Die mittelalterlichen Wandmalereien in der
Kirche von Winkl, Gemeinde Kirchberg am Wagram:
Zusammenfassung eines Restaurationsberichtes
Josef Voithofer
Die Filialkirche St. Nikolaus in Wink!, Gemeinde Kirchberg am Wagram (NÖ)
befindet sich am südlichen Ottsausgang des Dorfes und ist von einem Graben
umgeben. Die heutige äußere Erscheinung wird vom klassizistischen Turm und
anderen Umbauten des 1 9. Jahrhunderts bestimmt, der Hauptbestand ist jedoch
mittelalterlich.
Aufgnmd ihres unüblichen Grundrisses gab die Kirche Anlass zu
verschiedenen Vermutungen. Unter anderem schien möglich, dass Teile der
verfallenen Burg der Herren von Wink!, einem im Mittelalter dort ansässigen
Adelsgeschlecht, noch in der Kirche enthalten sind. Zur Klämng dieser Frage
führten Fachleute im September 2003 eine Besichtigung der Kirche durch. Bei
der Begehung des Dachraumes des nördlichen Seitenschiffes wurde auf der
ehemaligen Langhausaußenwand eine Malerei mit fast lebensgroßen Figuren
entdeckt‘ . Diese waren Bestandteil eines mittelalterlichen Bildprogramms auf
der Fassade der Kirche. Die Darstellung, deren Entstehungszeit ca. Anfang des
13. Jahrhw1detts angenommen wird, zeigt den Sündenfall mit Adam und Eva
und daneben einen zunächst unbekannten Reiter.
Die Malerei v.’llrde im Zuge einer Diplomarbeit an der Akademie der
Bildenden Künste Wien, Institut fllr Konservierung-Restaurierung, bearbeitet. 2
Der vorliegende Artikel stellt einen Auszug des schriftlichen Teils der Arbeit
1 Malerei entdeckt durch Begehung des Dachraums von MMag. Ronald Woldron: Wolfgang
Baatz, Günter Marian, Claudia Riff-Podgorschek und Ronald Woldron: Die neu entdeckten
romanischen Wandmalereien in der Filialkirche Hf. Nikolaus in Winkt, in: Unsere Heimat
2004 (75/1), S. 63-65.
2 Josef Voithofer, Konservierung-Restaurierung einer romanischen Kalkseccomalerei: Sündenfall
und Fragment einer zweiten Darstellung, um 1200, Gemeindekirche Winkt/ Gemeinde
Kirchberg am Wagram, NÖ, Diplomarbeit, Akademie der Bildenden Künste Wien,
Studienrichtung Konservierung/Restaurierung, Betreuer Univ. Prof. DI Wolfgang Baatz
(Wien 2005).
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dar, wobei der Fokus auf die Erkenntnisse aus den Untersuchungen, welche
Aufschluss über die ursp1ilngliche Gestaltung und den Bildinhalt geben, gelegt
wird. Die konservatorischlrestauratorischen Arbeiten der Diplomarbeit werden
zum Schluss kurz zusammengefasst.
Baugeschichte der Kirche3
Die heute bestehende Kirche ist das Ergebnis zahlreicher Veränderungen eines
in den Ursprüngen romanischen Baukörpers (Abb. 1). In Bauphase 1 (um 1 1 60-
1200) wurde das romanische Langhaus errichtet. Die Länge betrug ursprünglich
wahrscheinlich das Doppelte des heute annähernd quadratischen Bauteiles.4 Das
romanische Langhaus war in seiner ersten Phase unverputzt und in „Pietra rasa“5
gestaltet. An Fehlstellen des später aufgetragenen Putzes im Bereich des Malereibildfeldes
sind an der nordöstlichen Ecke des Langhauses die ursprünglich
mit Kellenstrich akzentuierten Eckquader sichtbar. Die Datierung erfolgte aufgrund
der regelmäßigen Steinlagen des an dieser Stelle offen sichtbaren
Mauerwerks. Das Langhaus war innen glatt verputzt und mit einer Flachdecke
versehen. Als Ostabschluss wird eine Rundapsis vermutet.
In der zweiten, romanischen Bauphase (um 1200- 1230) wurde die Kirche
zu einer so genannten vollständigen Anlage – mit Chorquadrat und Rundapsis –
erweitert. Der erweiterte Chor wurde mit Teilen des bereits vorhandenen Langhauses
verputzt und mehrmals getüncht. Die Malereien der nördlichen Langhausaußenwand
sind in diese Bauphase zu datieren. Die Bemalung erfolgte
jedoch nicht sofort, sondern erst, nachdem der Putzuntergrund bereits einige Zeit
lediglich weiß gefasst bestanden hatte. Ob und in welchem Ausmaß die Bemalung
der Außenfassade auch andere Teile der Kirche umfasste, kann heute nicht
mehr ermittelt werden.
ln einer dritten Phase (um 1 250) erfolgte ein Anbau an der Nordseite des
Langhauses: Das nördliche Seitenschiff des heutigen Langhauses teilt sich in
zwei Baukörper. Der östliche fungie11e möglicherweise als Stifterkapelle oder
Sakristei.6
3 Basierend auf mündlichen Auskünften und dem unveröffentlichten Untersuchungsbericht
zur Bauforschung von Ronald Woldron: Filialkirche Wink/ – Die Bauphasen im Dachraum
des Nördlichen Seitenschiffs (Dezember 2004).
4 Urkundlich nicht mehr nachvollziehbar; möglicherweise wurden dieser Abbruch bzw. der
verkürzte Wiederaufbau durch Schäden, die von einem Brand oder einem Erdbeben verursacht
wurden, notwendig.
5 Pietra Rasa bedeutet ,.Verstrichener Stein“. Der beim Aufmauem herausquellende Setzmörtel
des Mauerwerks oder ein eigens dafür aufgetragener Fugenmörtel wird teilweise über
den Stein verstrichen und geglättet. Danach wird mit der Kelle ein Fugenstrich gezogen
bzw. eingedrückt, und dadurch ein mehr oder minder geradliniges Fugennetzbild erzeugt.
6 Eine genaue zeitliche Bestinunung dieser Kapelle bzw. ihrer Funktion kann aus Ermangelung
an Befundstellen nicht erfolgen. Eine im Dachraum sichtbare Putzgrenze zur späteren
Enveiterung des Chors weist aber darauf hin, dass dieser Anbau davor bereits bestanden
1 0 7
Abb. 1 : Winkt, St. Nikolaus: Baualtersplan
(Entwurf und Ausfühnmg: Ronald Woldron 2004).
hatte. Die ostseitige Nische zur heutigen Sakristei hin und ein kleiner Strebepfeiler auf der
Nordseite könnten als Rest einer Apsis der ehen:aligen Kapelle gedeutet werden.
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Um 1 300- 1 330 wurde der Ostabschluss der Kirche zu einem zweijochigen
Chor mit Kreuzrippengewölbe verlängert (Bauphase 4). Das Chorquadrat wurde
dabei überbaut. Im Dachraum der Stifterkapelle ist dies in Form eines Vorsprungs
des etwas dickeren romanischen Mauerwerks, auf dem die gotische Erhöhung
aufbaut, gut sichtbar. Die Sakristei an der Nordseite des Chors dürfte
spätgotisch und erst im 1 5. oder zu Beginn des 1 6. Jahrhunderts angebaut worden
sein.
Durch nicht bekannte Ereignisse wurde im 1 5 . oder 1 6. Jahrhw1dett ein
Wiederaufbau des Langhauses notwendig, die ursprünglichen Ausmaße vrorden
dabei aber nicht wiederhergestellt (Bauphase 5). Als mögliche Ursachen sind
beispielsweise ein Brand7 oder ein Erdbeben, die an der Kirche schwere Schäden
verursachten, denkbar. Ein weiterer Baukörper dieser Phase ist vermutlich
das nördliche Seitenschiff. Die zu diesem Zeitpunkt sowohl durch Bewitterung
als auch die Auswirkungen der Ursache des Abbruches des Langhauses bereits
beschädigte Malerei wurde vom Dach dieses Neuanbaus verdeckt. Heute sind
die Stifterkapelle w1d dieses Seitenschiff unter einem durchgehenden Dach vereint
und vermitteln von außen den Eindruck eines zusammengehörenden Baukörpers
8
Im 1 9. Jh. erfolgte eine heute vor allem außen sichtbare Änderw1g der
Kirche (Bauphase 6). Der Westturm wurde errichtet, die Zinnengiebel und
profilierten Traufgesimse aufgesetzt, sämtliche Außenwände erhöht, und die
gesamte Kirche neu gedeckt. Innen erfolgte der Austausch der flachen Decken
des Seitenschiffes und des Langhauses durch ein .Kreuzgt·at- bzw. ein
Kreuzrippengewölbe. Gleichzeitig entstanden die Empore und der überwölbte
Aufgang, welcher vom Seitenschiffraum durch eine Mauer abgetrennt ist. Über
eine kleine Luke in dieser Trennwand war der Dachraum des Seitenschiffes
erreichbar.
Die romanischen Wandmalereien
Lage und Bestand
Die Malerei befindet sich auf der Nordseite der Kirche, im Dachraum des später
angebauten Seitenschiffes (Abb. 2). Dort ist auf einer Fläche von 2,5 x 5,5m ein
Fragment des ehemaligen mittelalterlichen Außenwandputzes mit Malerei des
1 3 . Jahrhunderts erhalten geblieben. In fast lebensgroßen Figuren ist der
Sündenfall und rechts daneben ein Reiter im Galopp dargestellt. Der Putz und
damit auch die Malerei sind zwar im Zuge mehrerer baulicher Eingriffe reduziert
worden, durch die Lage im Dachraum kam es aber weder zu einer Übe-
7 Die an der Malerei vorherrschende Farbigkeit sowie eine teilweise Brandrötung der Putze
weisen deutlich auf den Einfluss großer Hitze hin.
8 Die dadurch eigentlich fälschliehe Bezeichnung „Seitenschiff‘ wird aber beibehalten.
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rputzlillg noch zu einer Übertünchung. Als einzige spätere Veränderung der
Malerei sind Kritzeleien am Kopf Adams festzuhalten, sie stammen wahrscheinlich
von Handwerkern, die beim Umbau der Kirche im 1 9 . Jahrhundert mitwirkten.
9 In Anbetracht der Tatsache, dass die Malerei auf der nordseitigen Außenwand
der Kirche in Secco-Technik 1 0 ausgeführt wurde, kann aber, besonders bei
der Szene Sündenfall, von einem guten Erhaltungszustand gesprochen werden.
Abb. 2 : Wink!, St. Nikolaus: Lage der Wandmalereien (Foto und Bearbeitung: Verfasser)
Darstellung
Sündenfall (Abb. 3)
Adam und Eva stehen auf einem welligen Untergmnd zu beiden Seiten (Eva
ikonographisch rechts, Adam ikonographisch links) eines Baumes, um den sich
eine Schlange nach oben windet. Sie sind einander leicht zugewendet, wobei die
Füße seitlich und die Oberkörper von vorne gezeigt werden. Eva ist etwas nach
hinten geneigt und hat den rechten Fuß nach vorne gesetzt. Der soeben erhaltene
Apfel wird elegant mit den Fingerspitzen gehalten. Die Beine sind von der Seite
gezeigt, der Oberkörper ist leicht gedreht und von vorne zusehen.
9 Mit dünnen schwarzen Linien (Kohlestift) wurden Augen und Nase nachgezogen und ein
Schnurrbart sowie eine lange Pfeife mit Rauchwolke hinzugefugt. 10
Im Vergleich zur Fresco-Technik ist die Malerei aufder trockenen Wand (Secco) weit weniger
verwitterungsresistent
1 1 0
Abb. 3: Wink!, St. Nikolaus: Sündenfall (Fo;o: Peter Böttcher!IMAREAL, 2 0 1 5)
Adam hingegen wirkt statisch – seine Beine sind seitlich nebeneinander
und der Oberkörper aufrecht. Auch er hält mit den Fingerspitzen einen Apfel.
Adams Oberschenkel und Gesäß sind durch das Nebeneinanderstellen der Beine
in Seitenansicht um einiges breiter als der fast frontal gezeigte Oberkörper.
Diese Besonderheit in der Körperdarstellung findet sich bei Eva, die durch das
Ausschreiten den hinteren Oberschenkel verdeckt, nicht. Bei beiden Figuren ist
aber eine überproportionale Länge der Beine festzustellen.
Beide Figuren sind nackt und bedecken ihre Scham mit einem dreilappigen
Blatt, das mit der jeweils freien Hand gehalten wird. In der Darstellung sind
also mehrere nacheinander ablaufende Ereignisse gleichzeitig gezeigt. 11 Adam
1 1 Lexikon der Christlichen Ikonografie (LC/), Allgemei11e Ikonografie Bd. 4 ( Herder 1971 ),
S. 3 2 1 ; eine symmetrische Darstellung des Sündenfalles – Adam und Eva rechts und links
1 1 1
trägt einen Backenba1t, der in einem doppelten Spitzba1t endet und lange Haare,
die bis zu den Ohren reichen. Sein Gesicht wurde zwar durch die Kritzeleien
späterer Zeit leicht verunklärt, auffallend sind aber die typisch romanischen,
roten Wangenkreise und die Einteilung des Gesichts mit tropfenförmigelliptischen
Mustem. Neben dem nicht mehr erhaltenen Kopf Evas gibt es einige
gewellte Linien – Reste einer wahrscheinlich lockigen Haartracht.
Die Schlange auf dem Baum zwischen Adam und Eva hat gewellte
Konturen und helle Punkte auf dem gesamten Körper, die vielleicht die raue
Haut eines drachenähnlichen Wesens symbolisieren. Ab dem 12. Jahrhundert
wurde die Schlange oft mit menschlichem Kopf bzw. Oberkörper (Spiegelbild
der Eva) gemalt. Der Kopf der Schlange in Wink! ist zwar fast vollständig
verloren, anhand der erhaltenen Schnauze kann aber eine Schlange mit Menschenkopf
ausgeschlossen werden.
Die Szene ist links und rechts von je einem Baum mit verschiedenen
Blattformen begrenzt. l m Hintergrund sind auf dem Boden Reste von Blumen
erhalten. Auf dem Baum der die Szene nach rechts zum Reiter hin abgrenzt
befinden sich zwei Vögel: Einer sitzt auf dem Ast, während der andere – mit
geöffneten Flügeln im Profil dargestellt – im Begriff ist, wegzufliegen.
Der Reiter (Abb. 4)
Aus Betrachterperspektive rechts neben dem Sündenfall schließt die Darstellung
eines Reiters im Galopp an. Diese Szene ist stark verwitte1t und teilweise sehr
schwer les- bzw. interpretierbar. Das Pferd läuft nach ikonographisch links, weg
von der Sündenfallszene. Seine Hinterbeine sind in der Luft nach hinten
gestreckt. Die Vorderbeine sind durch den Durchbmch des Gewölbeaufgangs
nicht mehr erhalten. Das Pferd ist geschmückt, das Zaumzeug und die Zügel
sind mit Pferdegeschirranhängem versehen und der Sattel bzw. die Satteldecke
weist zwei breite dlmkle Streifen auf2, die über die gesamte Breite des Pferdes
reichen.
neben dem Baum der Erkenntnis – ist typisch fur das Mittelalter, kommt aber bereits in den
friihesten Darstellungen des 3./4. Jhs. vor: ,.Der Sündenfall ist stets bereits erfolgt, detm die
Verhüllung der Scham mit Blättern weist auf die Folgen der Sünde hin.“ (ebda.). 12
Die heutige Farbigkeit ist das Resultat einer Pigmentveränderung.
1 12
Abb. 4: Winkt, St. Nikolaus: Reiterszene (Foto: Peter BöttcherllMAREAL, 20 15).
Der Reiter sitzt aufrecht und hält mit der rechten Hand die Zügel, während
er mit der linken etwas wie schützend an seine Bmst drückt. Werden einige
Malereireste als Haare interpretiett, so ist es denkbar, dass es sich dabei um eine
Person handelt. Diese ist in ein langes Tuch oder Gewand gehüllt, dessen Enden
durch den Galopp nach hinten weg flanem. Unter der rechten Hand scheint der
Reiter einen nicht näher deutbaren Gegenstand, möglicherweise ein Teil seiner
Bewaffnung, geklemmt zu haben.
Der Kopfund die Schulter des Reiters sind bereichsweise bis zur obersten
Malschicht erhalten, der restliche Körper ist allerdings stark reduziert und deshalb
schwer lesbar. Gut erkennbar ist aber, dass der Reiter langes, lockiges Haar
und einen Sclmurr- sowie Vollbart trägt und sämtliche sichtbaren Körperteile
(Schulter, rechter Arm, rechtes Bein) unbekleidet zu sein scheinen. Der Reiter
wurde also möglicherweise nackt oder zwnindest kaum bekleidet dargestellt. Im
Normallicht nur mehr schwer erkennbar ist außerdem ein Pfeil oberhalb der
1 1 3
rechten Ferse. Im UV-Licht sind die Pfeilspitze und ein kurzer Schaft deutlich
sichtbar (Abb. 5). Der Pfeil zeigt nach hinten, aufgrund der fehlenden Malschichten
kann allerdings nicht eindeutig bestimmt werden, ob es sich dabei eher
um einen Stachelsporn (der Körper bzw. der Fuß erscheint allerdings ansonsten
unbekleidet) oder vielleicht einen im Fuß steckenden Pfeil von einem Kampf
bzw. einer Verfolgung handelt.
Abb. 5: Wink!, St. Nikolaus: „Pfeil“ im Bereich der rechten Ferse des Reiters
(Foto: Verfasser)
Ausführung Putz- und Maltechnik
Die Malerei wurde auf einem bereits bestehenden und vetwitterten Untergrund
(Putz und Kalktünchen) ausgeführt. Der Arbeitsprozess folgt der zeitüblichen
Vorgehensweise mit einer Unterzeichnung – dem Grobentwurf der Darstellung
– und dem Anlegen der einzelnen Farbbereiche mit flächigen Lokaltönen. Die
Binnenzeichnung erfolgte darauf mit linienat1igen Schattierungen, wobei Körperteile
wie Bauch und Arme stark stilisiet1 und eher grafisch wiedergeben werden,
die Muskelpartien tropfenförmig betont und Körperflächen mit dunklen und
hellen Linien gefüllt werden. Alle Figuren und Elemente der Darstellung wurden
abschließend mit einer kräftigen Außenkontur begrenzt und vereinzelt – wie
bei der Schlange – weiße Kalkpwlktc aufgesetzt.
Folgende Besonderheiten der Winkler Malerei wurden im Zuge der Untersuchung
festgestellt:
• Putzergänzungen: Direkt vor dem Beginn des Malprozesses wurden an
zwei Fehlstellen in der Putzschicht, die vermutlich durch die Entfernung
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von Strebebalken eines Vordaches entstanden waren, Putzergänzungen
durchgeführt. Die rundlichen Kittungen befinden sich im Bereich von
Evas rechtem Unterschenkels und etwa l ,5 m rechts daneben, in der
unhernalten Mitte des Bildes. In ersterem ist die einzige Ritzung der
gesamten Malerei zu finden – der Umriss von Evas Unterschenkel. Die
Malerei ist an dieser Stelle durch die Freskobindung gut erhalten
geblieben und im Vergleich mit der restlichen Malerei kaum abgewittert.
• Unterzeichnung: Die Form der Darstellung wird mit der Unterzeichnung
mehr oder weniger detailliert festgelegt. Diese wird im Werkprozess von
späteren Schichten überdeckt und erst durch deren Abwitterung wieder
teilweise sichtbar. Beim Bild „Sündenfall“ erfolgte zunächst der Entwurf
mit dünnen schwarzen Linien, die skizzierend neben einander gesetzt
wurden. So scheint es beispielsweise, dass besonders für den linken Ann
und die Beine Evas mehrere Versuche zur Findung der endgültigen Form
notwendig waren. Diese schwarzen Striche sind auch bei der Reiterszene
im flattemden Stoff zu finden, zusätzlich wurde aber hier anscheinend in
einem ersten Schritt die Position und ungefähre Form des Pferdes mit
einer durchgehenden dünnen hellroten Linie markiert.
Nach der Skizze wurden sowohl Umrisse als auch bereits einige
Details mit dunkelroten Pinselstlichen festgelegt. Durch den Verlust
darüber liegender Malschichten ist diese Unterzeichnung besonders i m
Bereich „Reiter und Pferd“ der einzige Anhaltspunkt für die ursprüngliche
Form der Darstellung, das Aussehen der Malerei nach der Fertigstellung
ist in diesem Fall nicht mehr ennittelbar. Da aber bereits die Unterzeichnung
viele Details aufWeist, kann angenommen werden, dass die Ausführung
ähnlich sorgfaltig wie Partien mit noch vollständig erhaltenem Malschichtaufbau
(Bsp. Gesicht Adams) erfolgte.
• Originale Korrekturen : Anhand der freiliegenden Unterzeichnung können
zusätzliche Erkenntnisse über den Maler gewonnen werden. So wurde die
Unterzeichnung in der Reiterszene mehrmals modifiziert – dies betrifft
den Oberkörper mit der Handhaltung und vor allem den Entwurf des Pferdekopfes
mit Zaumzeug, der mehnnals geändert wurde. (Abb. 6)
Zusätzlich sind auch noch im späteren Arbeitsprozess Kon·ekturen vorgenommen
worden – sogenannte Pentimenti, bei denen vom Maler nicht für passend
befundene Bereiche dmch das Überstreichen mit Kalkschlämme und/oder der
entsprechenden Malschicht der Umgebung wieder abgedeckt werden. Betreffende
Stellen finden sich in beiden Szenen (Bsp. Ändemng bei Adams Finger), eine
Korrektm ist aber neuerlich in der Reiterszene besonders auffällig: Der Rumpf
des Pferdes wurde deutlich länger und schmäler als ursprünglich geplant ausgeführt.
1 1 5
Abb. 6: Wink!, St. Nikolaus: Vorzeichnungen im Bereicb des Pferdekopfes
(Foto und Bearbeitung: Verfasser).
Farbigkeit der Darstellung
Die Farbpalette der Malereien in Wink! ist auf rötliche und braune bis schwarze
Töne beschränkt. Nachweisbare Pigmente sind neben Kalk, Eisen- (gelber und
roter Ocker, Siena bzw. Umbra) und Bleipigmente (Mennige, ev. Bleigelb und –
weiß), welche in verschiedenen Mischungen zur Anwendung kamen. Bereiche
mit übenviegend bleibältigen Partikeln sind durch unterschiedliche Einwirkungen
verbräunt und entsprechen nicht mehr ihrer originalen Erscheinung. Die
ursprüngliche Farbigkeit der Darstellung ist aufgrund der Pigmentveränderungen
nichtmehr nachvollziehbar. Es kann jedoch angenommen werden, dass neben
Rot zumindest Gelb, Grün und Schwarz sowie andere bunte Farben
verwendet wurden.
Hohe Temperaturen hätten Einfluss auf alle in der Malerei
nachgewiesenen und vermuteten Materialien gehabt. GJiine Erde, gelber Ocker,
Bleiweiß oder Bleigelb (falls vorbanden) wären zu rotem Ocker bzw. Mennige
gerötet worden. Die Verbräunung bzw. die Verschwärzung der Bleipigmentschichten
hätte sich hingegen auch ohne die Einwirkung von Hitze vollziehen
können. Die Verursachung des heutigen relativ monochromen Erscheinungs-
1 1 6
bildes der Malerei dmch einen Brand kann somit zwar nicht eindeutig bewiesen
werden, bleibt aber als starke Vermutung bestehen. Als Bindemittel wurde im
Inkamat Kalk, in anderen Malereibereichen wahrscheinlich zusätzlich bzw.
gänzlich ein organisches Bindemittel verwendet.
Zusammenhang Sündenfall und Reiter
Sündenfall und Reiter sind als getrennte Szenen angelegt. Dafur spricht zunächst
die Komposition der beiden Malereien. Das Gelände, auf dem Adam und Eva
stehen, endet gleich hinter dem Baum, der die Szene nach rechts hin abgrenzt.
Unter dem Pferd des Reiters hingegen ist keinerlei Boden sichtbar. Weitere
Einzelszenen könnten somit auch auf der übrigen, heute nicht mehr erhaltenen
Langhauswand oder auch anderen Teilen der Kirche ausgefuhrt gewesen sein.
Vergleiche der beiden Szenen sind aufgrund der starken Verwitterung der
Reiterdarstellung nur bedingt möglich. Auffällig ist aber der stark voneinander
abweichende Erhaltungszustand, der verschiedene Malweisen vermuten lässt.
Bei den materialanalytischen Untersuchungen sind jedoch keine Unterschiede
hinsichtlich des verwendeten Materials oder des Schichtenaufbaus festgestellt
worden, die beiden Szenen sind somit gleichzeitig entstanden. Als Vermutung
sei hier die Möglichkeit erwähnt, dass die beiden Szenen von verschiedenen
Künstlern ausgefi.ihrt wurden. Diese hätten zwar gleichzeitig und mit demselben
Material, jedoch in leicht unterschiedlicher Weise gearbeitet, wobei aber
zumindest die beiden Männerköpfe (Adam und Reiter) von einer Hand stammen
dürften. Diese Erklärung wird auch dadurch unterstützt, dass der Entwurf der
Reiterszene um einiges großzügiger erfolgte als beim Sündenfall, wodurch auch
die relativ großflächige Ausbesserung im Bereich des Pferderückens und die
mehrmaligen Versuche bei der Unterzeichnung notwendig waren.
Konservierung/Restaurierung
Die durchgeführten Arbeiten werden lediglich kurz zusammengefasst, die
Veränderungen sind anhand der Aufnahmen vor und nach den Eingriffen
nachvollziehbar.
Zustand
Die meisten vorhandenen Schäden sind auf die W ittemngseinflüsse während der
Zeit, als die Malerei noch nicht durch den Zubau geschützt war, und die baulichen
Veränderungen der Kirche zurückzuftihren. Für den Putz betrifft dies die
Fragmentiemng des Bestandes, Risse und Hohllagen, die Auswitterung der
Putzoberfläche sowie mechanische Beschädigungen. Der gesamte originale
Malschichtaufbau ist nur noch in wenigen Bereichen, v. a. in der Szene
Sündenfall vorhanden, ansonsten zeigt sich der Malereibestand in unterschied-
1 17
lieh starkem Ausmaß geschwächt und teilweise inklusive der Tünchen als Malgrund
bis auf die Putzoberfläche reduziert, v. a. in der Reiterszene sind fast nur
mehr die Unterzeichnung und getinge Reste des w·sprünglichen Schichtenaufbaus
erhalten. Weitere Schäden waren eine starke Verschmutzung der Oberfläche
und ein vollflächiger Bewuchs durch rosa Bakterien sowie Kritzeleien am
Kopf Adams, welcher mit Schnurrbart, Pfeife und Rauchwolke versehen
wurde.13
Konzept und Maßnahmen
Als Restaurierziel wurde in Abstimmung mit dem Bundesdenkrnalamt14 die
Konservierung des Bestandes (Putz- und Malschicht) und eine fragmentarische
Präsentation mit der Beruhigung des Gesamteindrucks durch geringfügige
Retusche festgelegt. Zur Verbesserung der Begehbarkeit des Dachraums wurde
in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung von Winkl 15 der Zugang vergrößert,
der Dachstuhl erneuert tmd dabei der Dachansatz höher gesetzt.
Die durchgeführten Maßnahmen beinhalteten: Konservatorische Maßnahmen
wie Putz- und Malschichtfestigung, das Schließen von Rissen und Putzfehlstellen,
eine Reinigung der Oberfläche inklusive der Entfernung der Kritzeleien
und der Behandlung des Bakterienbevrochses.
Für die Präsentation wurde eine sehr zurückhaltende Retusche ausgeführt,
die sich auf das Abtönen von im Gesamteindruck zu hellen Fehlstellen mit
Graulasuren beschränkte. Durch die Reinigung und Retusche konnte in allen Bereichen
eine maßgeblich verbesserte Lesbarkeit der Darstellung erreicht werden.
13 Diese Graffinis wurden vennutlich von Arbeitern im Zuge des Umbaus im 1 9 . Jahrhundert
angebracht.
14 Landeskonservatorat fur Niederösterreicb, DI Franz Beicht.
15 Vor allem Ortsvorsteher Farn. Berthiller.
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Adelskultur in der „Provinz“:
Das niederösten·eichische Tullnerfeld
als mittelalterliche Kulturlandschaft ( 1 2.-14. Jh.)