscript materials photographed to
date reflect a broad cross-selection of western and a representative portion of
Oriental cultural, intellectual, social“ and religious developments from Classical
Antiquity to the early modern period. While manuscripts of the classical Greek
and Latin authors ( and subsequent commentaries thereon) are represented in
the microfilm collections, the particular strength of the Hill Library’s collections
are manuscripts from the patristic and medieval periods. The Iiterature
of the Middle Ages in all its forms, from the earliest period up through the
Renaissance, is the most strongly represented by the Latin tradition. Medieval
vernacular literature, though less strong, is an important part of the total
collections, especially German, Spanish and, from the Austrian National Library,
manuscripts in the other vernacular languages. lmportant for the social,
political, diplomatic and ecclesiastical history of Europe are the administrative
records and documents of the archives in Austria, Spain and Portugal.
The Library films entire collections. This helps to make the Hili Library
unique among microfilmed manuscript repositories. It also has the benefit that
our audience of researchers can do projects involving an entire library or study
the regional holdings of a given author’s works. The policy of filming the
complete pre-1600 manuscript holdings of individual libraries may involve a
certain loss of selectivity. The flexibility that it provides researchers more than
makes up for any possible negative effect.
All manuscripts are photographed completely from cover to cover in black
and white. Color microfilm exposures are made of all important initials, miniatures
and illuminations. When possible, two pages are photographed on a single
exposure. The microfilms are stored in a modern, well-equipped facility in Bush
Center on the campus of Saint John’s University where they are safeguarded
in a temperature- and humidity-controlled environment against deterioration
and destruction and theft. All too often, unfortunately, there is no guarantee
that the original manuscripts will be preserved as weil. The regular practice
of the Hili ·Library is to provide, cost-free to the host institution, a microfilm
record of all its holdings that are photographed.
45
Equally important with the holdings of manuscripts on microfilm is the
collection of manuscript catalogues that the Hili Library has developed. In
each library where filming is undertaken, the filming crew also photographs
ex.isting catalogues – printed, typescript or manuscript – and any other types
of information about the collection that may be available. To support this
collection of catalogues of the microfilm holdings, we have also acquired, over
the years, a substantial nurober of manuscript catalogues for other collections
– not yet filmed, and other types of Hilj3mittel. These catalogues are available
to researchers, and they also help to support our own cataloguing activitics.
The type of access we hope to furnish to the microfilmed manuscripts
requires accurate accounts of content. From the beginning, in one form or another,
the Hili Library staff has been involved in cataloguing work intended to
furnish access. Many of you will be familiar with the Checkli3t volumes for Austria
and Spain. The Hill Library’s series of De3criptive lnventorieJ of Manuuript&
began with a group of three volumes for Austrian collections prepared
by Donald Yates, Peter Jeffery and Hope Ma.yo. I can also mention hcre my
own catalogues of the manuscripts of Stift Reichersberg and the PhilosophischTheologische
Hochschule of the Diocese of Linz which were published before
the De3criptive InventorieJ of ManuJcriptJ series was inaugurated. Our current
Portuguese subseries has been launched with the first two volumes ,of a
catalogue for the Alcoba\ja manuscripts prepared by Thomas Amos. The final
volume, by Jonathan Black and Thomas Amos, will appear this year.
With the Alcoba\ja catalogue, the Hill Library has undertaken to build a
computer database of manuscript and contents descriptions. At present, we
are using the computer to help with t.he publication of the catalogue volumes.
As the volume of material in the database grows, we will look for ways to make
the computerized data available to researchers. The use of the computer, like
the microfilming itself, represents another way in which we use the technology
of the present to preserve and provide access to the resources of the past.
CURRENT ACTIVITIES AND FUTURE PLANS
Last year we completed filming the sizeable collection at the Stadtbibliothek
Mainz, the principal component of which is a former Carthusian library. This
year we will ccimplete filming at the Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt.
Later this year we will move to the Universitätsbibliothek Giessen, just
north of Frankfurt and then to Stadtbibliothek Bremen. Our plan for the immediate
future is to include the holdirigs of Kloster Loccum, the Benedictine
abhey of Metten, the private libraries of Donaueschingen and Sigmaringen. In
Malta we have committed ourselves to a five-year program to film the Archives
of the Knights of Malta housed in the National Library of Malta.
46
The Hili Monastic Manuscript Library, the youngest of the other two major
microfilmed manuscript repositories, has served the scholarly community over
the past quarter century and will remain, Deo volente, a growing resource. With
the Vatican Film Library at St. Louis University and the Ambrosiana Microfilm
and Photographie Collection at the University of Notre Dame, the Hili Library
encourages researchers – whether seasoned savants or building scholars – to
explore the riches of our medieval and Renaissance written heritage that lurk
within the many „collections of collections“ that have, by modern technology,
been transferred to the New World.
Australia
Austria
Belgium
Canada
Czechoslovalria
Egypt
England
Ethiopia
France
Germany (BRD)
Germany (DDR)
Greece
Holland
Hungary
Ireland
Manuscripts on Microfilm in HMML
Cumulative report of holdings to June 30, 1989
1 Mss.
31 .642 Mss.
2
6 Mss.
3 Mss.
25 Mss.
14 Mss.
4.226 Mss.
7.572 Mss.3
64 Mss.
4
41 Mss.
5
358 Mss.
8.369 Mss.
8
315 Mss.7
296 Mss.8
26 Mss.
15 Mss.
18 Mss.
534 Mss.
g
82 Mss.
2
= HMML Pr. nos. 1 – 29973; includes: 122.100 papyri, 15.000 archival units, and 61
incunabula and early printed worlrs.
3 = EMML Pr. nos. 1 – 7572.
4 = EMML Pr. nos. 7573 – 7584, 7588 – 7599, 7601 – 7643.
5 Copies of Dr. Donald Davies‘ lilmed Mss. and others.
e = HMML Pr. nos. 34974 – .
7 Bernlcastel-Kues. Cusanus-Stift.
8 Acquired separately.
9 + 5.434-plus archival documents and 165 F. on 58 reels of film.
47
Israel 1 1 1 Mss.
Italy 631 Mss.
Luxembourg 1 Ms.
Malta 8.250 Mss. 10
Poland 7 Mss.
Portugal 2.081 Mss. II
Scotland 3 Mss.
Spa.in 6.206 Mss. 12
6 5 Mss. 1 3
Sweden 5 Mss.
Switserland 93 Mss.
Turkey I Ms.
U.S.S.R. 15 Mss.
U.S.A. 485 Mss.
Vatican City 467 Mss.
Yugoalavia 12 Mss.
Total 72.040 Mss. 14
Also on film:
F. E. Cranz, A Microfilm Corpus of the Indexes to Printed Cataloguu of Manuscripts before
1600 A. D. (New London, Connecticut, 1982). Text vol. (ix, 609p.) and 38 reels of film.
F. E. Cranz, A Microfilm Corpus of Unpublished lnventories of Latin Manuscripts Through
1600 A. D., 2nd Printing with Additions and Corrections (New London, Connecticut, 1988).
Text vol. (Catalogue of the Microfilm Corpus) (xiv, 182p.) and 340 reels of film.
Manuscripts on Mierefilm in HMML: Austria
Admont. Stiftsbibliothek
Altenburg. Stiftabibliothek
Bregens. Kapuzinerkloster
Bregens. Landesarchiv
Bregens. Landesmuseum
Bregens. Mehrereau
Bressanone-Brixen, Italy. Klarissenkloster
Fiecht. Stiftsbibliothek
Geras. Stiftsbibliothek
Göttweig. Stiftsbibliothek
Graz. Diözesanarchiv
1 0 = HMML Malta Pro. nos. 1 – 8131; 8138 – 8224; Special Pr. nos. 1 – 33.
785 Mss.
230 Mss.
3 Mss.
129 Mss.
5 Mss.
18 Mss.
25 Mss.
188 Mss.
6 Mss.
545 Mss.
3 Mss.
1 1 = HMML Portugal Pr. nos. 1 – 1906; 5001 – 5150; also includes a 25-volume catalogue in
manuscript o{ the Biblioteca Geral da Universidade de Coimbra.
1 2 = HMML Pr. nos. 29974 – 34973.
13 Acquired separatdy.
14 + 122.100 papyri, 21.667 archival units, 235 incunabula and early printed works.
48
Graz. Dominikanerkonvent
Graz. Minoritenkonvent
Graz. F.-b. Ordinariatsarchiv
Graz. Stadtpfarre zum Heiligen Blut
Graz. Steiermärkisches Landesarchiv
Graz. Universitätsbibliothek
Graz. Zentralbibliothek der Wiener Franziskanerprovinz
Güssing. Franziskanerprovinz
Haus im Ennstal. Pfarrarchiv
Heiligenkreuz. Stiftsbibliothek
Herzogenburg. Stiftsbibliothek
Innsbruclc. Servitenleioster
Innsbruclc. Tiroler Landesarchiv
Innsbruclc. Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Innsbruclc. Universitätsbibliothek
Klagenfurt. Bischöfliche Bibliothek
Klagenfurt. Kapuzinerkloster
Klagenfurt. Kärntner Landesarchiv
Geschichts-Verein
-. AUgemeine Handschriften Sammlung
-. Städtisches Archiv
Klagenfurt. Studienbibliothek
Klosterneuburg. Stiftsbibliothek
Kremsmünster. Stiftsbibliothek
Kreuzenstein (Burg) bei Leebendorf
Lambach. Stiftsbibliothek
Lilienfeld. Stiftsbibliothek
Linz. Bibliothek der Phi!. Theol. Hochschule der Diözese Linz
Linz. Bundesstaatliche Studienbibliothek
Linz. Museum der Stadt Linz. Kapuzinerbibliothek
Linz. Oberösterreichisches Landesmuseum. Bibliothek
Linz. Oberösterreichisches Landesarchiv
Maria Saal. Archiv des Collegiatstiftes
Mattsee. Stiftsbibliothek
Melk. Stiftsbibliothek
Michaelbeuern . Stiftsbibliothek
NovaceUa-Neustift, ltaly. Convento dei Canonici Regolari
Reichersberg. Stiftsbibliothek
Rein. Stiftsbibliothek
Salzburg. Erzbischöfliches Konsistorial Archi•
Salzburg. Erzbischöfliches Priesterseminar
Salzburg. Museum Carolino-Augusteum
Salzburg. Nennberg Abtei
Salzburg. Sankt Peter Erzabtei
Salsburg. Universitätsbibliothek
Sankt Florian. Stiftsbibliothek
Sankt Paul im Lavanttal. Stiftsbibliothek
Sankt Pölten. Diözesanbibliothek
Schlägl. Stiftsbibliothek
Schlierbach. Stiftsbibliothek
6 Mss.
1 Ms.
3 Mss.
1 Ms.
179 Mss.
1.264 Mss.
41 Mss.
22 Mss.
1 Ms.
391 Mss.
145 Mss.
33 Mss.
1.109 Mss.
83 Mss.
695 Mss.
180 Mss.
1 Ms.
180 Mss.
47 Mss.
3 Mss.
216 Mss.
1.270 Mss.
434 Mss.
36 Mss.
406 Mss.
231 Mss.
11 Mss.
401 Mss.
5 Mss.
9 Mss.
504 Mss.
45 Mss.
43 Mss.
1.105 Mss.
127 Mss.
87 Mss.
12 Mss.
161 Mss.
1 Mss.
21 Mu.
20 Msa.
195 Mss.
925 Mss.
505 Mss.
544 Mu.
1.044 Mss.
116 Mu.
256 Mu.
33 Mss.
49
Schwaz. Franziskanerleioster
Seitenstetten. Stiftsbibliothek
Solb&d Hall. Franzislcanerlcloster
Stams. Stiftsbibliothek
Villach. Museum der St&dt
Vorau. Stiftsbibliothek
Wien. Bibliotheca Theresianum
Wien. Dominikanerkloster
Wien. Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Wien. Mechitaristenkongregation
Wien. Minoritenkonvent
Wien. Österreichische Nationalbibliothek
Handschriftensammlung
Papyrussammlung (filmed in 1971)
Papyrussammlung (regist. to 6/30/82)
– Papyrussammlung (regist. to 6/30/83)
– Papyrussammlung (unregist. 7/1/84-7 /31/85)
-. Papyrussammlung (unregist. 8/1/85-12/32/88)
-. Papyrussammlung (unregist. 1/1/89-6/30/89
Wien. Schottenkloster
Wien. Universitätsbibliothek
Wiener Neust&dt. Neukloster
Wilhering. Stiftsbibliothek
Wilten. Stift.bibliothek
Zwettl. Stiftsbibliothek
Total
Manuscripts on Microfilm in HMML: Germany
Bonn. Universität. Musikwissenschaftliches Seminar
Bonn. Universitätsbibliothek
Detmold. Lippische Landesbibliothek
Ehrenstein. Kreuzherrenkloster Liebfrauenthai
Eichatätt. Universitätsbibliothek (Sem)
Eichstätt. Benediktinerinnenabtei St. Walburg
Eichstätt. Diösesanarchiv. Ordinariatsbibliothek
Eichstätt. Diöcesanarchiv. Domkapitel
Eichstätt. Private Library of Deacon Sirgiw Gelaw
Emmerich. Pfarrarchiv. St. Martini
Essen. Diözesan- und Seminarbibliothek
Essen. Domkapitel
Essen. Domkapitel. Domschatzkammer
Essen. Kirchengemeinde St. Ludgerus
Essen. Ruhrland- und Heimatmuseum
11 Mss.
285 Mss.
71 Mss.
119 Mss.
7 Mss.
363 Mss.
51 Mss.
245 Mss.
318 Mss.
1.181 Mss.
232 Mss.
12.933 Mss.
100.000 Papyri
2.700 Papyri
3.300 Papyri
3.600 Papyri
10.500 Papyri
2.100 Papyri
455 Mss.
18 Mss.
36 Mss.
154 Mss.
25 Mss.
441 Mss.
34.130 Mss.15
575 Mss.
235 Mss.
57 Mss.
3 Mss.
.80 Mss.
28 Mss.
27 Mss.
8 Mss.
1 Ms.
33 Mss.
2 Mss.
13 Mss.
15 Mss.
3 Mss.
2 Mss.
15 + ca. 120.000 Papyri, 15.000 archival units and 61 incunabula and early printed works
from 76 libraries.
50
Freiburg im Breisgau. Augustinermuseum
Freiburg. Collegium Borromaeum
Freiburg. Erzbischöfliches Archiv
Freiburg. Stadtarchiv
Freiburg. Universität.sarchiv
Freiburg. Universitätsbibliothek
Koblenz/Ehrenbreitstein. Archiv des Provinzialals der Kapuziner
Köln. Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek
Archiv des Dompropsts
– Erzbischöfliches Priesterseminar
– Dombibliothek
Leibische Sammlung
Köln. Unidentified private collection
Köln. Historisches Archiv der Stadt Köln
Mainz. Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars
Mainz. Stadtbibliothek
Marienstatt. Zisterzienser Abtei
Mönchengladbach. Archiv der niederrheinischen Franziskanerprovinz
Mönchengladbach. Franziskanerkloster
Münster. Bistumsarchiv Münster
Münster. Diözesan-Bibliothek
34 Mss.
I Ms.
39 Mss.
72 Mss.
24 Mss.
440 Mss.
I Ms.
669 Mss.
2
I 0 8
260
299
2 Mss.
1.406 Mss.
49 Mss.
420 Mss.
4 Mss.
I Ms.
3 Mss.
263 Mss.
55 Mss.
Münster. Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv Münster 459 Mss.
Nürnberg. Bibliothek des Landeskirchlichen Archivs der Evangelisch-Lutherischen
Kirche in Bayern I 0 5 Mss.
Paderborn. Erzbischöfliche Akademische Bibilothek (Theodoriana) 36I Mss.
Paderborn. Erzbischöfliches Diözesan-Museum
Paderborn. Erzbistums-ArchiY
Paderborn. Metropolitallkapitel
Reutlingen. Stadtbibliothek
Sankt Peter im Schwarzwald. Priesterseminar
Siegburg. Abtei Michaelsberg
Siegburg. Stadtarchiv
Tri er. Bibliothek des Priesterseminars
Tri er. Bistumsarchiv
Trier. Sankt Matthias Abtei
Tübingen. Universitätsbibliothek
Tübingen. Wilhelmsstift. Bibliothek
Tübingen. Evangelisches Stift. Bibliothek
Walberberg/Bornheim. Dominikanerkonvent St. Albert
Xanten. Archivdiakonat und Propstei
Xanten. Stiftsarchiv und Stiftsbibliothek des katholischen Pfarramtes St.
Total
Acquired additionally:
Bernkastel-Kues. Cusanus-Stift
Miscellaneous separately acquired
Total Mss. from Germany
6 Mss.
8 Mss.
I Ms.
2 Mss.
I6 Mss.
1 4 Mss.
I3 Mss.
1 4 3 Mss.
252 Mss.
9 Mss.
2.0I6 Mss.
6I Mss.
I9 Mss.
37 Mss.
79 Mss.
Viktor 203 Mss.
8.369 Mss.
3 I 5 Mss.
296 Mss.
8.980 Mss.
51
Manuscripts on Microfilm in HMML: Spain
Barcelona. Archivo Capitular de Ia Catedral
Barcelona. Archivo Diocesano
Barcelona. Archivo Episcopal
Barcelona. Biblioteca del Seminario Diocesano
Barcelona. Sant Pere de les Puel.les
Gerona. Archivo Capitular
Gerona. Museo Diocesano
Gerona. Seminario Diocesano
Huerta. Santa Maria de Huerta
Huesva. Archivo de Ia Catedral
Lerida. Museo Diocesano
Madrid. Real Acadernia de Ja Historie&
Montserrat. Biblioteca del Monasterio
Pamplona. Archivo General de Navarra
Pamplona. Biblioteca de Ia Catedral
Perelada. Palacio de Perlada
Poblet. Monasterio de Santa Maria. Archivo
Seo de Urgel. Archivo de Ia Catedral
Silos. Archivo de Sto. Domingo de Silos
Solsona. Archivo Capitular
Tarazona. Archivo de Ja Catedral
Tarragona. Archivo Historico Archidiocesano
Tarrasa. Priorat de Santa Maria
Toledo. Biblioteca del Cabildo
Tortosa. Archivo Capitular de Tortosa
Vallbona de las Monjas. Monasterio Cisterciense de Sta. Maria
Vieh. Archivo Capitular
Vieh. Archivo Museo
Zaragosa. Biblioteca Capitular
Zaragon. Biblioteca del Real Seminario de San Carlos
Total Mss. rnicrofilmed in Spain
Mss. acquired separately
Total
Manuscripts on Microfilm in HMML: Portugal
Coimbra. Biblioteca Geral da Universidade
Lisboa. Arquivo da Camara Municipal de Lisboa
225 Mss.
1.357 Mss.
12 Mss.
30 Mss.
1.043 Mss.
160 Mss.
11 Mss.
59 Mss.
33 Mss.1 6
6 4 Mss.
7 Mss.
116 Mss.
415 Mss.
12 Mss.
70 Mss.
240 Mss.
17
22 Mss.
167 Mss.
17 Mss.
12 Mss.
188 Mss.
23 Mss.
114 Mss.
909 Mss.
328 Mss.
30 Mss.
148 Mss.
118 Mss.
228 Mss.
48 Mss.
6.206 Mss.
from 30 libraries
65 Mss.
6.271 Mss.
145 Mss.
256 Mss.
14 These 33 items are printed books d&ting from the 16th to 19th
century dealing with
Cistercian and Benedictine history, particularly in Spain, microfilmed because of their rarity
and inaccessibility to researchers.
17 In addition to the 240 manuscripts microfilmed, 1191 charters, 42 letters and 5 printed
works were also photographed.
52
– Chancelaria Regia
– Chancelaria da Cidade
– Provimento do Pao
– Provimento da Saude
– Casa dos Vinte e Quatro
– Casa de Santo Antonio
– Administracao – Financas
– Administracao – Propriedades
Obras Publicas
– Jmpostos
Lisboa. Biblioteca da Ajuda
Lisboa. Biblioteca Nacional de Lisboa
– Fundo Alcobaca
– Fundo Alcobaca, lla serie
Fundo Geral
– !Uuminados
– Manuscritos Avulsos
Arquivo de Tarouca
– Collection Pombalina
Lisboa. Museu Calouste Gulbenlcian
Lisboa. Museu Nacional de Arte Antiga
Total
Manuscripts on Microfilm in HMML: England
Cambridge. Clare College
Cambridge. Corpus Christi College
Cambridge. Fitzwilliam Museum
Cambridge. Gonville and Caius College
Cambridge. Magdalene College
Cambridge. Peterhouse
Cambridge. Queens‘ College
Cambridge. St. John’s College
Cambridge. Trinity College
Cambridge. University Library
Miscellaneous
-. Taylor-Schechter (Registered at HMML)
-. Taylor-Schechter (Unregistered films)
Durham. Dean and Chapter Library
Durham. University Library
Durham. Ushaw College
Hereford. Cathedral Library
Holleharn Hall, Wells, Norfollc. Earl of Leicester Library
Lincoln. Cathedral Library
London. South Kensington, (V & A Museum)
London. British Library. Codd. Alexandrinus
– Additional
-. Arundel
96
53
30
10
1 4
1 8
9
23
2
108 Mss.
1.487 Mss.
456
91
324
2 1 3
383
8
1 2
1 2 6 Mss.
4 Mss.
2.126 Mss.
1 Ms.
10 Mss.
5 Mss.
2 Mss.
2 Mss.
1 Ms.
31 Mss.
1 Ms.
1 .309 Mss.
13 Mss.
150 Mss.
4 1 4 Mss.
371 Mss.
87 Mss.
42 Ms•.
226 Mss.
197 Mss.
244 Mss.
1 Ms.
4 Mss.
81 Mss.
Ms.
53
Burney
Cotton
Egerton
Harley
Oriental
-. Phillips
Royal
Sloane
Stowe
London. Lambeth Palace
London. Wellcome Institute {or the History o{ Medicine
[Manchester. University. John Rylands Library
Odord. Bodleian Library. Add.
Auct.
Bodl.
Bruce
Canon
D’Orville
– Douce
Hatton
Holkhamgr.
– Junius
Ms. e. Museo
Lai
Laud.
M. Deneke Mendellsohn
Rawlinson
– Seidon Supra
Odord. Balliol College
Orlord. Christ Church (Aedis Christi)
Orlord. Exeter College
Oxford. Jesua College
Orlord. New College
Odord. Oriel College
Orlord. University College
Salisbury. Cathedral Library
Winchester. Cathedral Library
Winchester. College. Warden and Fellows Library
Miscellaneous unregistered films (Longleat, York)
Total
54
1 Ms.
16 Mss.
9 Mss.
16 Mss.
12 Mss.
1 Ms.
9 Mss.
1 Ms.
1 Ms.
493 Mss.
1 Ms.
2 Mss.)
1 Ms.
1 1 Mss.
6 Mss.
1 Ms.
6 Mss.
2 Mss.
5 Mss.
2 Mss.
1 Ms.
1 Ms.
3 Mss.
3 Mss.
5 Mss.
2 Mss.
2 Mss.
1 Ms.
1 Ms.
18 Mss.
1 Ms.
3 Mss.
1 Ms.
1 Ms.
1 Ms.
202 Mss.
22 Mss.
69 Mss.
100 Mss.
4.226 Mss.
{rom 22 libraries
DDR-Arbeitskreis fur Alltagsgeschichte gegründet
WOLFGANG URBAN (BERLIN)
Am 15. März 1990 trafen sich Historiker, Volkskundler, Museologen und andere
aktive Vertreter der Alltagsgeschichte aus dem Norden und Süden der DDR, um
am Berliner Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften
einen Arbeitskreis für Alltagsgeschichte zu konstituieren. Die Anhänger
der Alltagsgeschichte taten dies in einer Zeit, in der die Deutschland-Rufe und
Deutschland-Hoffnungen zur politisch-dominanten Kraft in der DDR wurden.
Dennoch war es wissenschaftlich sinnvoll, einen Arbeitskreis zu gründen, dessen
Mitglieder vorerst nur au􀎺 dem Gebiet der DDR stammen.
Die Alltagsgeschichtsschreibung hat in der DDR und in der BRD eine eigene
Geschichte durchlebt. Die Auseinandersetzungen um das Für und Wider
der alltagsgeschichtlichen Forschungsansätze verliefen in beiden Ländern in einer
unterschiedlichen Weise. Alltagsgeschichte wurde bei uns nicht öffentlich
als „biederer Hirscbrei“, „billiger Defätismus“ oder „neuer Irrationalismus“ kritisiert.
Unserer Kultur des Meinungsstreits entsprachen keine popularitätsfördernden
öffentlichen Auseinandersetzungen. Im Umgang mit der Alltagsgeschichte
überwogen das Belächeln und die Ignoranz.
.
In ihrem gemeinsamen Bemühen um die Alltagsgeschichte konnten deren
Anhänger ‚froh sein‘, daß sie nicht als Störenfriede der ‚wahrhaften Lehre‘ betrachtet
wurden. In der Rolle des Außenseiters, der sich mit den ‚belanglosen
Dingen des großen historischen Prozesses‘ beschäftigt, konnte man in der DDR
durchaus seinen wissenschaftlichen Interessen nachgehen. Die in den letzten
Jahren gewachsene Anzahl von alltagsgeschichtlichen Arbeiten zeugt davon.
Wer die Arbeiten las, der verspürte sehr wohl, daß sie offizielle Dogmen und
Sichtweisen auf die Geschichte in Frage stellten. Aber dieser intellektuelle Widerstand
liebte weniger die riskanten Nadelstiche gegen einflußreiche Dogmatiker
als die rein wissenschaftliche Freude am eigenen Produkt des Forschens.
So paarte sich bei nicht wenigen Forschern das Streben nach wissenschaftlicher
Wahrhaftigkeit mit einem Balanceakt bei der öffentlichen Darstellung der
Forschungsprodukte. Möglichst viel an gesellschaftskritischem Nachdenken zu
bewirken, ohne es politisch vordergründig zu tun, wurde bei jenen Wissenschaftlern
zum Anspruch des Schreibens, die die gesellschaftliche Entwicklung
auch unter den dominanten Bedingungen einer dogmatischen Gesellschaftstheorie
beeinflussen wollten.
55
Das Verlangen nach einer öffentlichen Diskussion der angestauten Probleme
wurde jedoch zunehmend stärker. Das 7. wirtschaftshistorische Streitgespräch
des Instituts für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften
der DDR stellte sich daher am 10. Januar 1989 dem Thema „Sozialgeschichte/
Alltagsgeschichte – woher, wohin?“. Jan Peters, der jetzt den im
März 1990 gegründeten Arbeitskreis für Alltagsgeschichte leitet, diskutierte
damals mit Helga Schultz die spezifischen Möglichkeiten der Sozial- und Alltagsgeschichtsschreibung
in der Geschichtswissenschaft der DDR. Vor einem
großen Auditorium von DDR-Historikern machten sie erstmals zahlreiche Problemstellungen
öffentlich sichtbar und debattierten sie in anregender Weise. In
jener lebhaften Diskussion an diesem 10. Januar des Jahres 1989 wurde auch
an die Durchsetzungsprobleme der sozial- und alltagsgeschichtlichen Forschungen
in der DDR erinnert. Volkskundler und Historiker taten dies anband von
konkreten Beispielen aus ihrer eigenen Arbeit. Bereits dieses Aufzeigen von
Brüchen, Diskontinuitäten und Schwierigkeiten widersprach damals manchen
„selbstzufriedenen Auffassungen über eine ungebrochene Kontinuität und vollendete
Komplexität der historiographischen Entwicklung in der DDR“1.
Mit der Benennung und Datierung ihrer Durchsetzungsprobleme zeigten
die Sozial- und Alltagshistoriker zugleich Entwicklungstendenzen in einem Forschungsprozeß
auf, der in der widerspruchsvollen historiographischen Entwicklung
der DDR einen recht späten Anfang nahm. Aber dieser schwierige Beginn
lag eben dennoch lange vor der politischen Wende des Herbstes 1989.
Die sich unter Schwierigkeiten mühten, hatten sich lange den Wegfall der
politischen Restriktionen und Bevormundungen gewünscht. Aber kaum war die
blauäugige Revolution des Herbstes vorüber und manch intellektueller Traum
ausgeträumt, da sahen sich die Anhänger der Alltagsgeschichte von radikalisierten
Denkweisen bedroht, die sich pauschal gegen die Gesellschaftswissenschaftler
in der DDR richteten. In diesen schwierigen Zeiten fanden sich die
Anhänger der Alltagsgeschichte am 15. März 1990 in Berlin zusammen, um
die alltagsgeschichtlichen Debatten der Vergangenheit fortzusetzen und einen
eigenen Arbeitskreis zu konstituieren.
Am 10. Januar 1989 hatte Jan Petcrs die Diskussion zur Frage nach der
Verselbständigung der Alltagsgeschichte oder ihrer Subsumierung z. B. unter
die Sozialgeschichte mit den Worten zusammengefaßt, daß der Klärungsprozeß
der angesprochenen Probleme wohl darauf hinauslaufe, von „einer relativen
1 „Sozialgeschichte/ Alltagsgi!Schichte – woher, wohin?“, 7. wirtschaftshistorisches Streitgespräch
des Instituts !Ur Wirtschaftsgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR
am 10. Januar 1989 in Berlin, in: Demos, internationale ethnographische und folkloristische
Informationen 29 (1989) Sp. 149.
56
Autonomie der Alltagsgeschichte bei vielfacher Zuwendung“2 zu sprechen. In
entsprechender Weise vereinigt der Arbeitskreis für Alltagsgeschichte heute unterschiedliche
Fachrichtungen. Diese Unterschiedlichkeit soll für das gemeinsame
Anliegen produktiv gemacht werden. Es ist das Ziel des Arbeitskreises,
sich über die alltagsgeschichtliche Herangehensweise und das entsprechende methodische
Instrumentarium zu verständigen. Dies soll anband des Vorstelleus
von eigenen Forschungen geschehen. Unter dem Thema „Grenzen und ihre
Überschreitungen“ wird dieses Vorhaben auf der zweiten Tagung des Arbeitskreises
im November 1990 umgesetzt werden. Mit dieser Beratung soll zugleich
auch eine deutsch-deutsche Veranstaltung zum gleichen Thema im Jahr 1991
vorbereitet werden. Allerdings wird die Doppelung „deutsch-deutsch“ dann
wohl auch schon der Geschichte angehören. Wie dem auch sei, der am 15. März
1990 gegründete Arbeitskreis für Alltagsgeschichte hat seine eigene Identität,
die er in den deutschen Vereinigungspi’ozeß einbringen wird.
2 Ebenda, Sp. 150.
57
Internationale Gotik in Mitteleuropa.
Bericht über das Symposium 1989 der Sommerakademie Graz
MANFRED TRIPPS (HEILBRONN)
Auf Einladung von Götz Pochat und Gottfried Biedermann haben während
der Sommerakademie Graz auf dem vom Institut für Kunstgeschichte der Universität
Graz zusammen mit der Alten Galerie veranstalteten Symposium „Internationale
Gotik in Mitteleuropa“ im Verlauf von drei Tagen 21 Referenten
aus Österreich, der T schechoslowakei, Ungarn, Italien sowie der Bundesrepublik
Deutschland, der Schweiz, Jugoslawien und Dänemark zu Problemen
der Internationalen Kunst um 1400 fundierte Beiträge geleistet und im Rahmen
derselben durch neue Forschungsergebnisse und daraus resultierende neue
Sichtweisen neue Denkanstöße zur Mittelalterforschung intendiert.
Als eine Art Proloco setzten sich am ersten Tag Götz Pochat (Graz), Gottfried
Biedermann (Graz) und Gerhard Schmidt (Wien) mit allgemeinen Fragen
zur Kunsttheorie, Kunstgeographie sowie mit dem Stand der Forschung auseinander
und leisteten dadurch drei Beiträge, die dazu dienten, den Teilnehmern
den Einstieg in die Themenstellung zu erleichtern. Dabei gipfelten die
Ausführungen von G. Biedermann in der Aufforderung, Grenzen der Nationalstaaten
nicht zu verwechseln oder gar gleichzusetzen mit Stilgrenzen, weil diese
sich fast in keinem Falle als deckungsgleich mit den ersteren erweisen.
Gerhard Schmidt ging es insbesondere um eine ganz spezielle F indung
sprachlicher Begriffe für die Kunst um 1400. Er ging von einem, wie er ihn
nannte, „synthetischen Stilbegriff“ aus, mit dem er die üblichen Begriffe wie
„weich“, „höfisch“, „schön“, „international“ zu ersetzen und zugleich auf die
weitverzweigten Wurzeln der Stilphänomene hinzuweisen versuchte. -Jaromir
Homolka (Prag) gab einen Überblick über das Kunstgeschehen in Böhmen zur
Zeit der Luxemburger und verdeutlichte dabei Prags damalige führende Rolle
im internationalen Kunstgeschehen um die Wende des 14. zum 15. Jahrhundert.
Von der so geschaffenen Basis aus diskutierten die Referenten und Teilnehmer
wiederholt das typisch böhmische Stilidiom und dessen sowohl in der
Malerei als auch in der Plastik und Skulptur feststellbare Ä ußerungen. Dabei
wurde deutlich, daß vor allem seitens der Bildhauer eine unverkennbare Individualisierung
der Künste angestrebt und im Verlauf dieser Bestrebungen eine
völlig neue suggestive Bildkunst geschaffen wurde -dies im völligen Einklang
58
mit den Erwartungen, Wünschen und Bestrebungen der höfischen Auftraggeber.
Im Mittelpunkt der Betrachtungen von Beispielen derartig profanisierter
Skulptu􀎹- standen neben den Triforiumsbüsten von Peter Parler im Veitsdom
zu Prag (1374-1385) insbesondere die Figurenreste aus der Regierungszeit von
König Sigismund von Ungarn (1387-1437), die 1974 in Buda im Schutt des alten
Königshofes gefunden worden sind – ein bedeutungsvoller Skulpturenfund,
mit dem sich neben anderen Fragen Ernö Marosi (Budapest) und Michael Viktor
Schwarz (BRD/z. Z. Rom) auseinandersetzten . Hierbei ging es ihnen vor
allem darum, schlüssige Antworten auf die noch immer umstrittenen Meisterund
Datierungsfragen zu finden, Antworten auf einen Fragenkomplex, zu dessen
weiterer Erhellung Franz-Josef Sladeczek (Bern) mittels seines Referates über
den ebenso bedeutungsvollen Berner Skulpturenfund von 1986 wichtige weitere
Beobachtungen beizutragen vermochte. Es handelt sich dabei um einen, im Sanierungsschacht
der Plattform des Berner Münsters gemachten Fund von mehr
als 500 Bruchstücken spätgotischer Skulpturen, die – Opfer eines Bildersturms,
dem das Berner Münster während der Reformationszeit im Januar 1528 zum
Opfer fiel – inzwischen, wie das Bildmaterial von Sladeczek verdeutlichte, zum
Teil wieder zu Bildwerken von hoher Qualität rekonstruiert wurden. Derart
stellten die Ausführungen von F.-J. Sladeczek zusammen mit dem von ihm
erstmals gezeigten neuen Bildmaterial den eigentlichen Höhepunkt des Symposions
dar.
Dennoch ist, wie die Beiträge von Dieter Großmann (Marburg), Lothar
Schultes (Linz), Günther Bräutigam (Nürnberg) und Emilijan Ceve (Laibach)
deutlich aufzeigten, indem sie sich schlüssig mit den Schönen Vesperbildern
und den Werken des Hans von Judenburg auseinandersetzten, die Forschung
zur Kunst um 1400 noch längst nicht durch ein großes, allseits befriedigendes
Ergebnis abgeschlossen. Die gegenwärtige Lage der Forschung bietet eher im
Gegenteil noch Raum für derart unkonventionelle Rekonstruktionen, wie jene,
die von E. Ceve für die dreiteilige Marlenkrönung des Bozener Retabels zur
Diskussion gestellt wurde. Gleiches gilt auch z. B. für die von D. Großmann
vertretenen Thesen über die Austauschbarkelt und Variabilität der Formen.
Doch nicht nur in der Plastik und Skulptur, sondern auch innerhalb der
Malerei kam es um 1400 im östlichen Teil von Mitteleuropa zur Ausprägung
einer eigenen „episch malerischen Ausdrucksweise“ und zwar sowohl, wie die
Beiträge von Janez Höfler (Laibach) und Gyöngyi Török (Budapest) verdeutlichten,
in der Tafel- , als auch in der Buch- und Wandmalerei. Wie die Referenten
überzeugend darlegten, haben die wesentlichen Grundlagen dieses komplexen
Stils ihre hauptsächlichen ikonographischen Wurzeln in den Errungenschaften
der italienischen Malerei des Trecento, so z. B. die Dreidimensionalität,
Monumentalität und Tiefenperspektive.
59
Nicht unwesentlich ergänzt wurde dieser Themenbereich durch interessante
Beiträge von Frank Olaf B üttner (Erlangen), Bert Alan Kery (UpplandsVäsby)
und lngrid Flor (Graz), die über die Entfaltung und Veränderung neuer
ikonographischer Typen referierten, wie sie sich beispielsweise an der Schilderung
der Geburt Christi nach der Vision der hl. Brigitta von Schweden ablesen
lassen.
Einen weiteren Schwerpunkt der Veranstaltung bildeten Stellungnahmen
zu den Auswirkungen der sog. Internationalen Gotik auf die Steiermark jener
Zeit. Wilhelm Deuer (Klagenfurt) erhellte unter anderem die sozialgeschichtlichen
und wirtschaftlichen Voraussetzungen, auf Grund derer im 14. Jahrhundert
die Stadt Judenburg zu einem bedeutenden Kunstzentrum des Murtales
hatte werden können. Helga Hensel-Wlasak (Graz) und Horst Schweigert
(Graz) befaßten sich ihrerseits mit Aufzeigungen über die Rezeption karolingischer
Plastik und Skulptur sowie karolingischer Buchmalerei in steirischen
Bildhauer- und Buchmalerwerkstätten.
Abgerundet wurde das weitgreifende, anspruchsvolle Symposium, das –
wie eingangs schon gesagt – durch seine vielfältigen Beiträge neue Impulse für
die Erforschung der Kunst- und Kulturgeschichte des Mittelalters gab, durch
das Referat des Leiters der Restaurierungswerkstätten des Österreichischen
Bundesdenkmalamtes in Wien, Manfred Koller, im Verlauf dessen er aus seiner
Sicht gemachte Beobachtungen des erfahrenen Restaurators mit von der
Praxis geprägten restauratorischen Überlegungen verband und dabei vor dem
background der Werkstattpraxis manches bisweilen zu theoretisch Gesehene relativierte.
60
Rezensionen
ALEKSANDRA WITKO WSKA, Kulty pgtnicze pietna􀃛towiecznego Krakowa.
Z badan nad miejskg kulturg, religijng, [Pilgerkulte des 15. Jahrhunderts in
Krakau. Eine Studie zur städtischen religiösen Kultur] Lublin 1984 (Wydawnictwo
Towarzystwa Naukowego Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego), 250
S . , zahlreiche Tabellen, Karten und Diagramme im Text sowie im Anhang, dt.
Zusammenfassung auf den Seiten 251-253, Auflage 1025 Exemplare.
Die Peregrinatio ad loca sacra hat als außerordentlich beständiges Element
in der Geschichte des Christentums seit langem die historische, ethnographische
und soziologische Forschung inspiriert. Nur einige der einschlägigen Arbeiten
aber sind über eine Sondierung des zugrundegelegten Quellenmaterials,
sei es einer bestimmten Region oder, im besten Fall, eines ganzen Landes
hinausgegangen. Meist standen zwei der Entwicklungsetappen des europäischen
Pilgerwesens im Mittelpunkt, die frühmittelalterliche oder die besser
dokumentierte neuzeitliche Phase. Als Erscheinung, die an vielen Bereichen
des alltäglichen und religiösen Lebens Anteil hat, erfordert eine Untersuchung
des Pilgerwesens ohne Zweifel von methodologischer Seite her ein interdisziplinäres
Herangehen. Der Besuch von durch Wundern ausgezeichneten Stätten
stellt einen religiös universellen, überkonfessionellen und überzeitlichen Ritus
dar. Die in diesem Zusammenhang notwendigen methodischen Reflexionen
und die Betrachtung des in den Pilgerpraktiken konkreter Zeiträume Konstanten
bzw. Veränderlichen können die Forschung zum religiösen Alltag und zur
religiösen Mentalität außerordentlich bereichern.
Die Autorin, Angehörige des Ursulinerinnenordens und Mitarbeiterin der
Katholischen Universität Lublin, konzentriert sich auf die Pilgerkulte des 15.
Jahrhunderts in Krakau, berücksichtigt jedoch auch das erste Jahrzehnt des 16.
Jahrhunderts. Gegenstand ihrer Untersuchung sind die loca sacra der mittelalterlichen
Hauptstadt Polens, die Entstehung und Entwicklung der dortigen
Pilgerkulte, die Organisation sowie die praktischen Seiten des Pilgerwesens in
dieser Stadt. Darüber hinaus widmet sie der Funktion und Rolle von Pilgerkulten
im gesellschaftlichen Leben der Stadt einige Aufmerksamkeit und
untersucht die Ausstrahlungskraft einzelner Kulte. Die Wahl Krakaus und des
genannten zeitlichen Rahmens wird mit der außergewöhnlich günstigen Quellenlage
für dieses Gebiet und diesen Zeitraum begründet. W. hält die dort existierenden
religiösen Praktiken außerdem für repräsentativ für die europäischen
61
Städte des Spätmittelalters. Bedeutsam für die Gestalt des Christentums dieser
Zeit ist ihrer Auffassung nach der Gegensatz zwischen der „gebildeten“,
auf intellektuellem Verständnis beruhenden Religiosität einer Elite und dem
allgemeinen Bedürfnis des einfachen Volkes, neue, seinen Erwartungen besser
entsprechende religiöse Praktiken zu entwickeln. Diese Gegensätzlichkeit macht
sich vor allem in den unterschiedlichen Formen bemerkbar, mit deren Hilfe von
der Intention her gleiche religiöse Inhalte ausgedrückt werden. Bedienten sich
die „Gebildeten“ zeitgenössischer logischer und begrifßicher Strukturen bei der
Übermittlung und Propagierung von Glaubensinhalten, so beruhte das Christentum
der „Massen“ auf der Anerkennung derjeniger Glaubenssätze, die konkreten
materiellen und emotionellen Bedürfnissen entsprachen und sich unmittelbar
erleben ließen. Ein Unverständnis für die Religiosität der „Gebildeten“
bringt eine Minderbewertung der mit ihr verbundenen individuellen religiösen
Praktiken beim Volk mit sich, das seinerseits ein vielgestaltiges Repertoire
von in Gruppen erlebbaren Vorstellungen und praktizierbaren Handlungen entwickelt.
Die rituellen Gruppenszenarien nahmen die christlichen Traditionen
recht selektiv in sich auf, sie waren in ihrer Anschaulichkeit und Emotionalität
allgemein verständlich und daher zugänglich und schufen bestimmte neue
eschatologische „Normen“, deren Befolgung das Gefühl vermittelte, die wichtigsten
Glaubensforderungen zu erfüllen.
Der Zweifel des einfachen Volkes an dem traditionell vermittelten Glaubensmodell
äußert sich in zweifacher Hinsicht. Einerseits tritt ein ausgesprochener
Konformismus gegenüber den offiziellen Geboten und Verboten der Kirche
zutage, andererseits verstärkt sich der Ruf nach verständlichen paraliturgischen
Formen, die die offizielle lateinische Liturgie begleiten können. Im
Gefolge dieses Wunsches nach neuen Formen der Devotion und einer ausdrücklichen
Humanisierung religiöser Vorstellungen verzeichnet W. einen Zuwachs
von Heiligenkulten, die meist schnell den Charakter von nationalen oder lokalen
Pilgerkulten annehmen. Ohne Zweifel trägt auch die, das ausgehende
Mittelalter prägende Endzeiterwartung und Existenzangst zu einer bis dahin
ungeahnten Verbreitung und Popularisierung von Pilgerpraktiken bei.
Ihre Untersuchungen stützt W. auf eine Gruppe von interessanten und sehr
ergiebigen Quellen. Kapitel I des Buches ist ihrer kritischen Besprechung gewidmet.
Die 766 Aufzeichnungen De miraculü aus der Zeit von 1430 bis 1520,
die unter dem Eindruck eines bestimmten Sacrumentstanden, sind je nach Kult
in fünf verschiedene Gruppen eingeteilt. Die größte Gruppe von 377 Glossen
aus den Jahren 1482-1520 ist mit dem Kult des Bernhardinermönches Simonis
Lypnicensis (Simon aus Lipnica) verbunden, es folgen Aufzeichnungen zur
Verehrung des seligen Laterankanonikers Stanislaus Casmiritanus (Stanislaw
Kazimierczyk), des Theologen Johannis Cantius (Jan aus Kc;ty), des Krakauer
62
Bischofs Prandotha (Pn;dota) sowie als am spärlichsten belegte Gruppe zur
Person des Krakauer Bischofs Stanislaus (Stanislaw). Aufgrund vergleichsweise
schlechterer Quellenlage war es nicht in gleicher Weise möglich, solche
populären Krakauer Kulte wie den um die Fürstin und Angehörige des Klarissinnenordens
Salomea, den Dominikanerbruder Hyacinthus (Jacek), den Augustinermönch
Esaias/Isaias Bonerus (Jzajasz Boner), Michael Giedroyc aus dem
Bußorden der Regularkanoniker oder schließlich die früh verstorbene Gemahlin
König Wladyslaw Jagiellos, die selige Hedwig (Jadwiga) zu untersuchen. In
Kapitel II rekonstruiert W. die Kirchentopographie Krakaus (bis zum Ende des
15. Jahrhunderts entstanden 42 Kirchen) vor dem Hintergrund der Soziotopographie
der Stadt und setzt sie zu dem Netz der fünf gut dokumentierten wie
auch der seltener aufgesuchten Pilgerzentren in Beziehung. Im Ergebnis werden
siebzehn Kult- und Wallfahrtsorte vermerkt, die um elf Kirchen der Stadt
eine 3anctita3 loci unterschiedlicher Ausstrahlungskraft und Entwicklungsdynamik
bilden. Wie für das gesamte Gebiet des spätmittelalterlichen Polen ist
auch für Krakau die Nähe der Pilgerstätten zu den neun städtischen Bettelordenskirchen
charakteristisch. W. unterscheidet die Pilgerzentren nach ihrer
spätmittelalterlichen Spezifik. Kultobjekte sind Grabstätten oder Reliquien,
letztere in Krakau lediglich für die Verehrung des Heiligen Stanislaus sowie
den sporadisch belegten Floriankult feststellbar. Die übrigen verehrten Personen
hatten lediglich ihre Autorität oder einen der Nachahmung würdigen
Lebenswandel vorzuweisen. Die Entwicklung und Organisation der Krakauer
Pilgerkulte in Raum und Zeit bilden den Hintergrund für die Analyse ihre
gesellschaftlichen und religiösen Funktionen in Kapitel III. Die Vielzahl der dokumentierten
Pilgerpraktiken erlaubt es, sie unter geographischen, zeitlichen
wie auch soziologischen Gesichtspunkten zu erfassen und ihre Beziehungen zu
der Bevölkerungsschicht aufzuzeigen, innerhalb derer sie initiiert und propagiert
wurden. Die Popularität einzelner Kulte, die Herkunft der Pilger, die
von ihnen zurückgelegten Entfernungen, die Zu- bzw. Abnahme der Pilgeraktivitäten
im Laufe des Jahrhunderts oder eines einzelnen Jahres bilden einige
der Untersuchungskategorien, deren Ergebnisse im Anhang graphisch und tabellarisch
veranschaulicht werden. Für ausgewählte Jahre hat W. die Frequenz
einzelner Kulte bis hin zu den Zeiten intensivster Verehrung in den Monaten
Juli und August und die Wochentage Freitag, Sonnabend und Sonntag
aufzeigen können. Am Beispiel der vi3itatione3 am Grabe des Hl. Prandotha
beweist sie, daß ciie Pilgermessen insbesondere früh und nachmittags gehalten
wurden. Wertvolle Ergänzung finden diese Einblicke in den Pilgeralltag in einer
soziologischen Untersuchung der an den religiösen Praktiken teilnehmenden
Personen. Gefragt wird nach dem Geschlecht der Pilger, ihrem Alter, ihrem
Zivilstand und ihrer sozialen bzw. beruflichen Strukturierung. Die Auswertung
63
der verschiedenen Informationen macht einmal mehr deutlich, daß das Pilgerwesen
im spätmittelalterlichen Krakau eine wahre Massenerscheinung war, die
Vertreter aller Stände und Berufsgruppen umfaßte. Nach Ansicht W.s resultiert
dieses Phänomen aus einer Fülle neuer Kommunikationsstrukturen zur
Übermittlung religiösen Gedankengutes zwischen verschiedenen gesellschaftlichen
Schichten, sowie aus einer allgemeinen Angleichung religiöser Erlebnisse
und devotionaler Praktiken. Die Rolle der Bettelordensklöster als Mittler in
diesem Prozeß kann nicht genug betont werden. Die Synthese dieser vorwiegend
statistischen Ergebnisse lenkt das Interesse der Autorin auf die religiöse
Mentalität der Stadtbevölkerung. Aus einer Anzahl der Mirakel lassen sich
Rückschlüsse auf das Verhältnis des Gläubigen zum $acrum ziehen, bei dem er
Hilfe sucht, oder aber auf die Rolle, die der verehrte Heilige in dieser Beziehung
spielt. Er wird zum einen als Mittler zwischen Mensch und $acrum und zum
anderen als selbständiger Träger existenzieller und eschatologischer Hoffnungen
der Pilger erkannt. Schließlich typologisiert W. die Wünsche, die an diesen
an der göttlichen Allmacht teilhabenden Mittler gerichtet wurden. Sie unterscheidet
je nach Lebensbereich, in dem der göttliche Beistand erfleht wurde
und innerhalb der so entstandenen Kategorien, z. B. der Krankheiten, noch
einmal nach einzelnen Krankheitsbildern, soweit sie in den Krakauer Mirakeln
Erwähnung gefunden haben. In einem zweiten Teil des Kapitels IV spielen die
verschiedenen Formen eine Rolle, in denen sich die Kontaktaufnahme zwischen
Pilger und $acrum vollzog. Ziel war in jedem Fa.ll, die Notwendigkeit des erflehten
Patrozinismus überzeugend zu machen. W. faßt jeweils Buß-, Beicht-, Bittund
Dankesgebete, außerdem Votivpraktiken auf der Grundlage eines geistigen
(Gebet, Messe, Wallfahrt, Fasten) bzw. eines materiellen Einsatzes (Kerzen,
Wachsspenden, Gold- oder Silberarbeiten) zusammen und geht darüber hinaus
auf die sogenannten Revitalisierungsriten ein, die in engem Zusammenhang zu
Votiv- wie auch Heilpraktiken standen (Berührung oder Aufenthalt in der Nähe
einer Kultstätte).
Man hätte sich eine Erweiterung der Quellenbasis und somit auch der
Gültigkeit der getroffenen Aussagen um ikonographische und epigraphische
Denkmäler gewünscht. Wichtig wäre vielleicht auch ein Hinweis auf den Zusammenhang
zwischen der schwankenden Popularität eines Heiligen und dem
Bewußtsein von der Existenz seiner Kultstätte in bestimmten Kreisen der
Bevölkerung gewesen. Sehr wahrscheinlich aber ist, daß diese Untersuchungen
das Ergebnis W.s lediglich geringfügig modifiziert hätten. Die außergewöhnlich
gehaltvolle Arbeit ist logische Konsequenz und Zusammenfassung der gesamten
Forschung W.s, die sich in der polnischen einschlägigen Forschung großen Ansehens
erfreut. Das, sowie die in der relativ geringen Auflagenhöhe des Buches
begründete Sorge, es könnte außerhalb Polens wenig zur Kenntnis genommen
64
werden, rechtfertigt vielleicht eine Rezension, die sechs Jahre nach Erscheinen
noch angezeigt scheint.
Auswahl aus den Publikationen Aleksandra Witkowskas zur religiösen Mentalität
im mittelalterlichen und spätmittelalterlichen Polen:
Miracula malopol3kie z XIII i XIV w. Studium ir6dloznawcze [Miracula in
Kleinpolen im 13. und 14. Jahrhundert. Eine Quellenstudie], in: Roczniki
Humanistyczne 19 (1971) , Heft 2, S. 29-161;
Miracula iredniowieczne. Forma przekazu i moiliwoici badawcze [Mittelalterliche
Miracula. Formen ihrer Übermittlung und Möglichkeiten ihrer Erforschung],
in: Studia zrodloznawcze 22 (1977) S. 83-87.
Miracula iredniowieczne. Funkcje przekazu u3tnego i zapi3u literackiego [Mittelalterliche
Miracula. Die Funktionen ihrer mündlichen und schriftlichen Übermittlung],
in: B. Geremek (Hrsg.), Kultura elitarna i masowa w Polsee p6znego
sredniowiecza [Eliten- und Massenkultur im spätmittelalterlichen Polen]. Wroclaw
1978, S. 181-188.
Peregrinatio ad loca 3acra. Refiekcja antropologiczno-3ocjologiczna [Peregrinatio
ad loca sacra. Eine anthropologisch-soziologische Reflexion], in: Roczniki
Humanistyczne 27 (1979), Heft 2, S. 5-14.
Edmund Kizik (Gdansk)
(Deutsch von Camilla Badstübner-Kizik)
MA CIEJ WLODARSKI, Ar$ Moriendi w literaturze pol$kiej XV i XVI w.
[Ars Moriendi in der polnischen Literatur des 15. und 16. Jh.]. Krakow 1987
(Spoleczny lnstytut Wydawniczy ZNAK), 297 S., zahlreiche Schwarzweiß-Illustrationen
im Text, Auflage 10350 Exemplare, dt. Zusammenfassung auf den
Seiten 284-286, engl. Zusammenfassung auf den Seiten 287-288.
Die im katholischen ZN AK-Verlag entstandene Monographie stellt erstmalig die
polnische Traktatenliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts vor dem Hintergrund
der spätmittelalterlichen ar3 moriendi- Literatur vor. Die Rezeption, Verbreitung
und Weiterentwicklung des Motivs vom „guten Sterben“ in verschiedenen
altpolnischen Literaturgattungen bildet das zentrale Untersuchungsthema des
Buches. Ein erstes Kapitel ist der Entstehung und geschichtlichen Entwicklung
der ar3 moriendi-Literatur in Europa gewidmet. Neben den Pest-, Hunger- und
Kriegskatastrophen der Zeit wird dabei einem verstärkten Antike-Studium und
dem Einfluß der zeitgenössischen Philosophie große Bedeutung zugeschrieben.
Adressiert waren die Traktate vor allem an gewöhnliche Sterbliche, die in der
Stunde des Todes ganz besonders den Versuchungen des Unglaubens und Zweifels,
der Selbstzufriedenheit oder des irdischen Genusses ausgesetzt waren. Die
65
ArJ moriendi Johannes Gersons, das gleichnamige Traktat des Mattheus von
Krakau (1345-1410, Rektor der Heidelberger Universität und Reformator der
Krakauer Akademie) sowie das dem Bischof von Fermo, Domenico da Capranica
{1400-1458) zugeschriebene Speculum artiJ bene moriendi, Texte, die W.
als repräsentativ für den Variantenreichturn der Gattung und damit als rnusterbildend
versteht, werden ausführlich besprochen. Während Gerson den
Kranken bzw. Sterbenden und seine unmittelbare Umgebung in seinem didaktischen
Text anspricht, geht es Mattheus von Krakau eher um den Kampf, den
Himmel und Hölle um die Menschenseele ausfechten (Motiv der Psychomachie),
und für den es den Sterbenden, ob Laie oder Gelehrter, entsprechend vorzubereiten
und zu stärken gilt. Unter Heranziehung eines der bis zu 14 Blatt umfassenden
Holzschnittzyklen, Darstellungen von Versuchungen, Ermahnungen,
Lebensstationen und Sakramenten, die die Ausgaben des Traktates begleichen
konnten, untersucht W. die Aussagen des Mattheus. Die recht gelungene Wiedergabe
der Holzschnitte aus der Leipziger Kachelofen-Ausgabe von 1497/98,
versehen mit ausführlichen Beschreibungen und Interpretationen, machen einen
zusätzlichen Wert des Buches aus. Auf das unterschiedliche Gesicht des
Todes für Fromme und Sünder macht schließlich Caprani aufmerksam, der aus
mehreren arJ-Texten geschickt kompilierte.
Welche Probleme Verbreitung und Vervielraltigung dieser drei Muster mit
sich brachten, wird nur kurz angerissen. Den Autor interessieren vielmehr
die Verbindungen, die zwischen den im Umkreis und Gefolge der „westlichen“
Vorbilder in Polen entstandenen volkssprachlichen oder lateinischen, literarisch
anspruchsvollen oder einfachen Bearbeitungen und ihren Archetypen bestehen.
Ein Dutzend verschiedener Texte des 15. und 16. Jahrhunderts völlig
unterschiedlichen künstlerischen Ranges werden auf topische und motivische
Gemeinsamkeiten hin untersucht und die Ergebnisse in 10 Unterkapiteln zusammengefaßt
(Der Mensch in seinem Verhältnis zu Leben und Tod, Ritter
und Pilger, Schul- und Studientopik, medizinische Topik, Psychornachie, Motiv
von der Nachfolge Christi, Marientopoi/Maria als die Mutter der Sterbenden,
Frömmigkeit und Aberglaube, Exempla-Technik, Motiv von der „Schwelle
des Todes“). W. vermerkt eine allgemeine Bereicherung und Erweiterung des
arJ moriendi-Themas im spätmittelalterlichen Polen vor dem Hintergrund einer
sich mit der Reformation verändernden religiösen Mentalität sowie eigenen
literarischen und didaktischen Traditionen. Insbesondere das Motiv von der vanitaJ
vanitatum, die Angst vor dem Tod oder das Absterben für die Welt, aber
auch die die „Sterbekunst“ begleitenden Bräuche erfahren unter dem Einfluß
des Humanismus und der Reformation eine Neubewertung und -interpretation.
Das Thema des „guten Sterbens“ wird aufgespalten in Einzelmotive, scheint
aus dem unmittelbaren didaktischen Umfeld lösbar und findet Eingang in neue
66
literarische Gattungen. Neben dem Traktat prüft W. epische (Predigt, Betrachtung,
Erzählung, Brief, polemischer Diskurs), dramatische (Moralitäten,
Dialoge) und lyrische Textgattungen (Lied, Gebet) aufihre Aufnahmefähigkeit
für die Sterbemotivik und ihren rückwirkenden Einfluß auf die klassische ars
moriendi-Literatur. Die jeweilige Kommunikationssituation, in der eine Textgattung
wirkt, entscheidet ganz offensichtlich über Auswahl und Umfang der
Topoi, über Art und Technik der Informationsvermittlung (die „Rezeptform“
als didaktische Konsequenz der Traktatliteratur, die Konstruktion zusätzlicher
Verständnishilfen in den einem großen Personenkreis zugedachten Predigten,
Aphorismen in den Betrachtungen, verstärkte Bildhaftigkeit in populären Moralitäten
über das Motiv der „Psychomachie“, die Beschränkung auf emotionale
Elemente in rituellen Texten u. v. m.). W. schließt mit einem Ausblick auf die
nach der aus rein technischen Gründen gezogenen zeitlichen Grenze von 1600
zunehmende Bedeutung der ars moriendi-Thematik und einzelner ihrer Motive
für die altpolnische Literatur.
Instruktive deutsch- und englischsprachige Zusammenfassungen, ein ausführliches
Quellen- und Literaturverzeichnis, in dem man vielleicht einige neuere
Positionen aus dem Gebiet der Mentalitäten- und Kommunikationsforschung
vermissen könnte, sowie ein Namensregister machen die Monographie zu einem
wirklich unentbehrlichen Handbuch zur literarischen Kommunikations- und Rezeptionsforschung
des ( ost )europäischen Spätmittelalters.
Camilla Badstübner-Kizik (Gdansk)
HANNA ZAREMSKA , Niegodne Rzemioslo. Kat w spoleczenstwie Polski XIV
– XVI w. [Verfemtes Handwerk. Der Henker in der polnischen Gesellschaft des
14. bis 16. Jh.] Warszawa 1986 (Panstwowe Wydawnictwo Naukowe), 145 S. ,
zahlreiche Schwarzweiß-Illustrationen im Text, Auftage 8000 Exemplare.
Dieses bescheiden aufgemachte Buch ist die jüngste und bisher wohl gelungenste
Synthese zweier Forschungs- und Arbeitsgebiete, die in Polen eine lange
und gute Tradition besitzen, der Rechts- und der Sozialgeschichtsschreibung.
Entstanden ist die Arbeit in der Schule und unter dem Einfluß des hervorragenden
Spätmittelalterforschers und Kulturhistorikers Bronislaw Geremek, der
bis 1985 die Arbeitsgruppe Spätmittelalter an der Polnischen Akademie der
Wissenschaften leitete und heute – für westeuropäische Wissenschaftler gleichen
Ranges wohl kaum vorstellbar – Berater der „Solidarnosc“ ist. Er selbst
ist durch zahlreiche Arbeiten zur Sozialgeschichte von Unterprivilegierten und
Randgruppen in der spätmittelalterlichen Gesellschaft, insbesondere für den
französischen Raum, der Fachwelt ein Begriff. Der Anschluß an die französische
Schule ist auch bei Z. unverkennbar (Le Goff, Lesocquoy). Gesellschaftliche
67
Außenseitergruppen haben in der neueren polnischen Forschung seit Anfang
der 70er Jahre gezielte Beachtung erfahren (Bogucka, Geremek, Karpinski), als
neueste umfassende Arbeit zu dem Themenkreis gilt bis jetzt Andrzej Karpinskis
1983 in Warschau erschienenes Buch PaupereJ. 0 mie&Zkancach War&Zawy
XVI i XVII wieku [Pauperes. Die Einwohner Warschaus im 16. und 17. Jh.J.
Daneben ist Z. der Tradition der polnischen Rechtsgeschichtsschreibung
verpflichtet, die seit Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere der Entwicklung
einzelner Gerichtspraktiken im Mittelalter, der Todesstrafe und Folter, den
einzelnen Werkzeugen, Begleitumständen und der Person des Henkers selbst
verstärkte Aufmerksamkeit widmet (Pauli, Walc;ga, Maisel). Neuere deutschund
französischsprachige Literatur findet auch hier Berücksichtigung (Keller,
Danckert, Delarue). Z. beschreibt gleichwohl neue und eigene Wege. Trotz
komplizierter und uneinheitlicher Quellenlage hat sie sich der Aufgabe unterzogen,
für den Zeitraum vom 14. Jahrhundert (als sich das Henkersamt fest in
Polen zu installieren begann) bis zum 16. Jahrhundert an ausgewählten Beispielen
meist aus dem südlichen Raum Polens (Krakau, Kazimierz, Lublin, Posen)
die Stellung des Henkers in der mittelalterlichen Stadt, Organisation, Pflichten
und Privilegien seines Amtes, vor allem aber sein Verhältnis zur übrigen
Bevölkerung zu untersuchen. Zugrundegelegt sind handschriftliche (Acta cri·
minalia für die Städte Krakau, Lublin, Posen und Zywiec) sowie gedruckte
Quellen (Proskriptenbücher, Bannregister, Stadtrechnungsbücher, Kriminalakten,
Libri maleficorum bzw. literarische Werke).
Zentraler Begriff der Untersuchung ist die gesellschaftliche „Infamie“, die
Ehrlosigkeit und Verfemtheil des Henkers, der gleichwohl im Dienst der allgemein
anerkannten städtischen Gerechtigkeit sein zur Erhaltung der öffentlichen
Ordnung notwendiges Amt ausübt. Das Henkersamt wird mit der Einführung
des deutschen Rechtes in den polnischen Städten greifbar; neben dem Töten
schließt es die Durchführung von Untersuchungen und Verhören sowie die eigentliche
Urteilsverkündung ein. Ein Teil dieser Tätigkeiten vollzieht sich im
Verborgenen, bleibt für die Bevölkerung uneinsichtig und unkontrollierbar und
wird daher schon bald mit Tabus belegt (der Folterturm als Betätigungsfeld
eines „grausamen Teufels“). Die Beziehungen zum gesellschaftlichen Umfeld
sind von Machtstrukturen auf der einen, Angst und zum Teil auch Mitleid auf
der anderen Seite geprägt. Die sozialen Randgruppen, mit denen der Henker
von Berufs wegen zu tun hat, werden als ihm verwandt und angemessen
betrachtet und schon bald zum einzigen Rekrutierungsgebiet für den Beruf.
Damit bleibt der Träger des Henkersamtes in der toleranzarmen (weil hochintegrierten)
mittelalterlichen Gesellschaft ohne Chancen, seine gesellschaftliche
Position zu verbessern.
Ein dem Tabu des Todes und gesellschaftlichen Ausgrenzungs- und Diffa-
68
mierungstechniken gewidmetes Kapitel untersucht zunächst die Entstehung des
Hasses gegenüber dem Henker und die daraus resultierenden gesellschaftlichen
Reaktionen. Der ungestrafte Umgang mit tabu-belegten Dingen (Blut, Leichen,
Tod), die persönliche Interesselosigkeit an dem Schicksal eines Verurteilten (das
Töten als Amt) und die vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Einstellung
zur Arbeit und der sich damit verändernden gesellschaftlichen Werteskala besonders
heikle Tatsache, daß dieses Amt rechtmäßig bezahlt wird (der bezahlte,
kaltblütige Mörder), schreiben die Infamie des Henkerberufes fest. Verbannung
von öffentlichen Plätzen und Illegitimisierung jeglichen Umgangs mit Trägern
dieses Amtes sind die bis in die heutige Zeit tradierten Reaktionen der Umwelt.
Die Henkerszunft versuchte ohne Erfolg, über die Kleiderordnung, eine
verstärkte Anonymität oder die Verteilung der Verantwortung auf größere Personengruppen
die gesellschaftliche Kluft zu überbrücken. Die Unvollständigkeit
und Zufälligkeit der historischen Quellen hat den abschließenden Rückgriff auf
literarische Werke notwendig gemacht, auch das unter dem Einfluß Geremeks
und im weiteren Sinne der Mentalitätenforschung (Sprandel, Le Goff). Untersucht
wird die Sicht des polnischen Renaissancedichters Mikolaj Rej (1505-
1569) auf die Person des Henkers. Er erscheint als von Natur aus schlechter und
blutrünstiger Mensch, der im Bewußtsein von Autor und Publikum in die Nähe
des Teufels rückt. Metaphern, Sprichwörter und Flüche belegen die Belastung
des Berufes und der ihn ausübenden Person bis in die Gegenwart hinein.
Dem sorgfältigen Quellenverzeichnis ist leider kein ebenbürtiger Ausweis
der einschlägigen Fachliteratur an die Seite gestellt, die Titel finden sich verstreut
in den Fußnoten zum Text. Vermissen könnte man außerdem eine polnische,
besser noch fremdsprachige Zusammenfassung, wie sonst allgemein in
der polnischen wissenschaftlichen Literatur üblich. Der Band ist illustriert
mit Schwarzweiß-Aufnahmen von Gerichts-, Gefangenen-, Folter- und Hinrichtungsszenen
nach zeitgenössischen Miniaturen oder Tafelgemälden überwiegend
südpolnischer Herkunft.
Camilla Badstübner-Kizik (Gdansk)
69
A new journal on central European social history !
HISTORY & SOCIETY i n Central Europ􀄈
· The purpose of this semiannual journal, published by the lstvan Hajnal Society
of Social Historians (Budapest ), in cooperation with the American Association
for the Study of Hungarian History, tl:ie‘ Economic History Society (Prague)
and the Medium Aevum Quotidianum Society (Krems, Austria), is to contribute
to the current dicussions in social history by presenting results of research
on and in Central Europe (Austria, Czechoslovakia, Hungary and their neigh
·bours).· Special attention will be paid to urban studies, to the history of the
family, women, children, marginal and disenfranchised groups, and to other
issues of ‚historical anthropology‘. Reviews and review articles will intend to
introduce publications written in languages not widely read, and to refiect on
the treatment of the area in general works on European social history.
Founding editors are Vera Bacskai of the East Central European Research
Group of the Hungarian Academy of Seiences and Janos M. Bak of the University
of British Columbia. They are assisted by an editorial board comprising,
among others, Peter Burke, John Bognar, Tamas Farago, Tamas Hofer, Gerhard
Jaritz, Bela K. Kira.Iy, György Köver, Josef Macek, Martin Rady, Herman
Rebe! and JUlia Szalai. Subscriptions will be handled by publishing houses in
Austria and Hungary.
From the contents of the first few issues:
Economic strategies of a county’s moyenne nobility (Co. Tolna, Hungary), by
Jozsef Gl6sz;
Structures of Budapest families and households, 1857-1941, by Tamas Farago;
Social history in a fourteenth-century episcopal visitation record (Diocese of
Prague), by Brigitte Rath;
Social history and settlement studies: the school of Elemer Malyusz; special
issue, with guest editor Erik Fügedi;
Urban families in Vienna in the second half of the nineteenth century, by Josef
Ehmer;
Demography and ethnicity in late nineteenth-century Budapest, by Laszlo Katus;
70
Concepts and methods for the study of ‚embourgeoisement‘ in central Europe,
by Gyula Benda.
On the history of the poor in medieval Bohemia, by FrantiSek Graus, ed. by
D. Trestik.
Inquiries, proposals for contributions, and books for review should be sent to:
History & Society
cfo East-Central European Res. Group.
Pf. 489
H-1828 Budapest.
The first issue is planned to appear in Winter 1991.
71

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