DER MANN HINTER DER HEILIGEN
Ariane Westphälinger
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
SONDERBAND XX
Ariane Westphälinger
DER MANN HINTER DER HEILIGEN
Die Beichtväter der Elisabeth von Schönau,
der Elisabeth von Thüringen und der Dorothea von Montau
Krems 2007
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG
DER ABTEILUNG KULTUR UND WISSENSCHAFT DES AMTES DER
NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Umschlagbild: Das Sakrament der Beichte. Wilhelm Duranti, Rationale, Buchmalerei, Wiener
Hofminiatoren-Werkstatt, 1386-1406. Wien, Österreichische Nationalbibliothek, cod. 2765,
fol. 2r (Foto: Institut für Realienkunde, Krems)
Alle Rechte vorbehalten
– ISBN 978-3-901094-23-1
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, A–3500 Krems, Österreich. Für den Inhalt verantwortlich
zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruck,
auch in Auszügen, nicht gestattet ist.
Druck: KOPITU Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A–1050 Wien.
5
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ……..………………………………………………………….… 7
2. Biographische Grundlagen …………………………..……..……….….… 11
2.1. Die Geschwister – Elisabeth und Ekbert von Schönau …………………..…11
2.2. Licht und Schatten – Elisabeth von Thüringen und Konrad von Marburg ……. 22
2.3. Mutter und Meister – Dorothea von Montau und Johannes Marienwerder …… 33
3. Der Beichtvater
Zwischen geistlicher Führung und weltlicher Vermittlung ……….…………. 46
3.1. Beichtkind und Umwelt …….…………………………..…………….. 46
3.2. Die geistliche Seelenführung ….………………………………………. 62
4. Der Beichtvater – ein Stereotyp?
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beichtväter Ekbert von Schönau,
Konrad von Marburg und Johannes Marienwerder …….…………..…………. 78
5. Fazit ………..……………………………………………………………… 81
6. Quellen und Literatur ……….……………………………………………. 84
7
1. Einleitung*
„Dorothea [von Montau] [war] eine arme, an den Zwängen ihrer Zeit leidende
Frau…: eher töricht als klug, von Schlaflosigkeit geplagt und an Migräne leidend,
schlampig im Haushalt, doch planerisch begabt, wenn es galt, die Umzüge
der Flagellanten zu organisieren, von magerer Schönheit und rücksichtslos starkem
Willen, trotz mehrstündiger Schüttelekstasen schwach im Erfinden bildhafter
Wunder, ein wenig schreibkundig, weil lyrisch angehaucht, faul im Bett
und fleißig einzig beim Geißeln, gut zu Fuß und deshalb gern unterwegs, lustig
nur im Umgang mit streunenden Büßern und anderen Ausgeflippten, … “.1
In dieser Form fand, wenn auch künstlerisch adaptiert, eine Frau aus dem
14. Jahrhundert Einzug in das literarische OEuvre eines der bedeutendsten deutschen
Schriftsteller der Nachkriegszeit. Günter Grass, in seiner Jugend Schüler
in Danzig, schrieb jene Sätze an seinen ehemaligen Lateinlehrer Richard Stachnik,
der zusammen mit Anneliese Triller und Hans Westphal einen jener maßgeblichen
Wissenschaftler repräsentierte, die sich mit dem Leben und Werk von
Dorothea von Montau auseinandersetzten und Verfechter der Wiederaufnahme
des Kanonisationsverfahrens für die preußische Selige waren2, um so dem
ehemaligen Ordensland doch noch zu einer eigenen Heiligen und Patronin zu
verhelfen.
Der Deutsche Orden hatte sich jedoch schon vor Dorothea einer herausragenden
Frau als Heiligen und Ordenspatronin bedient. Dabei handelte es sich
um Elisabeth von Thüringen, die Schwägerin des ehemaligen Landgrafen und
späteren Hochmeisters Konrad von Thüringen. Bereits 1235, etwas mehr als drei
Jahre nach ihrem Tod von Papst Gregor IX. in Perugia heilig gesprochen, avancierte
sie zu einer der strahlendsten Frauengestalten des Mittelalters.3
* Mein Dank geht an Thomas Vogtherr und Volker Scior (Osnabrück), die mir während der
Untersuchung hilfreich zur Seite standen, sowie Gerhard Jaritz für die Aufnahme der Studie
in diese Reihe.
1 Günter Grass, Der Butt. München 41999, 212.
2 Elisabeth Schraut, Dorothea von Montau. Wahrnehmungsweisen von Kindheit und Eheleben
einer spätmittelalterlichen Heiligen, in: Religiöse Frauenbewegung und mystische Frömmigkeit
im Mittelalter, hg. von Peter Dinzelbacher und Dieter R. Bauer. Köln und Wien
1988, 373-394, hier 373.
3 Matthias Werner, Mater Hassiae. Flos Ungariae. Gloria Teutoniae. Politik und Heiligenverehrung
im Nachleben der heiligen Elisabeth von Thüringen, in: Politik und Heiligenverehrung
im Hochmittelalter, hg. von Jürgen Petersohn (Vorträge und Forschungen 42) Sigmaringen
1994, 449-540, hier 449.
8
Elisabeth von Schönau dagegen ist heute nur noch wenig bekannt. Im
Mittelalter jedoch erfreuten sich die visionären Werke Elisabeths großer Beliebtheit,
auch wenn es nach ihrem Tod im Jahre 1164 nicht zu einer offiziellen
Bestätigung ihrer Visionen kam.4
Elisabeth von Schönau, Elisabeth von Thüringen und Dorothea von Montau
hatten Beichtväter. Dieses Faktum an sich stellt überhaupt keine Besonderheit
dar. Doch die Beichtväter dieser Frauen wirkten weit über ihre eigentliche
Funktion hinaus: Ekbert von Schönau, Konrad von Marburg und Johannes Marienwerder
betreuten ihre Beichtkinder intensiv und individuell, engagierten sich
nach dem Tod ihrer Schützlinge für die Literarisierung deren Lebens und Werks
und setzten sich für die Entstehung und offizielle Bestätigung eines Kultes ein.5
Besonders durch diese Beichtväter wurden die Frauen über ihren Tod hinaus bekannt
und im Falle Elisabeths von Thüringen auch als Heilige kanonisiert. Zugespitzt
lässt sich daher sagen, dass, wenn es die Beichtväter nicht gegeben hätte,
4 Peter Dinzelbacher, Die Offenbarungen der Elisabeth von Schönau. Bildwelt, Erlebnisweise
und Zeittypisches, in: ders. (Hg.), Mittelalterliche Frauenmystik. Paderborn, München u. a.
1993, 78-101, hier 79.
5 Siehe im Folgenden allgemein:
zu Ekbert von Schönau: Arno Borst, Die Katharer. Freiburg im Breisgau 72000, 20-25;
Anne L. Clark, Elisabeth of Schönau. A Twelfth-Century Visionary. Philadelphia 1992;
Dinzelbacher, Offenbarungen 78-101; Kurt Köster, Ekbert von Schönau, in: Die deutsche
Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 2. Berlin ²1980, Sp. 436-440; ders., Elisabeth
von Schönau. Leben, Persönlichkeit und visionäres Werk, in: Schönauer Elisabeth-Jubiläum
1965. Festschrift anläßlich des 800jährigen Todestages der heiligen Elisabeth von Schönau,
hg. vom Prämonstratenser-Chorherrenstift Tepl in Kloster Schönau. Limburg an der Lahn
1965, 17-46; Joachim Kemper, Das benediktinische Doppelkloster Schönau und die Visionen
der hl. Elisabeth von Schönau, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 54
(2002) 55-102; Peter Dinzelbacher (Hg.), Die Werke der Heiligen Elisabeth von Schönau.
Paderborn 2006;
zu Konrad von Marburg: Josef Leinweber, Das kirchliche Heiligsprechungsverfahren bis
zum Jahre 1234. Der Kanonisationsprozeß der heiligen Elisabeth von Thüringen, in: Sankt
Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige. Aufsätze, Dokumentation, Katalog, hg. von der Philipps-
Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche
Landeskunde. Sigmaringen 1981, 128-136; Andreas Patschovsky, Zur Ketzerverfolgung
Konrads von Marburg, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 37 (1981),
641-693; Matthias Werner, Elisabeth von Thüringen, in: Lexikon des Mittelalters III. München
und Zürich 1986, Sp. 1838-1841; ders., Die heilige Elisabeth und Konrad von Marburg,
in: Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige. Aufsätze, Dokumentation, Katalog, hg.
von der Philipps-Universität Marburg in Verbindung mit dem Hessischen Landesamt für geschichtliche
Landeskunde. Sigmaringen 1981, 45-69; ders., Mater, 449-540;
zu Johannes Marienwerder: Franz Hipler, Johannes Marienwerder, der Beichtvater der seligen
Dorothea von Montau, erg. durch Hans Westphal, hg. von Hans Schmauch, in: Zeitschrift
für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands 29/1 (1956), 1-92; Petra Hörner,
Dorothea von Montau. Überlieferung. Interpretation. Dorothea und die osteuropäische
Mystik (Information und Interpretation 7) Frankfurt a. M., Berlin u. a. 1993, zugl. Diss.
Univ. Heidelberg, Heribert Rossmann, Johannes Marienwerder O. T., ein ostdeutscher
Theologe des späten Mittelalters, in: Archiv für Kirchengeschichte von Böhmen – Mähren –
Schlesien 3 (1973), 221-253; Schraut, Dorothea von Montau, 373-394.
9
man heute möglicherweise nur wenig über ihre Schützlinge wüsste. Die Geistlichen
waren hiermit diejenigen, die mit ihren Bemühungen während und nach
dem Leben der ihnen anvertrauten Frauen deren Eingang in die Geschichte gewährleistet
haben und sich damit auch selbst verewigten.
Religiös begabte Frauen hatten es im Mittelalter nicht einfach. Ihr Geschlecht
und die damit verbundene Sichtweise der geistlichen Öffentlichkeit, die
eine enge Verbindung von Frauen und Sünde erkannte, stellten keinen guten
Ausgangspunkt für die Verwirklichung individueller Formen von Frömmigkeit
dar.6 Eine Möglichkeit dafür bot der Eintritt in ein Kloster (siehe Elisabeth von
Schönau). Im Laufe des 12. Jahrhunderts begannen sich allerdings die Verhältnisse
langsam durch den Einfluss marianischer Frömmigkeit zu ändern. So entstanden
zwischen 1180 und 1230 aus den Bedürfnissen weiblicher Laien heraus
neue Formen des religiösen Lebens, wie zum Beispiel das Reklusenwesen (siehe
Dorothea von Montau).7 Während des 13. Jahrhunderts bekam die weibliche
Spiritualität starke Einflüsse durch die Mystik. Damit einhergehend lässt sich
die Entwicklung feststellen, dass mystisch begabte Frauen es vorzogen, ihre Begnadigung
außerhalb eines Klosters zu leben, da zum einen in vielen Nonnenkonventen
des späten 13. Jahrhunderts mangelnde Strenge und Disziplin zu verzeichnen
war, was sie für Begnadete in ihrem Streben nach Vollkommenheit
unattraktiv machte. Zum anderen ließ sich die individuelle Suche nach der Vereinigung
mit Gott schwer mit dem Leben in einer Gemeinschaft in Einklang
bringen.8 Um ihre religiöse Begnadigung jedoch leben zu können und nicht Gefahr
zu laufen, der Häresie verdächtigt zu werden, mussten diese Frauen allerdings
den Anschluss an einen Geistlichen suchen, damit man sie von Seiten der
Amtskirche und von Seiten ihrer Umwelt akzeptierte.9
Auch im Fall der hier beschriebenen Frauen zeigt sich, dass dieselben auf
ihre Beichtväter zugingen und diese um eine geistliche Seelenführung baten. Ekbert
von Schönau, Konrad von Marburg und Johannes Marienwerder waren zu
dem jeweiligen Zeitpunkt bereits etablierte Geistliche: Ekbert als Kanoniker in
St. Cassius und Florentius in Bonn, einem der reichsten Stifte der Kölner Erzdiözese;
Konrad als Kreuzzugsprediger im Auftrag der römischen Kurie und damit
als einer der angesehensten Geistlichen Deutschlands; und Johannes Marienwerder
als Professor der Theologie und Domdechant am Domkapitel von Marienwerder.
Es liegt daher der Schluss nahe, dass Elisabeth von Schönau, Elisabeth
von Thüringen und Dorothea von Montau sich diese Männer ganz bewusst
aufgrund ihres Ansehens und ihrer Stellung als Beichtväter aussuchten.
Mit dem Beginn des Beichtvater – Beichtkind-Verhältnisses wurden diese Männer
und Frauen damit nachhaltig prägend im Leben des jeweils anderen.
6 André Vauchez, Sainthood in the Later Middle Ages, translated by Jean Birrel. Cambridge
1997, 370.
7 Ebenda, 371.
8 Ebenda, 379.
9 Ebenda.
10
Da sich bereits zahlreiche Untersuchungen dem Leben und Werk von
weiblichen Heiligen im Allgemeinen und, wie im Falle der beschriebenen Frauen,
auch im Speziellen gewidmet haben, hat diese Studie nun zum Ziel, sich mit
den bestimmenden geistlichen Männern hinter diesen Heiligen, ihren Beichtvätern,
zu beschäftigen, was bisher von der Forschung eher vernachlässigt wurde.
Das (visionäre) Werk10 der jeweiligen Frauen soll dabei nur dann berührt werden,
wenn es über Funktion oder Aufgaben der Beichtvaters Auskunft geben
kann. Es soll hiermit der Versuch unternommen werden festzustellen, inwieweit
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Rolle der Beichtväter nachweisbar
sind. Auch der Frage, ob die beschriebenen Beichtväter herausragende Einzelfiguren
oder typische Charaktere ihrer jeweiligen Zeit waren, soll dadurch in diesem
Zusammenhang nachgegangen werden.
10 Zur Visionsliteratur allgemein siehe Peter Dinzelbacher, Vision und Visionsliteratur im
Mittelalter. Stuttgart 1981.
11
2. Biographische Grundlagen
2.1. Die Geschwister – Elisabeth und Ekbert von Schönau
Das visionäre Werk der Benediktinerin Elisabeth von Schönau erfreute sich im
Mittelalter einer hohen Beliebtheit. Es sorgte vor allem in der Ordensliteratur für
eine bedeutende Nachwirkung, was an 150 überlieferten lateinischen Handschriften
zu erkennen ist.11 Von diesen 150 Handschriften sind 50 in Sammelhandschriften
überliefert, bei den übrigen 100 Handschriften handelt es sich um
Überlieferungen einzelner Werke der Schönauer Benediktinerin. Die Handschriftenüberlieferung
kann sowohl nach zeitlichen als auch nach geographischen
Aspekten differenziert werden. Auch ihre Verbreitung in einzelnen Orden
kann aufgeschlüsselt werden.
35 der Handschriften sind bereits im 12. Jahrhundert anzusiedeln, je 24
gehen auf das 13. und 14. Jahrhundert zurück, 44 sind aus dem 15. Jahrhundert
überliefert, die restlichen sechs sind nachmittelalterlich.
Der Schwerpunkt der geographischen Verbreitung der Handschriften liegt
– vom Rheinland ausgehend, wo 31 Handschriften entstanden sind – in Westeuropa.
35 Handschriften finden sich im französisch-niederländischen Raum, 13
in England. Auch der Anteil der bayrisch-österreichischen Handschriften ist mit
28 Überlieferungen recht hoch, was vermutlich auf die Sonderüberlieferung von
Elisabeths Werk über die Auferstehung Marias im sog. Magnum Legendarium
Austriacum zu erklären ist. Wenige, spätere Überlieferungen finden sich im
oberdeutsch-schweizerischen Raum, auch Nord- (sechs Hss.), Mittel- (vier Hss.)
und Ostdeutschland (eine Hs.) stehen im Vergleich mit anderen Regionen zurück.
In Südeuropa findet sich lediglich eine italienische Handschrift.
Nur für ein lateinkundiges Publikum zugänglich, sind Elisabeths Werke
hauptsächlich im monastischen Bereich rezipiert worden. Dies kann neuerlich
durch die Handschriftenüberlieferung unterstrichen werden, da 120 der Codices
in Klöstern entstanden sind. Das Interesse an den Werken der Schönauer Benediktinerin
scheint sich auf bestimmte Orden konzentriert zu haben. Außer den
Benediktinern mit 44 überlieferten Handschriften sind die an Visionsliteratur
besonders interessierten Zisterzienser mit 28 Handschriften als Leserkreis zu
11 Ein Verzeichnis der Handschriften sowie eine Übersicht der bisherigen Ausgaben, Teilausgaben
und Übersetzungen siehe bei Kurt Köster, Elisabeth von Schönau. Werk und Wirkung
im Spiegel mittelalterlicher Handschriften-Überlieferung, in: Archiv für Mittelrheinische
Kirchengeschichte 3 (1951), 243-315.
12
nennen.12 Dieses Interesse der Zisterzienser sowie die Tatsache, dass bei Heidelberg
auch ein Zisterzienserkloster namens Schönau zu finden ist, trugen in der
Literatur zu der irrigen Annahme bei, Elisabeth sei Zisterzienserin gewesen.13
Elisabeth von Schönau wurde 1129 als Tochter einer nicht unbedeutenden
rheinischen Adelsfamilie geboren.14 Ihr Großonkel mütterlicherseits war Bischof
Ekbert von Münster († 1132). Seine Wahl zum Bischof fand offensichtlich im
Einvernehmen mit König Lothar III. statt, da es sich bei Ekbert um einen seiner
engsten Berater handelte. In dieser Funktion unterstützte Ekbert den König auf
der Synode von Würzburg 1130 in dessen Parteinahme für Papst Innozenz II.
gegenüber Anacletus II. Vor seiner Wahl zum Bischof hatte Ekbert von 1106 bis
1118 das Amt des scholasticus, dann bis 1126 das des Dekans am Kölner Domstift
inne. Trotz seiner politischen Verpflichtungen sah Ekbert von Münster
seine Hauptaufgabe in der Ausübung seelsorgerischer Tätigkeiten, in Bemühungen
um die Klosterreform und um die Verbesserung der sittlichen Zustände des
Klerus, was später auch die Schwerpunkte in Elisabeths visionärem Wirken sein
sollten.
Wahrscheinlich um 1130 wurde Elisabeths jüngerer Bruder und späterer
engster Vertrauter Ekbert geboren, der in Elisabeths Leben eine entscheidende
Rolle spielen sollte. Elisabeths zweiter Bruder Ruother schlug ebenfalls eine
geistliche Karriere ein und war mindestens von 1156 bis 1163 Propst des sächsischen
Prämonstratenserstiftes Pöhlde. Auch die von Elisabeth an ihrem Sterbebett
bestimmte Nachfolgerin in ihrem Amt als magistra soll, laut Überlieferung,
eine Verwandte gewesen sein, ebenso die drei um 1165 im adeligen Augustinerinnen-
Konvent St. Thomas in Andernach lebenden Schwestern Guda, Hadewig
und Reginlind, die von Elisabeths Bruder Ekbert in der Einleitung seiner Schrift
De obitu angesprochen werden. Enge Kontakte zu Klöstern und Stiften in Köln,
Bonn und Umgebung, die sich durch Briefe Ekberts und Elisabeths rekonstruieren
lassen, deuten teilweise ebenfalls auf familiäre Beziehungen hin. Ein Neffe
Elisabeths, Simon, ist 1197 und 1198 als Abt des Klosters Schönau bezeugt.
Ob innerhalb der Familie somit eine ausgeprägte Affinität zum Klerus bestanden
hat, kann jedoch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Bezeichnend ist
nur, dass von den bekannten Familienmitgliedern auffallend viele dem geistlichen
Stand angehörten.
Elisabeth wurde als Zwölfjährige, also 1141 oder 1142, dem Kloster
Schönau, südwestlich des heutigen Bonn, übergeben. Die Beweggründe der Eltern,
die Tochter dem abgelegenen, wenig begüterten Schönauer Konvent anzuvertrauen,
sind nicht bekannt. In der Forschung wird die These aufgeworfen,
dass familiäre Beziehungen zu den Gründern des Klosters, den Laurenburger
Grafen, oder aber auch zum ersten Schönauer Abt Hildelin (erstmals 1132 als
12 Köster, Elisabeth von Schönau, 36 f. Zu weiteren Überlegungen über den Inhalt der Handschriften
und deren Überlieferung siehe Kap. 3.1.
13 Dinzelbacher, Offenbarungen, 79 ff.
14 Vgl. zum Folgenden Borst, Katharer, 20-25; Clark, Elisabeth of Schönau; Dinzelbacher,
Offenbarungen, 78-101; Köster, Elisabeth von Schönau, 17-46; ders., Ekbert, Sp. 436-440.
13
Abt bezeugt, † 1165/66) bestanden haben könnten.15 Eine andere Forschungsmeinung
vertritt die Auffassung, dass Elisabeth die Entscheidung, nach Schönau
zu gehen, im Alter von zwölf Jahren selbst traf und in diesem Alter womöglich
schon als Erwachsene betrachtet werden konnte. Der Eindruck von Selbstbestimmung
werde, so die Forschung, auch von Ekbert in seiner Schrift De obitu
vermittelt.16
Bei dem Schönauer Konvent handelte es sich um ein Benediktiner-
Doppelkloster, das erst 1117 gegründet worden war. In anscheinend relativ kurzem
Anschluss an die Gründung des Mönchsklosters scheint auch der Nonnenkonvent
entstanden zu sein; auch er war dem Abt unterworfen, wurde jedoch
von einer eigenen magistra geleitet.
Elisabeth wurde 1147 im Alter von 18 Jahren eingekleidet. Für die ersten
fünf Jahre ihres Klosterlebens sind keine besonderen Auffälligkeiten überliefert,
außer immer wieder auftretende Krankheiten, die Elisabeth vermutlich seit ihrer
Kindheit begleiteten. Da diese Krankheiten von Angstzuständen und Depressionen
begleitet wurden, entwickelte Elisabeth eine ausgeprägte Neigung zu zeittypischen
Formen der Askese, die sie durch Kasteiungen und das Tragen einer
Eisenkette unter einem rauhen Gewand auslebte. Als besonders auffällig erschien
ihrer Umgebung die „Knappheit der Speise“17.
Um die Pfingstzeit 1152 überfiel Elisabeth eine tiefe Depression. Sie verweigerte
jegliche Nahrungsaufnahme und fühlte sich vom „bösen Feind“ verfolgt,
der ihr in Form von Menschen-, Hunde- und Rindsgestalt erschien. Dies
löste schwere Glaubenszweifel und eine intensiv empfundene Lebensüberdrüssigkeit
aus, bis hin zu Selbstmordgedanken.18 Allein Gott habe sie, laut ihren
eigenen Angaben, davon abgehalten dem Leben ein Ende zu setzen. Nach zehn
Tagen lösten sich die Depressionen in einer Reihe von visionären Verzückungen,
die Elisabeth bis zu ihrem Tod empfangen sollte. Diese Verzückungen begannen
unvermittelt, bedeuteten jedoch kein Ende ihres körperlichen Leidens,
sondern eher noch dessen Verstärkung. Den Visionen gingen oftmals starke
Schmerzen am ganzen Körper, Herzbeklemmung sowie Erstickungsgefühle verbunden
mit heftigen Angstzuständen, Krämpfen und Lähmungserscheinungen
voraus. Beim Eintreten einer Vision fühlte sich Elisabeth von Licht umleuchtet,
anschließend verfiel sie entweder in einen Zustand dumpfer Betäubung, der zur
Folge hatte, dass sie sich an den Inhalt der jeweiligen Vision teilweise nicht
mehr erinnern konnte oder die Bewusstlosigkeit während einer Vision mündete
in einen ähnlichen Erregungszustand wie vor der Ekstase.19
15 Köster, Elisabeth von Schönau, 19 ff.
16 Clark, Elisabeth of Schönau, 13.
17 Köster, Elisabeth von Schönau, 21 (ohne Angabe des Originalzitats).
18 Dinzelbacher, Offenbarungen, 83.
19 Köster, Elisabeth von Schönau, 19 ff.
14
Neben Visionen und Ekstasen erhielt Elisabeth auch Auditionen20,
Wortoffenbarungen in Glossolalie21, ferner Televisionen22 und das Gefühl eingegossener
Süße. Die Vielfalt dieser Gnadengaben und die Häufigkeit ihres Auftretens
ist vergleichbar mit den visionären Erfahrungen spätmittelalterlicher
Mystiker und Mystikerinnen, die durch die Gnadengaben ausgelöste ekstatische
Selbstgenügsamkeit fehlt bei Elisabeth allerdings.23
Die Wortoffenbarungen wurden von Elisabeth teilweise in deutscher, aber
auch in lateinischer Sprache vorgebracht. Die Lateinkenntnisse bezeichnete ihr
Bruder Ekbert in seinen schriftlichen Überlieferungen ihrer Visionen als „Wunder“,
da Elisabeth seiner Kenntnis zufolge nie im Lateinischen unterrichtet worden
wäre.24 Der spätere Abt des Klosters Schönau, Simon, formulierte etwas
vorsichtiger und führte an, Elisabeth sei ungelehrt gewesen und habe bestenfalls
geringe Kenntnisse besessen. Diese Aussage stellt nichts Ungewöhnliches dar,
da Klosterfrauen in dieser Zeit nicht über die gleiche höhere Bildung ihrer Ordensbrüder
verfügten. In der Forschung ist man der Ansicht, dass Elisabeths
Bildung somit gleichzusetzen sei mit der Unterweisung höherer Töchter und
dass sie sich ihre Lateinkenntnisse vermutlich durch den Klosteralltag selbst angeeignet
habe. Es bestünde aber auch die Möglichkeit, dass Elisabeth, auf Grund
ihrer Herkunft aus einer offensichtlich gut situierten Familie, vor ihrem Eintritt
in Schönau mit zwölf Jahren Lateinunterricht erhalten haben könnte. Somit
kommt man in der Forschung zu dem Schluss, dass an Elisabeths Lateinkenntnissen
nichts ,Wunderbares‘ zu finden sei.25
Im Falle ihrer Visionen befand sich Elisabeth in einem großen Zwiespalt,
ob sie deren Inhalt offenbaren sollte oder nicht. Jedoch machten es ihr die bereits
oben beschriebenen, körperlichen Begleitumstände ihrer Gesichte unmöglich,
die Visionen zu verbergen. Ihre Zweifel rührten aber auch daher, dass sie
„den Anschein von Anmaßung“ vermeiden und nicht als „Urheberin von Neuerungen“
erscheinen wollte.26 Sie entschied sich schließlich doch dazu, ihre
Visionen ihrem Umfeld zu offenbaren, sei es aus eigenem Antrieb oder durch
„sanften Druck“ ihrer Umgebung, doch laut ihren eigenen Angaben verschaffte
es ihr Erleichterung.27 Während der ersten drei Jahre ihrer Visionen berichtete
20 Akustisches und innerliches Hören von Klängen, Worten und Offenbarungen, die Gott dem
Auserwählten zuteil werden lässt: so Johanna Lanczkowski, Audition, in: Peter Dinzelbacher
(Hg.), Wörterbuch der Mystik. Stuttgart 1989, 35.
21 Sinnvolles, automatisches Reden in Trance; siehe Michael Figura, Glossolalie, in: ebenda,
191 f.
22 Bildliche Wahrnehmung eines fernen Ereignisses, ähnlich der Vision; siehe Johanna Lanczkowski,
Teleportation und Television, in: ebenda, 482.
23 Dinzelbacher, Offenbarungen, 83.
24 Zu Ekberts Gründen für die Darstellung von Elisabeths Lateinkenntnissen siehe Kap. 3.1.
25 Köster, Elisabeth von Schönau, 22; Clark, Elisabeth of Schönau, 30.
26 Clark, Elisabeth of Schönau, 24.
27 „Manches Mal, wenn ich mir vorgenommen hatte, zu verschweigen (…) wurde ich von solcher
Qual erfasst, dass ich mich dem Tode nahe glaubte. Aber sobald ich mich meiner Umgebung
eröffnete, (…) wurde mir sofort leichter“. Siehe dazu Köster, Elisabeth, 25.
15
Elisabeth das Geschaute ihren Mitschwestern. Auch ihrem Bruder Ekbert erzählte
sie bei seinen regelmäßigen Besuchen von den Visionen. Dieser begann,
wie bereits oben erwähnt, die Berichte seiner Schwester aufzuzeichnen, genauso
wie Elisabeths Mitschwestern.28
Ekbert war zu diesem Zeitpunkt Kanoniker an dem gemischt-adeligen
Stift St. Cassius und Florentius in Bonn, einem der reichsten Stifte der Kölner
Erzdiözese, an dem Ekberts gleichnamiger Patenonkel und späterer Bischof von
Münster zeitweilig das Amt des Propstes innehatte. Zuvor hatte Ekbert zwischen
1140 und 1146 in Paris bei Magister Adam de Belsham studiert, einem der ersten
mittelalterlichen Aristoteleskommentatoren. Er studierte gemeinsam mit seinem
Jugendfreund Rainald von Dassel, dem späteren Kölner Erzbischof und
Kanzler Kaiser Friedrichs I. Barbarossa, mit dem ihn Zeit seines Lebens eine
enge Freundschaft verband.29 Eine Ausbildung über den Lehrstoff einer Domkapitelschule
hinaus war für einen Kanoniker eher ungewöhnlich, da ein Studium
für ein Amt im höheren Klerus nicht zwingend notwendig war, jedoch
reizvoll, vor allem für eine adelige Familie mit ,bischöflichen‘ Ambitionen.30
Ekbert schrieb später über seinen Aufenthalt in Bonn als eine Zeit voller
Erfolg und Befriedigung. Die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Beförderung
war groß, vor allem wenn man dabei Ekberts persönliche Beziehung zu zwei
späteren Kölner Erzbischöfen, nämlich Arnold II. von Wied und Rainald von
Dassel, in Betracht zieht.
Entsprechend groß waren somit der Schock und das Unverständnis seiner
Familie und Freunde, als Ekbert diese von seiner Entscheidung unterrichtete, ins
Kloster zu gehen. Ekberts Biograph Emecho berichtet von dieser Abkehr von
der Welt hin zum Mönchtum mit dem ganzen Stolz eines benediktinischen
Geistlichen und spricht dabei Elisabeth eine entscheidende Rolle zu. Während
seiner Zeit als Diakon in Bonn besuchte Ekbert seine Schwester häufig, und Elisabeth
wurde nicht müde zu versuchen, ihn zum Eintritt in den Schönauer Konvent
zu bewegen. Ekbert hatte allerdings Bedenken wegen des hohen Maßes an
Disziplin und Strenge, die ein mönchisches Leben von ihm abverlangte, und
wegen der Aufgabe seines Diakonats. Doch Elisabeth blieb hartnäckig und erhielt
schließlich in einer Vision von der Jungfrau Maria den Befehl, dass ihr
Bruder in das Kloster Schönau eintreten solle. Ekbert wurde aufgrund dieser
himmlischen Eingebung sofort überzeugt, erhielt daraufhin 1155 während einer
Romwallfahrt die Priesterweihe und trat schließlich nach Pfingsten desselben
Jahres in den Schönauer Konvent ein.31
In der Forschung wird die aus heutiger Sicht vermutlich schwer begreifliche
Tatsache diskutiert, dass Ekbert es vorzog, als ergebener Sekretär bei seiner
Schwester zu leben, obwohl die Wahrscheinlichkeit auf eine erfolgreiche Karriere
als Weltkleriker bestand. Auf Elisabeths erfolgreiche ,Bettelei‘ ist diese
28 Clark, Elisabeth of Schönau, 14.
29 Köster, Ekbert von Schönau, Sp. 436 f.
30 Clark, Elisabeth of Schönau, 5.
31 Ebenda, 15 f.
16
Entscheidung vermutlich nicht zurückzuführen, da sie weder als Frau noch als
Nonne eine Autorität für ihn dargestellt haben mochte. Zu betonen ist allerdings,
dass Ekberts primäres Interesse an Elisabeth, wie auch immer sein zwischenmenschliches
Verhältnis zu seiner Schwester ausgesehen haben mag, nicht ihrer
Persönlichkeit oder ihrer Eingebundenheit in ihre Umgebung galt, sondern ihren
Visionen, die Ekberts Glauben nach direkt von Gott gesandt waren.32 Ein weiterer
Grund für Ekberts Entscheidung lag wahrscheinlich auch in dem Reiz, den
sein neues Leben auf ihn ausgeübt haben mag. In einem Brief an Rainald von
Dassel lässt sich ein Hinweis auf Ekberts mögliche Desillusionierung in Bezug
auf sein Leben als Weltkleriker vermuten.33 Letztlich war es vermutlich sein
Glaube an die Wahrheit und Größe dessen, was seiner Schwester widerfuhr.
Außer diesen inneren Faktoren lässt sich vermutlich aber auch ein äußeres
Ereignis für Ekberts Entscheidung heranziehen. Vor dem August des Jahres
1154 empfing seine Schwester eine apokalyptische Vision, deren Eintreten sie
für ein Jahr voraussagte, in dem die Feste Mariä Verkündigung und Karfreitag
auf einen Tag fallen würden. Diese Voraussetzung erfüllte das Jahr 1155. Elisabeth
belebte damit eine apokalyptische Voraussage, die seit dem Ende des 10.
Jahrhunderts populär war. Sie behielt die Vision vorerst für sich, bis sie von ihrem
Engel dazu aufgefordert wurde, sich ihrem Abt anzuvertrauen. Bei diesem
Engel handelte es sich, neben der Jungfrau Maria, Christus und dem Hl. Johannes
Ev., um einen der Mittler, der ihr in ihren Visionen die Botschaft Gottes
überbrachte oder auch erklärte. Elisabeth bat Abt Hildelin die Vision nicht bekannt
zu machen, woraufhin er sie aufforderte, um ein Zeichen zu beten, ob die
Vision publik gemacht werden solle oder nicht.
Am Tag der heiligen Barbara (4. Dez.) wurde Elisabeth in einer Vision
von ihrem Engel aufgefordert, Buße zu predigen. Abt Hildelin sah darin das erhoffte
Zeichen und gab die Prophezeiung seines Schützlings im Kreise anderer
Kirchenvertreter bekannt. Erwartungsgemäß glaubten einige derselben nicht an
die Echtheit von Elisabeths Visionen, sondern waren der Ansicht, sie sei vom
Teufel in Form eines Engels aus Licht getäuscht worden (2. Kor. 11,14). Elisabeth
wurde aufgetragen, den Engel zu testen, was sie nur widerstrebend auf
Grund ihrer Gehorsamspflicht tat. Mit den Visionen der folgenden Monate überzeugte
Elisabeth ihren Abt zu einer Predigtreise, die auch vorerst Erfolge zu
verzeichnen hatte.
Doch die Situation führte zu Problemen, als einige eifrige Gläubige in
Hildelins Namen Briefe mit Elisabeths Prophezeiung nach Köln schickten, wo
diese öffentlich vorgelesen wurden und man daraufhin Elisabeth unterstellte,
ihre Prophezeiung benenne den Tag des Jüngsten Gerichts. Hildelin verlor die
Kontrolle über die Predigt und den Inhalt der Vision, und diese Verselbständigung
fand ihren Gipfel an öffentlichem Spott, als Elisabeths Prophezeiung
schließlich 1155 nicht eintraf.
32 Ebenda, 26.
33 Ebenda, 18 mit Anm. 48.
17
Die obigen Ereignisse lassen sich aus einem Brief Elisabeths an Hildegard
von Bingen rekonstruieren, in dem Elisabeth die Ereignisse aus ihrer Sicht
schildert, um zu verhindern, dass Hildegard dem Gespött der Öffentlichkeit
Glauben schenkte.34 Elisabeth verstand die Ereignisse als Prüfung Gottes und
empfand Zeit ihres Lebens die Veröffentlichung ihrer Visionen als Gratwanderung
zwischen dem Verkünden von Gottes Willen und der Auslegung ihrer
Worte als muliebria figmenta.35
Die Ereignisse von 1154 zeugen von keiner Beteiligung Ekberts, da dieser
erst nach Pfingsten 1155 in das Benediktinerkloster eintrat. Dennoch können die
Ereignisse als ein Grund für Ekberts Gang nach Schönau gesehen werden, da er
vermutlich auch den Ruf seiner Schwester und seiner Familie schützen wollte.
Außerdem zeigen die zahlreichen Redaktionen von Ekberts Aufzeichnungen der
visionären Werke seiner Schwester, dass er während seines ganzen Lebens darauf
bedacht war, dass Elisabeths Visionen in der Öffentlichkeit keinen falschen
Eindruck erweckten.
Vermutlich aufgrund der Ereignisse der Jahre 1154/55 kamen die Geschwister
außerdem darin überein, dass Elisabeths visionäres Werk erst nach
ihrem Tode publiziert werden solle.36
Die Jahre 1152 bis 1155 vor Ekberts Eintritt in Schönau umfassten die
Entfaltung von Elisabeths visionärer Begabung. Inhalt und Wesen ihrer Ekstasen
waren in dieser Zeit am individuellsten, da sie weithin in ihrem eigenen Erlebnis-
und Erfahrungsbereich begründet lagen und noch kaum von außen beeinflusst
wurden. Ihre Verzückungen häuften sich und standen oft in enger Beziehung
zu den Festen der jeweiligen Tagesheiligen. Elisabeth begann außerdem
ihren Mittlern Fragen zu stellen, die sie selbst oder ihre Umwelt betrafen.
Bevorzugte Themen ihrer Gesichte in dieser Zeit waren die Psalmen und
die Apokalypse. Biblische Ereignisse, vor allem die Passion Christi, erlebte Elisabeth
in ihren Visionen mit. Dabei wird Elisabeths Marienverehrung in Teilen
der Forschung besonders hervorgehoben, die jedoch trotz ihrer Intensität nicht
einer Brautmystik oder Marienminne der Mystiker und Mystikerinnen des
Spätmittelalters gleichkommt. Ähnlich verhält es sich auch mit ihrer Christusverehrung,
der ihr als erhabener Erlöser, nicht aber als liebliches Kind oder
Bräutigam erscheint. Die Heiligen und Märtyrer des Schönauer Lokalkultus waren
ihr dabei am vertrautesten und zudem diejenigen, die in ihrem Orden besonders
verehrt wurden.37
Der Eintritt ihres Bruders in den Schönauer Orden stellte einen Wendepunkt
in Elisabeths Leben dar, der sich vor allem in ihrem visionären Werk widerspiegelte.
Der Abt des Klosters, Hildelin, begrüßte die Entscheidung Ekberts,
da er an der systematischen schriftlichen Aufzeichnung der Visionen sehr inte-
34 Brief Nr. 201: Die Nonne Elisabeth an Hildegard, in: Walburga Storch (Hg.), Hildegard
von Bingen, Im Feuer der Taube. Die Briefe. Augsburg 1997, 378-383.
35 Clark, Elisabeth of Schönau, 15.
36 Ebenda, 14 f.
37 Köster, Elisabeth von Schönau, 22 f.
18
ressiert war und hoffte, dass Elisabeth sich ihrem Bruder mehr öffnen würde als
ihm oder ihren Ordensschwestern.38
Unmittelbar nach dem Eintreffen ihres Bruders in Schönau begann der
Höhepunkt von Elisabeths Visionstätigkeit. In den Jahren 1156 bis 1159 offenbarten
sich ihr die Visionszyklen Liber viarum dei (3. Juni 1156 bis 22. August
1157), Liber revelationum de sacro exercitu virginum Coloniensium (5. Oktober
1156 bis 21. Oktober 1157) und die meisten Gesichte des kleinen Zyklus De resurrectione
beatae Mariae virginis (22. August 1156 bis 25. März 1159[?]).39
Der Liber viarum dei erfreute sich einer hohen Verbreitung in Klöstern. In
diesem Werk tritt Elisabeths Visionserfahrung zugunsten moralischer Erbauungen
in den Hintergrund. Elisabeth wurde in einer Vision von ihrem Engel vorausgesagt,
dass sie die Visionen zu diesem Buch nach einem Besuch bei Hildegard
von Bingen empfangen werde. Dieser Besuch fand im Jahr 1156 statt, fünf
Jahre, nachdem Hildegard ihr Werk Scivias beendet hatte. Auch wenn Elisabeths
Werk durch das ihrer berühmten Zeitgenossin beeinflusst wurde, haben beide
Schriften eine ganz unterschiedliche Intention. Hildegards Scivias beschreibt
ambitioniert die Entstehung der Welt universalhistorisch bis zu ihrer Apokalypse.
Sie hebt dabei die göttlichen Tugenden hervor, die im Leben der Menschen
eine Rolle spielen. Im Liber viarum dei zeigt Elisabeth in zehn sermones
die Pfade der christlichen Stände auf und wie die Vertreter dieser Stände ein Leben
als rechtschaffene Christen gestalten sollten. Ihr Werk spiegelt damit, nach
Ansicht der Forschung, das zeitgenössische Interesse wieder, die Gesellschaft
anhand sozialer und religiöser Rollenmuster zu definieren. Der Inhalt der zehn
sermones setzt sich aus moralischen Ermahnungen und, in einigen beachtenswerten
Fällen, aus der Verdammung zeitgenössischer Dekadenz zusammen. Sie
haben einen zufälligen und unzusammenhängenden Charakter.40 In die Zeit der
Visionen zum Liber viarum dei fiel auch Elisabeths Wahl zur neuen magistra
des Schönauer Nonnenkonvents (1157).41
Elisabeths Werk über die Ursula-Revelationen stellte ein überaus beliebtes
Werk dar. Mit den in dieser Schrift aufgeführten Visionen und Konversationen
spielte Elisabeth eine entscheidende Rolle in Bezug auf die Einzelheiten und
Etablierung der Legende, die zu diesem Zeitpunkt schon ‚phantastische’ Züge
angenommen hatte.
Während des 12. Jahrhunderts fanden zwei maßgebliche Ereignisse für
die Entwicklung des Ursula-Kultes statt: zum einen die explizite Erwähnung der
Legende in zwei lateinischen passiones und zum anderen die Entdeckung eines
Friedhofs aus römischer Zeit im Zuge der Stadterweiterung Kölns, den man als
letzte Ruhestätte der 11000 Jungfrauen identifizieren zu können glaubte. Die
zwei passiones, denen zahlreiche liturgische Texte zur Zelebrierung des Kultes
38 Zu Ekberts Einfluss auf Elisabeths Visionen sowie zu den näheren Umständen der Beziehung
der Geschwister siehe Kap. 3.2.
39 Köster, Elisabeth von Schönau, 27.
40 Clark, Elisabeth of Schönau, 35 f.
41 Köster, Elisabeth von Schönau, 35.
19
vorausgegangen waren, berichten die Ereignisse um die Kölner Jungfrauen in
größerem Detail. Vor allem die zweite und weiter verbreitete der passiones
„Regnante domino“ lieferte die Standard-Version der Legende vor Elisabeths
Neufassung.42
Im Falle der Ursula-Revelationen nahm erstmals, vermutlich durch Ekberts
Vermittlung, ein Außenstehender Einfluss auf Elisabeths visionäres Wirken.
Gerlach von Deutz, Abt der dortigen Benediktinerabtei und wahrscheinlich
persönlich befreundet mit Ekbert und Abt Hildelin, schickte im Oktober 1156
die Körper zweier angeblicher Märtyrer aus dem oben beschriebenen Friedhofsfund
nach Schönau mit der Bitte, ob Elisabeth in einer Vision ihre himmlischen
Mittler über die Echtheit der gefundenen Überreste befragen könnte.43 Gerlachs
Zweifel erklären sich durch den Umstand, dass auf dem Gräberfeld nicht nur die
Überreste von Frauen, sondern auch von Männern und Kindern gefunden worden
waren.44 Außerdem waren zahlreiche Körper mit kleinen Steintäfelchen,
sog. tituli, versehen, die mit Namen, teilweise auch mit Angaben zur Herkunft
und zum Martyrium der jeweiligen Person versehen waren. Die Forschung geht
davon aus, dass es sich bei den tituli um Fälschungen handelte, die sich damit
eines charakteristischen Zuges der Zeit bedienten, da man ungern namenlose
Heilige verehrte. Der eine der beiden Körper wurde durch einen titulus als heilige
Verena ausgewiesen, der andere, männliche Körper war namenlos. Jene
vermeintliche Märtyrerin wurde problemlos von Elisabeth adaptiert und somit
zur Mittlerin in ihren Visionen, wie sonst Johannes, Maria oder ihr Engel. Durch
Verena erfuhr Elisabeth nicht nur den Namen, den Stand und das Schicksal des
männlichen Körpers (Caesarius), sondern auch immer neue Einzelheiten der Ursulalegende.
Abt Gerlach sandte ihr daraufhin die tituli zahlreicher anderer aufgefundener
„Märtyrer“, um deren Echtheit durch Elisabeth verifizieren zu lassen.
Ob Gerlach dabei selbst ein Opfer der tituli- Fälschungen war oder ob er
diese durch die Autorität der Schönauer Visionärin bestätigen lassen wollte,
42 Ebenda, 37.
43 Ebenda, 29. Die Deutzer Mönche zeigten großes Engagement bei den Ausgrabungen des
römischen Gräberfeldes. Sie sahen darin, laut Sinderhauf, vermutlich eine Möglichkeit, sich
in der Kölner Kirchenlandschaft entscheidend zu positionieren; auch eine Beauftragung
durch den neuen Amtsinhaber des Kölner Erzstuhls, Arnold II. von Wied, ist vorstellbar.
Aus heutiger Sicht liegt aufgrund der teilweise phantastischen Namen, mit denen die Märtyrer
ausgestattet und die akribisch aufgeführt wurden, die Vermutung nahe, dass die gefundenen
tituli auf Fälschungen des custos des Klosters, Thiodericus, zurückzuführen sind. Die
„Fälschungen“ lassen sich, außer auf die wirtschaftlichen, auch auf geistliche Gründe zurückführen,
da durch die Vielzahl der gefundenen Heiligen der Ruf und die Heiligkeit des
Stifters der Abtei Deutz, des hl. Heribert, gemehrt würden. Siehe weiter zu den wirtschaftlichen
und geistlichen Aspekten der Deutzer Ausgrabungen: Monica Sinderhauf, Die Abtei
Deutz und ihre innere Erinnerung. Klostergeschichte im Spiegel des verlorenen Codex Thioderici.
Vierow 1996, hier 150 f.
44 Clark, Elisabeth of Schönau, 20.
20
bleibt unbekannt. Elisabeth benötigte schließlich über ein Jahr, bis sie anhand
der einzelnen Visionen eine Art von Zusammenhang herstellen konnte.45
Der Erfolg der Erweiterung der Ursulalegende durch Elisabeth lässt sich
allerdings nicht allein auf die Aussagekraft ihrer Visionen zurückführen. Die
weite Verbreitung der angeblichen Kölner Reliquien in zahlreichen Kloster- und
Kirchenneugründungen des Jahrhunderts bewirkten, dass das jeweilige Kloster
oder die jeweilige Kirche so viele Informationen wie nur möglich über „ihren“
Märtyrer bekommen wollte. Dank Elisabeths Reputation kam es somit zu einer
Unterstützung der Echtheit der Deutzer Reliquien.46
Vermutlich ähnlich beliebt wie die Ursula-Relevationen war Elisabeths
Werk über die Auferstehung Marias. Dabei handelt es sich um ihr kürzestes
Werk, das im Wesentlichen durch Fragen Ekberts angeregt wurde. Ekbert zeigte
damit ein gutes Gespür für den theologischen Trend der Zeit, auf den etwa die
Tatsache verweist, dass das Thema bereits durch Abaelard aufgegriffen worden
war.47 Elisabeths Visionen unterstrichen die körperliche Auferstehung Marias
und etablierten ein neues Datum für Mariä Himmelfahrt.
Bei diesem Werk jedoch zweifelte sie erneut an der Richtigkeit der
Verkündung ihrer Visionen, da sie einen Konflikt zur Tradition darstellten und
Elisabeth befürchtete, als inventrix novitatum erscheinen zu können. Erst eine
Vision Marias konnte sie beruhigen, in der die Mutter Gottes ihr bestätigte, dass
die Visionen zur Verkündung bestimmt seien, allerdings nicht an alle Gläubigen,
sondern nur an diejenigen, die sie verehren würden.48
Außer den oben beschriebenen Visionszyklen wurde Elisabeth, laut ihrem
Bruder, auch die Gnade zuteil, Briefe zu empfangen. 22 derartige Briefe können
somit Elisabeth zugeschrieben werden. Das Umfeld ihrer Korrespondenz beschränkte
sich auf die Umgebung von Trier und die benachbarten Diözesen
Köln, Mainz, Metz und Speyer.
Mit wachsendem Vertrauen wandte Elisabeth sich außerdem einem Gegenstand
zu, den sie als große Gefahr für das Vertrauen in die Kirche empfand:
der Häresie der Katharer. Die Lehren der Katharer waren im Zuge der Kreuzzüge
in den frühen 1140er Jahren im Rheinland aufgetaucht. Die aufgrund ihrer
Anwesenheit herrschende Spannung fand ihren Höhepunkt im Sommer 1163, als
einige Personen der Ketzerei überführt und vor den Toren Kölns hingerichtet
wurden. Elisabeths Auseinandersetzung mit den Katharern ist sehr wahrscheinlich
auf Ekbert zurückzuführen, der sich bereits vor seinem Eintritt in Schönau
dem Thema gewidmet hatte.
45 Zu den Umständen und der Entstehung der Visionen zur Ursulalegende sowie zu Ekberts
Einfluss siehe Kap. 3.2.
46 Köster, Elisabeth von Schönau, 29 f.
47 Clark, Elisabeth of Schönau, 41 mit Anm. 49.
48 Ebenda, 40; Clark führt hier an, dass der Text allerdings in allen gängigen Überlieferungen
von Elisabeths Visionen zu finden sei, Ekbert also somit eine ganz eigene Meinung zur
„Publikationswürdigkeit“ der Visionen seiner Schwester vertrat. Zu weiteren Aspekten des
Verhältnisses der Geschwister siehe Kap. 3.2.
21
Elisabeths Kritik richtete sich aber nicht nur gegen die Häretiker, sondern
auch gegen den Klerus insgesamt, der, ihrer Meinung nach, das Aufblühen der
Häresie durch die Vernachlässigung seiner seelsorgerischen Pflichten erst möglich
mache.
Ekbert begann 1163, vermutlich nach den Kölner Ketzerverbrennungen,
sein Werk Sermones contra Catharos, das er seinem Jugendfreund Rainald von
Dassel widmete.49 Das Werk enthält 13 aus Disputationen mit Sektierern erwachsene
Predigten, die Ekbert als guten Kenner der Irrlehre und vehementen
Verfechter für die Reinerhaltung der kirchlichen Lehre zeigen.50 Nach Ansicht
der Forschung stellte Ekbert damit in Bezug auf die schriftliche Auseinandersetzung
mit den Katharern den ersten und umstrittensten Vertreter eines neuen
Stils, der kritischen Polemik, dar. Durch seinen Vergleich der Ketzerlehren mit
den Schriften des Augustinus legte Ekbert die erste wissenschaftliche Hypothese
über das Wesen der Katharer vor und wies diese, seiner Meinung nach und gestützt
auf Augustinus, fälschlicherweise als Manichäer aus. Diese These lässt
sich vermutlich auf den damaligen Erkenntnisstand über die Lehren der Sektierer
zurückführen, da zu diesem Zeitpunkt noch keine katharischen Selbstdarstellungen
vorhanden waren.51
Als letztes Werk Ekberts ist die Schrift De obitu dominae Elisabethae zu
nennen, die er nach dem Tod seiner Schwester verfasste und welche die letzten
Tage vor Elisabeths Tod beschreibt.52
Zwei Tage nach Pfingsten des Jahres 1164 oder 1165 erkrankte Elisabeth
schwer. Während ihrer dreiwöchigen Krankheit, von der sie sich nicht mehr erholen
sollte, war ihr Gemütszustand geprägt von abwechselnder Teilnahmslosigkeit
und Verzückungen, zwischen denen Stunden völliger geistiger Klarheit
lagen. Am 18. Juni wurde ihre Atemnot so groß, dass sie nicht mehr sprechen
konnte. Laut der Überlieferung in De obitu sei es ihr aber noch gelungen, per
Handzeichen deutlich zu machen, dass sie auf das Cilicium getragen werden
wollte, wo sie still unter den Gebeten der Mönche und Nonnen im Alter von 36
Jahren eingeschlafen sei.53
Ekbert überlebte seine Schwester um fast 20 Jahre. 1166 wurde er zum
Nachfolger des Schönauer Abtes Hildelin gewählt. Auch nach dem Tod Elisabeths
beschäftigte er sich weiterhin intensiv mit der schriftlichen Überlieferung
ihrer Visionen, was die bereits oben erwähnten zahlreichen Redaktionen von
Elisabeths Werken zeigen.54 Ekbert starb am 28. März 1184 in Schönau.55
49 Clark, Elisabeth of Schönau, 22 ff.
50 Köster, Ekbert von Schönau, Sp. 438.
51 Borst, Katharer, 20 f.
52 Clark, Elisabeth of Schönau, 42 f.
53 Köster, Elisabeth von Schönau, 35 f.
54 Zu näheren Überlegungen zur schriftlichen Überlieferung siehe Kap. 3.1.
55 Köster, Ekbert von Schönau, Sp. 437.
22
2.2. Licht und Schatten – Elisabeth von Thüringen und Konrad von Marburg
Elisabeth von Thüringen wurde dreieinhalb Jahre nach ihrem Tode am Pfingstsonntag
1235 von Papst Gregor IX. in Perugia heilig gesprochen. Unter den
zahlreichen hochgestellten Persönlichkeiten, die dem Festgottesdienst anlässlich
der Kanonisation der verwitweten thüringischen Landgräfin beiwohnten, befand
sich auch Elisabeths Schwager Konrad von Thüringen, der, ähnlich seiner
Schwägerin, früher Landgraf war, inzwischen aber als Deutschordensbruder in
Marburg lebte.
Der Deutsche Orden stellte nur einen der vielfältigen Vertreter des neu
entstandenen Heiligenkultes um Elisabeth dar. Auch Dominikaner, Franziskaner
und Beginen stehen für die Vielzahl der politischen und religiösen Interessen,
welche die Verehrung begründeten.
Unter den 22 im 13. Jahrhundert kanonisierten Heiligen nimmt Elisabeth
eine Sonderstellung ein. Sie zählte einerseits, wie die Gründer und Heiligen der
kurz zuvor entstandenen Bettelorden, zu den sog. sancti moderni und stellte mit
diesen das prägende Leitbild eines Heiligentyps dar, der durch vollkommene
Buße und radikale Christusnachfolge in äußerster freiwilliger Armut das neue
Frömmigkeitsideal verkörperte.56 Andererseits entsprach Elisabeth aber auch
dem traditionellen Typ königlich-fürstlicher Heiliger, dem im Hoch- und Spätmittelalter
die meisten kanonisierten Laien angehörten.
Bis weit in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts stellte sie die einzige
der sancti moderni dar, die einer königlichen oder fürstlichen Familie entstammten.
Umgekehrt war Elisabeth ebenfalls lange die einzige der zahlreichen
frommen Frauen ihrer Zeit, die, als Königstochter, zur Ehre der Altäre gelangte.
57
Elisabeth von Thüringen wurde 1207 als Tochter von König Andreas II.
von Ungarn und seiner Frau Gertrud von Andechs-Meran geboren. 58 Im Zuge
einer Fürstenkoalition gegen Kaiser Otto IV. wurde Elisabeth mit dem ältesten
Sohn des Landgrafen Hermann I. von Thüringen, Ludwig (IV.), verlobt und kam
als Vierjährige an den thüringischen Hof.59
Zehn Jahre später (1221) fand die Hochzeit zwischen Ludwig IV. und
Elisabeth statt. Elisabeth stand damit an der Spitze eines der mächtigsten Fürstenhöfe
ihrer Zeit. Durch ihre höfische Erziehung und ihre Stellung als Landgräfin
war sie von Normen geprägt, die für das Leben jener vornehmen Kreise als
standesgemäß galten und einen bestimmten Lebensstil nach sich zogen. Die Entschiedenheit,
mit der Elisabeth sich später von der bisherigen Lebensform ihrer
56 Werner, Mater, 450 mit Anm. 6.
57 Ebenda, 449 f. Zur Entwicklung des Elisabethkultes direkt nach ihrem Tod sowie zur Anregung
des Kanonisationsverfahrens durch Konrad von Marburg siehe Kap. 3.1.
58 Zur Biographie Elisabeths von Thüringen und ihres Beichtvaters Konrad von Marburg
siehe im Folgenden Werner, Die Heilige Elisabeth, 45-69; Patschovsky, Ketzerverfolgung,
641-693.
59 Werner, Elisabeth von Thüringen, Sp. 1838.
23
hochadeligen Umwelt abwenden sollte, lässt sich aus einer tiefen religiösen
Veranlagung und Aufgeschlossenheit heraus erklären. Elisabeths Begegnung mit
den beginnenden, sich rasch ausbreitenden religiösen Strömungen ihrer Zeit gaben
hierfür vermutlich den Ausschlag. Dabei handelte es sich zum einen um die
Bewegung der frommen Frauen (Beginen) aus reichen brabantisch-belgischen
Städten und zum anderen um die Lehren des Franz von Assisi, die beide der religiösen
Frauenbewegung in Deutschland starke neue Impulse verliehen.60
Diese religiöse Frauenbewegung hatte mit allgemeinen religiösen Bestrebungen
der Zeit, die unter anderem zur Gründung der Bettelorden geführt hatten,
das Streben nach einer christlichen Lebensgestaltung im Sinne der Evangelien
gemeinsam und glaubte, dies vor allem durch freiwillige Armut und
Keuschheit erreichen zu können. Jene Frauenfrömmigkeit ist dabei aber nicht als
Spiegel irdischer, durch Zeitverhältnisse geschaffener Nöte zu sehen. Der in der
Forschung oft geäußerten Meinung, die religiöse Frauenbewegung des 13. Jahrhunderts
erkläre sich aus der wirtschaftlichen und sozialen Notlage der Frauen
in den unteren, ärmeren Bevölkerungsschichten und infolge eines Männermangels,
widersprechen andere Untersuchungen, nach deren Ansicht diese Meinung
im Widerspruch zu allen Quellenbefunden stünde und den Sinn der angeführten
Religiösität missverstehe.61
In den Frauenklöstern der Prämonstratenser beispielsweise waren besonders
Frauen aus adeligen und reichen Familien vertreten. Auch Zisterzienserinnen
in Belgien und Deutschland stammten zum allergrößten Teil aus dem Adel
oder dem städtischen Patriziat.62 Anhand von Zeugnissen aus den religiösen
Frauenkreisen dieser Zeit ist zu erkennen, dass der Verzicht auf Ehe, Besitz,
Reichtum und gesellschaftliches Ansehen aus freien Stücken erfolgte. Armut
und Erniedrigung kamen nicht aufgrund sozialer Umstände oder Nöte zustande,
sondern wurden als religiöse Werte empfunden und bewusst gelebt. Soweit die
sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse also von Frauen in Beginenhäusern
und Frauenklöstern der Zisterzienser und Bettelorden bekannt sind, handelt es
sich bei diesen nicht, wie bereits oben angedeutet, um Frauen aus niederen
Schichten, sondern um Vertreterinnen der höheren Stände, des Hochadels, der
Ministerialität, des städtischen Patriziats und wohlhabender Kaufmannskreise.
Aufgrund dieser Tatsache eröffnet sich somit ein anderer Zugang zu den
Motiven und wesentlichen Zügen der religiösen Frauenbewegungen in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts. Wie die gesamte Armutsbewegung entstand
auch sie als Reaktion gegen den Reichtum und die wirtschaftlich-kulturelle
Entwicklung des Hochmittelalters. Als Hauptargument für ihre Abkehr führten
60 Ders., Die Heilige Elisabeth, 48.
61 So Herbert Grundmann, Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Untersuchungen über die
geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Ketzerei, den Bettelorden und der religiösen
Frauenbewegung im 12. und 13. Jahrhundert und über die geschichtlichen Grundlagen der
deutschen Mystik. ³Darmstadt 1970, 188, der zudem Vertreter der kontroversen Forschungsrichtungen
nennt.
62 Ebenda, 187 f.
24
diese Bewegungen an, nicht an unrecht erworbenem Gut teilhaben zu wollen.
Die neuen Möglichkeiten der Bereicherung und des sozialen Aufstiegs wurden
als unvereinbar empfunden mit der Botschaft der Evangelien und dem Willen
Gottes. Die religiöse Armutsbewegung kann somit also nicht als Protest der Armen
und Unterdrückten gegen die wirtschaftliche Entwicklung, die Anhäufung
von Reichtum und gegen die Anfänge der „kapitalistischen Wirtschaftsform“63
gesehen werden, sondern ganz im Gegenteil, der religiöse Protest gegen diese
Lebensform wurde von ihren Nutznießern selbst erhoben. Dennoch dürfen die
wirtschaftlichen Motive der Armuts- und auch der Frauenbewegung nicht überschätzt
werden, da beide nicht ausschließlich als Reaktion auf wirtschaftliche
Vorgänge gesehen werden können.
Die Idee der freiwilligen Armut hatte über die Klöster hinaus schon zu
einem Zeitpunkt weite Kreise erfasst, zu dem die oben angerissenen wirtschaftlich-
sozialen Ursachen noch gar nicht zum Tragen gekommen waren. Sie richtete
ihre Kritik somit nicht zuerst gegen wirtschaftliche, sondern gegen kirchliche
Missstände. Der innere Widerspruch zwischen der Lebensweise des Klerus
und den Forderungen der Evangelien bot dadurch den ersten Anstoß. Im weiteren
Verlauf hat die wirtschaftliche Entwicklung der religiösen Armuts-
/Frauenbewegung allerdings einen bedeutsamen Aufschwung und eine wichtige
Richtung gegeben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Armutsbewegung sich
am intensivsten in Gebieten entwickelte , in denen im 12. Jahrhundert auch Handel
und Industrie bedeutende Fortschritte gemacht hatten, wie zum Beispiel in
der Lombardei, Frankreich und Belgien. In diesen Ländern spitzte sich die Idee
der freiwilligen Armut, wie bereits erwähnt, zur Forderung zu, auf die Nutznießung
unrecht erworbenen Guts zu verzichten und stattdessen von seiner Hände
Arbeit oder von Almosen zu leben.64
Begegnungen Elisabeths mit Kreisen der religiösen Armuts- und Frauenbewegung
sind in den Quellen nicht explizit bezeugt. Ihre religiösen Ambitionen
erfuhren allerdings eine entscheidende Vertiefung durch das Auftreten der ersten
Franziskaner in Thüringen 1224/25, die durch Predigt ihre Ideale großen Bevölkerungskreisen
zugänglich machten. Elisabeth unterstützte die Franziskaner, indem
sie ihnen unter anderem eine Kapelle zuwies, und wandte sich mit der Bitte
um Unterweisung in Keuschheit, Demut und Geduld an einen franziskanischen
Laienbruder namens Rodeger. Diese Hinwendung zum radikalen Armuts- und
Bußgedanken brachte Elisabeth in Konflikt zu ihren Verpflichtungen und ihrer
Stellung als Landgräfin. Daher war es ihr nicht möglich, ihr höfisches Leben
und ihre ehelichen Pflichten aufzugeben, um ein Leben gemäß dem Evangelium
zu führen oder sogar zu betteln. Einen beträchtlichen Rückhalt in ihrem frommen
Streben erfuhr Elisabeth durch ihren Ehemann Ludwig IV., der ihr mit Verständnis
begegnete und ihr Verhalten unterstützte.
63 So ebenda, 196; mir erscheint die Benutzung dieses Begriffs für das 13. Jh. allerdings eher
fraglich. (Anm. d. V.)
64 Ebenda, 192-197.
25
Elisabeth bedurfte der geistigen Führung. Die Seelenführung durch einen
Franziskaner, denen sie sich am stärksten zugewandt hatte, kam nicht in Frage,
da denselben durch ihren Ordensstifter Franz von Assisi die Übernahme eines
solchen Amtes verboten worden war. Der bereits erwähnte Laienbruder Rodeger
konnte Elisabeth zwar in der Abkehr von ihrem bisherigen Leben und im Streben
nach freiwilliger Armut und Selbsterniedrigung unterstützen, den dafür nötigen
geistlichen Rückhalt aber konnte er ihr nicht gewähren, zumal es ihm außerdem
aufgrund seines Standes als Laienbruder nicht gestattet war, die Messe
zu lesen oder die Beichte abzunehmen. Überdies erscheint es fraglich, ob er
prinzipiell als Laienbruder gegenüber einer Landgräfin dazu überhaupt befähigt
gewesen wäre. Doch die Seelenführung der thüringischen Landgräfin sollte sich
durch das Eintreffen einer besonderen geistlichen Persönlichkeit am thüringischen
Hofe, vermutlich im Frühjahr 1226, schließlich klären. Diese Persönlichkeit
war Konrad von Marburg.65
Konrad wurde wohl um 1180/90 in Marburg an der Lahn geboren. Er entstammte
wahrscheinlich einer der wohlhabenden Familien der landgräflichen
Stadt. Zur Vorbereitung auf den geistlichen Beruf nahm er an einer der Hochschulen
seiner Zeit, vermutlich an der Universität Paris, das Studium auf und
erwarb den Magistertitel, wodurch er von Zeitgenossen wegen seiner hohen Bildung
gerühmt wurde.66 In der Literatur wurde mehrfach angenommen, dass
Konrad dem Prämonstratenserorden angehörte.67 Er stand aber sowohl diesem
nahe als auch den Zisterziensern und später den Franziskanern. Daher hält man
es nun für wesentlich wahrscheinlicher, dass Konrad Weltgeistlicher gewesen
ist.68 Seine gehobene Stellung wurde nicht nur durch seine Bildung deutlich,
sondern vor allem durch den päpstlichen Auftrag zur Kreuzzugspredigt in
Deutschland. Dieses Privileg wurde fast durchweg an Männer verliehen, die bereits
in Diensten der Kurie erfolgreich gewesen waren. Konrad gehörte diesem
kleinen Kreis von ausgesuchten, hervorragend ausgebildeten Geistlichen seit
spätestens 1215 an. 1215 als Prediger bezeugt, erhielt er 1216 den Auftrag zur
Kreuzpredigt in den Kirchenprovinzen Bremen und Trier. Für das Jahr 1217 ist
Konrads umfangreiche Tätigkeit in Norddeutschland überliefert, 1218 ist er auch
in den Diözesen Mainz und Meißen bezeugt. Damit ist ein räumlich ausgedehntes
Tätigkeitsfeld umschrieben, das selbst für einen Kreuzzugsprediger ungewöhnlich
groß ist.
Nach 1218/19 schweigen die Quellen für mehrere Jahre über Konrad von
Marburg. Für das Jahr 1226/27 ist er allerdings wieder als Prediger bezeugt,
diesmal in Thüringen. An der Spitze der Kreuzpredigt in den oben bereits erwähnten
Diözesen Mainz und Meißen stand Bischof Konrad III. von Hildesheim,
einer der markantesten und einflussreichsten Kirchenmänner Deutschlands.
Er übergab aller Wahrscheinlichkeit nach im Frühsommer 1224 an Land-
65 Werner, Die Heilige Elisabeth, 48 f.
66 Ebenda, 46.
67 Ebenda, vor allem Anm. 10.
68 Ebenda, 46 mit Anm. 6.
26
graf Ludwig IV. das Kreuz. Letzterer hatte sich damit zur Teilnahme an dem
schon lange geplanten Kreuzzug Friedrichs II. verpflichtet, der schließlich 1227
stattfinden sollte. Die Annahme des Kreuzes durch Ludwig war wohl ausschlaggebend
für das Zusammentreffen Konrads mit der landgräflichen Familie. Nähere
Einzelheiten über die erste Begegnung Konrads mit Elisabeth sind nicht
bekannt. Es gibt aber mehrfach Hinweise darauf, dass Konrad bald das Vertrauen
der landgräflichen Familie genoss. Aufgrund dessen folgte Elisabeth dem
Konrad, aber auch anderen Predigern, zu Fuß in entlegene Gegenden, um deren
Predigten zu hören.
Die religiöse Frauenbewegung des 13. Jahrhunderts bekam mehrfach
Unterstützung aus dem Kreise der Kreuzzugsprediger, unter anderem von Männern
wie Caesarius von Speyer69 oder Jakob von Vitry70, die den Franziskanern
nahe standen und sich für das von diesem Orden vertretene Gedankengut einsetzten.
Bei Konrad von Marburg ist allerdings deutlich hervorzuheben, dass er
die von Franziskus vorgebrachten Forderungen nach völliger Armut und strenger
Askese wesentlich konsequenter als andere Kirchenmänner in der eigenen
Person verwirklichte.71 Eben jener Zusammenhang zwischen eigener Umsetzung
der evangelischen Ideale und seinem hohen persönlichen Ansehen bewog vermutlich
Elisabeth dazu, sich in der Frage ihrer Seelenführung an ihn zu wenden.
Sie bestimmte im Frühjahr 1226, im Alter von 18 oder 19 Jahren, Konrad zu
ihrem Beichtvater und legte vor ihm ein zweifaches Gelübde ab: Gehorsam, soweit
dies die Rechte ihres Ehemannes zuließen, und ewige Keuschheit, falls sie
ihren Mann überleben sollte, was sich vor allem vor dem Hintergrund von Ludwigs
nahender Teilnahme am Kreuzzug erklärt. Beide Gelübde erfolgten im
Beisein ihres Mannes.72
Konrad besaß nun das Recht und auch die Pflicht, Elisabeth gemäß seiner
strengen religiösen Vorstellungen vielfache Aufgaben und Bußen aufzuerlegen.
Der Ort des Gelübdes, das Katharinenkloster, in dem Elisabeths Schwiegermutter
Sophie als Witwe lebte, und der hohe Rang aller Beteiligten zeigen das Ausmaß
von Elisabeths Entschluss, ihr bisheriges Leben völlig aufzugeben. Aber
auch Konrad sah seiner Verpflichtung offensichtlich mit Ernst entgegen.
Konrads weit reichender Einfluss auf Elisabeth machte sich bald im Alltag
am thüringischen Hof bemerkbar. Als besonders einschneidend wirkte in
diesem Zusammenhang Konrads Befehl, Elisabeth dürfe zur Hofhaltung nur
69 OFM, † um 1239. Er zog mit Kreuzfahrern nach Syrien, von wo er gemeinsam mit dem hl.
Franziskus nach Italien zurückkehrte. Schließlich ging er 1221 nach Deutschland und war
erster Minister dieser Provinz; siehe weiter zu Caesarius von Speyer. Diego Ciccarelli,
C.(aesarius) v. Speyer, in: Lexikon des Mittelalters II. München und Zürich 1983, Sp. 1366.
70 Prediger und Geschichtsschreiber, *1160/70, † 1240 in Rom; Er lebte seit 1211 in Oignies
und unterstützte dort als Regularkanoniker das beginnende Beginentum; siehe weiter zu Jakob
von Vitry: Pascale Bourgain, J.(akob) v. Vitry, in: Lexikon des Mittelalters V. München
und Zürich 1991, Sp. 294 f.
71 Zu weiteren Einzelheiten von Konrads eigenen Frömmigkeitsvorstellungen und seinem
theologischen Standpunkt siehe Kap. 3.2.
72 Zu weiteren Aspekten von Elisabeths Gelübden siehe Kap. 3.2.
27
Güter benutzen, die nicht auf unrechtem Erwerb oder der Ausbeutung von Armen
beruhten. Damit griff Konrad, wie bereits oben beschrieben, eine der zentralen
Forderungen kirchlicher Reformkreise auf und setzte mit seiner Kritik an
oberster Stelle an. Für Elisabeth war dieser Befehl deshalb besonders schwer
umzusetzen, da sie nicht, wie andere Zeitgenossen, ihrem Protest durch einen
Rückzug von der Welt Ausdruck verleihen konnte, sondern sich in ihrer Position
als Landgräfin in der täglichen Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt befand.
Das Verhalten Elisabeths muss bei Hofe als Herausforderung und Belastung
empfunden worden sein, gerade bei festlichen Anlässen, wenn die Landgräfin
sich bei jeder Speise nach deren Rechtmäßigkeit erkundigte, oft hungerte oder
sich eigene, bescheidenere Speisen mitbrachte. Konrads Gebot führte so dazu,
dass Elisabeth öffentlich die äußeren Grundlagen ihres landgräflichen Daseins in
Frage stellte, was für Zeitgenossen als ein besonderer Eingriff empfunden werden
musste.73
Elisabeths Wirken in ihren letzten beiden Jahren am thüringischen Hof
war allerdings nicht ausschließlich von ihrem Protest gegen die prunkvolle Lebenshaltung
geprägt, sondern stärker von ihrer intensiven Zuwendung zu Randgruppen
und Ausgestoßenen der Gesellschaft. Zeitgenossen beschrieben ihr Engagement
unter anderem als „Mildtätigkeit“ und „Demut“.74 Für ihre guten
Werke nutzte die Landgräfin ihre fürstliche Stellung. Sie ließ zum Beispiel ungerecht
Behandelten Ersatz zukommen, öffnete während einer schweren Hungersnot
1226 die fürstlichen Getreidekammern, gab Armen Arbeitsgerät, verkaufte
in großem Stil Schmuck, Gewänder und Hausrat zugunsten der Armen,
errichtete ein Hospital unterhalb der Wartburg und vieles mehr. Der enge Anschluss
an den angesehenen Kreuzesprediger Konrad von Marburg bot Elisabeth
den notwendigen geistlichen Rückhalt, um ihr Armutsgebot und die Forderung
nach Demut in einer für ihre Umwelt geradezu extremen Weise über alle Widerstände
hinweg verwirklichen zu können. Von noch größerer Bedeutung, vor allem
für Elisabeths Stellung am Hofe, war die Unterstützung, die ihr von ihrem
Mann entgegengebracht wurde. Ludwig IV. hatte nicht nur in das Gehorsamsgelübde
seiner Ehefrau gegenüber Konrad eingewilligt, sondern stand auch ihrer
Armutsforderung, ihrer Selbstkasteiung und ihrer Hinwendung zu den Armen
mit Wohlwollen gegenüber. Beide Faktoren, die Unterstützung durch ihren
Mann und ihren Beichtvater, ermöglichten Elisabeth, von ihrer Stellung als
Landgräfin aus, ein Leben im Sinne der Evangelien zu führen, das in seiner Radikalität
der Strömung der Zeit entsprach, in den Fürstenhäusern des damaligen
Europas aber eine Ausnahme darstellte.
Zum Zeitpunkt von Elisabeths Gelübden gegenüber Konrad im Frühjahr
1226 stand die Teilnahme Landgraf Ludwigs IV. am Kreuzzug Friedrichs II.
bereits fest.75 Ludwig brach im folgenden Jahr mit einem großen Gefolge nach
73 Werner, Die Heilige Elisabeth, 51 mit Anm. 60.
74 Ebenda, 52.
75 Ebenda, 50 ff.
28
Süditalien auf, um sich von dort aus ins Heilige Land einzuschiffen. Doch er
sollte niemals kämpfen können. Er starb in einem der überfüllten Kreuzfahrerlager
am 11. September 1227 an einer schweren Seuche.
Damit trat für Elisabeth das von ihr getroffene Gelübde nach ewiger
Keuschheit beim Tod ihres Mannes in Kraft. Ihr religiöses Verhalten war schon
zu Lebzeiten ihres Mannes bei Familienangehörigen, Hofbeamten und Vertretern
des Adels auf Widerstand und Ablehnung getroffen. Doch diese Ablehnung
schlug nach dem Tod des Landgrafen in offene Feindschaft um. Der Nachfolger
Ludwigs, sein Bruder Heinrich, entzog Elisabeth ihr Wittum, wobei es sich um
Ländereien und deren Einkünfte handelte, und gestand ihr lediglich den weiteren
Unterhalt an der landgräflichen Tafel zu. Dies war Elisabeth aber aufgrund des
von Konrad erteilten Speiseverbotes nicht möglich und so verließ sie die Wartburg.
Den Winter 1227/28 verbrachte sie als zwanzigjährige Witwe mit ihren
drei Kindern – wobei das dritte Kind erst wenige Tage alt war – und einigen
treuen Begleiterinnen in bitterer Armut in Eisenach. Sie ertrug die Demütigungen
und Nöte dieser Zeit jedoch – zumindest nach den Quellen, die darüber berichten,
zu urteilen – mit Freude und Dankbarkeit, da sie nun ihr Ideal nach völliger
Armut ausleben konnte. Auch Elisabeths Familie in Ungarn erfuhr, wenn
auch mit Verzögerung, von der Notlage ihrer Tochter, bemühte sich aber vergeblich,
Elisabeth zu einer Rückkehr nach Ungarn zu bewegen.
Entscheidende Schritte waren allerdings schon von Konrad von Marburg
eingeleitet worden. Konrad hatte sich bereits kurz nach dem Tod des Landgrafen
an Papst Gregor IX. gewandt und erreicht, dass Elisabeth in den Schutz des
Heiligen Stuhls genommen wurde. Er selbst wurde mit der Wahrnehmung dieses
Schutzes betraut und erhielt die entsprechenden Urkunden, die heute verloren
sind, wahrscheinlich spätestens im Februar/März 1228. Die Einschaltung des
Papstes und der Erhalt eines päpstlichen Schutzbriefes stellten in der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts ein gängiges Mittel dar, um bedrohte Personen,
meistens Minderjährige und/oder Witwen, durch die Hilfe der höchsten geistlichen
Autorität gegen äußere Gefahren abzusichern. Durch sein rasches Eingreifen
erreichte Konrad, dass Elisabeths Schutz nach dem Tode ihres Mannes durch
den Papst gesichert wurde. Die Übertragung der Wahrung dieses Schutzes an
Konrad bedeutete, dass dieser nun nicht mehr ausschließlich in geistlichen Fragen,
sondern auch in weltlichen Angelegenheiten für Elisabeth verantwortlich
war.
Durch die, bereits oben angedeuteten, Demütigungen und Entbehrungen
der Wintermonate 1227/28 war Elisabeth ihrem Ziel von real erlebter Armut und
Erniedrigung näher als zuvor. Konrads Versuch, durch den päpstlichen Schutzbrief
ihre Wittumsgüter zurück zu erlangen, war ihr vermutlich ebenso wenig
recht wie Konrads Vorhaben, mit ihr eine Regelung für ihren zukünftigen Lebensweg
zu finden. Für Elisabeth boten sich, wahrscheinlich nach Konrads Vorstellungen,
mehrere Möglichkeiten: naheliegend wäre der Eintritt in ein Kloster
gewesen, ähnlich ihrer Schwiegermutter Sophie, oder ein Leben als Rekluse.
Elisabeth aber schlug diese Formen eines standesgemäßen, religiös geprägten
29
Witwendaseins aus und bat ihren Beichtvater, ihr zu erlauben, als Bettlerin von
Haus zu Haus zu gehen. Diese Bitte jedoch stand für Konrad in unvereinbarem
Gegensatz zu seinen Plänen und seiner Fürsorgepflicht für die verwitwete Landgräfin.
76
In jener ungeklärten und spannungsgeladenen Situation kam es zu einem
erneuten Gelübde Elisabeths am Karfreitag 1228. Elisabeth entsagte, Konrads
Worten nach, in seiner und der Anwesenheit einiger Minderbrüder in der Eisenacher
Franziskanerkirche „allen Anverwandten und ihren Kindern, ihrem eigenen
Willen, dem Glanz der Welt und allem, was der Heiland im Evangelium zu
verlassen geraten hatte“.77 Konrad hinderte sie allerdings, laut seinem eigenen
Bericht, daran, auf ihre Besitzungen zu verzichten, indem er Elisabeth an die
Schulden ihres Mannes erinnerte und an die Armen, denen sie mit Hilfe ihres
Wittums Gutes tun könnte.
Die geschilderten Ereignisse sind nur schwer zu deuten. Elisabeths
Begleiterinnen schweigen über das Geschehen.78 Den alleinigen Bericht über
das Karfreitagsgelübde gibt Konrad in seiner Lebensbeschreibung Elisabeths
ab.79 Der Bericht ist in einigen Teilen mit Absicht lückenhaft und an einigen
wichtigen Stellen offenkundig auf eine schnelle Heiligsprechung hin ausgerichtet,
weswegen die Forschung ihn als nicht besonders vertrauenswürdig bezeichnet.
Konrads Aussage, er habe Elisabeth im März 1228 nach höchster Vollkommenheit
strebend vorgefunden, erscheint jedoch glaubhaft. Anders als bei
ihren ersten Gelübden im Jahre 1226 konnte Elisabeth nun ihrem Streben nach
einem Leben in absoluter Armut, Keuschheit und Demut in der Nachfolge
Christi ohne Vorbehalte und Beschränkungen folgen, da sie durch ihren Witwenstatus
nicht mehr in die Pflichten als Landgräfin und Ehefrau eingebunden
war. 1226 hatte Elisabeth sich an Konrad gewandt, 1228 jedoch ist nicht ganz
deutlich zu erkennen, von wem die entscheidenden Impulse ausgingen.80
Die Ereignisse nahmen kurzzeitig eine überraschende Wende, als sich unvermittelt
die mütterliche Seite von Elisabeths Familie einschaltete. Ohne Rücksicht
auf die Bindung zu Konrad von Marburg wurde Elisabeth von ihrer Tante,
der Äbtissin Mechthild von Kitzingen, zu ihrem Onkel, dem Bamberger Bischof
Ekbert, gebracht (wahrscheinlich Anfang April 1228), der sie auf seiner Burg
Pottenstein festhalten ließ, vermutlich in der Absicht, sie schnell wieder zu ver-
76 Ebenda, 53 f.
77 Ebenda, 54 mit Anm. 83.
78 Von Elisabeths Begleiterinnen, darunter ihre Kindheitsgefährtinnen Guda und Isentrud, ist
der sog. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth[!] confectus überliefert. Dabei
handelt es sich um Protokolle der Aussagen von vier Frauen aus Elisabeths nächstem Umfeld,
die im Zuge des Kanonisationsprozesses entstanden sind. Im gleichen Zusammenhang
entstand auch Konrad von Marburgs Summa vitae, eine kurze Lebensbeschreibung Elisabeths.
Zu weiteren Angaben zum Kanonisationsprozess und zu Konrads Lebensbeschreibung
Elisabeths siehe Kap. 3.1.
79 Werner, Die Heilige Elisabeth, 54.
80 Zu weiteren Aspekten von Elisabeths Karfreitagsgelübde und den daraus zu ziehenden
Rückschlüssen auf das Verhältnis von Konrad und Elisabeth siehe Kap. 3.2.
30
heiraten. Doch Elisabeth gelang anlässlich der Beerdigung ihres Mannes die
Flucht. Bei dem Zusammentreffen der landgräflichen Familie Anfang Mai im
Zuge von Ludwigs Begräbnis stellte sich nun die Frage nach einer Regelung für
Elisabeth erneut. Konrad musste als päpstlich bestimmter Vormund Elisabeths
die entscheidenden Verhandlungen führen. Es gelang ihm, Elisabeths Schwager
Heinrich zu einem Ausgleich in der Wittumsfrage zu bewegen.
Elisabeth erhielt ihre Güter nicht zurück, aber ihr Schwager verpflichtete
sich zur Zahlung einer hohen Abfindungssumme von 2000 Mark. Ein weiterer
Gegenstand der Verhandlungen war die Frage nach einem künftigen Aufenthaltsort
für Elisabeth. Aus diesem Grunde übertrugen Heinrich und sein Bruder
Konrad ihr einige Ländereien bei Marburg zur lebenslänglichen Nutzung. Schon
im Sommer 1228 ließ sie auf diesen Ländereien den Bau eines Hospitals beginnen.
Elisabeth erhielt damit die Möglichkeit, sich ganz für Arme und Kranke
einzusetzen. Dies kam, nach ihren eigenen Aussagen, einer ihren Wünschen und
Zielen entsprechenden Lebensform am nächsten, nachdem ihr das Bettlerdasein
versagt worden war. Die beiden Landgrafen Heinrich und Konrad waren mit der
Lösung, trotz der hohen Kosten, vermutlich vollauf zufrieden, bedeutete sie
doch, dass sich auf diese Weise die kompromittierende Schwägerin fernab vom
thüringischen Hof unter der Obhut des berühmten Predigers befand.
Konrads Lebensverhältnisse hatten sich nach dem Tod des thüringischen
Landgrafen Ludwig IV. nur wenig verändert. Nach dem Ende des Kreuzzugsunternehmens
von 1227/29 wirkte er nicht mehr als Kreuzprediger, sondern
hatte bereits 1227 neue päpstliche Aufträge erhalten. Er wurde zum Reformator
und Visitator des Ordens- und Weltklerus in Deutschland bestellt und erhielt
außerdem den Auftrag zur Ketzerverfolgung. Er entwickelte einen solchen Eifer
bei der Verfolgung von Ketzern, dass er im Oktober 1231 von seinen übrigen
Pflichten entbunden und zum selbständigen Ketzerrichter mit sehr weit reichenden
Befugnissen ernannt wurde.81
Das Hospital nahm seinen Dienst unter der Leitung Konrads spätestens
zum Winteranfang 1228 auf. Hospitalschwestern und -brüder leisteten dort
Dienst an Armen, Kranken und Pilgern. Die Hospitalsmitglieder hatten zuvor
die Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams abgelegt. Als Zeichen
ihres geistlichen Standes trugen sie eine einheitliche, schlichte Tracht, das sog.
„graue Gewand“. Elisabeth empfing ihr graues Gewand aus den Händen Konrads.
Sie trat damit endgültig und nach außen sichtbar in den geistlichen Stand
ein und konnte nun endlich das von ihr lang ersehnte Armutsgelübde ablegen.
Während ihres Alltags im Hospital übernahm sie niedrigste Mägdedienste
und war bemüht, sich mit Schwestern einfacher Herkunft auf eine Stufe zu stellen.
Faktisch nahm Elisabeth jedoch eine Sonderstellung ein. Sie kümmerte sich
um die Anwerbung neuer Hospitalschwestern, empfing vornehme Besucher und
nahm selbst die Almosenverteilung vor. Ihr Sonderstatus zeigte sich jedoch besonders
in ihrem Verhältnis zu Konrad von Marburg. Zum einen war Elisabeth
81 Werner, Die Heilige Elisabeth, 55 f.
31
ihm als Hospitalschwester unterstellt, zum anderen blieb sie aber die hochgestellte
Einzelperson, die Konrad zu striktem Gehorsam verpflichtet war. Zu alledem
oblagen Konrad auch Elisabeths geistlicher und weltlicher Schutz und er
verwaltete ihre Vermögenswerte.82
Die Bindung an Konrad von Marburg und die damit verbundenen Konsequenzen
stellten nur eine Seite der Marburger Jahre dar. Jene Jahre waren für
Elisabeth auch vor allem geprägt durch den Dienst an Armen und Kranken sowie
die Sorge um das seelische und körperliche Wohl der Hospitalbesucher;
Augenzeugen zeichnen ein lebensnahes Bild der Witwe als selbstlose, freigiebige
und herzensfrohe „Mutter der Kranken und Armen“83, das maßgeblich die
Vorstellung von Elisabeth und ihrer Heiligkeit in der Folgezeit prägte. Doch die
Mühen und Entbehrungen der Hospitalszeit forderten ihren Tribut und Elisabeth
starb in der Nacht zum 17. November 1231 im Alter von 24 Jahren.
Ihr früher Tod bedeutete allerdings nur ein äußerliches Ende ihrer Beziehung
zu Konrad, da dieser sich nun mit Nachdruck für die Heiligsprechung seines
Schützlings einsetzte.84 Neben seiner Aufgabe als Beichtvater und Leiter des
Marburger Hospitals übte Konrad aber auch noch ein weiteres Amt aus. Wie
oben angesprochen, hatte er nach dem Ende des großen Kreuzzugunternehmens
neue päpstliche Aufträge erhalten und war im Zuge dessen mit der Ketzerverfolgung
betraut worden. Der zeitliche Rahmen von Konrads Tätigkeit als Ketzerverfolger
ist durch diverse Papstschreiben rekonstruierbar. In seinem ersten
Schreiben vom 12. Juni 1227 befahl Papst Gregor IX. dem Konrad, an der Ketzerverfolgung
in Deutschland festzuhalten. Das zweite Schreiben vom 11. Oktober
1231, einen Monat vor Elisabeths Tod, hatte die Übertragung inquisitorischer
Vollmachten an Konrad zum Inhalt. Er erhielt das Recht zur selbständigen
Gerichtsausübung, zur Subdelegierung bestimmter Verfahrensteile, zur Anrufung
des „weltlichen Arms“ und das Recht zur Verhängung von Exkommunikation
und Interdikt gegen Protektoren von Ketzern.85 Er wurde somit zum päpstlich
delegierten Richter, und die Ketzerinquisition nahm damit in Europa ihren
Anfang. Im Oktober 1231 begann also Konrads selbständige Tätigkeit als päpstlich
delegierter Ketzerrichter, die er bis zu seiner Ermordung am 30. Juli 1233
ausübte.86
Der zeitliche Ablauf der Ereignisse von Oktober 1231 bis Juli 1233 lässt
sich somit vermutlich aufgrund der Quellen87 wie folgt rekonstruieren: Gemäß
82 Ebenda, 57. Zu weiteren Einzelheiten des Verhältnisses von Elisabeth und Konrad während
der Marburger Jahre siehe Kap. 3.2.
83 Ebenda, 59 mit Anm. 125.
84 Ebenda, 61.
85 Patschovsky, Ketzerverfolgung, 641 ff.
86 Ebenda, 645 f.
87 Für die Rekonstruktion der Ereignisse von Konrads Ketzerverfolgung lassen sich
hauptsächlich vier Chroniken heranziehen: 1. Die anonyme Continuatio IV der Gesta Treverorum,
verfasst ca. 1242, die als zuverlässigste Quelle angesehen wird; 2. die Annalen der
Erfurter Dominikaner (ca. 1254), die zwar für die Jahre 1232-1234 nur verteilte Notizen
bieten, aber neuerlich zuverlässig anzusehen sind; 3. die aufgrund ihrer Neigung zu Legen32
den Anweisungen des Papstes suchte sich Konrad zwei Gehilfen. Dieselben waren
als sublegati tätig und hatten wahrscheinlich die Voruntersuchungen zu leiten.
Der erste Gehilfe ist als der Dominikaner Konrad Tors überliefert, der zweite
Gehilfe, namens Johannes, war vermutlich Laie und hatte nur ein Auge und
eine Hand.88 Diese beiden Helfer machten sich derart verhasst, dass das Gerücht
aufkam, sie seien selbst Ketzer gewesen; beide kamen ebenfalls nach Konrads
Ermordung um. Konrad und seine Mitstreiter brachten zahlreiche, zum Teil
vermeintliche Häretiker zur Strecke und machten auch vor der sozialen Stellung
der Verdächtigten nicht halt. Nach seinem Tod erreichten allerdings etwa fünfzig
Männer ihre Rehabilitierung als verurteilte, geständige Ketzer. An dem Prozess
gegen den Grafen Heinrich III. von Sayn scheiterte Konrad jedoch. Heinrich
war es gelungen, sich dem Häresievorwurf der Konradschen Inquisitionsjustiz
zu entziehen. Er brachte seine Sache nach den Regeln des ordentlichen
deutschrechtlichen Klageverfahrens unter Vorsitz des Königs, in diesem Falle
Heinrichs VII., vor seine fürstlichen Standesgenossen mit Konrad als Ankläger.
Dessen Zeugenbeweise erwiesen sich als wertlos. Daraufhin rief Konrad zum
Kreuzzug gegen jene Personen auf, die sich seinem Tribunal nicht stellen wollten,
und löste mit diesem Ausspruch allgemeine Empörung aus.
In der Literatur ist Konrads Justiz als äußerst negativ beurteilt worden.
Teile der Forschung aber halten diese negative Beurteilung für falsch, da Konrad
nur die Regeln des neuen, prozesslich noch unerprobten Ketzerinquisitionsverfahrens
anwandte, dabei zwar an dessen Grenzen ging, aber nicht darüber hinaus.
Die Empörung der Zeitgenossen war darum so groß, weil das Verfahren
unbekannt war, und diese Empörung ging schließlich soweit, dass Konrad und
seine Gehilfen ermordet wurden. Dass der Unmut der Öffentlichkeit später
nachließ, lag nicht daran, dass das Verfahren in späterer Zeit ,menschenfreundlicher‘
wurde, sondern an einem Gewöhnungseffekt in der Bevölkerung. Das neue
Verfahren beinhaltete die Auffassung, lieber einen Unschuldigen zu verurteilen,
der damit als Märtyrer himmlischen Lohn erhielte, als einen Schuldigen davonkommen
zu lassen und erklärt somit das rigorose Vorgehen Konrads. Das Unverständnis
der Zeitgenossen gegenüber diesem Verfahren liegt an seinem Zusammenstoß
mit dem noch in der älteren Rechtspraxis verwurzeltem Rechtsverständnis.
89 Das Besondere an dem zeitgenössischen Protest gegen das Vorgehen
Konrads von Marburg ist das ausgeprägte Bewusstsein für die Ungerechtigkeit
denbildung nur mit Einschränkung zu betrachtende Weltchronik des Zisterziensers Alberich
von Troisfontaines (bis 1241), die allerdings ein Schreiben des Erzbischofs Siegfried III.
von Mainz (1230-1249) und des Dominikaners Bernhard überliefert, in dem Papst Gregor
IX. über die Maßnahmen der Mainzer Synode vom 2. April 1243 informiert wird, die das
inquisitorische Erbe Konrads zu ordnen hatte; 4. eine aus späteren Überlieferungen rekonstruierte,
von 1221 bis 1261 reichende Wormser Bischofschronik, die nur zur Vermittlung
eines Stimmungsbildes, nicht aber für sachdienliche Informationen herangezogen werden
kann: so ebenda, 646 f.
88 Ebenda, 648 mit Amn. 20.
89 Ebenda, 666 ff.
33
des zur Anwendung kommenden Prozessrechts. Dies zeigt sich vor allem an
dem Prozess gegen Heinrich III. von Sayn, der sich, wie bereits oben beschrieben,
der neuen Verfahrenspraxis zugunsten der älteren entzog.90 Konrads offenkundig
mangelhafte Beweiserhebung im Verfahren gegen den Grafen von Sayn
sowie sein starrsinniges, alle Mäßigungsversuche, selbst von Seiten des Episkopats,
ignorierendes Vorgehen gegen wirkliche oder vermeintliche Ketzer veranlassten
schließlich den König und die Reichsfürsten dazu, den Speyrer Domscholaster
Konrad an die päpstliche Kurie zu senden, um ein päpstliches Votum
wegen der Anstoß erregenden Form von Konrads Procedere einzuholen. Der
König und der Erzbischof von Mainz wandten sich beschwerdeführend an den
Papst, doch die Angelegenheit schien sich von allein zu lösen, da Konrad ermordet
wurde.91 Laut Aussage der Quellen distanzierte sich der Papst zunächst
von Konrads Vorgehen, revidierte seine Haltung jedoch auf die Nachricht von
dessen Ermordung hin. Dies erscheint nicht glaubhaft, da keine negativen Äußerungen
der päpstlichen Kurie gegenüber Konrad überliefert sind und dessen rigoroses
Vorgehen ganz im Einklang zur Ketzerpolitik Papst Gregors IX. stand.
Dennoch muss wohl in Deutschland der Eindruck einer Änderung der päpstlichen
Haltung verbreitet gewesen sein.92
Nach Konrads Tod sind Ansätze von lokaler Verehrung zu verzeichnen,
zur Ehre der Altäre gelangte er, im Gegensatz zu seinem Schützling Elisabeth,
jedoch nicht.93 Auch die Ketzerverfolgung fand nach seinem Tod ein rasches
Ende, da nach dem Mainzer Hoftag Konrad als treibende Kraft fehlte, und für
mehr als ein Jahrhundert sollte nichts Vergleichbares hervorgebracht werden.94
2.3. Mutter und Meister – Dorothea von Montau und Johannes Marienwerder
Ähnlich wie im Falle Elisabeths von Schönau ist auch eine Annäherung an Leben
und Werk Dorotheas von Montau aufgrund guter Quellenlage möglich.95
Bei jenem Material, das über Dorotheas Leben Aufschluss gibt, handelt es sich
um verschiedene lateinische Viten und eine deutsche Lebensbeschreibung, die
alle von ihrem letzten, prägenden Beichtvater, Johannes Marienwerder, verfasst
wurden.96 Dabei besteht allerdings die Schwierigkeit, dass die oben genannten
Werke der Propagierung, Etablierung und Stabilisierung des Heiligenkultes nach
Dorotheas Tod dienen sollten und somit nicht mit der Intention verfasst wurden,
,reale‘ historische Ereignisse aus Dorotheas Leben im Sinne einer Chronik oder
90 Ebenda, 684.
91 Ebenda, 648 f.
92 Ebenda, 687.
93 Ebenda, 650.
94 Ebenda, 689. Zu weiteren Überlegungen zu Konrads Ketzerprozessen und seinem daraus
resultierenden Bild in der zeitgenössischen Öffentlichkeit siehe Kap. 3.2.
95 Vgl. zum Folgenden Hipler, Johannes Marienwerder, 1-92; Hörner, Dorothea von Montau;
Schraut, Dorothea von Montau, 373-394.
96 Zu den von Johannes verfassten Viten und der Lebensbeschreibung siehe Kap. 3.1.
34
einer modernen Biographie wiederzugeben.97 Die deutsche Lebensbeschreibung
richtete sich an ein des Lateinischen nicht mächtiges Laienpublikum und sollte
der moralischen Erbauung dienen.
Im Falle Dorotheas von Montau besteht jedoch auch die Möglichkeit, auf
eine Parallelüberlieferung zurückzugreifen, nämlich auf die Akten des Kanonisationsprozesses.
In Bezug auf diese Kanonisationsakten müssen jedoch auch
einige quellenkritische Überlegungen vorausgeschickt werden. Dies gilt besonders
hinsichtlich der befragten Zeugen. Letztere, meist ungebildet und sozial
niedriger stehend, standen wahrscheinlich einzeln vor gelehrten Theologen und
Juristen, die ihnen einen von Johannes Marienwerder und anderen Deutschordenspriestern
erstellten Fragenkatalog vorlegten.98 Man geht davon aus, dass die
Befragung unter anderem, oder sogar vor allem, das Stellen von Suggestivfragen
beinhaltet haben könnte.99 Offen ablehnende Antworten waren wahrscheinlich
nicht möglich und wurden deshalb auch nicht protokolliert. Die Zeugen bezogen
ihr Wissen zum einen aus der ,allgemeinen Gerüchteküche‘, vor allem aber aus
Predigten. Damit war jedoch die Zugänglichkeit zu den Informationen über Dorothea
abhängig von ihrer Verbreitung durch den Klerus, der wiederum identisch
war mit den Hauptakteuren der angestrebten Kanonisation. Die Mehrzahl
der Zeugen wurde zu Wundern befragt, die ihnen entweder selbst widerfahren
oder bei denen sie anwesend waren; nur ein geringer Teil wurde zu Dorotheas
Leben angehört. Bei den Klerikern, die Dorothea persönlich kannten, handelte
es sich um eine homogene Gruppe von Deutschordenspriestern um Johannes
Marienwerder. Innerhalb dieser Gruppe bestand eine intensive Kommunikation,
der amtierende Bischof Johannes Mönch gab sogar zu Protokoll, die Vita Dorotheas
gelesen zu haben. Bei den Verwandten und Bekannten Dorotheas aus
Montau und Danzig handelte es sich zum einen um den Pfarrer aus Montau,
Otto, einen einfachen Landgeistlichen, der nicht in die oben genannte Gruppe
der Kleriker und deren Kommunikation mit einbezogen war. Zum anderen ist
Dorotheas Schwägerin Gertrud aus Montau zu nennen sowie fünf weitere
Frauen aus Danzig, von denen vier gleich alt wie Dorothea waren und eine von
ihnen erheblich jünger. Zwar wurden auch diese Zeugen von der allgemeinen
Verhörsituation beeinflusst, jedoch lässt sich den Akten entnehmen, dass sie ihre
Antworten mit Bedacht wählten und ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse
hoch einschätzten. Besonders wichtig erscheinen die von den Zeugen berichteten
Zusätze zu gestellten Fragen, die sie freiwillig und von sich aus erzählten.100
Aufgrund der Kanonisationsakten und der Werke Johannes Marienwerders101
lassen sich folgende Aussagen über das Leben und die Person Dorotheas
97 Schraut, Dorothea von Montau, 375 mit Anm. 4.
98 Zu weiteren Aspekten des Kanonisationsverfahrens und der speziellen Rolle Johannes Marienwerders
siehe Kap. 3.1.
99 So Schraut, Dorothea von Montau, 376.
100 Ebenda, 378.
101 Zur Entstehung der einzelnen Lebensbeschreibungen Dorotheas durch Johannes Marienwerder
siehe Kap. 3.1.
35
von Montau machen: Sie wurde 1347 als siebentes von neun Kindern geboren
und war damit die jüngste von fünf Töchtern. Sie wurde an ihrem Tauftag, dem
6. Februar 1347, nach dem Fest der Tagesheiligen Dorothea benannt. Der Vater,
Wilhelm Swarze, war gebürtiger Holländer und hatte es zu einem eigenen Bauernhof
mit Gesinde und gutem Einkommen gebracht. Die Mutter Agatha wurde
als gläubige Frau bezeichnet.102 Die Frömmigkeit der Mutter soll als Vorbild für
die Tochter gegolten haben und wird in der Überlieferung besonders hervorgehoben.
Der bereits oben erwähnte Landgeistliche Otto führte außerdem an, dass
Agatha ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Beichtvater gehabt habe, was
sich ebenfalls später bei der Tochter in ihrem Verhältnis zu Johannes Marienwerder
wiederholen sollte.103 Dorothea soll, laut den Viten, ein frommes Kind
gewesen sein, besonders seit einem Unfall im Alter von sieben Jahren, was hier
allerdings auch eher wieder als Topos einer spätmittelalterlichen Heiligenvita
denn als historisch verbürgte Tatsache angesehen werden kann.104 Nachdem sie
von den Leiden Christi gehört hatte, begann sie bereits als Kind diese nachzuempfinden
und sich selbst zu geißeln, unter anderem mit Dornen, Ruten, durch
Kälte, Fasten und Schlafentzug.105 In der Forschung ist man zu dem Schluss gekommen,
dass Dorothea mit diesen asketischen Übungen versuchte, ihre älteren
Schwestern und die Mägde des Hofes zu übertreffen. Aufgrund ihrer asketischen
Übungen und der damit verbundenen Orientierung an den Erwachsenen, zeigte
sie wenig Interesse an kindgemäßen Beschäftigungen und Aktivitäten; auch dies
wiederum ein in Heiligenviten häufig zu findender Topos. Dorothea unterschied
sich aber auch noch aus einem anderen, wesentlichen Grund von ihren Altersgenossinnen.
Während ihrer gesamten Jugend litt sie an einer großen Wunde an
einem der Rückgratsknochen. Deshalb musste sie gebückt gehen, und die Leute
glaubten, dass sie ihr Leben lang ein Krüppel bleiben würde. Für Dorotheas
mangelnde Ambitionen in Bezug auf Spiele in der Jugend wäre dies eine mögliche,
simple Erklärung.106
Sie besuchte keine Schule und erhielt keinerlei Ausbildung. Nach der Heirat
ihrer älteren Schwestern erfüllte Dorothea zusammen mit ihrer Mutter einen
Großteil der häuslichen Arbeit und wuchs somit allmählich in die für sie vorgesehene
Rolle als Hausfrau hinein. An Dorotheas Kindheit ist auffällig, dass sie
offensichtlich in einer von Frauen geprägten Familie aufwuchs. Sie eiferte der
Mutter, den älteren Schwestern und den Mägden nach, ihre Brüder hingegen
werden in den Überlieferungen nicht als Vorbilder erwähnt. Mit dem Tod des
Vaters im Jahre 1357 fiel für Dorothea im Alter von zehn Jahren außerdem die
männliche Autoritätsperson weg. Die Mutter heiratete nicht erneut; sie zog es
anscheinend vor 40 Jahre lang Witwe zu bleiben und ihre Entscheidungen selbst
102 Hipler, Johannes Marienwerder, 36.
103 Schraut, Dorothea von Montau, 379. Zu näheren Einzelheiten des Verhältnisses zwischen
Dorothea und Johannes siehe Kap. 3.2.
104 Schraut, Dorothea von Montau, 379.
105 Hipler, Johannes Marienwerder, 36.
106 Vgl. Schraut, Dorothea von Montau, 379 f.
36
zu treffen.107 Dorotheas Erstkommunion fand im Alter von elf Jahren statt. Sie
besuchte häufig den Gottesdienst und hätte gerne häufiger kommuniziert, jedoch
wurde Kindern unter 14 Jahren die Kommunion nur zweimal im Jahr gestattet.
Mit 17 Jahren wurde Dorothea von ihren Brüdern mit dem aus Danzig stammenden
Schwertfeger Adalbert verlobt, der als gut situierter Handwerker der
dortigen Mittelschicht angehörte. Entsprechend der Aufzeichnungen ihres
Beichtvaters wollte sie allerdings gar nicht heiraten. Diese Aussage wird von
einer langjährigen Bekannten aus Danzig bestätigt. Der damalige Heiratsvermittler
habe jener erzählt, dass Dorotheas Zustimmung nur schwer zu erhalten
gewesen sei. Die Zustimmung war aber notwendig, da das von der Kirche propagierte
Prinzip der Konsens-Ehe das Einverständnis beider Partner zugrunde
legte. Die möglichen Alternativen zur Ehe wären für Dorothea der Eintritt ins
Kloster gewesen, ein Leben als Begine oder eine Existenz als unverheiratete
Frau im mütterlichen oder brüderlichen Haushalt oder als Magd in einem fremden
Haus. Es ist jedoch festzuhalten, dass Dorotheas Entschluss nicht zu heiraten
nicht so weit ging, dass sie sich ihrer Mutter oder ihren Brüdern offen widersetzte.
108
Die Heirat fand 1363 in Marienwerder statt, anschließend zog das frisch
vermählte Paar nach Danzig, das sich zu dieser Zeit in starkem wirtschaftlichen
Aufschwung befand. Dorothea soll, der Überlieferung nach, eine vorbildliche
Ehefrau gewesen sein, die fromm, gottesfürchtig und gehorsam war und sich
den Wünschen ihres Ehemannes unterwarf. Die Ehe war mit Kinderreichtum
gesegnet. Auch in ihrer Rolle als Mutter soll Dorothea vorbildlich gewesen sein,
indem sie ihren Kindern Demut und Gottesfurcht lehrte, nicht aber Spiel und
Tanz, was wiederum als Ablehnung von Freizügigkeit und Sexualität gedeutet
werden kann. Ihr Mann Adalbert wird von Johannes Marienwerder ebenfalls als
fromm und gottesfürchtig beschrieben. Er sei auch ohne Dorothea auf Wallfahrten
gegangen und habe sie bei der Wahrnehmung ihrer religiösen Bedürfnisse
unterstützt, indem er zum Beispiel die Kinder beaufsichtigte, wenn sie in
die Kirche ging. Die Zunahme von Dorotheas Frömmigkeit forderte dennoch
Ehekonflikte heraus. Im Laufe der Jahre gab sie ihre Rücksicht und Zurückhaltung
bei der Ausübung der verschiedenen Formen der Askese auf. Hatte sie
diese noch zu Beginn ihrer Ehe auf häufigen Kirchgang und strenges Fasten beschränkt
und alle weiteren Formen nur in Abwesenheit ihres Mannes und im
Geheimen ausgeübt, machte Dorothea es sich nun zur Gewohnheit sich selbst zu
kasteien ohne es zu verbergen und sich durch Ruten, Disteln, Peitschen, Dornenzweige
und harte stachlige Geißeln selbst Wunden zuzufügen. Um die Wunden
offen zu halten, steckte sie Nesseln, harte Besenruten, spitze Nussschalen
und schmerzende Kräuter in die Wunden und legte sich in Fleisch- oder Heringslake.
Gegenüber ihrem Ehemann versuchte sie sich zu weigern mit ihm
Zunftfeiern zu besuchen oder zum Tanz zu gehen, was ihr aufgrund ihres nöti-
107 Ebenda, 380 f.
108 Ebenda, 381 f.
37
gen Gehorsams gegenüber Adalbert nur teilweise gelang. Auch ihren ehelichen
Pflichten kam sie nur nach, wenn ihr Mann sie dazu aufforderte.109 Wie gut ihr
dies angesichts von neun Kindern, die sie insgesamt gebären sollte, gelungen ist,
sei dahingestellt.
In dieser Zeit wurde auch ihr Wunsch, das Sakrament der Eucharistie
möglichst häufig zu empfangen, immer größer. Ein solches Anliegen wurde ihr
von ihrem Danziger Beichtvater, Nikolaus von Hohenstein, mit der Begründung
verweigert, dass dies aufgrund ihres Ehestandes nicht möglich sei. In der Folgezeit
bis zum Jahre 1385 verstärkte sich Dorotheas Frömmigkeit erneut und erreichte
eine neue Qualität, die sich für sie im Austausch ihres Herzens äußerte.
Demnach wurde ihr, nach eigenen Angaben, Ende Januar 1385 in Danzig das
Herz herausgerissen und ihr von Gott ein neues gegeben. Von diesem Zeitpunkt
an konnte sie täglich die Stimme Gottes und den Gesang der Engel hören sowie
ihre Sünden besser erkennen; sie zog außerdem das beschauliche Leben dem
aktiven vor.110 Spätestens seit damals war Dorothea häufig verzückt. Dabei
machte sie auf ihre Umwelt den Eindruck, als ob sie betrunken sei, da sie ihre
Sinne nicht gebrauchen konnte, die Kontrolle über ihre Körperfunktionen verlor
bzw. wie ohnmächtig oder in tiefem Schlaf dalag. Ihr Zustand war letzten Endes
soweit vorgerückt, dass sie nicht mehr fähig und willens war, den Haushalt zu
führen. Adalbert reagierte auf die Verweigerungsformen seiner Frau heftig und
drohte ihr mit Schlägen. Dorothea ertrug jedoch die Beschimpfungen und Misshandlungen
ihres Ehemannes und ließ sich nicht von ihren täglichen religiösen
Übungen abhalten. Von ihrer Umwelt, Laien und Klerikern, wurde Dorotheas
außergewöhnliche Frömmigkeitsform auch als solche erkannt. In Bezug auf den
Klerus ging diese Wahrnehmung von Dorotheas Frömmigkeit sogar so weit,
dass man sie der Häresie verdächtigte. Der Offizial des Bischofs, Henricus de
Lapide, und ein Priester namens Ludike glaubten, Dorothea irre im rechten
Glauben. Laut einer Zeugin im Kanonisationsprozess sei dieser Verdacht entstanden,
weil Dorothea den beiden genannten Männern in der Beichte Dinge
erzählte, die sie nicht kannten, sowie wegen ihrer exzessiven Hingabe bei den
heiligen Pflichten und ihrer über das normale Maß hinaus verrichteten guten
Werke. Aufgrund dieser Tatsachen hielten jene Geistliche Dorothea für geistesgestört
und erachteten dies vermutlich als Teufelswerk, wodurch sich der Häresieverdacht
erklären ließe.111
Die Entwicklung von Dorotheas Frömmigkeit kann in zwei Phasen eingeteilt
werden. Demnach nahm diese nach 1378 bzw. nach 1384 deutlich zu, wobei
das Schicksal ihrer Kinder als ein möglicher Aspekt dieser Entwicklung in
Erwägung gezogen werden kann. Im Jahr 1378 waren bereits drei bis vier Kinder
tot, 1384 starben weitere vier. Aufgrund dieser schweren Schicksalsschläge
begaben sich Dorothea und Adalbert mit ihrer einzigen verbliebenen, 1381 ge-
109 Ebenda, 383 ff.
110 Hörner, Dorothea von Montau, 13.
111 Vgl. Schraut, Dorothea von Montau, 389.
38
borenen Tochter Gertrud auf eine Pilgerfahrt nach Aachen und Finsterwalde112,
wo sie eineinhalb Jahre blieben. Dorothea gefiel das karge Leben während der
Pilgerfahrt sehr, Adalbert dagegen nicht. Er überlegte daher öfters sich von seiner
Frau zu trennen. Doch im entscheidenden Moment, als Dorothea und er bereits
vor einem Pfarrer standen, der ihnen die einvernehmliche Trennung bescheinigen
sollte und Dorothea sich am Ziel ihrer Träume glaubte, überlegte
Adalbert es sich anders und kehrte mit seiner Frau gegen ihren Willen nach
Danzig zurück. Dorothea war auch nach ihrer Rückkehr die meiste Zeit verzückt,
was die Ehekonflikte weiter schürte. Dabei waren allerdings die ehelichen
Pflichten kein Streitpunkt mehr, da Dorothea Adalbert nach der Geburt des
letzten Kindes von Enthaltsamkeit überzeugen konnte; dabei ist jedoch hervorzuheben,
dass Adalbert zu diesem Zeitpunkt bereits ein alter Mann war. Statt der
Streitigkeiten um den ehelichen Verkehr warf er ihr nun vor, sie habe sein Vermögen
an die Armen verschleudert, entzog ihr den Haushalt und misshandelte
sie schwer. Die Beichtväter der Eheleute wiesen Adalbert daraufhin streng zurecht,
der von seinen Forderungen und seinem Standpunkt Abstand nehmen
musste und anschließend schwer erkrankte. Die Zurechtweisung Adalberts erregte
allerdings großes Missfallen bei den Ehemännern in der Nachbarschaft,
wodurch sich vermuten lässt, dass Dorotheas Lebensweise anscheinend auch für
andere Frauen attraktiv erschien.113
1389/90 unternahm Dorothea mit der Erlaubnis ihres Mannes eine weitere
Pilgerfahrt, diesmal nach Rom, da der Papst für 1390 ein Heiliges Jahr ausgerufen
hatte, was für die Pilger das Erlangen eines vollkommenen Ablasses bedeutete.
Während dieser Zeit verstarb Adalbert; die gemeinsame Tochter Gertrud
trat daraufhin in das Benediktinerinnenkloster von Kulm ein. Als Dorothea ein
Jahr später von ihrer Pilgerfahrt zurückkehrte, war sie praktisch ,frei‘ von sämtlichen
ehelichen und familiären Verpflichtungen und konnte sich nun ganz ihrer
religiösen Bestimmung widmen. Bereits vor ihrer Romfahrt hatte sie mit ihrem
schon erwähnten Danziger Beichtvater Nikolaus von Hohenstein öfters über ihre
Verzückungen gesprochen, sehnte sich aber nach einem erfahreneren Seelenführer.
Auch Nikolaus von Hohenstein mochte sich vielleicht seiner Grenzen bewusst
gewesen sein, da er Dorothea nie genauer nach ihren spirituellen Erlebnissen
befragte, ihr aber dennoch helfen wollte. Deshalb empfahl er sie bereits
1389 nach Marienwerder zu Johannes, den er aufgrund dessen hohen Ansehens
und dessen Bildung für geeigneter hielt.114
112 In der Literatur besteht eine Kontroverse über die geographische Lage des Wallfahrtsortes
Finsterwalde. Während Hipler, Johannes Marienwerder, 36 vermutet, Finsterwalde sei identisch
mit dem berühmten Wallfahrtsort Einsiedeln, vertritt Schraut, Dorothea von Montau,
390 die These, dass es sich um eine Einsiedelei bei Aachen handelte. Hörner, Dorothea von
Montau, 13-19 hingegen nennt die bisherigen Forschungsansätze und argumentiert ausführlich
für ein in Südbrandenburg gelegenes Finsterwalde, das auch heute noch existiert.
113 Schraut, Dorothea von Montau, 390 f.
114 Hipler, Johannes Marienwerder, 39 f.
39
Johannes wurde 1343 in Marienwerder geboren. Über seine Jugend und
seine Ausbildung bis zu seinem 20. Lebensjahr ist so gut wie nichts bekannt.
Vermutlich besuchte er die Domschule des 1285 gestifteten Marienwerderschen
Domkapitels und ging anschließend an die 1348 von Kaiser Karl IV. gegründete
Universität Prag. Dort erlangte er 1367 sein Bakkalaureat, so dass man davon
ausgehen kann, dass Johannes wahrscheinlich 1365 im Alter von 22 Jahren nach
Prag kam, da die Vorbereitungen und die Zulassung für das Bakkalaureat zwei
Jahre betrugen. Bis er sich für das Magisterexamen bewerben konnte, musste
Johannes allerdings, laut den Statuten der Prager Artistenfakultät, weitere zwei
Jahre als Bakkalaureus lesen. Es ist aber anhand der Aufzeichnungen der Prager
Universität überliefert, dass Johannes bereits nach eineinhalb Jahren Lizentiat
war und anschließend zum Magister der freien Künste promoviert wurde, da er
bereits am 4. April 1369 seine Vorlesungen als Ordinarius begann.115 Johannes‘
Lehrer in seinen Prager Jahren war Heinrich Totting von Oytha116, der ihn maßgeblich
beeinflusste.
Johannes habilitierte sich zum Professor der Philosophie, wurde 1371
Mitglied der Prüfungskommission für Bakkalaureanden und ist für das Jahr
1374 als Dekan der Artistenfakultät bezeugt. Dem Studium der Theologie widmete
er sich wahrscheinlich kurz nach der Eröffnung seiner philosophischen
Vorlesungen und erhielt vermutlich auch bald danach die höheren Weihen, da
ihn eine Urkunde von 1374 als Presbyter der Diözese Pomesanien bezeichnet.117
Nach weiteren zehn Jahren der Studien und der Lehre konnte Johannes sich
schließlich 1384 als Professor der Theologie bezeichnen. Aus seiner Prager Zeit
sind nur zwei kleinere Schriften überliefert, zum einen über die acht Seligkeiten
und zum anderen eine kurze Paraphrase über das Vaterunser. Die Forschung ist
jedoch der Ansicht, dass sich diese nicht eignen, um Johannes theologischen
Standpunkt deutlich zu machen. Erst seine spätere Schrift über die Erklärung des
115 Hipler, Johannes Marienwerder, 3, 5 f., 8 f.
116 Heinrich Totting von Oytha, * um 1330 in Friesoythe, † 20. Mai 1397 Wien; gehörte zu
den ersten bedeutenden Professoren der jungen Prager Universität (1355 Mag. artium u.
Bacc. theol.). Auch er hatte in Prag studiert und wurde, nach seiner Tätigkeit als rector superior
an der Erfurter Artistenfakultät (um 1360), 1366 von Karl IV. zurück nach Prag geholt.
Dort geriet er in Konflikt mit dem Kanonikus der Metropolitankirche, Adalbertus Rankonis,
der ihn aufgrund von Disputationsthesen der Häresie verdächtigte und bei der Kurie
anzeigte. Heinrich musste sich in Avignon verantworten, wurde aber am 12. August 1373
freigesprochen und konnte seine Studien in Paris weiterführen (1380 Mag. theol.). 1381
kehrte er nach Prag zurück, lehrte dort Theologie und übernahm das Amt des Vizekanzlers.
Nach dem Prager Streit um die Besetzung der Kollegiaturen ging er 1383/84 nach Wien, um
seinem Freund Heinrich von Langenstein bei dem Neuaufbau der dortigen Universität zu
unterstützen; siehe Manfred Gerwing, H.(einrich) Totting v. Oytha, in: Lexikon des Mittelalters
IV. München und Zürich 1989, Sp. 2107.
117 Hipler, Johannes Marienwerder, 13.
40
apostolischen Symbolums mache dies möglich und lasse Rückschlüsse auf seine
wissenschaftlichen Überzeugungen der Prager Zeit zu.118
Die Prager Studien- und Lehrjahre sollten auch durch politische Ereignisse
geprägt werden. Kaiser Karl IV. hatte im Zuge der Gründung der Prager
Universität zwei Kollegien gegründet, das Karlskolleg und das Allerheiligenkolleg.
Dem Karlskolleg gehörten außer den Studenten noch sechs oder zwölf
Magister der freien Künste an, von denen zwei auch theologische Grade haben
mussten, um Vorlesungen über die heilige Schrift und die Sentenzen zu halten.
Der Vorsteher sowie neue Mitglieder wurden durch die Korporation des Kollegs
selbständig gewählt. Das Allerheiligenkolleg (für elf Kanoniker nebst einem
Dechanten und Propst) wurde derart an das Karlskolleg angebunden, dass bei
einer Vakanz jeweils der älteste Magister des Karlskollegs Domherr bei Allerheiligen
wurde; so vermutlich auch Johannes Marienwerder, der 1377 in einer
Urkunde als baccalaureus formatus und als Domherr überliefert ist. Den Propst
bei Allerheiligen ernannte der König, der Dechant wurde vom Kolleg selbst gewählt.
Die Mitglieder des Karls- und des Allerheiligenkollegs waren fast ausschließlich
Deutsche. Dies führte durch das Aufkommen nationaler Einflüsse bei
den Böhmen zu Spannungen, die 1384 im Streit um die Besetzung der Kollegiaturen
mündeten. Die Böhmen widersetzten sich dem deutschen Rektor Konrad
von Soltau und wandten sich mit einer Petition für eine Besetzung der Kollegiaturen
mit Böhmen an König Wenzel sowie an die böhmischen Erzbischöfe.
Daraufhin erließ der Kanzler der Universität, Erzbischof Johannes von Jentzenstein,
am 2. Dezember 1384, vermutlich auf höhere Weisung hin, den Befehl,
dass die Pröpste und Mitglieder des Karl- und des Wenzelkollegs, das 1380 gegründet
worden war, nur böhmische Magister als Kollegiaten zu wählen hätten,
ansonsten drohe ihnen der Bann. Die Deutschen appellierten, als Reaktion auf
diesen Befehl, zusammen mit dem Rektor an den Papst. Der Kampf um die
Kollegiaturen dauerte schließlich fast zwei Jahre, in denen Johannes auf Seite
der deutschen Partei regen Anteil an den Auseinandersetzungen nahm. Die
Streitigkeiten klärten sich jedoch zugunsten der Böhmen, und die Deutschen
mussten am 22. Dezember 1385 sämtliche Anträge an die Kurie zurücknehmen.
Anfang 1387 wurde schließlich entschieden, dass immer je fünf Kollegiaturen
den Böhmen zur ausschließlichen Besetzung eingeräumt werden mussten, was
zur Folge hatte, dass die deutschen Professoren und Studenten an die neu gegründeten
deutschen Universitäten abwanderten.
Auch die Freunde von Johannes Marienwerder verließen Prag. In dieser
Situation erhielt dieser ein, für ihn wohl verlockendes Angebot aus seiner Heimat.
Der amtierende Hochmeister des Deutschen Ordens, Konrad Zollner von
Rotenstein, wollte in Kulm eine Universität nach dem Vorbild Bolognas gründen
und trat mit Johannes vermutlich wegen der theologischen Fakultät in Verhandlungen.
Johannes verließ Prag Ende 1386 und ging zurück in seine Heimat-
118 So ebenda, 15; zum Inhalt dieses Werkes siehe Kap. 3.1 und zum theologischen Standpunkt
des Johannes siehe Kap. 4.
41
stadt. Dort legte er im August 1387 Profess als Deutschordenspriester ab und
erhielt ein Kanonikat am Marienwerderschen Domkapitel. Doch die Pläne um
eine Kulmer Universität zerstreuten sich und Johannes trat nach seiner Rückkehr
nach Marienwerder nicht wieder als akademischer Lehrer auf. Bereits im Herbst
1388 hatte er das Amt eines Dechanten inne und war im Zuge dieses Amtes mit
dem Führen einer Art von Chronik des Domkapitels betraut. Auch (Kranken-)
Seelsorge in der Dompfarrei gehörte zu seinen Aufgaben, die er mit großem Eifer
erfüllt haben soll. Außerdem geht man davon aus, dass er ein guter Prediger
gewesen sei.119
Eine grundlegende Veränderung erfuhr das Leben des Johannes durch
seine Begegnung mit Dorothea von Montau. Dorothea gelangte am 22. Mai
1391 nach Marienwerder. Der erste Kontakt zwischen den beiden fand zwei
Tage später statt und zwar im Zuge von Dorotheas Vorbereitungen auf das
Fronleichnamsfest (25. Mai). In ihrer Beichte öffnete sie sich Johannes ganz,
was ihr, laut der Überlieferung, Ruhe und Frieden beschert haben soll. Sie
kehrte nach acht Tagen vorerst noch einmal nach Danzig zurück, um ihre Angelegenheiten
zu regeln und ihren gesamten verbleibenden Besitz zu veräußern.
Nach 15 Wochen aber kam sie wieder nach Marienwerder, wo sie bis zu ihrem
Tode bleiben sollte. Dort wohnte sie zuerst bei einer Witwe, mit der sie die
Rompilgerfahrt unternommen hatte, und ab Mai 1392 bei einer anderen Witwe,
Katharina Mulner, die als Schwester im Deutschen Orden diente.120 Laut
Überlieferung bestritt sie ihren Tagesablauf in der Form, dass sie bereits früh
morgens zur Kommunion ging und bis zu zehn Stunden in der Kirche blieb, bis
diese nach der Komplet geschlossen wurde. Dann nahm sie das einzige Mal am
Tag ein wenig Essen und Trinken zu sich, gewöhnlich allein, und besuchte anschließend
noch einige Arme und Kranke oder redete zusammen mit Katharina
und anderen befreundeten frommen Frauen über geistliche Themen. Den Rest
des Tages verbrachte sie wieder im Gebet.121 Dorothea legte fast täglich bei
Johannes Marienwerder die Beichte ab und berichtete ihm den Inhalt ihrer ekstatischen
Visionen und Verzückungen. Johannes war, trotz der Diskrepanz von
Dorotheas mangelnder Bildung und dem komplexen theologischen Inhalt ihrer
Visionen, von der Authentizität derselben überzeugt. Deshalb fühlte er sich verpflichtet
ihre Offenbarungen nicht nur anzuhören, sondern sie auch aufzuzeichnen.
Da er jedoch vermeiden wollte, dass man ihm Leichtgläubigkeit nachsagte,
holte er sich vor dem Beginn der Aufzeichnungen Rat von außen, in Gestalt seines
Prager Lehrers Heinrich Totting von Oytha und seines langjährigen Jugendfreundes
und Studienkollegen Johannes Ryman, der als Kanonist ebenfalls Mitglied
des Marienwerderschen Domkapitels war. Heinrich von Oytha ermahnte
ihn zur Vorsicht und Johannes Marienwerder und Johannes Rymann prüften
daraufhin Dorotheas Offenbarungen, gemäß kirchlicher Vorschriften, auf ihre
119 Vgl. Hipler, Johannes Marienwerder, 34.
120 Hörner, Dorothea von Montau, 256 f., welche die Diskussion um den geistlichen Stand
Katharina Mulners erläutert.
121 Vgl. Hipler, Johannes Marienwerder, 40.
42
Echtheit. Beide kamen zu dem Schluss in Dorothea eine reich begnadete Frau
vor sich zu haben, und Johannes Marienwerder begann somit ab Mitte 1392 die
Visionen seines Beichtkindes aufzuzeichnen.122 Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung
einigte er sich mit Dorothea, die den Wunsch geäußert hatte, er
möge die Offenbarungen erst nach ihrem Tod veröffentlichen. Die Aufzeichnungen
der Visionen fanden während der oft Stunden andauernden Beichten Dorotheas
statt, die Johannes nur im Beichtstuhl in der Kirche abnahm, um seinen
eigenen und den Ruf des Kapitels zu schützen.
Am St. Peter-und-Pauls-Tag 1392 gelobte Dorothea dem Johannes strengen
Gehorsam und wandte sich mit einer Bitte an ihn. Bereits kurz nach ihrer
Ankunft in Marienwerder hatte sie den Wunsch geäußert, als Klausnerin zu leben.
Diesen Wunsch äußerte sie nun erneut und Johannes trug Dorotheas Anliegen
dem Diözesanbischof und dem Domkapitel vor, die nach sechsmonatiger
Prüfung dem Bau einer Klause zustimmten. Dieser Bau musste anhand der ca.
1165 von Bischof Aelred von Rievaulx formulierten Regel für Reklusen De institutione
inclusarum, die bestimmte Normen für Anlage, Größe und innere Einrichtung
der Klause festlegte, durchgeführt werden. Laut dieser Regel sollte sie
aus Stein gebaut sein, zwölf Quadratmeter Größe umfassen und drei Fenster besitzen,
wobei das eine Fenster zwecks des Empfangs der Eucharistie zum Chor
hin gelegen sein sollte, das zweite Fenster für das Reichen von Speisen gegenüber
liegen und das dritte Fenster zum Einlass von Licht und Luft mit Horn oder
Glas ausgekleidet sein sollte. Im Falle der Marienwerder Kathedrale wurde Dorotheas
Klause vermutlich in einen durch den Chor und das südliche Seitenschiff
gebildeten Winkel gebaut, da sich dort eine kleine Kammer mit den angegebenen
Maßen befindet.123 Eineinhalb Jahre nach dem Vorbringen ihrer Bitte wurde
Dorothea schließlich am 2. Mai 1393 mit einer feierlichen Zeremonie in ihrer
Klause eingeschlossen.
Die Überlieferung beschreibt, dass Dorothea schon seit langer Zeit keinen
Schlaf mehr benötigte und an dessen Stelle eine Art von geistiger Entrückung
getreten war. Dabei handelt es sich hier vermutlich jedoch wieder eher um einen
für Heiligenviten typischen Topos. Ähnlich wie in Bezug auf den Schlaf nahm
sie auch so gut wie keine Nahrung mehr zu sich, und wenn doch, dann nur gegen
Abend ein Ei oder etwas Brot, Biersuppe, ab und zu Fisch, aber niemals
Fleisch. Den Jahreszeiten setzte sie sich schutzlos aus und wies jedes Mittel der
Erleichterung von sich, wie zum Beispiel von Bischof Johannes Mönch gesandte
Schuhe gegen die Kälte. In der Klause war nur Platz für ein Bett, einen Sessel,
einen Tisch und für ein kleines Schränkchen, jedoch nicht für einen Ofen. Auch
ihre Kleidung war dünn und ärmlich, und sie trug keine Schuhe.
Die Offenbarungen, die Dorothea in ihrer Klause empfing, hatten nicht
nur theologische Fragen zum Inhalt. So soll, laut Überlieferung, auch die Sorge
um ihr Heimatland besonders groß gewesen sein. Nach dem Tod des Hoch-
122 Zu weiteren Einzelheiten bezüglich der Aufzeichnung der Visionen siehe Kap. 3.1.
123 Vgl. Hipler, Johannes Marienwerder, 47.
43
meisters Konrad von Wallenrod (25. Juli 1393) schrieb Bischof Johannes
Mönch, der Dorothea selbst sehr verehrte und sie häufig besuchte, an Johannes,
er möge Dorothea veranlassen, Gott nach einem geeigneten Nachfolger zu befragen.
Dorothea ging der Bitte nach und empfahl Konrad von Jungingen als
nächsten Hochmeister, der schließlich auch gewählt werden sollte. Innerhalb
ihres Heimatlandes fühlte sie sich, ihren eigenen Angaben nach, der Diözese
Pomesanien und deren Hauptstadt Marienwerder sowie dem dortigen Domkapitel
besonders verbunden. Deren einzelne Mitglieder betrachtete sie als ihre
Söhne, für die sie sich, wie eine gute Mutter, Tag und Nacht mühen müsste, in
Gebet und Arbeit.124 Doch Dorotheas Aufenthalt in der Klause sollte nicht von
Dauer sein. Bereits ein Jahr nach ihrem Einschluss starb sie am Abend des 25.
Juni 1394 im Alter von 48 Jahren.
Nach ihrem Tod kam es zu einer so großen, spontanen Volksverehrung,
dass der Bischof von einer genaueren Leichenschau Abstand nehmen musste. Im
Trauergottesdienst zu Dorotheas Beerdigung (28. Juni 1394) predigte Johannes
Marienwerder über ihr Leben und gab einen kurzen Abriss dessen, was sie ihm
berichtet hatte. Diese Predigt soll den Glauben der Menschen an Dorothea weiter
erhöht haben und es kam zu ersten Wundern.125 18 Wochen später erfolgte
eine zweite Beisetzung, da Dorotheas Grab auf Weisung des Bischofs wegen des
großen Andrangs von Gläubigen mit Stein ausgemauert worden war. Da die
Zahl der durch Wunder Geheilten stetig zunahm, sah man sich gezwungen, gemäß
der kirchlichen Vorschriften, die so geheilten Personen von Notaren verhören
zu lassen und die Wunder zu protokollieren. Auch Johannes Marienwerder
setzte sich in den nächsten Jahren, neben seiner Tätigkeit als Domdechant am
Marienwerder Domkapitel, intensiv für die Verbreitung und offizielle Bestätigung
der Heiligkeit seines Schützlings ein.126 In den nächsten fünf Jahren befasste
er sich ausgiebig mit den von ihm aufgezeichneten Offenbarungen Dorotheas
und fasste die Fülle des Materials in drei große Werke zusammen: So
entstanden das Septililium, der Liber de festis und die lateinische Lebensbeschreibung
Dorotheas, die sogenannte Vita Latina.127 Jedoch war es Johannes
nicht möglich, sich mit der gleichen Intensität wie bisher mit dem Erbe Dorotheas
auseinanderzusetzen, da plötzliche Ereignisse innerhalb der Diözese seine
gesamte Aufmerksamkeit forderten. Ende des 14. Jahrhunderts trat in der Diözese
Pomesaniens ein Anhänger Wyclifs128 auf, der seine Lehren öffentlich ver-
124 Ebenda, 51 f. Zu ihrem Verhältnis zu Johannes im Besonderen siehe Kap. 3.2.
125 So ebenda, 58.
126 Zum Engagement des Johannes im Zuge der angestrebten Kanonisation Dorotheas siehe
Kap. 3.1.
127 Zur Entstehung dieser Werke und zu deren Inhalt siehe Kap. 3.1.
128 Wyclif, John, engl. Gelehrter, Philosoph, Theologe und Kirchenreformer, *ca. 1330, † 31.
Dez. 1384, stellte in seinen Werken u. a. die Gesamtstruktur der kirchlichen Hierarchie in
Frage und forderte eine Kirche ohne weltlichen Besitz und Grundherrschaft nach dem Vorbild
der Apostel; scharfer Kritiker des Papsttums; zu weiteren Angaben zu Leben und Werk
siehe Katherine Walsh, Wyclif, John, in: Lexikon des Mittelalters IX. München und Zürich
1997, Sp. 391 ff.
44
breitete. Johannes fühlte sich verpflichtet dem Ketzer entgegenzutreten und antwortete
mit seiner Expositio symboli Apostolorum. Auch von Seiten der Diözese
sah man sich gezwungen, auf die Situation zu reagieren. Der pomesanische Bischof
ordnete eine Kirchenvisitation an und Johannes wurde im Zuge dessen
1400 oder 1401 zum Visitator für Laien und Kleriker im nördlichen Teil der
Kirchenprovinz bestellt. Aufgrund dieser Tätigkeit gelangte er auch nach Montau,
Dorotheas Geburtsort, und traf dort, laut Überlieferung, deren noch lebende
Mutter Agatha Swarze an, die inzwischen fast 100 Jahre alt war. Agatha soll gegen
den Einschluss ihrer Tochter in die Klause gewesen sein, da dies auch häufig
zur Bestrafung von Sündern angewandt wurde. Dem Johannes sei es jedoch
gelungen Agatha von der Heiligkeit ihrer Tochter zu überzeugen.129 Vermutlich
durch die Erlebnisse während seiner Visitationsreise angeregt, entschloss sich
Johannes Dorotheas Vita auch einem ungebildeteren Publikum zugänglich zu
machen und bearbeitete diese in deutscher Sprache.130
An den schriftstellerischen Fähigkeiten des Johannes sollte jedoch auch
noch eine andere Mystikerin partizipieren. Die Offenbarungen der heiligen Birgitta
von Schweden waren schon früh nach Preußen gekommen, und Johannes
hatte diese bereits 1392 gründlich studiert. Bischof Johannes Mönch ließ nun auf
Bitten des Kanonikus Martin von Kulm die in Birgittas Werk enthaltenen Ermahnungen
an den Klerus zusammenstellen. Dabei handelte es sich um drei
Bände, wobei sich der erste an den Weltklerus, der zweite an die Ordensleute
und der dritte sich an die Prälaten wandte. Zur selben Zeit entstand auch eine
Sammlung von Birgittas Offenbarungen, vermutlich ebenfalls im Auftrag Bischof
Johannes Mönchs. Bei beiden Projekten war Johannes Marienwerder beteiligt.
1409 starb Johannes Mönch und Johannes Ryman wurde dessen Nachfolger
auf dem pomesanischen Bischofsstuhl. Johannes Marienwerder und Johannes
Ryman stellten damit die obersten geistlichen Vorsteher der Diözese
Pomesanien dar. Diese Entwicklungen wurden durch politische Ereignisse überschattet.
Innerhalb der Konflikte des Ordenslandes mit der polnisch-litauischen
Union war es zum sogenannten „ewigen“ Frieden von Razianz131 gekommen,
den Dorothea bereits zu ihren Lebzeiten vorausgesagt hatte. Doch dieser Frie-
129 So Hipler, Johannes Marienwerder, 76.
130 Zu weiteren Aspekten der deutschen Lebensbeschreibung und zu deren Inhalt siehe Kap.
3.1.
131 Zum Friedensschluss von Razianz kamen Hochmeister Konrad von Jungingen und König
Wladyslaw von Polen, nach mehreren Unterverhandlungen, am 22./23. Mai 1404 persönlich
auf einem Weichselwerder bei Razianz zusammen. Wladyslaw bestätigte dort die Bestimmungen
des Friedens von Sallinwerder und stellte damit als Oberster Großfürst von Litauen
den Frieden zwischen Litauen und dem Deutschen Orden wieder her. Außerdem bekräftigte
er den 1343 zwischen dem Orden und König Kasimir III. von Polen geschlossenen sog. Kalischen
Frieden, den er für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern als grundlegend
erklärte. Zu weiteren Einzelheiten siehe Klaus Neitmann, Die Staatsverträge des Deutschen
Ordens in Preußen 1230-1449. Studien zur Diplomatie eines spätmittelalterlichen deutschen
Territorialstaates. Köln und Wien 1986, 153-157.
45
densschluss war nicht von Dauer. In den folgenden Jahren wurden die Abstände
zwischen den militärischen Auseinandersetzungen und Einigungen des Deutschen
Ordens und Polen-Litauens immer kürzer und mündeten schließlich am
15. Juli 1410 in die Schlacht von Tannenberg, einem Dorf im südwestlichen
Preußen, bei welcher der Deutsche Orden vernichtend geschlagen wurde. Da bei
der Schlacht nicht nur der Hochmeister des Ordens, Ulrich von Jungingen, sondern
auch eine Vielzahl von Ordensrittern in gehobenen Positionen getötet worden
waren, konnte das polnisch-litauische Heer in den folgenden Wochen das
Ordensland fast ohne Ausnahme in seine Gewalt bringen.132 Alle vier preußischen
Bischöfe, unter ihnen auch Johannes Ryman, mussten dem polnischen
König Wladyslaw huldigen. Im folgenden Monat soll letzterer jedoch nach Marienwerder
gekommen sein und nach einem Besuch von Dorotheas Grab beschlossen
haben die Stadt von Kriegslasten zu verschonen.133
Durch die schwierigen politischen Verhältnisse, auch nach dem Frieden
von Thorn vom 1. Februar 1411134, war die Kanonisation Dorotheas ins Stocken
geraten, da die finanziellen Mittel für die Fortführung des Verfahrens nicht aufgebracht
werden konnten. Auch auf dem Konzil von Konstanz 1417 konnte
keine Lobby für die Heiligsprechung gewonnen werden.135 Schließlich sollten
auch die beiden engagiertesten Verfechter der angestrebten Kanonisation Dorotheas
ausfallen. Bischof Johannes Ryman starb am 4. September 1417. Dieser
hatte kurz zuvor in seinem Testament vom 30. August 1417 geregelt, dass (bis
auf einige Beiträge für sein Begräbnis, seine Familie, den Domscholastikus
Meister Petrus von Danzig sowie für seinen Offizial Johannes von Reden) der
Rest des ihm zur Verfügung stehenden Geldes (105 ungarische Gulden) zur
Fortführung des Kanonisationsverfahrens genutzt werden sollte. Johannes Marienwerder
wurde von ihm zum Exekutor des ausgesetzten Legats bestimmt.
Doch auch jener sollte seine Funktion nicht lange ausüben können, da er fünfzehn
Tage später, am 19. September 1417, im Alter von 74 Jahren selbst verstarb.
132 Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte. München
1981, 178.
133 Vgl. Hipler, Johannes Marienwerder, 87.
134 Siehe dazu Boockmann, Der Deutsche Orden, 179.
135 Zu weiteren Einzelheiten der Wirkung des Konzils von Konstanz auf das Kanonisationsverfahren
siehe Kap. 3.1.
46
3. Der Beichtvater
Zwischen geistlicher Führung und weltlicher Vermittlung
Eine erste Annäherung an die beschriebenen Beichtväter und Beichtkinder ist
durch die Vermittlung der biographischen Grundlagen erfolgt. Der jeweilige
Entschluss der beschriebenen Geistlichen Ekbert, Konrad und Johannes zu Seelenführern
begnadeter Frauen zu werden, stellte bei allen dreien eine Zäsur in
ihrem und im Leben ihres jeweiligen Schützlings dar. Während die begnadeten
Frauen durch ihre Visionen als Bindeglied zwischen den Menschen und dem
Wort Gottes fungierten, umfasste der Aufgabenbereich der Beichtväter neben
der Seelenführung der Frauen auch die Vermittlung zwischen Visionärin und
Umwelt. Sie waren oftmals erst diejenigen, welche die Begnadigung ihrer
Beichtkinder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machten, eine systematische
Literarisierung der Offenbarungen zu Wege brachten und schließlich die Etablierung
eines Kultes vorantrieben.
3.1. Beichtkind und Umwelt
Im Falle Ekberts von Schönau ist festzuhalten, dass er nicht das Amt eines
Beichtvaters seiner Schwester innehatte. Elisabeth unterstand gemäß ihrer Gelübde
als Nonne in allen Angelegenheiten ihrem Abt, der damit auch ihr Beichtvater
war. Sogar wenn Ekbert die Seelenführung seiner Schwester hätte übernehmen
wollen, wäre dies aufgrund Elisabeths Gehorsamspflicht gegenüber
dem Abt nicht möglich gewesen. Auch Ekbert selbst hat sich in den Überlieferungen
der Visionen seiner Schwester nie als ihr Beichtvater tituliert.136 Dennoch
ist er allem Anschein nach die Hauptbezugsperson seiner Schwester gewesen
und hat die Entfaltung ihrer visionären Fähigkeiten vorangetrieben.137
Mit dem Eintritt Ekberts in den Schönauer Konvent begann, wie zuvor
skizziert138, die systematische Aufzeichnung von Elisabeths Visionen. Im Zuge
dieser Niederschriften hat er die ,wunderbaren‘ Lateinkenntnisse seiner Schwester
hervorgehoben. Dies geschah vermutlich, um den göttlichen Ursprung der
Visionen zu untermauern und um jede mögliche Kritik von Elisabeth abzuwenden,
die gegenüber den Inhalten ihrer Offenbarungen hätte auftreten können.139
136 Clark, Elisabeth of Schönau, 55.
137 Zu Ekberts Beziehung zu seiner Schwester und zu seinem Einfluss auf ihre Visionen siehe
Kap. 3.2.
138 Siehe Kap. 2.1.
139 Clark, Elisabeth of Schönau, 29.
47
Außerdem führte Ekbert an, dass Elisabeths Engel in ihren Visionen teilweise
Latein, teilweise aber auch Deutsch mit ihr gesprochen habe, ja zum Teil sogar
beide Sprachen in einer Vision vorgekommen seien. In diesem Falle habe er die
deutschen Teile ins Lateinische übersetzt, ohne natürlich ihren Sinn zu verfälschen,
geschweige denn, irgendetwas hinzuzufügen.140 Diese Passage in einer
der letzten Redaktionen Ekberts scheint jedoch das Argument der ‚wunderähnlichen‘
Lateinkenntnisse Elisabeths zu schwächen. Es erscheint möglich, dass
Ekbert diesen Einwurf als Reaktion auf Fragen nach Elisabeths Muttersprache
aufnahm. Aller Wahrscheinlichkeit nach aber hat er diese Passage eingefügt, um
sich von jeglichem Verdacht freizusprechen, die Revelationen selbst zusammengestellt
und sie dann seiner Schwester zugeschrieben zu haben.141 Die Schriften
Elisabeths sind somit der Form und dem Stil nach Ekberts Werke. Sie aber deshalb
Ekbert statt Elisabeth zuzusprechen, würde zu weit führen. Ekbert war unbedingt
von dem göttlichen Ursprung der Visionen seiner Schwester überzeugt;
eine bewusste Verfälschung hätte somit voll und ganz seinem Glauben und der
Verantwortung widersprochen, der er sich gegenüber gestellt sah: „Als wahnwitzig
aber könnte ich verurteilt werden und wäre wert, lebendig in die Hölle
hinabzusteigen, wenn ich wüsste, dass sie [?] nicht nach der Wahrheit wandelt,
ich aber dennoch mit erlogener Heiligkeit gemeinsame Sache machte und im
Volke Gottes schriftlich Lügen zu verbreiten strebte“.142 Dennoch darf man an
Ekberts Aufzeichnungen nicht mit einem modernen Anspruch nach Authentizität
herangehen.
Elisabeths Ruf als Seherin verbreitete sich rasch aufgrund von Ekberts
Verbindungen aus seinen Tagen als Weltkleriker. Durch ihn traten nun auch andere
Personen mit ihren Anliegen an Elisabeth heran, wie zum Beispiel im oben
beschriebenen Falle des Gerlach von Deutz und der Kölner Ursulareliquien oder
auch in Bezug auf aktuelle politische Fragen. Anders als ihre Zeitgenossin Hildegard
von Bingen, die sich im Zuge der strittigen Papstwahl von 1159 für Papst
Alexander III. aussprach, verkündete Elisabeth in einem Mahnschreiben an Erzbischof
Hillin von Trier, dass der Kandidat des Kaisers, Viktor IV., „Gott wohlgefälliger
sei“143. Diese Haltung erscheint nicht verwunderlich, handelte es sich
doch bei dem Kanzler Kaiser Friedrich I. Barbarossa um Rainald von Dassel,
Ekberts langjährigen Freund aus gemeinsamen Pariser Studientagen, der vermutlich
an der ,himmlischen Unterstützung‘ der Schönauer Seherin interessiert
gewesen sein mag. Misstrauen und Skepsis bestimmter Parteien in Bezug auf
Elisabeths Offenbarungen sind somit nicht nur auf eine grundsätzliche Voreingenommenheit
solchen Phänomenen gegenüber zurückzuführen, sondern erklären
sich vermutlich auch aus einer politischen Haltung heraus.144
140 Ebenda, mit Anm. 4.
141 Ebenda, 30.
142 Nach Köster, Elisabeth von Schönau, 26.
143 Nach ebenda, 28.
144 Vgl. Dinzelbacher, Offenbarungen, 84.
48
Ekbert hat die Visionen seiner Schwester in zahlreichen Redaktionen
bearbeitet. Um seine zentrale Rolle hinsichtlich der Veröffentlichung zu verdeutlichen,
ist es von Interesse, sich die einzelnen Redaktionen sowie deren Umfang
und Inhalt genauer anzusehen. Die drei Zyklen der Jahre 1156-1159 stellen
in der Reihenfolge Liber viarum dei (LVD), De resurrectione beatae Mariae
virginis (Res. Mar.) und Liber revelationum de sacro exercitu virginum Coloniensium
(Rev. Urs.) den wesentlichen Inhalt der ältesten Sammlung von Elisabeths
Schriften dar. Die Redaktion A wurde wahrscheinlich noch vor Elisabeths
Tod zwischen 1159 und 1164 von Ekbert bearbeitet, was sich aufgrund eines
Briefes von ihm an den Abt des Kloster Reinhausen in der ersten Hälte des Jahres
1164 bezeugen lässt, da hier die Redaktion A erwähnt wird. Im Anhang zu
den Ursula-Visionen befinden sich drei mit dem Ursula-Stoff in Verbindung
stehende Briefe und eine Vision Ekberts, die dieser vor dem Altar der Deutzer
Kirche am Tag der Hl. Maria Magdalena (22. Juli) 1158 erfuhr, als er seinen
Deutzer Freunden eine Niederschrift der Ursula-Visionen seiner Schwester
brachte.145
In der zweiten, erweiterten Redaktion B, die vermutlich auch noch vor
Elisabeths Tod 1164 entstand, bearbeitete Ekbert die ersten, vor seinem Eintritt
in Schönau von Elisabeth und ihren Mitschwestern aufgezeichneten Visionen.
Er stellte diese frühesten Gesichte (Pfingsten bis Ende August 1152) unter dem
Titel Liber de temptationibus inimici zusammen, der durch eine kurze praefatiuncula
eingeleitet und durch die visionäre Prophezeiung Elisabeths auf das Jahr
1154 abgeschlossen wurde. Im Anschluss daran folgt unverändert der Inhalt der
Redaktion A. Das besondere an Redaktion B ist, dass sie den Ausgangspunkt für
die Kenntnis von Elisabeths Werken in England darstellt. Alle nachweisbaren
englischen Elisabeth-Schriften lassen sich auf eine verlorene Abschrift einer
kontinentalen Vorlage der Redaktion B zurückführen, die der englische Zisterzienser
Roger von Ford benutzt hatte. Wie aus der Vorrede zu seiner Abschrift
erkenntlich, stieß er bei einem Festlandbesuch in einem Zisterzienserkloster,
vermutlich in Flandern, auf eine Schriftensammlung Elisabeths, die er daraufhin
abschrieb und dem Abt seines Heimatklosters Ford schickte. Anhand der Lebensdaten
der in Rogers Abschrift genannten Personen lässt sich seine Arbeit
auf die Jahre zwischen 1169 und 1178 datieren, wodurch die Vermutung nahe
liegt, dass es zu einer schnellen Verbreitung von Elisabeths Werken nach ihrem
Tode kam.146 Auch die frühe Kenntnis von Elisabeths Schriften in Norwegen,
um 1180 durch den Mönch Theoderich von Nidarsholm bezeugt, und in Island,
durch eine zwischen 1226 und 1234 von einem norwegischen Kleriker an den
145 Köster, Elisabeth von Schönau, 30. Zu ausführlichen Untersuchungen der einzelnen
Redaktionen, ihrer geographischen Verbreitung sowie zu ihrer Wirkungsgeschichte siehe
Kurt Köster, Das visionäre Werk Elisabeths von Schönau. Studien zu Entstehung, Überlieferung
und Verbreitung in der mittelalterlichen Welt, in: Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte
4 (1952), 79-113.
146 Köster, Elisabeth von Schönau, 31.
49
Bischof zu Holar gesandte Abschrift der Res. Mar., ist vermutlich auf diese Redaktion
und den Weg über England zurückzuführen.147
Eine neue, erweiterte Redaktion C führt in strenger chronologischer Folge
bis Pfingsten 1153, dem Abschluss des ersten Jahres von Elisabeths Ekstasen,
die in der Redaktion B begonnene Erzählung der frühen Gesichte Elisabeths im
Liber de temptationibus fort, danach in gelockerter Folge bis zum Jahre 1154.
Damit ist der gesamte Umfang des späteren Liber I visionum erreicht, in dessen
insgesamt drei Bänden Ekbert die frühen Gesichte seiner Schwester, vor seinem
Eintritt in den Konvent, in einer letzten Redaktion E zusammenfassen sollte. Die
kurze praefatiuncula der Redaktion B erweiterte Ekbert zu einer umfangreichen
praefatio, die ihn als Verfasser deutlich erkennen und seine Rolle bei der Niederschrift
der Visionen hervortreten ließ.148 In dieser Redaktion findet sich zum
ersten Mal Ekberts Schrift De obitu dominae Elisabethae, die er anlässlich des
Todes seiner Schwester verfasste. Diese Aufnahme in die Redaktion C setzt damit
einen gewissen, jedoch nicht notwendigerweise großen zeitlichen Abstand
zu Elisabeths Tod voraus.
In diesem Werk beschreibt Ekbert die letzten Tage von Elisabeths Leben,
von dem zwei Fassungen überliefert sind, eine kürzere, vermutlich die Originalversion,
und eine längere Fassung.149 Die längere Version beinhaltet eine Passage
über die Ernennung Elisabeths zur magistra des Nonnenkonvents und über
das mögliche Schwinden ihres Rufes nach ihrem Tode. Diese Passage weist die
Worte Ekberts als Elisabeths eigene aus; die Tatsache, dass sie jedoch nur in der
längeren Version enthalten sind, ließ die Forschung zu dem Schluss kommen,
dass die Passage auf die erste Zeit nach Elisabeths Tod zurückzuführen ist, als
der Kult sich erst langsam zu etablieren begann und ein möglicher Verlust von
Elisabeths Ruf als Seherin wahrscheinlich auf Ekbert gelastet haben muss.150 Ein
weiterer Unterschied besteht darin, dass weite Strecken der längeren Fassung,
etwa jeder dritte oder vierte Satz, in der kürzeren Version nicht zu finden sind.
Diese kürzere Fassung schrieb Ekbert vermutlich sehr bald nach dem Tod seiner
Schwester; etwas später, womöglich im Laufe des Jahres, nahm er Ergänzungen
am Text vor, welche die spätere Situation des Klosters sowie seine eigenen Angelegenheiten
schilderten, wie etwa seine Wahl zum Nachfolger Abt Hildelins.
Das Werk, das in Briefform verfasst wurde, beginnt mit einer Einleitung,
die sich an drei Nonnen des Klosters Andernach Guda, Hadewig und Regelindis
richtet, bei denen es sich um Verwandte Ekberts und Elisabeths handelte. Weiterhin
bringt Ekbert seine Trauer über den Tod seiner Schwester zum Ausdruck,
beeilt sich jedoch zu betonen, dass die Trauer sich nicht nur auf den Verlust einer
Schwester, sondern auf den Verlust eines Menschen bezieht, der ihm und
anderen so greifbare spirituelle Erfahrungen vermittelt habe. Dabei sei sie kein
147 Ebenda, 30 f.
148 So ebenda, 32.
149 Clark, Elisabeth of Schönau, 43 mit Anm. 62.
150 Ebenda.
50
passives Medium, sondern eine Mittlerin zwischen Gott und den Menschen gewesen.
151
In der längeren Fassung beschrieb Ekbert die letzten Lebenstage seiner
Schwester von Pfingsten bis zum 20. Juni 1154, dem Tag ihrer Beerdigung. Außerdem
nahm er Bezug auf Themen aus den vorherigen visionären Werken. Elisabeths
Ansichten über ihren Ruf, ihre Reaktion auf Kritik und ihre Angst, dass
ihr Leben und ihr Tod von anderen missverstanden werden könnten, stellen die
Hauptmotive von De obitu dar. In bezug auf die Sorge um ihren Ruf sind Ekberts
Bemühungen verständlich zu versuchen, die ,Wunderhaftigkeit‘ von Elisabeths
letzten Tagen zu unterstreichen, wobei er die Diskrepanz zwischen ihrer
göttlichen Begnadigung und ihrer körperlichen Verfassung betonte. De obitu
steht im Gegensatz zu den anderen Schönauer Werken, da es nicht auf Visionen
Elisabeths begründet ist, und zeigt so noch ein anderes Bild von der Schönauer
Seherin, nämlich als Nonne, magistra und spirituelle Autorität ihres Klosters.
Dabei betonte Ekbert jedoch, dass Elisabeth, trotz ihrer Rolle als spirituell herausragende
Figur in ihrem Konvent, nie ihren Platz in der Hierarchie ihres
Klosters vergessen habe.152
Die vierte Redaktion D schließt dem bisher vorliegendem Bestand eine
Anzahl weiterer Einzelvisionen Elisabeths an. Dabei handelt es sich um die
späteren ersten 18 Kapitel des Liber II visionum sowie Einzelstücke des späteren
Liber III visionum, darunter die Visio Hildegardis contra Catharos und die angeblich
dazugehörige Responsio Elisabethae. Des Weiteren schließen sich drei
Briefe des Ursula-Zyklus an und, zum ersten Mal, eine sechs weitere Stücke umfassende
kleine Briefsammlung. Die Entstehung der Redaktion D lässt sich nicht
näher als auf die Jahre zwischen 1165 und 1184 eingrenzen, da in der Überlieferung
keine greifbaren Daten zu finden sind, die eine genauere Datierung möglich
machen.153
Es besteht die Möglichkeit, dass Ekbert wahrscheinlich gegen Ende seines
Lebens das Bedürfnis empfand, seine gesamten Aufzeichnungen noch einmal
gründlich zu sichten und die nicht immer ganz organisch gewachsenen, vorherigen
Redaktionen zu überarbeiten. Für diese letzte Redaktion E muss daher als
spätester Entstehungszeitraum Ekberts Todesjahr 1184 angenommen werden.
Nach einem sehr feierlichen Prolog Ekberts folgt der Liber visionum, der eine
letzte Erweiterung und eine durchgreifende Neuordnung und Gliederung in drei
Bände erfahren hat. Liber I wurde unverändert in Anordnung und Bestand aus
der Redaktion C übernommen, den Liber II hat Ekbert um zwölf neue Abschnitte
erweitert und ihn mit dem nun an diese Stelle gesetzten kleinen Visionszyklus
Elisabeths über die Auferstehung Marias beendet. Die übrigen, außerhalb
der geschlossenen Visionszyklen stehenden Stücke wurden von Ekbert
in neuer Ordnung zum Liber III zusammengefasst und ebenfalls auf einen Ge-
151 Ebenda, 43 mit Anm. 65 und 66.
152 Ebenda, 45 mit Anm. 68.
153 Köster, Elisabeth von Schönau, 32.
51
samtbestand von 31 Kapiteln erweitert. An die „visionären Tagebücher“154
schließen sich die beiden großen Visionszyklen LVD und Rev. Urs. an. Den Abschluss
dieser Redaktion bilden eine Briefsammlung, erweitert um acht Stücke
gegenüber der Redaktion D, sowie Ekberts Klageschrift De obitu. Es ist hervorzuheben,
dass Ekbert sich selbst erst in dieser letzten Fassung namentlich nennt
und sich damit eine aktive Rolle im Literarisierungsprozess der Visionen seiner
Schwester einräumt.155 Unklar bleibt dabei jedoch, ob Elisabeth, außer in
erzählender Weise, in den Schreibprozess einbezogen war, da sie sich selbst nie
als Schreibende bezeichnete.156 Außerdem gibt es keinen Hinweis darauf, ob
Elisabeth die Texte ihres Bruders geprüft bzw. ob er ihr seine Aufzeichnungen
zu eventuellen Korrekturzwecken noch einmal vorgelesen hat. Ekbert selbst
führt im Liber I an, dass Elisabeth seine Rolle als Redakteur begrüßt und alle
,redaktionellen‘ Entscheidungen ihm überlassen hätte.157 Im Gegenzug dazu behielt
sich Elisabeth jedoch in Einzelfällen vor, gewisse Visionen ihrem Bruder
nicht mitzuteilen. So führte sie beispielsweise an, dass sie eine Vision der Mutter
Gottes erhalten hätte und noch nicht bereit wäre diese zu offenbaren; ob sie
diese spezielle Vision ihrem Bruder jemals berichtet hat, ist unklar.158 In einem
anderen Fall sagt Elisabeth, dass sie es unterließe, ungewöhnliche Visionen mitzuteilen,
da die Gefahr zu groß wäre, dass dieselben missverstanden würden.159
Es zeigt sich, dass sie vermutlich mit einer früheren Anweisung ihres Abtes, sie
solle alle Visionen ihrem Bruder berichten, nicht völlig einverstanden war. Daraus
folgend liegt der Schluss nahe, dass Elisabeth scheinbar ein gewisses Maß
an Kontrolle über die Publikation ihrer Visionen besaß. Wenngleich dies nicht
als Indiz dafür gewertet werden kann, dass ihr eine aktive Rolle in der Sammlung
und Redaktion ihrer Gesichte zukam, war ihr die korrekte Wiedergabe ihrer
Visionen jedoch offensichtlich wichtig, was sie in dem bereits erwähnten Brief
an Hildegard von Bingen betonte.160
Die Handschriftenüberlieferungen zeigen, dass die letzte Redaktion Ekberts
kaum mehr über die Mauern von Schönau hinaus bekannt war, was sich
vermutlich aus der verhältnismäßig späten Entstehung erklärt. Für die Verbreitung
von Elisabeths Werken im Mittelalter sind nur die ältesten, noch vor Elisabeths
Tod entstandenen Redaktionen von Bedeutung. Schon die Fassungen C
und D sind in ihrer Wirkung nur auf den deutschen Raum beschränkt.161
Im Gegensatz zum Wachstum des Corpus der Elisabeth-Schriften von Redaktion
zu Redaktion ist aber auch eine gegenläufige Tendenz zu erkennen, die
154 Ebenda, 32 f.
155 Clark, Elisabeth of Schönau, 52 mit Anm. 8.
156 Ebenda, 53 mit Anm. 13.
157 Ebenda, 53 mit Anm. 14; zu weiteren Aspekten der Literarisierung der Visionen und des
Arbeitsverhältnisses der Geschwister siehe Kap. 3.2.
158 Clark, Elisabeth of Schönau, 53 mit Anm. 15.
159 Ebenda, 53 mit Anm. 16.
160 Ebenda, 54.
161 Köster, Elisabeth von Schönau, 32 f.
52
darin bestand, dass Ekbert bestimmte Stellen in Elisabeths Werken, die in der
Rezeption anscheinend als anstößig empfunden worden waren, wieder entfernte.
Dieses bewusste Auslassen bietet somit die Möglichkeit, Schlüsse über die Aufnahme
und öffentliche Wirkung der Schriften zu ziehen. Äußerungen Ekberts
und Elisabeths zeigen, dass Elisabeth unter dem Spott litt, mit dem Zeitgenossen
bis in die geistlichen Reihen hinein ihren Visionen begegneten. Elisabeths apokalyptische
Prophezeiung für das Jahr 1154 etwa, die in Redaktion B im Liber
de temptationibus inimici zu finden ist, taucht aufgrund der kontroversen Reaktionen,
welche die Vision in der Öffentlichkeit ausgelöst hatte, in den folgenden
Redaktionen nicht mehr auf; auch der Titel Liber de temptationibus findet sich
nach B nicht mehr. Wie sehr Elisabeth unter dem Spott, den die Prophezeiung
hervorgerufen hatte, gelitten hat, zeigt sich auch in ihrem Brief an Hildegard von
Bingen.162
Ob nach Elisabeths Tod eine Kanonisation angestrebt wurde, ist nicht bekannt.
163 Auch wenn die offizielle Bestätigung von Elisabeths Visionen ausblieb,
sprechen doch die zahlreichen mittelalterlichen Handschriftenüberlieferungen
für sich. Die fehlende kirchliche Anerkennung jedoch ließ einen allgemeinen
Kult um die Schönauer Seherin nicht aufkommen. Elisabeths Todestag
wurde lediglich in Schönau selbst und in den benachbarten Klöstern als Memoria,
nicht als Heiligenfest, gefeiert.164 1584 wurde Elisabeth dennoch in das
Martyrologium Romanum aufgenommen.165
* * *
Im Falle Konrads von Marburg bestand die Repräsentierung seines Beichtkindes
Elisabeth von Thüringen in der Öffentlichkeit aus einer Vielzahl von Aufgaben,
da er, außer mit der Seelenführung seines Schützlings166, nach dem Tod des
Landgrafen Ludwigs IV. auch mit der Wahrung von Elisabeths weltlichem
Schutz betraut worden war. Diese Aufgabe bestand unter anderem darin, die
Streitigkeiten um ihr Wittum mit der landgräflichen Familie auszutragen, um die
nötigen materiellen Voraussetzungen zu schaffen, innerhalb derer Elisabeth ihr
religiöses Ideal nach radikaler Christusnachfolge unter seiner Leitung leben
konnte. Dies stellte sich jedoch als nicht einfach heraus, da Elisabeth während
ihres Winter in Eisenach 1227/28167 die Möglichkeit gehabt hatte, ihren Wunsch
nach äußerster Armut auszuleben und nun, einige Monate später, im Zuge ihres
162 Ebenda, 34.
163 Clark, Elisabeth of Schönau, 27; im Gegensatz zu Köster, Elisabeth von Schönau, 41, der
davon ausgeht, dass man nach Elisabeths Tod von Schönau aus die Heiligsprechung in aller
Form betrieben habe, das Verfahren jedoch ergebnislos verlief.
164 Köster, Elisabeth von Schönau, 41.
165 Clark, Elisabeth of Schönau, 27.
166 Zu den Einzelheiten des geistlichen Verhältnisses von Konrad und Elisabeth siehe Kap.
3.2.
167 Siehe Kap. 2.2.
53
Karfreitagsgelübdes 1228 auch ihrem Besitz entsagen wollte. Das Ablegen eines
Armutsgelübdes wurde ihr jedoch von Konrad, mit Verweis auf ihr Gehorsamsgelübde
ihm gegenüber, untersagt, da ein derartiger Schritt seine Bemühungen
um Elisabeths Wittumsgüter weitgehend zum Scheitern verurteilt und einen
formellen Verzicht Elisabeths auf ihre Rechte bedeutet hätte. Da die Auseinandersetzungen
mit den Thüringer Landgrafen aufgrund der immensen Vermögenswerte
wahrscheinlich heftig gewesen waren, liegt der Schluss nahe, dass
Konrad die Entscheidung über die Verwendung der Güter sich selbst vorbehielt.
168 Ob er dabei schon eine Hospitalgründung für Elisabeth unter seiner Obhut
erwogen hatte, nachdem Kloster oder Klause, nach ihren eigenen Angaben,
für sie nicht in Frage kamen, lässt sich nicht nachvollziehen. Nach der Klärung
der Erbstreitigkeiten und nach der Gründung und dem Bau des Hospitals bei
Marburg konnte Elisabeth schließlich mit ihrem Eintritt in das Hospital zum
Winteranfang 1228 ihr ersehntes Armutsgelübde ablegen. Dennoch blieb der
Konflikt zwischen Konrad und Elisabeth über Besitzfragen bestehen. Auch nach
der Ablegung des Armutsgelübdes und der Übertragung ihres gesamten Vermögens
an Konrad hielt sie an ihrer radikalen Abkehr von jeglichem Hab und Gut
fest sowie an ihren Bestrebungen, alles den Armen zukommen lassen zu wollen.
So beschrieb Konrad, dass, wenn er Elisabeth schalt, weil sie die Ärmsten und
Verachtetsten an ihren Tisch holte, sie ihr Verhalten damit begründete, dass sie
den Glanz ihres früheren Lebens durch solche Erniedrigungen ausgleichen
müsste.169 Außerdem habe er Elisabeth mit Schlägen bestraft, wenn sie gegen
sein Verbot Arme beschenkte, und er habe ihr untersagt viel auf einmal zu geben,
woraufhin Elisabeth Einzelnen mehrfach je einen Pfennig gegeben hätte
und, als ihr auch dies verboten wurde, hätte sie je ein Brot an die Armen und
schließlich nur einzelne Brotstücke vergeben.170 Auch wenn diese aus der
Summa Vitae entnommenen Episoden vermutlich hauptsächlich der Vermittlung
von Elisabeths heiligmäßigem Leben dienen sollten, lassen sich doch ansatzweise
die Spannungen ablesen, die wahrscheinlich in Bezug auf eben diese Besitzfragen
zwischen Konrad und seinem Beichtkind bestanden haben müssen.
Die Art von Elisabeths Vorstellungen zeigen sich in einer weiteren überlieferten
Episode, in der Konrad sie einmal gewähren ließ und Elisabeth daraufhin in einer
spektakulären Aktion eine, für die Masse der Bevölkerung unvorstellbare
Summe von 500 Mark an einem Tag persönlich an Notleidende verteilte; dieser
Betrag entsprach einem Viertel (!) der von Konrad ausgehandelten Abfindung
für ihr Wittum.171 Sollten also der Bestand des Hospitals und damit die äußeren
Bedingungen für Elisabeths Wirken auf Dauer bestehen bleiben, mussten von
Seiten Konrads eine geregelte Wirtschaftsführung und strenge Auflagen an Eli-
168 So Werner, Die Heilige Elisabeth, 55.
169 Summa Vitae des Konrad von Marburg, in: Albert Huyskens (Hg.), Quellenstudien zur
Geschichte der hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Marburg 1908, 158.
170 Ebenda, 159.
171 Albert Huyskens (Hg.), Der sog. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth [!] confectus.
Kempten und München 1911, 43 f. und 55 ff.
54
sabeth gewährleistet werden. Da er als Leiter des Hospitals und als päpstlich bestellter
Beschützer Elisabeths für eben diese äußeren Angelegenheiten zuständig
war, sah er sich zu harten Maßnahmen und sogar zur Überwachung seines
Beichtkindes gezwungen.
Bereits drei Jahre nach ihrem Eintritt in das Marburger Hospital starb
Elisabeth am 17. November 1231. Für Konrad bedeutete dies allerdings in
keinster Weise eine Entbindung von seinen Pflichten als Beichtvater. Erst sechs
Jahre zuvor hatte Elisabeth ihr erstes Gelübde gegenüber Konrad abgelegt. Während
dieser Zeit hatte sie sich in nur wenigen Jahren von einer jungen, königlich
geborenen Landgräfin zu einer in tiefer Demut lebenden, Gott geweihten Frau
entwickelt, wodurch sie schon unmittelbar nach ihrem Tod in weiten Kreisen der
Bevölkerung im Ruf der Heiligkeit stand. So sind bereits fünf Monate nach ihrem
Tod, im April 1232, Pilger aus dem Bergischen Land, dem nördlichen Sauerland,
dem hessisch-thüringischen Grenzgebiet und aus dem unteren Lahngebiet
in Marburg bezeugt. Bis August 1232 weitete sich das Einzugsgebiet der
Wallfahrt bis in die Diözese Utrecht, nach Köln und an den Mittelrhein bis nach
Worms aus.172 Konrad hatte diese volksfromme Verehrung von Anfang an zugelassen
und begleitet und leitete bereits im Frühjahr 1232 ein Kanonisationsverfahren
bei der Kurie ein. Seine Intention bestand vermutlich in einer persönlichen
Verehrung für sein Beichtkind, der tiefen Überzeugung ihrer Heiligmäßigkeit
und in dem Wunsch, mit Elisabeth ein gelebtes Vorbild zu schaffen für das
von ihm gepredigte Leben gemäß des Evangeliums. Ausschlaggebender war
wahrscheinlich jedoch die Möglichkeit, den Elisabeth-Kult mit dem Kampf gegen
die Häresie, der in Konrad seinen wichtigsten Verfechter besaß, zu verbinden.
Die päpstliche Bestellung zum selbständigen Ketzerrichter hatte er kurze
Zeit vor Elisabeths Tod (12.Oktober 1232) erhalten. Zahlreiche Hinweise zeigen,
dass Konrad die volksfromme Verehrung nach ihrem Tod sofort für die
geistliche Auseinandersetzung mit den Häretikern und für die Rückgewinnung
der Gläubigen nutzte.173 Dafür wählte er an Festtagen als Ort seiner großen Ketzerpredigten,
auf deren Besuch ein Ablass stand, das Marburger Hospital, wo
seine Hörer Zeugen der Wunder Elisabeths wurden. So predigte Konrad etwa,
dass eine kranke Waldenserin aus dem Westerwald erst nach ihrer Abkehr von
der Häresie von Elisabeth geheilt wurde.174 Diese Wunder seines Beichtkindes
erhöhten seinen Ruhm als confessor sancte Elisabeth [!] und steigerten damit
auch seine Autorität als Verfechter des wahren Glaubens gegen die Ketzerei.
Dass diese Verbindung Konrads von Elisabeth-Kult und Ketzerverfolgung anscheinend
gute Folgen hatte, zeigt sich am Beispiel der landgräflichen Stadt
Grünberg in Hessen: In dieser Stadt hatte es viele und frühe Pilger zum Elisabeth-
Grab nach Marburg gegeben; zeitgleich zu diesem Umstand kam es auch
zu Denunziationen, Verurteilungen und Verbrennungen von Ketzern.175 In sei-
172 Werner, Mater, 456.
173 Ebenda, 457.
174 Ebenda, 457.
175 Ebenda, 457 mit Anm. 40.
55
nem ersten Heiligsprechungsantrag vom August 1232 brachte Konrad genau
diese Intention zum Ausdruck, indem er sein Schreiben mit der Schilderung der
Ketzergefahren in Deutschland begann, anschließend damit fortfuhr, dass
Christus zur Bekämpfung dieser Gefahren die Wunder Elisabeths als leuchtendes
Beispiel für nostre fidei veritatem ins Feld geführt habe und seinen Antrag
mit der dringenden Bitte an den Papst beendete, Elisabeth in subsidium universalis
ecclesie et hereticorum confutandam pravitatem zur Ehre der Altäre zu erheben.
176 Beide thüringischen Landgrafen, Heinrich Raspe und Konrad, wurden
bei diesem ersten offiziellen Antrag als Zeugen von Elisabeths Wunderheilungen
angeführt. Die Landgrafen wollten sich der Dynamik des Geschehens nicht
entziehen, da die Verehrung und die Bemühungen um eine Heiligsprechung im
August 1232 soweit fortgeschritten waren, dass sie das Ansehen und die politische
Stellung der landgräflichen Familie unmittelbar berührten.
Völlig unbeteiligt blieb zu Anfang dieser Kanonisationsbemühungen Erzbischof
Siegfried von Mainz, der mit den Landgrafen von Thüringen in einem
territorialpolitischen Konflikt um Oberhessen stand. Konrad konnte aufgrund
seiner engen Beziehung zur Kurie, die sich durch die Vielzahl seiner Ämter ergeben
hatte, seinen Antrag auf die Aufnahme eines Kanonisationsverfahrens
auch ohne die Fürsprache des betreffenden Erzbischofs stellen. Neben dem
Wunderbericht beinhaltete der Antrag auch eine kurze Lebensbeschreibung, die
bereits mehrfach erwähnte sogenannte Summa Vitae, um den Papst nicht nur
über Elisabeths Wunder, sondern auch über ihr Leben zu informieren. Diese Lebensbeschreibung
umfasste allerdings nur die Jahre von ca. 1226-1231, die Zeit
also, in der das Beichtvater–Beichtkind-Verhältnis bestanden hatte. Der eingegangene
Antrag und der Wunderbericht veranlassten daraufhin den Poenitentiar
und Kaplan des Papstes, Raimund von Peñaforte, sich in Bezug auf nähere Informationen
über die Wunder an Konrad zu wenden. Dieser ging jedoch, trotz
mehrfacher Anmahnung, nicht auf die Anfrage ein. Der Grund hierfür waren
vermutlich Konrads Bemühungen, den Erzbischof doch noch für die Kanonisation
zu gewinnen, um spätere Schwierigkeiten wegen der Übergehung der
nächsthöheren und anfänglich zuständigen kirchlichen Autorität zu vermeiden.
Eine Gelegenheit dazu bot sich bei der Weihe zweier Altäre in der neuen Kapelle
des Marburger Hospitals am 10. August 1232. Der Bau der Kapelle war
erst im Frühjahr desselben Jahres begonnen worden und daher nur zu einem geringen
Teil fertig gestellt. Diese Weihe stellte für Konrad die einzige Möglichkeit
dar, den Erzbischof nach Marburg zu bewegen. Konrad hielt bei der Weihe
selbst die Predigt und forderte alle auf, denen durch eine Wunderheilung Elisabeths
geholfen worden war, am nächsten Tag über diese Heilung mit beigebrachten
Zeugen vor dem Erzbischof und den anderen anwesenden Prälaten auszusagen.
177 Der Erzbischof fühlte sich überrumpelt, ließ aber dennoch am nächsten
Tag die glaubwürdig erscheinenden Wunder aufzeichnen und den Bericht
176 Ebenda, 458.
177 Leinweber, Heiligsprechungsverfahren, 132.
56
mit seinem Siegel und den Siegeln anwesender Prälaten versehen. Zwar war dieser
Bericht, der sechzig Wunder beschrieb, nur summarisch, aber Konrad hatte
damit erreicht, dass nicht nur er, sondern auch der Erzbischof und die anwesenden
Prälaten den Bericht bestätigten. Der Papst beauftragte am 13. Oktober
1232, nach dem Erhalt der beschriebenen Schriftstücke, Erzbischof Siegfried
von Mainz, Abt Raimund von Eberbach und Konrad von Marburg mit der
Durchführung eines neuen Zeugenverhörs zu den bereits mitgeteilten Wundern.
Zu diesem Zweck hatte er dem Schreiben ein Formular beigefügt, das den Ablauf
der Vernehmungen bis ins kleinste Detail festlegte. Es sollten genaue Angaben
darüber gemacht werden, wie der Zeuge das Wunder erfahren habe,
wann, wo und in wessen Gegenwart es geschehen sei sowie die Bezeugung darüber,
wer dabei mit welchen Worten angerufen worden war. Name und Herkunftsort
des jeweiligen wunderbar Geheilten sollten notiert werden und für den
Fall, dass ein Zeuge den Geheilten schon vorher gekannt habe, sollte dieser angeben,
wie viele Tage vor dem Wunder er ihn gesehen habe und wie lange der
inzwischen Geheilte krank gewesen sei. In einem Schreiben vom darauf folgenden
Tag ließ der Papst den Adressaten noch genauere Instruktionen zukommen.
Er gab ihnen den Auftrag, Zeugen zum Leben, Lebenswandel und zu den Wundern
Elisabeths zu vernehmen, die Aussagen aufzuzeichnen und diese solange
versiegelt aufzubewahren, bis man sie durch ein erneutes Schreiben zur Rücksendung
auffordern würde.178 Die Kommissare kamen ihren Aufträgen zu Beginn
des Jahres 1233 nach und verhörten über 600 Zeugen. Als der Erzbischof
und der Abt von Eberbach durch andere Aufgaben beansprucht wurden, setzte
Konrad mit Hilfe einiger Ordens- und Weltgeistlicher die Arbeit fort, bis der
letzte Zeuge vernommen worden war. Da er jedoch nicht auf die Aufforderung
der Kurie warten wollte, setzte sich Konrad über die päpstliche Anordnung hinweg
und sandte bereits nach Abschluss der Befragungen, Ende Februar oder Anfang
März 1233, die Protokolle nach Rom. Zusammen mit der Abschrift dieser
Protokolle schickte er auch erneut die Summa vitae an die römische Kurie, die
nun allerdings als amtlicher Bericht einer päpstlichen Kommission fungierte.
Die Kommission hatte, laut päpstlicher Anweisung, auch Zeugen zu Elisabeths
Leben und Lebenswandel vernehmen sollen. Die Kommissare hatten sich jedoch
dieses Auftrages entledigt, indem sie im Wesentlichen nur die Dienerinnen des
von Elisabeth gegründeten Hospitals befragten. Die Grundlage dieser Befragung
stellte dabei die von Konrad verfasste Vita dar. Da sich bei dem Verhör aber
keine Berichtigungen und Ergänzungen ergaben, wurde die Summa vitae fast
wörtlich in den Bericht an den Papst übernommen.
Trotz der gründlichen Beweisaufnahme geriet das Kanonisationsverfahren
ins Stocken. Konrad von Marburg wurde am 30. Juli 1233 ermordet, womit die
treibende Kraft der Bemühungen um die Heiligsprechung fehlte. Das Verfahren
wurde jedoch durch die Initiative der landgräflichen Familie und des Deutschen
178 Ebenda, 132.
57
Ordens wieder aufgenommen, so dass Elisabeth schließlich 1235 heilig gesprochen
wurde.
* * *
Johannes Marienwerder hat sich sowohl für die schriftliche Überlieferung der
Offenbarungen seines Beichtkindes als auch für dessen Kanonisation intensiv
eingesetzt. Nach Dorotheas Tod am 25. Juni 1394 und ihrer achtzehn Wochen
später erfolgten, zweiten Beisetzung, nahm die Zahl der Fürbittenden so zu, dass
man noch 1394 begann, die durch Dorothea begnadeten oder geheilten Personen
verhören zu lassen und die Wunder zu protokollieren. Johannes sprach darauf in
seinen Predigten über diese Wunder und machte sie dadurch in weiten Bevölkerungskreisen
bekannt. Somit entstand durch die große Breitenwirkung in der Öffentlichkeit
der Wunsch nach einer offiziellen Kanonisation Dorotheas.179 Das
Vorhaben wurde intensiv von den obersten geistlichen und weltlichen Behörden
des gesamten Ordenslandes vorangetrieben. Briefe der beiden Beichtväter Johannes
Rymann und Johannes Marienwerder, die einen kurzen Abriss von Dorotheas
Leben enthielten, sowie das Protokoll der im letzten Jahr an ihrem Grab
geschehenen Wunder wurden dem Ordensprokurator an der römischen Kurie
zugesandt, damit dieser die Unterlagen dem heiligen Vater zukommen ließ. Außerdem
übersandte man Papst Bonifatius IX. noch ein separates Schreiben mit
Visionen Dorotheas, die sie über Bonifatius gehabt hatte. Der Papst ordnete daraufhin
die Einleitung des Prozesses an, und für Johannes stellte sich somit die
Aufgabe, möglichst bald eine Darstellung von Dorotheas Leben auszuarbeiten.
1396 erschien unter der Mitarbeit des Johannes Rymann ein erstes Kompendium,
das in den ersten 57 Kapiteln das Schicksal Dorotheas bis zu ihrer Ankunft
in Marienwerder schilderte. Die folgenden 30 Kapitel enthielten einen
kurzen Abriss ihrer mystischen Theologie, unter Berücksichtigung ihres Aufenthaltes
in der Klause. Das Schlusskapitel berichtete über ihre letzten Reden
und die Art und Weise ihres Todes. Johannes Marienwerder hatte im Prolog zu
diesem Kompendium angeführt, dass er später ein ausführlicheres Werk über
Dorothea liefern wolle, womit er vermutlich direkt nach der Fertigstellung des
Kompendiums begann. Dabei handelte es sich um eine schwierige Aufgabe, da
er seine nach Dorotheas Mitteilungen geführten Tagebücher nicht einfach abschreiben
konnte. Dorothea selbst war offenbart worden, dass ihre Visionen bei
denjenigen, die sie lesen oder hören sollten, fruchten würden.180 Deshalb forderte
sie ihre Beichtväter dazu auf, mit großer Sorgfalt bei der Darstellung und
Anordnung der Visionen vorzugehen.181 Für Johannes bestand die größte
Schwierigkeit bei der Darstellung der Offenbarungen in der Komplexität ihres
Inhalts. Da er den Ansprüchen seines Beichtkindes genügen wollte, teilte er das
179 Hipler, Johannes Marienwerder, 60.
180 Ebenda, 63.
181 Ebenda, 64.
58
Material in drei Gruppen ein. Das Material der ersten Gruppe bezog sich auf das
äußere Leben Dorotheas, die zweite Gruppe war dem Kirchenjahr und den Heiligenfesten
gewidmet und die dritte Gruppe beinhaltete einzelne, außerordentliche
Vorgänge von Dorotheas innerem Seelenleben. Somit waren drei der zukünftigen
Werke vorgezeichnet, wobei eine ausführliche Lebensdarstellung die
Ausgangsbasis für alle weiteren Schriften darstellen sollte. Johannes teilte die
Vita in sieben Bücher ein, in Beziehung zu den sieben apokalyptischen Bildern.
182 Die Bücher selbst zeichnen in 237 Kapiteln ein vollständiges Bild von
Dorotheas Lebensweg und der Entwicklung ihrer visionären Persönlichkeit. Johannes
behielt die dem Werk zugrunde liegenden Worte Dorotheas überall bei,
was teilweise, aufgrund ihrer Beichten und Gespräche mit ihm, auch in dialogischer
Form, geschah. Zur Erläuterung fügte er passende Stellen aus der Heiligen
Schrift, Beispiele aus dem Leben der Heiligen und teilweise sogar theologische
Exkurse der Lebensbeschreibung an. Johannes beendete das Werk, die sog. Vita
Latina, vermutlich noch im 14. Jahrhundert und widmete sich wahrscheinlich
direkt im Anschluss der Redaktion der übrigen Offenbarungen, und zwar dem
Teil, der sich thematisch mit dem Kirchenjahr beschäftigte und damit die
Grundlage des Liber de festis bildete. Aufgrund der Fülle des Materials zu diesem
Themenkreis verzichtete er jedoch auf Vollständigkeit, was er im Prolog
anführte: „Die Fülle dieser außerordentlichen Erscheinungen im einzelnen zu
beschreiben ist durchaus unmöglich; es sollen daher nur einzelne Tage gleichsam
beispielsweise herausgehoben werden, um daran zu zeigen, wie wunderbar
und mannigfaltig die Wirkungen Gottes in ihr waren“183. Er beschrieb daher in
130 Kapiteln exemplarisch 50 Feste, wie Dorothea sich darauf vorbereitete, wie
lange sie an dem jeweiligen Tag in Ekstase war, wie oft ihr der Heilige Geist
gesandt wurde usw., wodurch dem Werk in der Forschung eine gewisse Monotonie
zugesprochen wird. Diese mag, unterstützt durch den eigentümlichen Inhalt,
der vermutlich mehr für das Studium als für die moralisch erbauende Lektüre
geeignet war, auch der Grund dafür gewesen sein, dass der Liber de festis
im Gegensatz zu den anderen Schriften Marienwerders verhältnismäßig wenig
kopiert und verbreitet wurde.184
Im Septililium verarbeitete Johannes die restlichen Offenbarungen seines
Beichtkindes. Da anscheinend aufgrund des sich hinziehenden Kanonisationsprozesses
Zweifel und Neid aufkamen, welche die Heiligmäßigkeit Dorotheas in
Frage stellten, sah er es als seine Aufgabe an, diese Zweifel zu zerstreuen. Man
geht davon aus, dass die Ansicht des Johannes, dass sein Beichtkind durch ihre
Offenbarungen den christlichen Glauben gestärkt und unterstützt habe, sich auf
die in diesem Werk enthaltenen Visionen und Offenbarungen stützt und dass es
sich, theologisch gesehen, um sein wichtigstes Werk handelt.185 Besonders
hervorzuheben ist hierbei der Schlusstraktat des Septililium. Die ersten sechs
182 Ebenda, 65.
183 Ebenda, 68.
184 Ebenda, 69.
185 Ebenda, 70 f.
59
Kapitel berichten über Dorotheas Beichten im Allgemeinen, die letzten 21 dagegen
geben einen Teil ihrer ekstatischen Beichten wortgetreu wieder. Sie liefern
damit einen Beitrag zur genauen Charakteristik der Rekluse und zur spezielleren
Kenntnis des katechetischen Unterrichts jener Zeit. Die diesem Unterricht
zugrunde liegenden Themen – der christliche Glaube, die sieben Sakramente,
die zehn Gebote und das Vaterunser – sind vermutlich in der Form, in der sie im
Ordensland des 14. Jahrhunderts vermittelt worden sind, allein durch Dorotheas
Beichten überliefert.186 Mit der Fertigstellung des Septililium hatte Johannes nun
drei voneinander unabhängige, aber doch auch zusammengehörige Werke geschaffen,
deren Rezeption für einen theologischen gebildeten Leserkreis geeignet
war. Trotz seiner vielfältigen Aufgaben als Domdechant war es ihm gelungen,
innerhalb von fünf Jahren diese drei umfangreichen Werke zu erstellen.
Wie schon zuvor skizziert, sah sich Johannes zu Ende des 14. Jahrhunderts
mit einem Anhänger Wyclifs konfrontiert, zu dessen Abwehr er seine Expositio
symboli Apostolorum verfasste, die zur Unterweisung des Seelsorgeklerus
dienen sollte.187 Trotz seiner Erfahrungen mit Dorothea und der damit
verbundenen Hinwendung zur Mystik, kann das Werk durchaus als scholastische
Schrift bezeichnet werden, in der sich seine Prager Ausbildung widerspiegelt.
188 Vor der Erklärung der einzelnen zwölf Glaubensartikel stehen zwei Prologe;
Johannes referiert im ersten Prolog über den Glauben und das theologische
Studium und befasst sich im zweiten Prolog mit den Ursachen des Irrglaubens,
der Art und Weise des Glaubensstudiums, mit dem Symbolum189 selbst und abschließend
mit dem Sakrament der Eucharistie.190 Am Schluss des Werks führt
er alle im Laufe der Zeit aufgetauchten Häresien in einer seltenen Vollständigkeit
auf und widerlegt diese kurz. Vermutlich durch die Ausrichtung der Schrift
auf das praktisch Verwendbare kam es zu einer schnellen und hohen Verbrei-
186 Ebenda, 72; so zumindest nach Hiplers Erkenntnisstand. (Anm. d. V.)
187 Rossmann, Johannes Marienwerder, 236.
188 Hipler, Johannes Marienwerder, 75.
189 Erkennungszeichen, Glaubensbekenntnis, Initiationsformel; die Kirchenväter, beginnend
mit Ambrosius, Augustinus und Rufinus, bezeichneten mit Symbolum jene regula professionis
oder regula fidei, die als Zusammenfassung des wahren Glaubens für die Taufe notwendig
waren. Die Bezeichnung des Taufbekenntnisses als Symbolum ist abendländischen
Ursprungs; das altrömische Taufsymbolum wird gegen Ende des 4. Jhs. als s. apostolorum
bezeichnet. Das apostolische Symbolum erreicht im Westen in den nächsten Jahrhunderten
unbestrittene Anerkennung und den Ruf unangetasteter apostolischer Herkunft, die jedoch
auf dem Konzil von Ferrara-Florenz (1438) als fromme Legende ausgewiesen werden
konnte. Das Symbolum war ursprünglich die Zusammenfassung der Katechese, die vor der
Taufe gegeben wurde und in der rituellen Formel des Taufgelöbnisses kulminierte. Auf dem
Konzil von Nikaia, das seinen Glauben auf der Grundlage eines Taufbekenntisses begründete,
wurde der so verfasste Glaube zum Kennzeichen der Orthodoxie und zur Norm – regula
fidei, um den rechten Glauben auszudrücken und die Rechtgläubigkeit festzustellen. So
Petar Vrankić, Symbolum, in: Lexikon des Mittelalters VIII. München und Zürich 1996, Sp.
358 ff.
190 Rossmann, Johannes Marienwerder, 236 f.
60
tung des Werkes.191 Auch eine deutsche Bearbeitung der Expositio, die unter
dem Titel Erklerung der zwoelff Artickel des Christenlichen gelaubens 1483 und
1485 von Cunrad Dinckmut in Ulm gedruckt wurde, geht vermutlich auf Johannes
Marienwerder zurück.192
Das Auftreten von Wyclifs Irrlehren hatte vermutlich 1400/01 eine Visitationsreise
Marienwerders nach sich gezogen. Durch diese Aufgabe als Visitator
für den nördlichen Teil seiner Diözese Pomesanien war Johannes wahrscheinlich
intensiv mit Laien und Klerikern in Kontakt gekommen. Nach seiner
Rückkehr entschloss er sich daher, Dorotheas Vita auch einem wissenschaftlich
ungebildeten Publikum zugänglich zu machen und bearbeitete sie in deutscher
Sprache. Sein Vorhaben wurde auch vom Deutschen Orden begrüßt, der in der
Person seines Hochmeisters, Konrad von Jungingen, einen großen Förderer des
Dorothea-Kultes hatte. Johannes entschied sich, anscheinend im Gegensatz zu
einer gängigen, poetischen Form, für eine Verfassung der Biographie in Prosa,
was dahingehend gedeutet wird, dass er vermutlich dem Sachgehalt des Werkes
gerecht werden wollte.193 Johannes hatte das Werk wohl direkt nach der Beendigung
der Expositio begonnen und wahrscheinlich innerhalb der folgenden drei
Jahre abgeschlossen. Die der deutschen Vita womöglich zugrunde liegende Intention,
das Leben und die Offenbarungen Dorotheas zur Abwehr von Wyclifs
Häresie heranzuziehen, wird im Vorwort durch den Eindruck verstärkt, dass Johannes
den Anhänger Wyclifs, der anscheinend auch gegen Dorotheas Offenbarungen
gepredigt hatte, direkt anspricht: „Darum, du viehlicher Mensche oder du
Widersprecher der Werke Gottes, die dir unbekannt sind, schweig und verstumme,
widersprich nicht, noch strafe die Wunderwerke Gottes, lass dein Afterkosen
und deine dumme törichte Rede! Sei nicht so argdenkig, dass du wähnest,
dass sie [Dorothea] oder ich unsers Heiles so vergessen seien, dass wir
wollten sagen oder schreiben eine Unwahrheit mit Wissen zu unserm ewigen
Schaden und Verdammnis!…“194
Die deutsche Lebensbeschreibung ist in vier Bücher aufgeteilt, wobei die
ersten drei Bücher in 115 Kapiteln eine freie Überarbeitung der Vita Latina darstellen,
während im vierten Buch Auszüge aus dem Septililium verarbeitet wurden.
Johannes bemühte sich sehr, das Werk dem Publikum anzupassen. Möglichste
Klarheit und Verständlichkeit waren dabei seine oberste Prämisse, weswegen
er sämtliche gelehrte Expositionen und jegliche scholastische Terminologie
wegließ und Dorotheas Kasteiungen nur in abgeschwächter Form beschrieb.
Trotz der Kürze war es ihm vermutlich gelungen, ein lebendiges Charakterbild
seines Schützlings zu zeichnen, da das Werk sich großer Beliebtheit erfreute und
1492 als erstes Buch im Ordensland Preußen unter dem Titel Das leben der zeli-
191 Hipler, Johannes Marienwerder, mit Anm. 2.
192 Rossmann, Johannes Marienwerder, 239.
193 Hipler, Johannes Marienwerder, 79.
194 Ebenda.
61
gen frawen Dorothee clewsenerynne in der thumkyrchen czu Marienwerdir des
landes czu Prewszen von Jakob Karweysze in Marienburg gedruckt wurde.195
1404 gingen die Bemühungen um die Kanonisation Dorotheas bereits in
das neunte Jahr. Wiederholt, vielleicht sogar alljährlich, wurden aus Preußen
Berichte über neue Wunder an Dorotheas Grab nach Rom gesandt, und auch der
Hochmeister des Deutschen Ordens bewilligte weiterhin die notwendigen Gelder
zur Fortführung des Prozesses. Schließlich war die Angelegenheit soweit
fortgeschritten, dass eine juristische Feststellung der Wunder vorgenommen
werden konnte. Da es jedoch unmöglich war, sämtliche Zeugen in Rom zu verhören,
entschloss man sich zu einer Vernehmung vor Ort. Zu diesem Zweck beauftragte
der Papst durch eine Bulle vom 18. März 1404 die Bischöfe von Ermland
und Kulm sowie den Abt von Oliva, den im kanonischen Recht vorgesehenen
Prozess über das Leben, die Verdienste und die Wunder Dorotheas selbst
abzuhalten und ihm anschließend Bericht zu erstatten. Zur Vereinfachung des
Verfahrens hatte der Ordensprokurator an der römischen Kurie, Petrus Wormdith,
einen Katalog mit drei Fragereihen entworfen, von denen die ersten beiden
je zwanzig und die letzte 149 Fragen enthielt, die den einzelnen Zeugen je nach
Befinden komplett oder in einer entsprechenden Auswahl vorgelegt werden
sollten. Die päpstliche Bulle erreichte Marienwerder am 24. Juni 1404, woraufhin
man sofort mit dem Prozess begann und innerhalb der nächsten vier Tage
vierzig Zeugen vernahm. Die beiden Hauptzeugen Johannes Rymann und Johannes
Marienwerder legten, unabhängig voneinander, eine schriftliche Aussage
über das Leben, den Ruf und die Heiligkeit Dorotheas vor, für den Fall, dass sie
vor Prozessende sterben sollten. Beide bekamen jedoch die Möglichkeit, sich
mündlich zu äußern, als am 13. Oktober 1404 die Zeugenvernehmungen fortgesetzt
wurden. Johannes wurde am 27. Oktober ausführlich zum Leben seines
Beichtkindes befragt und bildete damit den Mittelpunkt des gesamten Prozesses.
Außerdem bot ihm seine Vernehmung die Möglichkeit, auf eine eingetretene
Prophezeiung Dorotheas hinzuweisen und damit ihre Heiligkeit zu untermauern.
Dorothea hatte mehrfach vorausgesagt, dass es unter der Regierung Konrads von
Jungingen zu dem lang ersehnten Frieden zwischen Preußen, Polen, Litauen und
Russland kommen werde, was am 23. Mai 1404 mit dem „ewigen Frieden“ von
Razianz eingetreten war.196 In diesem zweiten Durchgang der Verhöre wurden
insgesamt 192 Zeugen befragt, weitere 66 Zeugen wurden bei der Fortsetzung
des Prozesses am 30. Juni 1405 vernommen. Da die Redaktion und die Ausfertigung
der Protokolle durch die vier Kommissare eine langwierigere Aufgabe
war, wurde für den Schluss und die Absendung der Akten der Dorotheentag (6.
Febr.) des nächsten Jahres festgelegt. Am 10. Februar 1406 wurden schließlich
die 339 Pergamentblätter umfassenden Prozessakten sowie andere auf Dorotheas
Leben, Offenbarungen und Wunder bezogene Bände an drei vom Papst bestimmte
pomesanische Geistliche übergeben, welche die Akten nach Rom über-
195 Rossmann, Johannes Marienwerder, 242.
196 Siehe dazu Kap. 2.3.
62
führten.197 Doch durch die Verschlechterung der politischen Verhältnisse geriet
der Prozess ins Stocken, zumal die hohen Kosten zur Fortführung des Verfahrens
durch die Niederlage des Deutschen Ordens in der Schlacht von Tannenberg
nicht mehr aufgebracht werden konnten. Weder der Thorner Frieden
(1411), noch das Konzil von Konstanz (1414-18) brachten Aufschwung in den
Kanonisationsprozess, sondern förderten eher noch die Stagnation. Auf dem
Konstanzer Konzil nämlich äußerte sich Johannes Gerson198 kritisch gegenüber
den verschiedenen Erscheinungsformen der Mystik und deren Einfluss auf das
Volk. Er warnte in seiner damals verfassten Schrift „Über die Unterscheidung
der Geister“ davor, weiblichen Mitteilungen ohne sorgfältigste Prüfung zu vertrauen
oder auf solche Visionen ein zu hohes Gewicht zu legen. Dies waren Äußerungen,
die nicht unbedingt das Klima für eine Heiligsprechung förderten,
zumal es sich bei der Kandidatin um eine ‚Heilige‘ in der ,Diaspora‘ handelte.
Zu einer Kanonisation während des Mittelalters kam es nicht mehr. Mit
dem Tod Rymanns und Marienwerders 1417 fielen die beiden Hauptinitiatoren
der Heiligsprechung aus. Auch eine erneute Anregung zur Wiederaufnahme des
Verfahrens durch den Hochmeister Martin Truchsess von Wetzhausen 1486
blieb ergebnislos.199 Erst 1955 wurde der Prozess wieder aufgenommen und Dorothea
schließlich am 9. Januar 1976 von Papst Paul VI. selig gesprochen.200
3.2. Die geistliche Seelenführung
Kamen die Aufgaben um die Etablierung und Stabilisierung des Kultes und der
Literarisierung von Leben und Werk ihrer Beichtkinder meist erst nach dem Tod
ihrer Schützlinge auf die Beichtväter zu, so war die Zeit zuvor durch eine intensive,
spirituelle Betreuung geprägt: die geistliche Seelenführung. Auf der Suche
nach Unterstützung, geistlicher Führung und vermutlich auch Verständnis waren
Elisabeth von Schönau, Elisabeth von Thüringen und Dorothea von Montau an
ihre Beichtväter herangetreten. Während ihr heimisches Kloster Elisabeth von
Schönau den Rückhalt bot, um ihre spezifische Frömmigkeit zu leben und ihre
visionäre Persönlichkeit zu entfalten, so handelte es sich bei Elisabeth von Thüringen
und Dorothea von Montau um Laien, die vermutlich erst durch ihren Anschluss
an einen Geistlichen die Möglichkeit sahen ihre religiösen Ideale zu
197 Hipler, Johannes Marienwerder, 84.
198 Theologe, * 14. Dez. 1363 in Gerson-lès-Barby, Grafschaft Rethel (Flandern), † 12. Juli
1429 in Lyon; nahm seit dem 21. Februar 1415 am Konstanzer Konzil teil, wo er am 23.
März 1415 seine einflussreiche Predigt Ambulate zur Oberhoheit des Konzils über den Papst
hielt. Durch seine Schriften hat Johannes starken Einfluss ausgeübt, unter anderem durch
seinen Traktat De mystica theologia; zu weiteren Angaben siehe Remigius Bäumer,
J.(ohannes) Carlerius de Gerson, in: Lexikon des Mittelalters V. München und Zürich 1990,
Sp. 561 f. Zu Gerson siehe auch jüngst Brian P. McGuire (Hg.), Companion to Jean Gerson.
Leiden 2006.
199 Hipler, Johannes Marienwerder, 72.
200 Hörner, Dorothea von Montau, 11.
63
verwirklichen und vielleicht auch besondere Formen der Frömmigkeit und des
religiösen Lebens vor ihrer Umwelt zu rechtfertigen. Vermutlich schützte auch
erst der Anschluss an einen geweihten Geistlichen vor der Gefahr, durch die
Abweichung von mancher Norm von Frömmigkeit nicht als Häretikerin in Verruf
zu kommen.
Bei Ekbert von Schönau wirkte sich die Tatsache, dass er nicht Elisabeths
Beichtvater war, vermutlich nur in der Form aus, dass er seiner Schwester nicht
‚offiziell‛ die Beichte abnehmen und ihr nicht die Absolution erteilen konnte.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihm damit die Möglichkeit verwehrt blieb, auf
die Entwicklung von Elisabeths visionärer Persönlichkeit einzuwirken; eher
noch wurde Ekberts Einfluss auf seine Schwester sogar von Seiten der Ordensleitung
unterstützt. Wie bereits skizziert, stellt sich dennoch die Frage, worauf
Ekberts Entschluss, seine frühen beruflichen Errungenschaften und möglichen
Aussichten als Weltkleriker zu verwerfen, zurückzuführen ist. Sein Biograph
Emecho sprach dabei, als benediktinischer Mönch, natürlich seiner benediktinischen
Mitschwester Elisabeth eine wichtige Rolle zu. Dies erscheint jedoch
fraglich, da Elisabeth als Frau und als Nonne vermutlich keine Autorität für ihren
Bruder darstellte. Vielmehr muss für Ekbert wahrscheinlich ein besonderer
Reiz von seinem neuen Leben ausgegangen sein. Ein Brief an Rainald von Dassel,
voller Beispiele kirchlicher Dekadenz und mit der Ermahnung ein spirituelleres
Leben anzustreben, weist auf eine mögliche Desillusionierung Ekberts gegenüber
seinem Leben als Weltkleriker hin.201 Seine religiösen Werke, unter
anderem Predigten, gebetsartige Stücke und Hymnen202, zeugen von einer
persönlichen, gefühlsbetonten Frömmigkeit, die in der Forschung mit derjenigen
Bernhards von Clairvaux verglichen wird.203.
Für Elisabeth bedeutete der Einritt ihres Bruders ins Kloster, wie bereits
mehrfach erwähnt, einen Wendepunkt in ihrem Leben. Sie brauchte sich nun
keine Sorgen mehr um das Seelenheil Ekberts zu machen, da er sich nicht mehr
im Stand eines Weltklerikers befand, und hatte in ihm jemanden um sich, dem
sie vertrauen konnte.204 Vielleicht traute Elisabeth, nach dem Problem um ihre
Vision für das Jahr 1154205, ihrem Bruder im Gegensatz zu Abt Hildelin auch
größeres Feingefühl bei der Veröffentlichung ihrer Visionen zu und bei der Einschätzung,
welche ihrer Offenbarungen eventuell nur für ein ausgewähltes Publikum
geeignet waren. Der Einfluss Ekberts äußerte sich tatsächlich vor allem in
Elisabeths Visionen, da durch ihn neue Gesichtspunkte in den Vordergrund traten.
So finden sich zum Beispiel nach Ekberts Eintritt häufigere Referenzen auf
Familienmitglieder und Freunde. Außerdem führte Elisabeth an, sie sei von „je-
201 Clark, Elisabeth of Schönau, 18 mit Anm. 48.
202 Köster, Ekbert von Schönau, Sp. 438.
203 Clark, Elisabeth of Schönau, 18.
204 „Siehe, bei deiner Ankunft begann meine Seele sich zu trösten, und es ward eine große
Ruhe in mir… Was nun geschehen soll, das zu entscheiden steht bei dir und dem Herrn
Abte.“ (Köster, Elisabeth von Schönau, 25 – ohne Angabe des Originalzitats).
205 Siehe oben Kap. 2.1.
64
mand Gelehrterem“206 dazu angetrieben worden, Fragen mit einer deutlich
theologischen Ausrichtung zu erforschen, was als Zielrichtung in den frühen
Gesichten vor Ekberts Eintritt nicht zu finden ist. Bei den theologischen Problemen
handelte es sich beispielsweise um Fragen über die Genauigkeit der
Werke des Dionysius Areopagita oder über die Bedeutung zweifelhafter Passagen
in den Briefen des Apostels Paulus. Diese Themen zeigen deutlich eine intensivere
Beschäftigung mit theologischen Fragen und stehen damit im Kontrast
zum Interesse der frühen Gesichte Elisabeths, die mehr von der Liturgie der
Gottesdienste und der Verehrung der Heiligen geprägt waren. Während also die
frühen Visionen Elisabeth selbst und ihren Erfahrungshorizont abbilden, weisen
die späteren Offenbarungen eine neue Phase in ihrem visionären Erleben auf, in
der sie ermutigt wurde, ihre spezielle Beziehung zu Gott in Bezug auf bestimmte
theologische Problemstellungen direkter zu nutzen. Die Bedeutung von Ekberts
Entscheidung, in den Schönauer Konvent einzutreten und damit eine aktive
Rolle in Elisabeths ,visionärer Karriere‘ einzunehmen, scheint daher offensichtlich
zu sein.207
Ekbert hat in Bezug auf die Aufzeichnungen der Visionen seiner Schwester
betont, dass er nur das niedergeschrieben habe, was Elisabeth ihm berichtete.
208 Die Tatsache aber, dass es sich bei den in den Aufzeichnungen
präsentierten Berichten häufig um Antworten Elisabeths auf eine Reihe von Fragen
Ekberts handelte, die ihr bezüglich genauer Einzelheiten ihrer Visionen auf
die Sprünge helfen sollten, ist nicht überliefert. Der mögliche Verlauf der Ereignisse
sowie des Arbeitsprozesses vom Beginn der Visionen bis zu ihrer Niederschrift
kann möglicher Weise wie folgt ausgesehen haben: Elisabeth begann außergewöhnliche
Visionen zu empfangen. Sie fürchtete sich davor, diese bestimmten
Menschen zu erzählen, die sie danach fragten, aber sie beschrieb sie
einigen ihrer Mitschwestern, welche die Visionen niederschrieben. Auch Ekbert
erfuhr bei seinen Besuchen in Schönau von Elisabeths Gesichten. Sein Interesse
an den Erfahrungen seiner Schwester hat ihn vermutlich dazu bewegt, bei ihr in
Schönau zu leben und das Sammeln und Verlegen ihrer Visionen zu übernehmen.
Dafür trug er das bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Material zusammen,
das er später in die visionären Tagebücher einbeziehen sollte. Er fragte Elisabeth,
was sie hörte und sah, und lieferte den Impuls für neue visionäre Erfahrungen,
indem er ihr Fragen für ihre himmlischen Informanten mit auf den Weg
gab, und zeichnete anschließend die Beschreibungen dieser Visionen auf. Dann
überarbeitete er diese Aufzeichnungen, übersetzte, verfeinerte und redigierte sie,
bis er einen Text vor sich hatte, der dem entsprach, was er für publikationswürdig
hielt. Elisabeth erzählte Ekbert wohl nicht alles, was sie sah, und Ekbert
publizierte nicht alles, was Elisabeth ihm erzählte. Die Darstellung der möglichen
Ereignisse lässt jedoch Fragen offen. Auch die Beziehung der Geschwister
206 Clark, Elisabeth of Schönau, 17.
207 Ebenda, 18.
208 Siehe Kap. 3.1.
65
bleibt zum Teil unklar. So berichtete Ekbert einem Briefpartner, dass er aufgrund
ihrer engen Beziehung Elisabeths Erlebnisse besser deuten könne als irgendwer
sonst. Trotz dieser Betonung seines Zugangs zu Elisabeth scheint er
jedoch auch anzudeuten, dass er eher tägliche Informationen über sie erhielt, als
dass er direkten persönlichen Kontakt zu ihr hatte. 209
Bei vielen der visionären Aufzeichnungen sind Elisabeths Worte direkt an
ihren Bruder gerichtet und beinhalten einen familiären, umgangssprachlichen
Ton. Außerdem muss die Tatsache, dass Ekbert und Elisabeth Geschwister waren,
den Kontakt erheblich erleichtert, ja wahrscheinlich sogar erst möglich gemacht
haben. Das Arbeitsverhältnis der Geschwister wurde von ihnen selbst als
Teil desselben göttlichen Plans angesehen, der Elisabeth als Empfängerin des
Wortes Gottes ausersehen hatte.210 Mit dem Beginn der Beziehung durch Ekberts
Eintritt in Schönau kam die bereits erwähnte Veränderung von Elisabeths
Visionen zum Tragen. Dies bedeutete nicht, dass die Gesichte deshalb einseitig
wurden, sie waren jetzt lediglich durch Ekberts Interesse geprägt. Auch ist Ekberts
Einfluss auf Elisabeth deshalb so offensichtlich, weil weder Ekbert noch
Elisabeth versucht haben, ihn zu verbergen. Besonders die drei großen Visionszyklen
Liber viarum dei (LVD), Liber revelationum de sacro exercitu virginum
Coloniensium (Rev. Urs.) und De resurrectione beatae Mariae virginis (Res.
Mar.) gründen sich auf Fragen Ekberts. Somit brachte er Elisabeth auf Themen,
die sie sonst womöglich nicht ins Auge gefasst hätte. Daher erscheint es nicht
verwunderlich, dass sich der Charakter ihrer Visionen nach dem Eintritt ihres
Bruders, bedingt durch die kontinuierliche Verbindung zueinander und Ekberts
reges Interesse im Verfolgen theologischer Fragen, verändert hat. Für Ekbert
stellte jede Vision, die von seiner Schwester empfangen wurde, eine objektive
Realität dar, ganz gleich, ob der Anstoß zu der Vision von außen an sie herangetragen
wurde oder nicht.211 Ekberts Verständnis von Elisabeths visionärem
Erleben ist damit vergleichbar mit dem vieler Bibelkommentatoren des 12. Jahrhunderts.
Diese schenkten dem historischen Werdegang oder der Persönlichkeit
der biblischen Autoren wenig Aufmerksamkeit, da es für sie klar war, dass es
sich bei den Texten um Produkte göttlicher Inspiration handelte. In beiden Fällen
wird die Eingebung durch Gott und werden nicht die Umstände des literarischen
Arbeitsprozesses des Propheten als Quelle und Autorität des Textes angesehen.
212 Dennoch stellt sich immer noch die Frage, woher die Antworten auf
Ekberts Fragen kamen; vor allem dann, wenn Elisabeth eine Frage für ihre
nächste Vision mit auf den Weg gegeben wurde, die sie vielleicht vordergründig
nicht interessierte. In einem solchen Fall ist daher zu überlegen, inwieweit Teile
der Antwort dann vielleicht sogar Ekbert selbst zugeschrieben werden müssten.
Diese Überlegungen sind jedoch nicht leicht zu beantworten, da es sich bei der
Frage nach dem Ursprung und Entstehen einer Vision natürlich um eines der
209 Clark, Elisabeth of Schönau, 54 mit Anm. 19.
210 Ebenda, 55 mit Anm. 22.
211 Ebenda, 56.
212 Ebenda, 56 mit Anm. 24.
66
schwierigsten Probleme bei der Analyse visionärer Texte handelt.213 Ein Versuch,
dem Problem auf den Grund zu gehen, kann nur in der Untersuchung einzelner
Episoden bestehen. So wurde Elisabeth zum Beispiel von Ekbert dazu
angehalten, die Jungfrau Maria zu fragen, ob Origenes214, der von der Kirche als
Häretiker verurteilt worden, aber als Exeget sehr populär war, im Jenseits vor
der ewigen Verdammnis bewahrt werden konnte. Ekbert versuchte also, den
Konflikt um die Diskrepanz zwischen der kirchlichen Verdammung des Origenes
und seiner zeitgenössischen Beliebtheit direkt an höchster Stelle, vermittelt
durch seine Schwester, zu lösen. Laut Elisabeth habe Maria Origenes von jeglicher
bösen Absicht freigesprochen, sein Fehler habe jedoch in der exzessiven
Leidenschaft die Geheimnisse der heiligen Schrift erklären zu wollen gelegen.
Sein himmlisches Schicksal könne Maria jedoch nicht offenbaren, da Gott dieses
Geheimnis nicht enthüllen wolle.215
Nur ein geringer Teil von Fragen, die durch Ekbert oder andere an Elisabeth
herangetragen wurden, sind in den Visionen nicht beantwortet worden.
Oftmals teilte Elisabeth die gewünschten Informationen direkt nach ihrer Kommunikation
mit Engeln und Heiligen ihrer Umwelt mit. Auch im Falle der Kölner
Märtyrer ist erneut die Verbindung von äußerer Anregung durch Ekbert und
anschließendem Visionszyklus die Voraussetzung für die Entstehung des Werkes.
Dennoch fällt auf, dass die beiden religiösen Hauptaspekte des Werkes, die
Verpflichtung zur Jungfräulichkeit und die leidenschaftliche Verehrung der
Heiligen, die gleiche Perspektive widerspiegeln, die bereits in Elisabeths frühen
Gesichten, zusammengefasst im Liber I visionum, zu finden ist, also in den Visionen,
die sie noch ohne jeglichen Anstoß von außen empfangen hatte. Die äußere
Anregung zu den Visionen um die Ursula-Legende ist daher in einem anderen
Zusammenhang zu betrachten als es beispielsweise die Fragen nach dem
jenseitigen Schicksal des Origenes sind, da im Falle der Kölner Märtyrer der
Anstoß von außen mit einem schon vorhandenen eigenen Interesse Elisabeths zu
213 Ebenda, 56.
214 Bedeutendster Exeget, geistlicher Schriftsteller und (neben Augustinus) Theologe der Alten
Kirche, * um 185, † um 254, leitete nach philosophischen Studien die Katechetenschule
in Alexandria. Sein schriftstellerisches Werk ist hauptsächlich mit der Bibel befasst (wiss.
Kommentare, Scholien, Homilien). Schon zu Lebzeiten Angriffen ausgesetzt, kommt es
zwischen 394 und 411 zu einer ersten heftigen Auseinandersetzung über seine Lehren (Verhältnis
zwischen Vater und Sohn, Präexistenz der Seelen usw.). 543 wurden zehn „origenistische“
Sätze durch Kaiser Justinian verurteilt, 553 auf dem 5. ökumenischen Konzil sein
Name unter die Häretiker eingereiht und der größte Teil seines Werkes vernichtet. Seine
Verurteilung verhindert jedoch nicht die Verbreitung seiner ins Lateinische übersetzten
Schriften. Origenes erfährt im Mittelalter sogar eine zweimalige Blütezeit (9. und 12. Jh.)
und ist nach dem Zeugnis der Handschriften der im Früh- und Hochmittelalter am meisten
gelesene griechische Autor. Bezeichnend ist eine gewisse Perplexität gegenüber der Gestalt
des Origenes. Eine äußerste Wertschätzung geht einher mit Versuchen seiner kirchlichen
Verurteilung und seinem vermeintlichen Abfall Rechnung zu tragen; so Hermann-Josef Sieben,
Origenes, in: Lexikon des Mittelalters VI. München und Zürich 1992, Sp. 1455 f.
215 Clark, Elisabeth of Schönau, 57 mit Anm. 25.
67
den betreffenden Themen korrespondierte. Elisabeths Visionen begannen daher
auch bereits beim Eintreffen des Körpers der heiligen Verena in Schönau, und
erst aufgrund dieses Umstandes wandte sich Abt Gerlach von Deutz an die
Schönauer Seherin, um weitere Körper sowie die tituli von ihr identifizieren zu
lassen. Damit wird deutlich, dass die Tatsache, dass Fragen von Ekbert und anderen
an Elisabeth herangetragen wurden, nicht gleichzeitig bedeutete, dass
auch die visionären Antworten zwangsläufig auf Ekbert zurückzuführen sind,
da, wie bereits oben skizziert, auch Fragen unbeantwortet blieben.216
Ähnlich verhält es sich bei Elisabeths Visionszyklus um die körperliche
Auferstehung Marias, der ebenfalls durch Ekbert angeregt wurde. Bei diesem
Themenkomplex musste Elisabeth allerdings im Vorfeld über die Kontroverse
um die Auferstehung der Mutter Gottes bis zu einem gewissen Grad informiert
werden. Daher liegt der Schluss nahe, dass sich gerade in diesem Fall Ekberts
Prädisposition zu dem Thema in der Antwort widerspiegeln könnte. Elisabeth
fragte in ihrer Vision die Jungfrau Maria, ob nur ihre Seele oder auch ihr Körper
in den Himmel aufgefahren sei, da es wegen dieser fraglichen Tatsache eine Unsicherheit
in den Schriften der Väter gebe.217 Die Mutter Gottes habe ihr jetzt die
Frage allerdings noch nicht beantworten können, sondern ihr gesagt, dass ihr die
Antwort erst dann offenbart werde, wenn ihr dieser Umstand enthüllt werden
solle.218 Eine himmlische Antwort wurde Elisabeth schließlich ein Jahr später
offenbart. Sie empfing eine Vision, die ihr von ihrem Engel als Bestätigung der
körperlichen Auferstehung Marias interpretiert wurde. Die Forschung ist der
Ansicht, dass die Vision, die schließlich die körperliche Auferstehung Marias
bestätigte, im Einklang mit Elisabeths anderen Äußerungen über die königliche
Natur der Mutter Gottes und ihrer leidenschaftlichen Verehrung für sie steht.
Somit sollte Elisabeths Bestätigung der körperlichen Auferstehung nicht als
fremde Meinung angesehen werden, die ihr von Theologen aufgedrängt wurde,
um deren Standpunkt durch himmlische Autorität zu bekräftigen.219
Auch in Bezug auf andere Werke wird Ekberts Einfluss durch seine Fragen
deutlich, dennoch sind die Geschwister, wie oben bereits betont, stets der
Ansicht, dass die Antworten auf Ekberts Fragen nur auf Elisabeth und ihre
,himmlische Konversation‘ zurückzuführen seien. Ein weiteres Werk Elisabeths,
der Liber viarum dei, wird in der Literatur kontrovers diskutiert, da Teile der
Forschung in ihm mehr ein Werk Ekberts sehen, weil seine Thematik eher auf
einen weltgewandten Mann als Verfasser denn auf eine Nonne schließen lasse.
220 So spräche beispielsweise die scharfe Verdammung des Sexuallebens
verheirateter Menschen nicht für eine Auseinandersetzung Elisabeths mit diesem
Thema. Andere Teile der Forschung sehen in dieser Thematik jedoch keinen
216 Ebenda, 58 f.
217 Ebenda, 59 mit Anm. 27.
218 Ebenda, mit Anm. 28.
219 Ebenda, 60.
220 Ebenda, mit Anm. 37, wo Clark auf die kontroverse Meinung von Roth und Köster verweist.
68
Widerspruch, da Elisabeths Leben im Kloster nicht notwendigerweise auf eine
Unwissenheit gegenüber anderen Lebensformen, wie zum Beispiel dem Eheleben,
reduziert gewesen sein muss. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte Elisabeth
sogar Kontakt zu verheirateten Frauen, die sie besuchten; außerdem besteht die
Möglichkeit, dass unter ihren Mitschwestern auch verwitwete Frauen zu finden
waren.221 Ein weiterer Punkt gegen eine mögliche Autorschaft Ekberts besteht in
der Tatsache, dass er sich bei der Beschäftigung mit diesem Thema durch seine
Schwester offensichtlich unwohl fühlte. Die beschriebene Passage endet mit Ekberts
Frage, warum Elisabeth das Thema Unzucht in die Abhandlung über die
Ehe mit einbezogen habe, da diese Sünde für Ehepaare doch nicht von Bedeutung
sei. Die Forschung deutet daher die scheinbar bestehende Überzeugung
Ekberts, Elisabeth habe Ehebruch und Unzucht miteinander verwechselt, dahingehend,
dass diese Passage vermutlich nicht von Ekbert konzipiert worden
war.222
Trotz alledem bleibt Ekberts Einfluss auf Elisabeth und ihre Werke unbestritten,
da sein Wissen und seine Lebenserfahrung für sie eine Verbindung
zur Außenwelt darstellten. Durch seine Anregungen bestand für Elisabeth die
Möglichkeit, sich durch die Beschäftigung mit ihr – vielleicht sonst – fremden
Themen weiterzuentwickeln. Ekberts Anstöße nahm sie vermutlich in ihre eigene
visionäre Perspektive mit auf und transformierte sie durch ihren Glauben
daran, dass sich ihr in ihrer Vision der göttliche Standpunkt zu der jeweiligen
Problematik offenbarte. Somit kann Elisabeths Sichtweise nicht auf eine reine
Aufzählung von Meinungen reduziert werden, die sie gegebenenfalls von anderen
um sich herum angenommen hatte.223 Die Abhandlungen im LVD über den
Klerus könnten somit auch, ähnlich wie ihre Visionen des Ursula-Zyklus, als
Elisabeths eigene Reflexionen über die Moral der Kirche erachtet werden.224
Dennoch finden sich im LVD Unterschiede. Nicht alle zehn Abhandlungen
beinhalten den gleichen lebendigen Ton wie zum Beispiel die Passagen über den
Klerus. Eher prosaisch erscheinen in diesem Zusammenhang die Ermahnungen
an Kinder und Heranwachsende.225 Vielleicht handelte es sich hierbei um Themen,
die Elisabeth nicht zu der gleichen intensiven Reflexion bewegten wie
Jungfräulichkeit, Kontemplation oder die Moral des Klerus. Daher entsteht auch
der Eindruck, als ob Ekberts Einfluss in den Passagen stärker hervortritt, die
nicht zu Elisabeths Hauptanliegen gehörten. Vielleicht sah er sich gezwungen,
die Teile zu füllen, in denen die Offenbarungen seiner Schwester nicht so recht
voranzukommen schienen, um unter Umständen eine gleich bleibende Qualität
des Werkes zu sichern.226
221 Ebenda, 62 mit Anm. 38 und 39.
222 Ebenda, mit Anm. 41.
223 Ebenda, 66.
224 Ebenda.
225 Ebenda, mit Anm. 54.
226 Ebenda, 67.
69
Aufgrund der angeführten Beispiele aus dem visionären Werk Elisabeths
steht somit vermutlich außer Frage, dass Ekbert seine Schwester beeinflusst hat.
Deshalb aber Elisabeths visionäres Erleben auf eine reine Suggestion ihres Bruders
zu dezimieren, würde im Gegensatz zu der zeitgenössischen Quelle und
wahrscheinlich auch im Gegensatz zu Ekberts Intention stehen. Denn das Bild,
das er der Öffentlichkeit von seiner Schwester vermitteln wollte, war, dass sie
kein passives Medium gewesen sei.
* * *
Die Beziehung zwischen Konrad von Marburg und seinem Schützling Elisabeth
von Thüringen ist schon von Zeitgenossen betrachtet worden. So wird Elisabeth
in der zeitgenössischen Literatur als hell, liebenswert und mit Demut, Nächstenliebe
und Heiterkeit erfüllte Fürstin dargestellt, wohingegen Konrad als finsterer,
gegen sich und andere harter Gottesmann stilisiert wurde. Seine furchtbare
Strenge brachte ihm in der Öffentlichkeit sowohl Lob und Bewunderung als
auch scharfe Kritik entgegen. Aber gerade die vermeintliche Gegensätzlichkeit
von Konrad und Elisabeth trugen in den Augen ihrer Umwelt wesentlich zu Elisabeths
Heiligkeit bei.227 In der heutigen Literatur findet sich die Vermutung,
dass Konrad, eine der „düstersten Persönlichkeiten der mittelalterlichen Kirchengeschichte“,
228 seine Stellung als Beichtvater benutzte, um die junge
Landgräfin seiner hartherzigen und wenig einfühlsamen Seelenführung zu unterwerfen.
229 Umgekehrt findet sich auch Verständnis für Konrads Person, der
die Geschicke seines oft zu überschwenglichen Beichtkindes mit Weitblick und
Vernunft geleitet habe und Elisabeth trotz der Sprunghaftigkeit ihres Wesens mit
Takt und Weisheit auf den Weg ihrer inneren Bestimmung geführt habe.230
Beide Positionen zeigen, trotz ihrer Gegensätzlichkeit, dass das Verständnis der
heiligen Elisabeth unmittelbar von der Deutung ihrer Beziehung zu Konrad von
Marburg abhängig ist.
Wie bereits skizziert, kam Konrad 1224 im Zuge der Zusage Landgraf
Ludwigs IV. zum Kreuzzug Kaiser Friedrichs II. in Kontakt mir der landgräflichen
Familie. Zwei Jahre später, im Frühjahr 1226, bestimmte die junge Landgräfin
Elisabeth Konrad zu ihrem Beichtvater und legte vor ihm ein zweifaches
Gelübde ab (Gehorsam und Keuschheit). Diese Gelübde gingen weit über das
übliche Beichtvaterverhältnis hinaus. Gehorsam und Keuschheit bilden zusammen
mit freiwilliger Armut den Kern aller Ordensgelübde und zeichneten als
sogenannte evangelische Räte all diejenigen aus, die in der Nachfolge Christi
nach dem höchsten Grad der Vollkommenheit strebten. Freiwillig gelobter Gehorsam
stellte dabei eine besonders hohe Stufe der Demut dar, da der Verzicht
227 Werner, Die Heilige Elisabeth, 45.
228 Ebenda.
229 Ebenda, mit Anm. 3.
230 Ebenda, mit Anm. 4.
70
auf den eigenen Willen den Menschen im Geiste frei machte für Gott.231 Konrad
hatte nun also die Aufgabe und Pflicht, gemäß seiner strengen religiösen Vorstellungen,
auf Elisabeths Leben einzuwirken. Diese Verpflichtung nahm er äußerst
ernst und setzte das gleiche Maß an Ernsthaftigkeit bei seinem Beichtkind
voraus. Als Elisabeth beispielsweise wegen eines überraschenden Besuchs der
Markgräfin von Meißen an einer Predigt Konrads nicht teilnehmen konnte,
wollte dieser gekränkt die Seelenführung niederlegen; nur inständiges Bitten
und schwere Bußleistungen von Elisabeths Dienerinnen konnten ihn umstimmen.
232 Diese Episode zeigt, dass Elisabeth selbst die enge Bindung zu Konrad
suchte. Konrads rigorose Härte hat dabei Elisabeth wohl eher zusätzlich angesprochen
als abgehalten; die Bindung an einen strengen Beichtvater förderte in
besonderer Weise die Abkehr vom bisherigen Leben, das Erlangen von Demut
und das damit verbundene Streben nach Vollkommenheit.233 Elisabeth sollte
sich daher nicht nur in ihren äußeren Lebensformen, wie im Falle von Konrads
Speiseverbot, an die Weisungen ihres Beichtvaters halten, sondern ihr Gehorsamsgelübde
auch, wie in der Episode um die Markgräfin von Meißen, über die
ihre Position als Landgräfin beinhaltenden Pflichten stellen. Für Elisabeth waren
diese Gebote schwer zu erfüllen, da sie in direktem Konflikt zu ihrer fürstlichen
Umwelt standen. Auch Konrads Befehl ihr gegenüber, bei seinen Predigten anwesend
zu sein, zeigt, wie sehr die Gehorsamspflicht Teil seiner Seelenführung
war und wie sehr ihm daran lag, Elisabeth seine strengen religiösen Vorstellungen
auch über öffentliche Predigten zu vermitteln.234
Mit dem Tod Landgraf Ludwigs IV. 1227 erreichte die Beziehung zwischen
Konrad und Elisabeth eine neue Dimension. Zum einen trat nun Elisabeths
Keuschheitsgelübde in Kraft und zum anderen musste ihre Zukunft nach
dem Tod ihres Mannes geregelt werden. Wie zuvor beschrieben, erreichte Konrad
Elisabeths Aufnahme in den apostolischen Schutz, dessen Wahrung ihm
übertragen wurde, und eine Einigung mit der landgräflichen Familie über Elisabeths
Witwengüter. Doch in dieser Phase kam es auch zu einer Vertiefung der
geistlichen Beziehung zwischen Beichtvater und Beichtkind mit Elisabeths Karfreitagsgelübde
(1228). Hatte sich Elisabeth zwei Jahre zuvor mit ihren ersten
beiden Gelübden an Konrad gewandt, so ist nun nicht ganz deutlich, von wem
die entscheidenden Impulse ausgingen. Es stellt sich daher die Frage, ob es Elisabeth
war, die sich jetzt als Witwe noch stärker an Konrad binden konnte oder
ob Konrad, vielleicht durch die zusätzliche Übernahme der weltlichen Angelegenheiten,
von sich aus stärker in Elisabeths Leben eingreifen wollte. Dieser war
mit der Seelenführung der verwitweten Landgräfin eine Verpflichtung eingegangen,
die aufgrund ihres tiefen religiösen Anliegens weit über die Ereignisse
von 1227/28 für beide Seiten auf Lebenslänglichkeit angelegt war. Diesem Amt
wollte Konrad gerade nach dem Tod des Landgrafen angemessen nachkommen.
231 Ebenda, 50 mit Anm. 50.
232 Libellus, 26 f. (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 50 mit Anm. 52 und 53).
233 Werner, Die Heilige Elisabeth, 50 mit Anm. 54.
234 Ebenda, 51.
71
So musste er Elisabeths äußere Angelegenheiten regeln, um sie vor weiteren Anfeindungen
des thüringischen Hofes zu schützen. Die Veränderung der äußeren
Umstände erforderte damit auch eine neuerliche Ausrichtung des Verhältnisses
zwischen Konrad und Elisabeth. Weil für Elisabeth nun keine Hindernisse mehr
durch ihre Stellung als Landgräfin und ihre Gehorsamspflicht gegenüber ihrem
Ehemann bestanden, musste sie, wenn sie unter Konrads strenger Leitung Vollkommenheit
erlangen wollte, alle bisherigen Bindungen abbrechen und sich zu
völligem Gehorsam verpflichten. Diese Ausweitung ihrer Gelübde ist von Elisabeth
vermutlich nicht als Bürde empfunden worden, sondern kam, aller Wahrscheinlichkeit
nach, ihrem persönlichen Wunsch nach höchster Vollkommenheit
entgegen.235
Ihr Verhältnis zu Konrad sollte jedoch durch die Übersiedlung nach Marburg
nochmals eine maßgebliche Veränderung erfahren. Aus der Landgräfin, die
sich Konrad als ihren Beichtvater erwählt hatte, wurde eine in ärmlichen Verhältnissen
dienende Hospitalschwester unter der Leitung und Aufsicht ihres
Beichtvaters. Vor allem diese Jahre sind es, die zum Ruhm von Elisabeths Heiligkeit
in der Nachwelt beitrugen, für Konrad aber den Ruf eines hartherzigen,
grausamen Seelenführers begründeten. Elisabeth war Konrad, wie bereits angedeutet,
sowohl als Hospitalschwester unterstellt, als auch als hoch gestellte Einzelperson
zu Gehorsam verpflichtet. Diese mehrfachen Bindungen ermöglichten
Konrad, das Leben seines Beichtkindes bis ins kleinste Detail zu beeinflussen
und sowohl ihr als auch ihrem Alltag seinen Willen aufzuerlegen. Laut zeitgenössischer
Berichte schreckte Konrad „in gutmeinendem Eifer“236 hierbei nicht
vor harten Eingriffen und demütigenden Strafen zurück. Zu Beginn der Hospitalszeit
bestimmte er, mit wem Elisabeth ihren Dienst verrichten und zusammenleben
sollte. Er entfernte alle von ihr geliebten Personen, wie zum Beispiel
ihre langjährige Begleiterin und ehemalige Hofdame Isentrud, aus ihrem Umfeld
und teilte ihr unfreundliche Menschen zu, die ihn über jede Zuwiderhandlung
Elisabeths und ihre Verstöße gegen die Gehorsamspflicht informierten. Wenn
dies geschehen war, bestrafte er Elisabeth mit Schlägen, was der Bußdisziplin
und Strafpraxis in geistlichen Gemeinschaften entsprach. Elisabeth erhielt häufig
Prügel von Konrad, in den meisten Fällen nur aus dem Grund, dass sie von
ihrem Streben nach Vollkommenheit abgelassen hatte. Elisabeth soll, laut den
Angaben Isentruds, diese körperlichen Qualen mit Geduld, sogar mit Freude,
ertragen haben, da sie so die Leiden Christi nachempfinden konnte.237 Derartige
Hinweise können verdeutlichen, mit welcher Härte Konrad die Selbstverleugnung
seines Schützlings und ihre Unterwerfung unter seinen Willen durchzusetzen
versuchte. Auch die Zeitgenossen charakterisieren ihn als „ ein[en] Mann,
der, wie wir alle wissen, unbeugsam und streng war, weshalb er von vielen gefürchtet
wurde“238, was zeigt, dass Konrads Forderungen in Fragen des Glau-
235 Ebenda, 54 f.
236 Libellus, 48 und 50 (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 57 mit Anm. 110).
237 Ebenda, 58.
238 Ebenda, mit Anm. 114.
72
bens und vollkommenen Lebens weit über dem lagen, was selbst in Reformkreisen
üblich war. Seine ungewöhnliche Strenge und seine hohen geistlichen Normen
erklärten in den Augen der Umwelt auch sein rigoroses Vorgehen gegenüber
Elisabeth. So fügte ein Zeitgenosse Konrads, der ihm bekannte Zisterziensermönch
Caesarius von Heisterbach, der Aussage Isentruds, dass Konrad in
allem versuchte Elisabeths Willen zu brechen, die Bemerkung hinzu, dass Konrad
dies getan habe „damit aus eben diesem Gehorsam ihr ein noch größeres
Verdienst erwachse“.239 Isentrud und Guda, auch eine ehemalige Hofdame der
verwitweten Landgräfin, berichteten vor allem über zahlreiche Demütigungen
Konrads gegenüber seinem Beichtkind; die Hospitalschwestern Elisabeth und
Irmgard dagegen beschrieben als in engster Umgebung zu Elisabeth lebende
Personen die Vorgänge vermutlich mehr aus der Sicht der verwitweten Landgräfin
selbst. Beide stammten aus einfachen Verhältnissen und erlebten den Alltag
im Hospital in ständigem Zusammensein mit Elisabeth. Diese Tatsache verleiht
ihren Aussagen über Elisabeths Verhältnis zu Konrad besonderes Gewicht. So
habe Elisabeth, laut der Aussage beider Hospitalschwestern, vor Konrad besondere
Furcht gehabt; diese sei so groß gewesen, so Irmgard, dass Elisabeth ihn
„an Gottes statt“ fürchtete.240 Dennoch ertrug Elisabeth die Demütigungen ihres
Beichtvaters mit Geduld, da sie fest an den himmlischen Lohn glaubte, den sie
dafür erhalten werde. Diese Haltung spiegelt sich in den wohl bekanntesten
Worten wider, die von Elisabeth überliefert sind:
„Wir müssen solches gerne ertragen. Denn es ist bei uns wie bei dem
Schilf, das im Fluss wächst. Wenn der Fluss anschwillt, so wird es niedergedrückt
und neigt sich, und das Wasser fließt darüber, ohne es zu knicken.
Lässt die Flut aber nach, dann richtet das Schilf sich wieder auf und
wächst voller Kraft heiter und schön heran. So müssen auch wir uns gelegentlich
beugen und erniedrigen und uns danach wieder froh und schön
aufrichten“241.
Dieser bedingungslose Gehorsam gegenüber Konrad war für Zeitgenossen nicht
das einzige Zeichen für Elisabeths Heiligkeit, sondern gehörte mit ihrem aufopfernden
Dienst an den Armen und Kranken während ihrer Hospitalzeit zusammen.
Beide Eigenschaften verfolgten ein und dasselbe Streben nach Vollkommenheit.
In den Zeugenberichten des Kanonisationsprozesses zu Elisabeths Leben
ist die mehrfach hervorgehobene Demut zwar in diesem Zusammenhang als
stereotyp anzusehen, sie schließt jedoch Elisabeths Selbsterniedrigung im Hospitaldienst
und ihre völlige Selbstverleugnung gegenüber Konrad mit ein.242
Trotz ihres absoluten Gehorsams gegenüber Konrad bestand zwischen
Beichtkind und Beichtvater, wie beschrieben, ein Konflikt um Besitzesfragen.
Da Elisabeth immer wieder versuchte, Verbote Konrads zu umgehen oder sie
aufgrund ihres Strebens nach Nächstenliebe, Armut und Selbsterniedrigung
239 Ebenda, mit Anm. 115.
240 Libellus, 69 (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 58 mit Anm. 118).
241 Ebenda, 71 (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 59 mit Anm. 122).
242 Ebenda, 59.
73
nicht einhielt, erschien es ihm wahrscheinlich notwendig, härter einzugreifen.
Dabei galt seine Sorge nicht nur materiellen Fragen, sondern auch dem körperlichen
Wohl seines Beichtkindes, da Elisabeth sich aufgrund ihrer besonderen
Hinwendung zu Aussätzigen in permanenter Ansteckungsgefahr befand oder
sich übermäßig schwächte, weil sie sich die Gaben für die Armen vom Munde
absparte. Durch diesen Konflikt und das damit verbundene harte Eingreifen
Konrads entstand ein Spannungsverhältnis, das vermutlich die gesamte Hospitalzeit
Elisabeths belastete. Auseinandersetzungen dieser Art trugen daher nicht
unerheblich dazu bei, dass Elisabeth in großer, wenn nicht sogar in ständiger
Furcht vor ihrem Beichtvater lebte. Entscheidende Fragen wurden allerdings von
dem Konflikt kaum berührt. Die Regelung, die Konrad mit der Gründung des
Hospitals erreicht hatte, kam den religiösen Zielen seines Schützlings in hohem
Maße entgegen. Ihm ermöglichte sie hingegen, seinen vielfältigen Verpflichtungen
gegenüber Elisabeth umfassend nachzukommen, da sie, seiner Aussage
nach, einer festen Führung bedurfte, besonders in den materiellen Fragen. Auch
bei der Verwirklichung ihrer geistlichen Vorhaben sei sie auf ständige Lenkung
angewiesen.243 Elisabeths Status als Hospitalschwester unter Konrads Leitung
bot ihr somit Schutz gegen innere und äußere Gefährdungen, war jedoch auf das
engste mit der Person Konrads von Marburg verknüpft. Dieser ist sich des gegenseitigen
Abhängigkeitsverhältnisses sehr bewusst gewesen, weshalb er Elisabeth,
als er Anfang November 1231 schwer erkrankte, fragte, wie sie sich ihr
Schicksal und die Regelung ihres Standes nach seinem Tod vorstelle.244 Vermutlich
aus diesem Grund besuchten die beiden das Kloster Altenberg, wo wahrscheinlich
die Frage geklärt werden sollte, ob Elisabeth, im Falle von Konrads
Tod, als Rekluse in das Kloster eintreten solle. Zu einer solchen Regelung sollte
es jedoch nicht kommen, da Elisabeth während desselben Monats verstarb.
Das Maß ihrer Selbsterniedrigung und die Rigorosität ihres Armutsstrebens
sind, gemessen an ihrer fürstlichen Stellung, außergewöhnlich gewesen,
stellten jedoch in ihrer Hinwendung zu den Idealen der religiösen Armutsbewegung
keinen Einzelfall dar. Auch Konrad stellte als Person keinen Einzelfall dar,
obwohl er schon zu Lebzeiten wegen seiner harten Ketzerverfolgung umstritten
war. Das, was ihn von seinen Zeitgenossen unterschied, war sein besonderer Eifer,
seine Härte gegen sich selbst und seine persönliche Armut. Elisabeth und
Konrad verkörperten daher zwar herausragende, aber dennoch typische Charaktere
ihrer Zeit.245 Das Besondere hierbei ist allerdings, dass sich diese beiden
einander durchaus verwandten Persönlichkeiten begegneten und für den Lebensweg
des jeweils anderen damit prägend wurden. Bereits die Anfänge der
Beziehung waren durch die hohen geistlichen Ansprüche jedes einzelnen geprägt.
Elisabeth suchte in Konrad nicht vordergründig den angesehenen Beichtvater,
sondern einen Seelenführer, der ihr in dem Konflikt zwischen ihren stan-
243 Ebenda, 48 und 50 (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 60 mit Anm. 140).
244 Werner, Die Heilige Elisabeth, 60 mit Anm. 141.
245 Ebenda, 61.
74
desbedingten Pflichten und ihren religiösen Zielen zur Seite stand. Konrad übernahm
mit diesem Amt ihr gegenüber die Verpflichtung, seinem Beichtkind bei
dem Streben nach Vollkommenheit beizustehen, vor dessen Hintergrund die
Gelübde von 1226 zu sehen sind. Diese, für beide lebenslängliche Aufgabe
führte dazu, dass Elisabeth sich, unterstützt durch die Ereignisse und Schicksalsschläge
der Folgezeit, immer mehr von ihrer höfischen Umwelt entfernte und
immer enger Konrad anschloss, was im Karfreitagsgelübde vom März 1228 gipfelte.
Nach den erfolgreichen Verhandlungen Konrads um ihr Wittum, konnte
Elisabeth schließlich die von ihr ersehnte Armut geloben und trat in das eigens
für sie gegründete Marburger Hospital als Schwester ein.
Diese vielfachen Bindungen zu Konrad ist Elisabeth, aller Wahrscheinlichkeit
nach, freiwillig eingegangen. Ausschlaggebend für ihre erste, entscheidende
Hinwendung zu Konrad von Marburg war vermutlich, neben der persönlichen
Autorität, sein in eigener Person verwirklichtes Armutsstreben und seine
außerordentliche Strenge. Zeitgenossen nehmen deutlich Bezug auf diese
Strenge, wenn sie außer Elisabeths Nächstenliebe und Selbsterniedrigung für
Arme und Kranke, ihren Gehorsam, ihre Furcht und ihre Leidensbereitschaft
gegenüber Konrad hervorheben, da diese für sie weitere Merkmale für Elisabeths
heiligmäßiges Leben darstellten. Die Zeitgenossen dürften damit vermutlich
in vielerlei Hinsicht Elisabeths eigenen Vorstellungen nahe gekommen sein.
Sie erhoffte sich für ihren Dienst an den Niedrigsten der Gesellschaft einen hohen
himmlischen Lohn als Ausgleich für ihr früheres Leben als Herrin.246 Auch
die freiwillige Unterwerfung unter einen derart strengen Seelenführer wie Konrad
stellte eine besondere Stufe der Demut dar. Konrad legte bei seiner geistlichen
Führung dieselben strengen Maßnahmen zugrunde, nach denen er sowohl
seine kirchliche Tätigkeit als Ketzerprediger und Ketzerverfolger ausrichtete, als
auch sein eigenes Leben. Daher passte er seine Auflagen an Elisabeths äußere
Lebensumstände an. Zu Lebzeiten des Landgrafen erlegte er ihr Pflichten auf,
die sie öffentlich zur Verleumdung ihres fürstlichen Standes zwangen. Nach
dem Tode ihres Mannes stellte er sie bewusst mit niedrigsten Mägden auf eine
Stufe, um ihre Demut zu mehren, da sie nicht mehr an fürstliche Pflichten gebunden
war. Als Motive für sein hartes und rigoroses Vorgehen nennt Konrad
vor allem seine Sorge um Elisabeths Seelenheil und ihr körperliches Wohlergehen
und damit verbunden sein Bestreben, ihr zu noch höheren Verdiensten zu
verhelfen.247 Auch wenn derartige Aussagen, die Konrad nach Elisabeths Tod
getroffen hat, mit gebotener Vorsicht zu betrachten sind, wird man diesen Angaben
doch folgen können. Konrad in jenem Zusammenhang vorwiegend äußere
oder eigennützige Interessen zu unterstellen, wäre vermutlich falsch. Äußere
Gründe waren nur in Bezug auf Person und Besitz Elisabeths von Bedeutung, da
er sich nach dem Tod ihres Ehemanns nicht nur weiterhin um die geistlichen,
sondern als päpstlicher Beschützer auch um die weltlichen Belange zu kümmern
246 Ebenda, 62.
247 Ebenda, mit Anm. 147.
75
hatte. Doch trotz aller Härte ist Elisabeth für Konrad, laut seiner eigenen Aussage,
„eine zweifellos äußerst kluge Frau“248 gewesen.
Die frühen Berichte über Konrad und Elisabeth verfolgten, soweit sie
heute zugänglich sind, alle zunächst das Ziel, das heiligmäßige Leben Elisabeths
möglichst eindringlich und überzeugend einer breiten Öffentlichkeit zugänglich
zu machen. Diese Zielrichtung beinhaltet eine starke Ausrichtung auf Taten, Eigenschaften
und Aspekte, die den vorgegebenen Richtlinien für kirchlich anerkannte
Heilige entsprachen. Dies mindert jedoch nicht den Quellenwert für das
tatsächliche Bild von Elisabeth und Konrad. Augenzeugen unterstützen jenes
Bild der Berichterstatter von Elisabeth als „demutsvolle, von tiefer Nächstenliebe
und innerer Heiterkeit durchdrungene Fürstin, … liebevolle Gattin und …
sich freiwillig für die Elenden aufopfernde Schwester in der Welt“, wie sie in
den ältesten Zeugnissen geschildert wird.249 Sie erschien den Zeitgenossen aufgrund
dieser Eigenschaften wesentlich strahlender als Konrad, dem mit seinem
Wirken als Kreuzprediger, Ketzerinquisitor und strenger Seelenführer nicht annähernd
soviel Gunst und Zuneigung entgegen gebracht wurde. Er wurde dabei
oft als der handelnde Teil in der Beziehung zu Elisabeth dargestellt, während sie
jedoch die eigentliche Leistung erbrachte. Vorwürfe gegen Konrad wurden nicht
erhoben. Caesarius von Heisterbach stand wohl mit seinem Urteil nicht allein,
dass Konrads Strenge und Härte entscheidend zu Elisabeths Verdiensten beitrugen.
* * *
Die Aussagen, die über das Verhältnis zwischen Johannes Marienwerder und
Dorothea von Montau Aufschluss geben können, treten gegenüber den Äußerungen
über Dorotheas Offenbarungen zurück. Dorothea war Johannes, laut seinen
eigenen Angaben, nicht nur Schülerin, sondern auch Lehrerin und geistige
Mutter.250 Durch die ständige Beschäftigung mit der Aufzeichnung von Dorotheas
Offenbarungen fühlte er sich angetrieben in seinem eigenen Streben nach
Vollkommenheit. Dorothea gab Johannes Ratschläge für die Verrichtung seines
geistlichen Amtes, besonders für sein Predigtamt und für den Beichtstuhl.251 Bedingt
durch ihr Gehorsamgelübde sprach Dorothea ohne seine Erlaubnis mit
niemandem. Johannes erfuhr alles, was sie dachte, fühlte oder tat.
Wie ursprünglich Jesus als „Arzt“ der Kranken und Sünder bezeichnet
wurde (Mt 9, 10-13; Mk 2, 16f.; Lk 5, 30-32), bezeichnete auch Dorothea, laut
der deutschen Lebensbeschreibung, Johannes als „Arzt“. Ihr Danziger Beichtvater
Nikolaus von Hohenstein sowie ihre anderen Beichtväter dagegen wurden
von ihr an keiner Stelle als „Arzt“ bzw. „Ärzte“ tituliert. Ähnlich verhält es sich
auch im Falle Johannes Rymanns. Wenn Gott, laut Dorothea, zu ihr von beiden
248 Summa Vitae, 158 (zit. nach Werner, Die Heilige Elisabeth, 62 mit Anm. 146).
249 Werner, Die Heilige Elisabeth, 63.
250 Hipler, Johannes Marienwerder, 45.
251 Ebenda, 53.
76
Beichtvätern gesprochen habe, wurde nur Johannes Marienwerder als „Arzt“
ausgezeichnet, wodurch der Schluss naheliegt, dass er eine herausragende Position
eingenommen haben muss.252 Nicht nur die Differenzierung der Beichtväter
in Dorotheas Offenbarungen ist bemerkenswert, sondern auch ihre Zuweisung
der Bezeichnung „Arzt“ sowohl für Christus bzw. Gott, als auch für Johannes
Marienwerder.253
Gott steht für Dorothea am Anfang und am Ende des Bußsakraments, weil
er über die Sünde urteilt, darüber bestimmt, wie sie beichten soll und er schließlich
die Heilung durch Johannes und die Erteilung der Absolution veranlasst.
Die Verteilung der Aufgaben entspricht dem Tatbestand, dass Dorothea, laut
ihren eigenen Angaben gemäß der deutschen Lebensbeschreibung, von Gott zu
Johannes gesandt wurde und er ihr befohlen habe, Johannes Gehorsam zu sein.
Ähnlich soll es auch im Falle der Regel für die Klause gewesen sein, die sie von
Gott und nicht von Johannes erhalten habe.254 So wie sie Gott und Johannes als
„Ärzte“ benannte, bezeichnete sie die beiden auch als „Meister“. 255 Es erfolgt
jedoch eine Differenzierung des Begriffs in „Meister“ und „Schulmeister“, wobei
Gott der „Schulmeister“ ist, in dessen „Schule“ Dorothea geht und Johannes
als „meister der schrifft“ von Gott den Auftrag zur Literarisierung von Dorotheas
Leben erhält.256
Die Forschung führt an, dass es im Spätmittelalter zu einer Art von
,Gleichberechtigung‘ im Verhältnis Beichtvater–Beichtkind kam.257 Als Indiz
dafür könnte des Johannes Sichtweise von Dorothea als geistige Lehrerin und
Mutter, wie oben beschrieben, gesehen werden sowie der Umstand, dass sie
ihm, laut seinen Angaben, Ratschläge für die Ausübung seines Amtes gab. Dagegen
spricht jedoch die Tatsache, dass Gott Dorothea befohlen hatte, Johannes
Gehorsam zu sein, was am Peter-und-Pauls-Tag 1392 durch ihr Ablegen eines
Gehorsamgelübdes erfolgte. Auch die Forschung sieht in dem Verhältnis Dorothea-
Johannes daher keine annähernd ,gleichberechtigte‘ Beziehung.258
Johannes selbst betrachtete sich als Brautwerber zwischen Dorothea und
Christus und nennt sie deswegen in seinen Aufzeichnungen mit der Anspielung
auf das Hohelied auch kurzweg „die Braut“. Er empfindet sich besonders dann
als Brautwerber, wenn er Dorothea die heilige Eucharistie reicht, nach deren
Empfang sie sich schon von Jugend an mit täglich wachsender Inbrunst verzehrt
hätte und die in der letzten Zeit, laut der Überlieferung, fast ihre Hauptnahrung
darstellte. In Danzig hatte ihr, bereits oben erwähnter, damaliger Beichtvater
Nikolaus von Hohenstein seit etwa 1380 die wöchentliche Kommunion erlaubt.
Das Verlangen nach dem heiligen Sakrament war jedoch so groß, dass Dorothea
252 Hörner, Dorothea von Montau, 26.
253 Ebenda.
254 Ebenda, 27.
255 Ebenda, 28.
256 Ebenda, 29.
257 Vauchez, Sainthood, 379.
258 Ebenda, 379, vor allem Anm. 486.
77
geistige und körperliche Schmerzen litt. Erst in ihrer Klause gewährte Johannes
ihr das tägliche Kommunizieren, anfangs während des Hochamts und dann während
der Frühmesse. Aber auch die Frühmesse war Dorothea nicht ,früh‘ genug,
daher drückte sie ihr Verlangen nach „der Vereinigung mit Christus“259 bereits
ab Mitternacht durch heftiges Schluchzen und Weinen aus. Aus Mitleid entschloss
sich Johannes daraufhin, seit dem Dorothea-Tag 1394 ihr die Kommunion
bereits zur Matutin zu reichen. Mit dieser Entscheidung jedoch verließ er
seinen Standpunkt aus Prager Zeiten in Bezug auf die häufige Laienkommunion,
wo er sich noch im Sinne der Amtskirche gegen diese ausgesprochen hatte, zugunsten
seines Beichtkindes.
259 Hipler, Johannes Marienwereder, 54.
78
4. Der Beichtvater – Ein Stereotyp?
Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Beichtväter
Ekbert von Schönau, Konrad von Marburg
und Johannes Marienwerder
Die vorliegende Untersuchung versuchte einen umfassenden Eindruck über das
Leben sowie über die geistlichen und weltlichen Aufgaben der Beichtväter zu
vermitteln. Sie alle zeichneten sich dadurch aus, dass sie im Leben einer, über
das Normalmaß hinaus, religiös ambitionierten Frau eine entscheidende Rolle
spielten. Es stellt sich jedoch die Frage, ob über das gemeinsame Amt hinaus
noch weitere Gemeinsamkeiten bei Ekbert, Konrad und Johannes zu finden sind.
Dabei soll das Eingebundensein jedes einzelnen in seine Zeit berücksichtigt und
der Versuch unternommen werden, Schlüsse darüber zu ziehen, inwieweit es
sich bei den drei Beichtvätern um herausragende Einzelfiguren oder um typische
Charaktere ihrer Zeit handelte.
Ekbert stammte aus einer adeligen Familie, von der eine Vielzahl der
heute bekannten Mitglieder in geistlichen Ämtern anzutreffen sind.260 Konrads
Familie gehörte der Marburger Ministerialität an und war wahrscheinlich wohlhabend.
Von der Kindheit Johannes Marienwerders ist so gut wie nichts bekannt.
Sein Vater Petrus war einer der ersten sächsischen Siedler in Marienwerder,
verstarb jedoch früh.261
Trotz der unterschiedlichen Elternhäuser haben sowohl Ekbert und Konrad
als auch Johannes ein Studium an einer der Universitäten ihrer Zeit absolviert.
Ekbert studierte in Paris, dessen Universität auf den Gebieten der scholastischen
Philosophie und Theologie für das gesamte Mittelalter von unübertroffener
Autorität bleiben sollte, und Johannes in Prag, wo der Nominalismus, ähnlich
wie in Paris, die herrschende Lehrmeinung darstellte. Die Alma Mater von
Konrad von Marburg ist dagegen nicht bekannt. Nur im Falle von Johannes ist
überliefert, dass dieser nach seinem Abschluss als Magister artium das Theologiestudium
aufnahm und sich sogar habilitierte. Konrad von Marburg wird in
den Quellen als Magister ausgewiesen und von seinen Zeitgenossen wegen seiner
hohen Bildung gerühmt.262 Ob es sich bei diesem Titel um einen Mag. art.
oder um ein Mag. theol. handelte, ist nicht bekannt. Auch der akademische Grad
von Ekbert von Schönau ist nicht überliefert. Allen drei Männern wurden damit
260 Köster, Elisabeth von Schönau, 20.
261 Hipler, Johannes Marienwerder, 3.
262 Werner, Die Heilige Elisabeth, 46 mit Anm. 9.
79
Methoden und Inhalte mittelalterlicher Wissenschaft vermittelt, so dass vermutlich
von einem ähnlichen Bildungshintergrund ausgegangen werden kann. Die
wissenschaftliche Bildung zeigt sich bei Ekbert und Johannes vor allem durch
die komplexe schriftliche Aufbereitung der Visionen ihrer Beichtkinder sowie
durch die Schriften, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit ihren
Schützlingen stehen. Ekbert begründete mit seinen Sermones contra Catharos
einen neuen Stil in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Häretikern263,
während des Johannes Expositio symboli Apostolorum, wenn auch für
die Praxis konzipiert, seine scholastische Ausbildung an der Universität durch
und durch widerspiegelt und ihn als Nominalisten ausweist.264 Konrads
akademische Bildung stellte vermutlich, neben seinen theologischen Standpunkten,
die Voraussetzung für seine Vielzahl an Ämter dar, wie zum Beispiel
seine Aufgabe als Kreuzzugsprediger, die ihm von der Kurie übertragen worden
waren.265 Somit können alle drei Beichtväter als äußerst gebildete Männer
ausgewiesen werden.
Ekbert befand sich nach seinem Studium im Stand eines Weltklerikers,
trat aber, nachdem seine Schwester begann, Visionen zu empfangen, in ihr heimatliches
Kloster Schönau ein. Als Grund dafür kann vermutlich der Umstand
angesehen werden, dass Ekbert seine persönlichen Glaubensvorstellungen im
Amte eines Weltklerikers nicht verwirklicht sah. Für die von der Forschung mit
Bernhard von Clairvaux verglichene Frömmigkeit Ekberts bot daher ein Benediktinerkloster
vielleicht einen entsprechenderen Rahmen.266 Konrad von Marburg
war ebenfalls Weltkleriker, auch wenn in der Forschung mehrfach die
Möglichkeit diskutiert wurde, dass er dem Prämonstratenserorden angehört
habe.267 Dennoch stand Konrad den Reformorden des 13. Jahrhunderts vermutlich
sehr nahe, da er sich der Armutsbewegung jener Zeit verschrieben hatte und
deren Forderung nach absoluter, persönlicher Armut als Voraussetzung für die
Nachfolge Christi und das Streben nach Vollkommenheit radikal in der eigenen
Person verwirklichte. Johannes Marienwerder war, ähnlich wie Ekbert von
Schönau, durch Studium und Lehre an der Prager Universität vorerst im Stand
eines Weltklerikers. Seine theologische Haltung entsprach, ganz seiner Alma
Mater und gemäß den Pariser Kollegen, einem gemäßigten Nominalismus.268
Ferner stand er bei Fragen, bei denen Franziskaner und Dominikaner unterschiedlicher
Meinung waren, wie zum Beispiel bezüglich der Unbefleckten
Empfängnis, der Menschwerdung Christi ohne die Sünde Adams etc., auf Seiten
der Dominikaner und zeichnete sich als großer Anhänger Thomas von Aquins
263 Borst, Katharer, 21.
264 Hipler, Johannes Marienwerder, 15 und 25.
265 Werner, Die Heilige Elisabeth, 46.
266 Köster, Ekbert von Schönau, Sp. 438.
267 Werner, Die Heilige Elisabeth, 46.
268 So Hipler, Johannes Marienwerder, 25; siehe zu Nominalismus Jan P. Beckmann, Nominalismus,
in: Lexikon des Mittelalters VI. München und Zürich 1993, Sp. 1222-1227.
80
aus.269 Bei seiner Rückkehr nach Marienwerder, die durch die Option auf eine
Universitätsgründung in Kulm bedingt war, legte er die Profess als Deutschordenspriester
ab. Trotz der späteren, durch sein Beichtkind bedingten, Hinwendung
zur Mystik bleibt doch der Scholastiker und ,Wissenschafter‘ Johannes
Marienwerder zu erkennen.270
Zwar sind diese drei Männer in Bezug auf ihren geistlichen Stand und ihre
theologischen Standpunkte unterschiedlich, sie bilden jedoch alle die gängigen
religiösen Ideale ihrer jeweiligen Zeit ab: Ekbert auf der Suche nach Innerlichkeit
und Kontemplation als Benediktiner; Konrad als radikaler Verfechter der
religiösen Armutsbewegung und Johannes Marienwerder als Deutschordenspriester,
einem christlichen Ordensstaat dienend und im Geiste sowohl der
Scholastik des Spätmittelalters als auch der Mystik verschrieben. Sie alle hatten
sich dazu entschlossen, eine religiös begabte Frau unter ihre Führung zu nehmen.
Trotz ihres Geschlechtes und trotz der mangelnden Bildung dieser Frauen
haben sie ihnen geglaubt und ihre Einzigartigkeit erkannt. Vermutlich darf aber
auch die geistliche ,Attraktivität‘, die von diesen Frauen ausging, nicht außer
acht gelassen werden, was besonders im Falle Ekberts von Schönau deutlich
geworden ist. Seine Schwester war für ihn die direkte Verbindung zu Gott und
bot ihm daher die Möglichkeit, Antworten auf eine Vielzahl seiner Fragen zu
geben, die vermutlich zuvor durch sein Universitätsstudium nicht beantwortet
worden waren. Wahrscheinlich haben auch alle drei Frauen die jeweilige Gedankenwelt
und religiösen Ideale ihrer Beichtväter getroffen, was beispielsweise
bei Konrad und Elisabeth besonders auffällt. Außerdem waren alle drei Männer
von der Heiligmäßigkeit ihres Beichtkindes überzeugt und haben aus diesen
Frauen herausragende Persönlichkeiten gemacht, in dem sie ihre Visionen und
Offenbarungen literarisiert und sich, nach dem Tod ihres Schützlings, für eine
Kanonisation eingesetzt haben. Ein heilig gesprochenes Beichtkind unterstrich
wohl auch die eigene Autorität und Kompetenz und konnte, wie im Falle des
Konrad und Johannes, unter anderem dazu dienen, mit dem Kampf für den
rechten Glauben verbunden zu werden.
Ekbert, Konrad und Johannes waren mit Sicherheit besondere Persönlichkeiten,
aber dennoch Kinder ihrer Zeit. Sie können somit wohl auch als stereotype
Charaktere ihres jeweiligen Jahrhunderts betrachtet werden. Das, was sie
jedoch einzigartig machte, ist die Beziehung zu ihren Beichtkindern Elisabeth
von Schönau, Elisabeth von Thüringen und Dorothea von Montau.
269 Hipler, Johannes Marienwerder, 26.
270 Rossmann, Johannes Marienwerder, 250 f.
81
5. Fazit
Der vielfältige Einfluss der Beichtväter auf Leben und Werk ihrer Schützlinge
sollte in der vorliegenden Untersuchung gezeigt werden. Dieser Einfluss bedeutete
jedoch nicht, dass die Beichtkinder dadurch zu passiven oder gar unmündigen
Figuren herabgesetzt wurden. Auch wenn sie durch die Gehorsamgelübde
ihren eigenen Willen aufgaben, hatten sie dennoch wohl immer eine klare Vorstellung
davon, wie sie ihre religiösen Ideale verwirklichen wollten.
Elisabeth von Schönau entschied selbst, welche ihrer Visionen sie ihrem
Bruder Ekbert berichtete. Man kann seinen Einfluss sicher dahingehend interpretieren,
dass er sie drängte, zu gewissen Themen Visionen zu empfangen. Dies
könnte jedoch bedeuten, Elisabeth bis zu einem gewissen Grade ihren eigenen
Willen und eine eigene visionäre Persönlichkeit abzusprechen. Ekberts Eintritt
in den Schönauer Konvent bedeutete für sie, neben der Tatsache, ihren Bruder
um sich zu haben, auch die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und in ihre
Visionen Themen einfließen zu lassen, die sie womöglich ohne des Anstoß ihres
weltgewandten Bruders nicht berührt hätten. Ekbert konnte in einem klösterlichen
Leben seine persönlichen Frömmigkeitsvorstellungen verwirklichen und
unmittelbar auf das visionäre Erleben seiner Schwester Einfluss nehmen. Außerdem
bot ihm der Eintritt in den Konvent die Kontrolle über die Literarisierung
von Elisabeths Visionen und damit auch über das Bild, das von seiner
Schwester in der Öffentlichkeit propagiert werden sollte. Seine klaren Vorstellungen
über die öffentliche Repräsentierung seiner Schwester zeigen sich an den
zahlreichen Redaktionen des visionären Schriften-Corpus, den Ekbert so lange
bearbeitete, bis die Visionen seiner Schwester in dem Licht erschienen, in dem
er sie sehen wollte. Hiermit zeigt sich, dass der Beichtvater entscheidend dazu
beitrug, welches Bild seines Beichtkindes in die Öffentlichkeit drang und damit
auch unsere heutige Vorstellung von der jeweiligen Heiligen geprägt hat.
Elisabeth von Thüringen wird in ihrem Verhältnis zu Konrad von Marburg
von Teilen der Forschung heute häufig als abhängig und verängstigt dargestellt.
Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass Elisabeth diejenige war, die
den Anschluss an den strengen Kreuzzugsprediger gesucht hatte und jede weitere
Anbindung an ihn freiwillig eingegangen ist. Außerdem zeigen die Konflikte
der Marburger Jahre, dass Elisabeth keineswegs willenlos gewesen ist,
sondern auch nach ihrem Eintritt in den geistlichen Stand ihre eigenen Vorstellungen
von persönlicher Armut gelebt hat. Konrad blieb wohl aufgrund Elisabeths
Gehorsamsgelübdes keine andere Möglichkeit, als sie bei einem Verstoß
gegen dieses Gelübde zu bestrafen. Ihn aus diesem Grund als grausam und hart82
herzig darstellen, entsprach jedoch vermutlich nicht Elisabeths und dem zeitgenössischen
Verständnis. Konrad jedoch in der späteren Literatur als düstere Figur
zu stilisieren, bot die Möglichkeit, Elisabeth daneben als umso strahlender in
ihrer Heiligkeit erscheinen zu lassen. Die Heiligkeit und die Leistungen des jeweiligen
Beichtkindes können somit nicht losgelöst von der Person des Beichtvaters
gesehen werden.
Auch Dorothea von Montau hat sich eng an ihren Beichtvater Johannes
Marienwerder angeschlossen. Dieser war stets bemüht, vermutlich aufgrund seiner
Ausbildung als Professor der Theologie, Dorotheas Offenbarungen und religiöse
Vorstellungen in Konformität mit der Amtskirche zu bringen. Doch trotz
seiner scholastischen Ausbildung hat er sich im Zweifel zum Wohle seines
Beichtkindes entschieden, so geschehen im Falle der häufigen Laienkommunion.
Die Auseinandersetzung mit Dorothea hat ihn selbst in seinem Streben
nach Vollkommenheit unterstützt. Durch seine zahlreichen Veröffentlichungen
der Werke seines Beichtkindes hat er sie einem breiten Publikum zugänglich
gemacht und damit für die Ausbreitung und Etablierung des Kultes nach ihrem
Tod gesorgt. Die Entstehung eines Kultes und die Aufnahme eines Kanonisationsverfahrens
hingen somit maßgeblich vom Engagement des Beichtvaters ab.
Alle hier beschriebenen Beichtväter waren von der Heiligmäßigkeit ihres
Schützlings überzeugt. Diese Überzeugung ließ sie ihre Beichtkinder auf das
Äußerste motivieren, um sie in ihrem Streben nach Vollkommenheit voranzubringen
und ihnen den himmlischen Lohn zu sichern. Ihre Beichtkinder bedeuteten
für sie selbst aber auch eine Bestätigung der Realisierbarkeit der eigenen
religiösen Ideale. Aus diesem Grund war eine offizielle Bestätigung unablässlich.
Auch nach dem Tod ihrer Schützlinge blieb damit für die Beichtväter die
Verpflichtung für die ihnen Anvertrauten bestehen und wurde in Form von intensiven
Bemühungen um eine Heiligsprechung (Konrad und Johannes) bzw.
literarische Überlieferung (Ekbert) kanalisiert.
Auch wenn die Beichtväter keine herausragenden Einzelfiguren gewesen
sind, ist es doch bezeichnend, dass sie alle das Höchstmaß an zeitgenössischer
Bildung besaßen und dieser Umstand ihnen vermutlich erst den Weitblick und
die Umsicht in Bezug auf ihre Beichtkinder gegeben hat. Die zeitgenössische
Öffentlichkeit sah in ihnen oftmals den handelnden Teil, während der Schützling
die eigentliche Leistung erbrachte. Diese Sichtweise hat sich in der heutigen
Betrachtung zugunsten der begnadeten Frauen verschoben, wodurch die Beichtväter
ein wenig zurückstehen. Wem der größere Verdienst von beiden zukommt,
lässt sich nicht einfach sagen. Ohne die Beichtväter hätte es keine Überlieferungen,
keinen Kult und wahrscheinlich auch keine Kanonisation gegeben, während
sie ohne den Wunsch ihrer Beichtkinder nach der Verwirklichung ihrer religiösen
Ideale erst gar nicht zu ihren Beichtvätern geworden wären. Weitere genauere
und allgemeinere Untersuchungen über die Rolle von Beichtvätern hinsichtlich
der weltlichen und geistlichen Aufgaben ihres Amtes könnten hierüber
möglicherweise Aufschluss liefern.
83
Abschließend lässt sich somit sagen, dass das Bemerkenswerte an den
Beichtvätern und ihren Schützlingen in der Tatsache liegt, dass diese jeweiligen
Personen, mit ähnlichen religiösen Vorstellungen ausgestattet, sich begegnet
sind und dass erst diese Begegnung und ihre drauffolgende Beziehung zueinander
sie zu historisch herausragenden Einzelfiguren gemacht hat.
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