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„Barlaam und Josaphat“ als Vorlage für Wandmalereien
in der Gozzoburg von Krems
Gertrud Blaschitz
Im Zuge der Generalsanierung der sogenannten Gozzoburg in Krems an der Donau
(2006/07) kam im Wohntrakt des dreigeschossigen Baukörpers (Abb. 1) ein
Wandmalereizyklus von hervorragender Qualität zum Vorschein.1 Diese Malereien
bedeckten alle vier Wände des seinerzeit als Wohn- und Repräsentationsraum
genützten Freskensaales. Das Bauforschungsteam datierte die Entstehung
des Baukörpers zwischen 1249 und 1291 und nennt als Bauherrn den damaligen
Stadtrichter Gozzo, der das Grundstück mit den darauf befindlichen Bauten um
1250 erworben hatte und großzügig ausbaute. In dieselbe Zeit fällt der Bau der
Torturmkapelle, die an ihrer Nordwand ebenfalls sehr frühe Wandmalereien
aufweist.2
Abb. 1: Gozzoburg, Südfassade: Wohntrakt (um 1270) mit Katharinenkapelle (vor 1267)
(aus: Buchinger, Mitchell, Schön, Schönfellner-Lechner, Bau- und Besitzergeschichte 13)
1 Günther Buchinger, Paul Mitchell, Doris Schön, Helga Schönfellner-Lechner, Bau- und
Besitzergeschichte der „Domus Gozzonis“ in Krems, in: Gozzoburg. Stand der Dinge,
Krems 2007, 8-12.
2 Buchinger, Mitchell, Schön, Schönfellner-Lechner, Bau- und Besitzergeschichte 9.
29
Das Gebäude wurde im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts an Kremser
Bürger verkauft; danach (um 1526) erfuhr der östliche Teil durch den Schlüsselamtmann
Michael Pichler einen groß angelegten Umbau.3 Diese Umgestaltung
betraf auch den Freskensaal mit den kostbaren Bildern, denn durch die Einfügung
eines spätgotischen Kreuzgratgewölbes wurden Teile der Wandmalereien
unwiederbringlich zerstört, und der verbliebene Rest verschwand unter einer
Übertünchung.4 Im Zuge der Restaurierung konnten die gemalten Szenen in den
Zwickelfeldern über dem spätgotischen Gewölbe und das mittlere Feld der
Westwand freigelegt werden (Abb. 2).5 Die Malereien des Freskensaales
repräsentieren nach Elga Lanc die „Entwicklung zwischen der Spätromanik und
der Frühgotik gegen und um 1270“, die Darstellung der Jonaslegende in der romanischen
Kapelle dagegen entstand ihrer Ansicht nach schon um bzw. nach
1250.6
Abb. 2: Schema der freigelegten Wandmalereien des Freskensaales
(aus: Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 20 f.)
Der vorliegende Artikel baut auf den kunsthistorischen Ausführungen zur
Bilderfolge durch Elga Lanc auf, die – mit der Nordwand beginnend über die
3 Ebenda 14.
4 Ebenda 14.
5 Elga Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien im Turmzimmer und in der
Romanischen Kapelle der Gozzoburg, in: Gozzoburg. Stand der Dinge, Krems 2007, 20.
6 Ebenda 26 f.
30
Ost- und Südwand an der Westwand endend – anlässlich einer ersten Beschreibung
die Szenen mit Titeln versehen hat.7 Die weiterführende Frage nach ihrem
literarischen Hintergrund kann recht klar beantwortet werden. Durch das in der
frühen Neuzeit eingezogene Gewölbe sind nur einzelne Szenenteile des oberen
Bildstreifens sichtbar, dennoch ist eine eindeutige Identifizierung der Bildinhalte
möglich. Die an der Ost-, Süd- und Westwand sichtbaren Szenen lassen meines
Erachtens zweifelsfrei Handlungseinheiten aus der seit der Antike bekannten
Legende „Barlaam und Josaphat“ erkennen.
Grundlage dieser Geschichte ist die verchristlichte Version des Lebens
und der Bekehrung Buddhas mit sehr verschlungener Text- und Stoffgeschichte,
die von Indien nach Palästina gelangte und Adaptierungen durch Judentum, Islam
und Christentum erfuhr. Es gibt aber auch georgische und griechische Fassungen,
die ihrerseits wieder in die lateinisch-patristische Literatur Aufnahme
fanden.8 Die Erzählung handelt von der Bekehrung des indischen Königssohnes
Josaphat (so die spätere griechische Namensform für Buddha) durch den Eremiten
Barlaam und war ein beliebter Stoff des europäischen Mittelalters. Basierend
auf der griechischen Fassung des Johannes von Damaskus gab es bald lateinische
Übersetzungen, die bereits im 12. Jahrhundert – vermutlich durch
Kreuzfahrer – nach Europa gelangt waren und zahlreiche Abschriften erfahren
hatten. Sie war auch im österreichischen Raum ziemlich bekannt, wie Manuskripte
in Klosterbibliotheken des 12. und 13. Jahrhunderts dokumentieren. So
finden wir die Legende z. B. im Chorherrenstift Seckau (Graz UB, Cod. 242,
fol. 72v-170r, 2. Hälfte 12. Jh.), im Benediktinerstift St. Lambrecht (Graz UB,
Cod. 350, fol. 1r-100r, 2. Hälfte 12. Jh.), im Zisterzienserstift Stams (Innsbruck
UB, Cod. 46, fol. 2r-90r, Ende 13. Jh.), im Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg
(Cod. 202, fol. 1-92, 2. Hälfte 12. Jh.), im Benediktinerstift Melk (Cod.
350, fol. 2-175, 1. Hälfte 13. Jh.), im Augustiner-Chorherrenstift Vorau (Cod.
277, fol. 90r-120v, Ende 12. Jh.), im Zisterzienserstift Heiligenkreuz (Wien,
ÖNB Cod. 2340, fol. 28r-89v, 4. Viertel 12. Jh.) und im Zisterzienserstift Zwettl
(Cod. 77, fol. 58ra-115vb, 4. Viertel 12. Jh.).9 Auch der Codex 454 der Österreichischen
Nationalbibliothek aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts enthält
die Legende, die Provenienz der Handschrift kann jedoch nicht weiter als auf
Niederösterreich eingeschränkt werden.10 Innerhalb des berühmten Magnum Legendarium
Austriacum wurde die Legende (zum 12. April) ebenfalls schriftlich
7 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 20-27.
8 Norbert H. Ott, Anmerkungen zur Barlaam-Ikonographie Rudolfs von Ems „Barlaam und
Josaphat“ in Malibu und die Bildtradition des Barlaam-Stoffs, in: Die Begegnung des Westens
mit dem Osten. Kongreßakten des 4. Symposions des Mediävistenverbandes in Köln
1991 aus Anlaß des 1000. Todesjahrs der Kaiserin Theophanu, hrsg. von Odilo Engels und
Peter Schreiner. Sigmaringen 1993, 365-385, hier 366; Wolfgang Stammler, Barlaam und
Josaphat, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte 1 (1937), 1452-1457.
9 Freundliche Mitteilung von Christine Glaßner, Kommission für Schrift- und Buchwesen des
Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
10 http://www2.onb.ac.at/sammlungen/hschrift/bibliographie/literatur.htm (letzter Zugriff 27.
Mai 2008).
31
überliefert: in Admont (Cod. 24, fol. 23v-57r, Ende 12. Jh.), in Heiligenkreuz
(Cod. 12, fol. 23r-53v, Ende 12. Jh.), im Augustiner-Chorherrenstift St. Hippolytus
(Wien, ÖNB Cod. 336, fol. 30v-73r, 12. Jh.) und in Zwettl (Cod. 24, fol.
26r-63v, 1. Viertel 13. Jh.).11 Keiner dieser genannten Codices weist Illustrationen
auf.
Die Beliebtheit des Stoffes bezeugt auch die Aufnahme der Legende in
weitgehend vollständigem Umfang durch den Dominikaner Vinzenz von Beauvais
in die Enzyklopädie Speculum Historiale um 1250.12 Ab dem Ende des 13.
Jahrhunderts bot die lateinische Urfassung der Legenda aurea dem europäischen
Mittelalter eine Kurzfassung der hagiographischen Erzählung. Auch in den
volkssprachigen Literaturen ist ihre Überlieferung breit. Im Altfranzösischen
haben sich neun verschiedene Prosa- und Versfassungen des Legendenstoffes in
insgesamt 34 Handschriften erhalten, die älteste dürfte die Versfassung des Guy
de Cambrai (1209/20) sein. Etwas früher (um 1200) schuf Otto II. von Freising
(OvF) seine mittelhochdeutsche Bearbeitung, wenig später (um 1225) übersetzte
Rudolf von Ems (RvE) die Legende in mittelhochdeutsche Reimpaarverse und
schuf einen Versroman für ein höfisches Publikum.13 Während das Werk Ottos
II. von Freising nur in einer Handschrift erhalten ist, ist die Überlieferung von
Rudolfs gereimtem Legendenroman sehr breit: Es sind 47 Textzeugen bekannt,
14 davon sind (nahezu) vollständige Handschriften.14 Drei entstanden im
österreichischen Raum, sind jedoch nur mehr als Fragmente vorhanden: nämlich
im Benediktinerstift Göttweig (ohne Signatur), im Augustiner-Chorherrenstift
Herzogenburg (Cod. 92) und in der Wiener Nationalbibliothek (Cod. 15336), die
Provenienz der letzteren ist unbekannt.15
Die griechische Romanversion wurde bereits im 11. Jahrhundert in einigen
Handschriften illustriert überliefert; doch konnte bis jetzt in den Manuskripten
mit Bildzyklen kein einheitlicher Illustrationstypus ausgemacht werden.
In der mit der Barlaam und Josaphat-Legende befassten, kunsthistorischen und
philologischen Forschung dominierte die Ansicht, in den griechischen, lateinischen
und mittelhochdeutschen Manuskripten, aber auch in Plastik und Wandmalerei
sei meist nur die Rahmenhandlung mit einzelnen Parabeln illuminiert
worden.16 Die wenigen vorhandenen Darstellungen beschränkten sich im We-
11 Freundliche Mitteilung von Christine Glaßner.
12 Iohannes Damascenus, Barlaam et Josaphat, in: Vinzenz von Beauvais, Speculum historiale,
Liber XV, Capitulum 1-63 (http://www.cs.uu.nl/groups/IK/archives/vincent/etexts/htm,
letzter Zugriff 27. Mai 2008).
13 Helmut Rosenfeld, Barlaam und Joasaph (Barlaam und Josaphat), geistlicher Roman, in:
Lexikon des Mittelalters 1, München-Zürich 1980, 1464-1469.
14 Ulrich Wyss, Otto II. von Freising, in: Verfasserlexikon 7, Berlin-New York 1989, 223 ff.;
Wolfgang Walliczek, Rudolf von Ems, in: Verfasserlexikon 8, Berlin-New York 1992, 322-
346, hier 329-332.
15 Handschriftencensus (http://cgi-host.uni-marburg.de, letzter Zugriff 27. Mai 2008).
16 Klaus Wessel, Barlaam und Joasaph, in: Lexikon des Mittelalters 1, München-Zürich 1980,
1469; Wolfgang Stammler, Der Mann im Brunnen, in: Wolfgang Stammler, Wort und Bild.
Studien zu den Wechselbeziehungen zwischen Schrifttum und Bildkunst im Mittelalter,
32
sentlichen auf die Erzählung aus der vierten Parabel des Werkes, der Einhornlegende.
17 Ausführlichere Bildzyklen waren bislang erst aus dem 15. Jahrhundert
bekannt: eine Monumentalmalerei im walachischen Kloster Neamt18 und die
einzige illustrierte Handschrift von Rudolfs „Barlaam“ aus der Werkstatt Diebold
Laubers mit 138 kolorierten Federzeichnungen, „die vollkommen vorbildlos“
entstanden sein sollen.19
Die schon etwas ältere Arbeit Der Nersessians über die Illustrationen des
Barlaam und Josaphat-Romans in griechischen, russischen und arabischen
Manuskripten gewährt einen Einblick in die frühe Ausformung der
Veranschaulichung des Legendenstoffes, der auch für uns interessant ist.20 Die
Durchsicht der in den Codices entwickelten Miniaturenzyklen offenbart eine
grundsätzliche Bebilderungstendenz: Dargestellt wurden in den Manuskripten
des 11. Jahrhunderts ein Zyklus von meist zwölf Parabeln21 und prägnante Motive
aus der Vita Josaphats. Die Themen „Der König mit den Mönchen“, „Barlaam
und Josaphat“, „Christianisierung der Reichshälfte Josaphats“, „Aveniers
Tod“, „Übertragung der Regentschaft“ und „Jüngstes Gericht“ waren bereits in
diesen frühen Manuskripten ikonographisch ausgebildet. Die Illustration scheint
schon im 11. Jahrhundert einem festgelegten Kanon zu folgen.
Dieser Kanon weist mit dem Ausstattungsschema in der Gozzoburg eine
hohe Kohärenz auf. In der Folge soll der wesentliche Inhalt der Erzählung kurz
vorgestellt und der Interpretation des Wandmalerei-Zyklus in der Gozzoburg
gegenübergestellt werden. Eine detailliertere Argumentation wird in einer weiteren
Studie folgen.
Berlin 1962; Kurt W. Forster, Barlaam und Josaphat, in: Lexikon der christlichen Ikonographie
1, Rom u. a. 1968, 244; Sabine Kimpel, Barlaam und Josaphat, in: Lexikon der
christlichen Ikonographie 5, Rom u. a. 1973, 313-316; Ott, Anmerkungen zur Barlaam-Ikonographie
383.
17 Ein Mann flieht vor einem Einhorn (Allegorie des Todes), stürzt in eine Schlucht und fängt
sich dabei in einem Baum (Symbol für die Welt), an dem allerdings zwei Mäuse, die die
Zeit symbolisieren, nagen. In der Tiefe lauert ein Ungeheuer. Da der Mann am Honig
nascht, was die Süße der Welt bedeutet, vergisst er die Gefahr (Forster, Barlaam und Josaphat
244); siehe Abb. 5.
18 Wessel, Barlaam und Joasaph 1469.
19 Ott, Anmerkungen zur Barlaam-Ikonographie, 365-385; Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Spätformen
mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold
Laubers in Hagenau 1, Wiesbaden 2001, 146-150.
20 Sirarpie Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam et Joasaph, Paris 1936, bes. 36.
21 Sämann, König mit den Mönchen, Todeshorn, Vier Kästchen, Vogelfänger, Einhorn, Die
drei Freunde, Jahreskönig, Frommer König, Reicher Jüngling, Rehbock, Königssohn (Der
Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 36).
33
Inhalt der Erzählung:22
Der heidnische König von India, Avenier, ist ein grausamer Christenverfolger
(OvF 25-218). Die gläubigen Christen werden aus dem Lande vertrieben und
leben in Wäldern in mönchischer Lebensweise (swer kêrte sîne sinne / ze
kristenlîcher lêre aldâ, / der muoste von dem lande sâ, / ob er niht wollte ersterben
/ und schäntlîche verderben RvE 268-272).23 Dem König wird ein Sohn namens
Josaphat geboren (RvE 763, OvF 646). Ein Weiser sagt das Schicksal des
Thronfolgers voraus und eröffnet dem König, der Jüngling werde einst Christ
werden und dem Reichtum entsagen (RvE 832-858, OvF 716-735). König Avenier
lässt einen Palast für seinen Sohn Josaphat erbauen: dô hiez der künic rîche
/ würken meisterlîche / einen wünneclîchen palas (RvE 867-869), diesen darin
einsperren und von ausgewähltem Personal behüten (RvE 869-886, OvF 752-
895). Die Christenverfolgungen werden intensiviert (RvE 888-891, 910-916,
OvF 812-837, 1096-1183).
Beinahe ein Drittel des Epos widmen Rudolf von Ems und Otto II. von
Freising der religiösen Unterweisung des Königssohnes Josaphat durch den
Eremiten Barlaam, den Gott aus Erbarmen dem gefangenen Josaphat schickt
(RvE 1379-7415, OvF 1618-8509). Durch tägliche Lektionen wird der Jüngling
in die Geheimnisse des christlichen Glaubens eingeführt und schließlich vom
Eremiten getauft (RvE 6857-6862, OvF 4200). Nachdem der Einsiedler auf
seine Insel zurückgekehrt war, wird dem König die Bekehrung des Sohnes hinterbracht.
Er lässt Barlaam suchen, um ihn zu bestrafen (RvE 7599-7875). Da
die Christen seinen Aufenthaltsort nicht preisgeben, lässt sie der König niedermetzeln
(RvE 7877-7938), bei Otto II. von Freising werden siebzehn Christen
grausam gemartert (OvF 9247-9302). In zahlreichen Gesprächen versucht der
König, seinen Sohn zur Abkehr vom Christentum zu bewegen (RvE 8145-8910;
OvF 9479-10605).
22 Als Grundlage für die Inhaltserfassung wurden sowohl die beiden mittelhochdeutschen
Bearbeitungen als auch die lateinische Fassung herangezogen. Sowohl der Text Ottos II.
von Freising (OvF) als auch der des Rudolf von Ems (RvE) sind in relativ späten Abschriften
überliefert: Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat, hg. von Franz Pfeiffer (Dichtungen
des deutschen Mittelalters 3) Leipzig 1943, Nachdruck: Mit einem Anhang aus Franz
Söhns, Das Handschriftenverhältnis von Rudolf von Ems „Barlaam“, einem Nachwort und
einem Register von Heinz Rupp, Berlin 1965 (Deutsche Neudrucke, Reihe: Texte des Mittelalters);
Der Laubacher Barlaam, eine Dichtung des Bischofs Otto II. von Freising (1184-
1220) hg. von Adolf Perdisch (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 260), Tübingen
1913. Die Vulgatafassung wurde nach Ms. Douai B.M. 797 eingesehen (http:
//atilf.atilf.fr/ bichard/; letzter Zugriff 27. Mai 2008).
23 Genus autem christianorum et monachorum multitudines in terra illa angelicam vitam
ducentes in gratia Christi proficiebant, regis cultum vilipendentes, et prorsus minas eius
non formidantes. Multi quoque pro Christo mortem sitiebant, eternam beatitudinem desiderantes.
Unde et sine timore predicabant, nichilque aliud nisi Christum in ore habebant.
Multi quoque doctrinam eorum suscipiebant, adeo ut quidam nobilium et senatorum omnia
relinquentes monachi fierent (Vinzenz von Beauvais, Speculum historiale XVI, Cap. 1).
34
Da ihm diese Versuche misslingen, will er durch eine Disputation zwischen
Christen und Heiden die Frage entscheiden, welcher Religion der Vorzug
zu geben sei. Es folgt ein Streitgespräch, in welchem der Zauberer Nachor sich
als Barlaam ausgibt und die Sache der Christen vertritt. Nach langatmigen Äußerungen
gegen Götter der Chaldäer (OvF 10895-11032), der Griechen (RvE
9665-10373, OvF 11033-11279), der Ägypter (RvE 10416-10475, OvF 11280-
11397) und den Gott der Juden (RvE 10679-10790, OvF 11398-11438) siegen
die Christen. Leichte Zweifel an seinen Göttern befallen den König (OvF 11900-
11935, 12120-12125). Der Zauberer Nachor wird von einem im Wald lebenden
Priester getauft (RvE 11257-11260). Der König mordet weiter die Christen hiez
er sie schenden, / geiseln und blenden, / durch die stat nackent jagen / durch ir
unkunstlich verzagen, / daz sie dulten ê dâ vor, / dô den sic erwarp Nachor.24 Josaphat
begehrt Barlaam zu sehen (RvE 11301-11306).
Der Königvater unternimmt einen neuerlichen Versuch, seinen Sohn von
seiner frommen Lebensweise abzubringen, indem er wunderschöne Mädchen in
den Palast sendet (RvE 11879-11900, OvF 12396-12843). Die Verführungsversuche
misslingen jedoch (RvE 12149-12325, OvF 12546-12963). Im Zwiegespräch
mit dem Vater äußert Josaphat abermals den Wunsch, den Einsiedler
Barlaam aufsuchen zu dürfen (RvE 12584, OvF 12996-13011).
Der Vürste Arachîs (RvE 13353-13370, OvF 13906-13931) rät dem König,
das Reich zu teilen. Der Sohn wird gekrönt und inthronisiert (RvE 13443-
13466, OvF 13978-13981). Die heidnischen Bethäuser lässt Josaphat zerstören
(RvE 13511-13528). In seiner Hauptstadt lässt er ein Münster bauen (RvE
13546 f., tempel bei OvF 14012), der von seinem Vater vertriebene Bischof wird
aus der Verbannung geholt, er wird zum Erzbischof ernannt (RvE 13551-13560,
OvF 14078-14083). Anstatt der heidnischen Bethäuser werden liutkirchen,
klôster, bistuom errichtet (RvE 13605-13620).
Josaphat betet oft um die Rettung der Seele des Vaters und bittet Gott,
ihm bei der Bekehrung des Vaters zu helfen (RvE 13775-13780), Gott erhört Josaphats
Gebete (RvE 13781). Der Vater schreibt Josaphat einen Brief, indem er
ihm seine Bereitschaft, sich zum wahren Glauben zu bekehren, mitteilt (RvE
13815-13906; OvF 14270-14313). Nach dem Tod des Vaters übergibt Josaphat
die Regierung an seinen Freund Barachias (RvE 14481-14626, OvF 14822-
14935): des landes krône und ouch daz lant / und bite dich des, daz duz nemest
(RvE 14632 f.). Josaphat findet nach jahrelanger Suche seinen Lehrmeister
Barlaam, sie verleben einige gemeinsame Jahre auf Barlaams Insel (OvF 15425-
15672). Nach Barlaams Tod sieht Josaphat im Traum das Jüngste Gericht (RvE
15653-15792, OvF 16298-16382).
24 Vgl. RvE 8921-24: Vor dem Kampf: der kristen man dâ wênic vant: gerûmet hâten sie daz
lant, / der künic sie sô gar vertreip, / daz ir dehiner dâ beleip. Ein Widerspruch, den offenbar
auch der frühe Auftraggeber sah.
35
Die Wandmalereien in der Gozzoburg
König mit Mönchen (Farbtafel 1)
(5 und 6 Ostwand, Mönche aus der Landschaftsszene und zwei Mönche im Disput
mit einem Herrscher)25
Im linken Bildteil ist vor der bewaldeten Felskulisse eine Gruppe von Mönchen
zu sehen; sie verkörpern die aus dem öffentlichen Leben in den Wald geflohenen
Christen. Johannes Damascenus nennt sie monachi26 und in beiden mittelhochdeutschen
Bearbeitungen des lateinischen Textes werden sie als Mönche
bezeichnet: die münche wurden manicvalt, / sie fuoren in den wüesten walt (OvF
105 f., RvE 193, 650). Die Szene wird geteilt durch ein geöffnetes Stadttor, das
das Vertreiben der Christen aus der Gemeinschaft symbolisieren könnte. Rechts
davon sind zwei Mönche im Gespräch mit König Avenier dargestellt.
Sehr nahe kommt dieser Visualisierung ein Text, der in der Abschrift von
Vinzenz von Beauvais De duobus Monachis martyrzatis betitelt wurde. Der König
ist gekennzeichnet als reifer Mann, er trägt Bart und ist charakterisiert durch
ernsten, finsteren Gesichtsausdruck. Johannes Damascenus lässt ihn zu den
Mönchen sagen: Non audistis erronei et seductores precones meos clamantes, ut
nullus vestre superstitiones in hac regione post tres dies inveniretur, alioquin
igne cremaretur.27 Die beiden vor ihm stehenden Mönche mit Redegestus zeigen
dagegen ein freundliches, offenes Mienenspiel. Sie scheinen beseelt von ihrer
göttlichen Botschaft, während sich ihr Gegenüber abwehrend verhält. In der
vermutlich zugrunde liegenden Textstelle des Barlaam und Josaphat erzählt Rudolf
von Ems, eines tages er gesach / zwêne reine müneche guot, / die truogen
ouch vil st#ten muot / an gotlîcher lêre. Der König ist sehr erzürnt, dass er sie in
seinem Lande findet und lässt sie wegen ihres Glaubenseifers verbrennen (RvE
918-921). Über die Kleidung der im Wald lebenden Christen äußert sich Barlaam
im Rahmen der religiösen Belehrung des jungen Königssohnes: unser kleit
ist wüllin, / rûch, vil herte, h#rin (RvE 6375 f.). Neben dem Kopf des alten Königs
ist eine weitere Krone sichtbar. Es ist die Krone, die der Königssohn auf
den Farbtafeln 3 und 4 trägt. Eine interessante Parallele zeigt das Manuskript
Jannina-Cambridge aus dem 12. Jahrhundert in der Darstellung Roi et deux
moines (Abb. 3).
Der Inhalt der folgenden Fehlstelle könnte, folgen wir dem Text, eine
Christenverfolgung und die religiöse Unterweisung des Königssohnes Josaphat
durch den Eremiten Barlaam oder Josaphats Taufe darstellen (Abb. 4). Barlaam
wird als weißhaariger, weiser Priester charakterisiert, der Mönchskleidung trägt
und in einer Zelle im Walde auf der Insel Sennââr lebt (OvF 1618-1636, RvE
25 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 22; die Nummerierung bezieht
sich auf ihre Zählung, siehe Abb. 2.
26 Vinzenz von Beauvais, Speculum historiale XVI, cap. 1 (http://atilf.atilf.fr/bichard/; letzter
Zugriff 27. Mai 2008).
27 Ebenda XVI, cap. 6.
36
1379-1435). Unter dem Gewölbe wäre allerdings auch ausreichend Platz für die
im Mittelalter nicht selten dargestellten exempelhaften Parabeln aus dieser bekannten
Legende, etwa die Einhornszene (Abb. 5).
Abb. 3: König mit Mönchen, 12. Jh.; Jannina, Bibliothek der Schule Zosimaia 1,
fol. 13v (aus: Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 55, fig. 14)
Abb. 4: Taufe und Kommunion Josaphats, 11. Jh. Jerusalem, Heilig-Kreuz-Kloster, cod. 42,
fol. 110 (aus: Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 170, fig. 77)
37
Abb. 5: Der Mann flieht vor dem Einhorn, Augsburg; Günther Zainer, Barlaam und
Josaphat-Prosaroman, 1476, fol. 22v (aus: Ott, Anmerkungen zur Barlaam-Ikonographie 380)
Kampfszene mit Josaphat und Begleiter (Farbtafel 2)
(7 Ostwand, Ausschnitt aus der Kampfszene, Herrscher und Begleiter aus der
Kampfszene)28
Mit dem Kampfgeschehen könnte der „Disput“ zwischen dem christlichen und
heidnischen Heeren gemeint sein. Auf der linken Seite des Betrachters ist eine
Gruppe von Heiden, die durch ihre hässliche Physiognomie als Negativpersonen
gekennzeichnet werden.29 Hinter den „bösen“ Heiden befindet sich ein Turm mit
Kuppelaufbau, eine Architekturform, die um 1270 nördlich der Alpen selten
vorkam.30 Der Kuppelbau ist m. E. als Abbreviatur für Fremdheit und andere,
„exotische“ Bethäuser zu interpretieren. Die linke Gruppe wird von der sie bekämpfenden
„christlichen“ Gruppe zurückgedrängt. Die Kämpfenden auf der
rechten Bildseite (eine etwas größere Gruppe) sind mit sympathischen, „schönen“
Gesichtern dargestellt.
In der Gruppe der christlichen Kämpfer befindet sich der Königssohn mit
einem Berater, vielleicht ist Nachor dargestellt. Josaphat trägt eine von den üb-
28 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 23.
29 Einer der drei „heidnischen“ Kämpfer trägt eine rote Kopfbedeckung, die große Ähnlichkeit
mit einer Infel, der Kopfbedeckung katholischer Bischöfe, aufweist; der Heidenkönig Avenier
spricht von heidnischen Bischöfen (OvF 10570).
30 Günther Stanzl, Längsbau und Zentralbau als Grundthemen der frühchristlichen Architektur.
Überlegungen zur Entstehung der Kuppelbasilika. Österreichische Akademie der Wissenschaften,
phil.-hist. Kl., Denkschriften 139, Wien 1979, bes. 79-114.
38
rigen Darstellungen abweichende Krone, es könnte eine „Kampfausrüstung“ angedeutet
sein. Der „Disput“ endet mit einem Sieg der Christen, was auch im
Bild zu erkennen ist. Der Königssohn vermittelt den Eindruck, als würde er den
Streit beenden und die Überlegenheit der christlichen Seite demonstrieren.
In den mittelhochdeutschen Versionen Rudolfs von Ems und Ottos II. von
Freising werden nur jeweils drei Personen im christlichen Heere genannt: Nachor,
der vorgibt Barlaam zu sein, Barachias und Josaphat, der Königssohn. Es
muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass Rudolf von Ems sich in seiner
mittelhochdeutschen Bearbeitung des Stoffes ausgeprägter Kampfterminologie
bedient und die Disputation wie einen Kampf31 schildert: sie wurden sigelôs
gesehen … an in gesigete gotes degen, / der sînes kamphes sollte phlegen (RvE
10385-10388) … gelâzen wart der Kriechen strît (RvE 10394) … Nachor zum
König: nû nim war, wie des tiuvels kint / sigelôs gelegen sint! (RvE 10405 f.),
daz er mit dem den vîent sluoc, / der des vîndes wâfen truoc (RvE 10993 f.), dô
gebôt der künic sâ, / daz sich schiede des kamphes strît: / diz was an der vesperzît.
/ dô schieden sigelôs von dan / der künic unde sîne man (RvE 11008-11012),
man sach uns sigelôs geligen (RvE 11462). Schon die Aufforderung zur Teilnahme
an der Disputation ist übersät mit martialischem Vokabular.32 In der altfranzösischen
Version des Legendenstoffes von Guy de Cambrai gibt es tatsächlich
eine Kampfbeschreibung,33 allerdings erst nach der Reichsteilung
(9801-11141). Das christliche Heer ist dort 2000 Mann stark.
In der durch die Gewölbekonstruktion verursachten Fehlstelle könnten
sich (folgen wir der Erzählung) der Verführungsversuch (Abb. 6) und die
Reichsteilung befunden haben.
31 Die Semantik von mhd. Kampf stm. beinhaltet das gesamte Bedeutungsfeld von „Streit mit
Waffen“; vgl. Georg Fr. Benecke, Mittelhochdeutsches Wörterbuch 1, ausgearbeitet von
Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1854-66, 784 f.
32 Der künic schiet von dan zehant. / er hiez mit brieven in daz lant / künden, in sîn rîche, /
daz die kristen vridelîche / ze disem kamphe k#men / und rehte dâ vern#men, / wie ez dem
kemphen solde ergân, / den sie ze kemphen solden hân, / des man vür Barlââmen wielt / und
ûf des kamphes strît behielt. / der kristen man dâ wênic vant: /gerûmet hâten sie daz lant, /
der künic sie sô gar vertreip, / daz ir deheiner dâ beleip. / ir wart an den stunden / deheiner
niender vunden / in allem sînem lande dâ. / von Kaldêâ und von Indîâ, / wurden alle meister
gar / besant ûf disen kamph aldar (RvE 8911-30). Des tages, dô die meister gar / zuo disem
kamphe kômen dar (RvE 8943 f.) … dô stuonden ûf kamphlîchen strît…(RvE 8955). Unser
gote … der kemphen sult ir hiute sîn (RvE 8978 f.).
33 Carl Appel (Hg.), Gui de Cambrai, Barlaham und Josaphat, Halle 1907. Ich danke Constanza
Cordoni, Institut für Germanistik an der Universität Wien, für den freundlichen Hinweis.
39
Abb. 6: Versuchung Josaphats, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat, Hagenau, Atelier des
Diebold Lauber, 1469. Malibu, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig XV 9, fol. 285v (aus:
Anton von Euw und Joachim M. Plotzek, Die Handschriften der Sammlung Ludwig 4, Köln
1985, 263)
Barlaam und Josaphat (Farbtafel 3)
(8 Ostwand, Ermahnung durch einen Heiligen)34
Dargestellt ist die Vision Josaphats, in der er sich der Lehren Barlaams entsinnt.
Ein alter Mann mit Nimbus wendet sich mit erhobenem Zeigefinger an den ihm
gegenüber stehenden Königssohn. Zwischen beiden steht ein Sprechband, das
die Aufforderung enthält, Gott nicht zu verfolgen, die Abgötter zu verleugnen
und nur noch einen Gott zu verehren: [VERKUE]NT · EV · DIET ·DAS · TV ·
34 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 23.
40
GOT · NIT / [VERFOLGEST. DI ABGOT35 I]R · VERLAVEGENET36 · HABET ·
VNO · GOT.37 Diese Inschrift findet in keiner der Textvarianten eine wörtliche
Entsprechung. Sinngemäß sind diese beiden Zeilen jedoch DAS Thema der gesamten
Legende, geht es doch um die Bekehrung der Heiden und den Sieg des
Christentums im gesamten Werk.
Diese Unterweisung, gegeben zum Zeitpunkt der Reichsteilung, ist eine
folgerichtige Ermahnung des religiösen Lehrers des jungen Königs, die er diesem
als Leitfaden für eine künftige Neuorientierung, zur Setzung neuer Akzente
in der Regentschaft, als eine Abkehr vom Regierungsstil des Vaters mit auf den
Weg gibt.
Der Maler der Wandmalereien war wohl nicht des Lesens und Schreibens
kundig. Man darf annehmen, dass er die beiden Zeilen, die im Sprechband als
Inschrift erscheinen, von einer Vorlage „abmalte“. Ungewöhnlich ist sicher
VNO im mittelhochdeutschen Kontext. In den beiden mittelhochdeutschen
Versionen ist jedoch eine Mischung aus Mittelhochdeutsch und Latein festzustellen,
eine Erscheinung, die in vielen Schriftstücken der Zeit beobachtbar ist.
Der alte Mann mit Nimbus ist auch deshalb als der Eremit Barlaam zu
identifizieren, da Barlaam im Mittelalter als Heiliger verehrt wurde, der gemeinsam
mit Josaphat auch im Rahmen des Magnum Legendarium Austriacum zum
12. April vorkommt. Auch in der Legenda Aurea (entstanden um 1280) wurde
ihre Lebensgeschichte verbreitet.38 Rudolf von Ems nennt ihn Sante Barlaam
(RvE 15569, 15632, 15661), er wird auch als alter, weiser Mann charakterisiert
(etwa OvF 5301, RvE 1947, 3125, 6297, 6619).
Auch in der sonstigen Ikonographie existieren zahlreiche Darstellungen,
die Barlaam nimbiert in Erscheinung treten lassen. Vergleichbar ist diese Szene
mit der Darstellung beider Männer in einer Handschrift aus der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts (Abb. 7). Die Szene zeigt die Bekehrung des Josaphat durch
Barlaam. Der Eremit in Mönchskutte hält ein Sprechband, ihm gegenüber sitzt
35 Vgl. dazu Barlaam und Josaphat Hie kompt des Kuniges Ratgeb zů Josaphat vnd will in wider
bekeren zů den abgötten im Codex Ms Ludwig XV 9, fol. 205v (von Euw und Plotzek,
Handschriften der Sammlung Ludwig, Abb. 214).
36 Belege für „verleugnen“: Petrus verleugnete Gott dreimal (wande er gotes drîstunt / verlougende
in kurzer stunt (OvF 4579f), Swer sô verlougenet mîn vor den liuten, … (OvF 10273);
sie lougenten sîn ze got über das Verhalten der Juden gegenüber Gott (OvF 11420). VERLAVEGENET
hat zwei verschiedene E-Formen. Sie stammen aus zwei verschiedenen Typen
von Alphabeten, nämlich dem Kapitalen und dem Unzialen (beide sind antik römischen Ursprungs).
Da die Veränderung der Schrift des Hohen Mittelalters u. a. dadurch geschieht,
dass immer mehr unziale Elemente in ein ursprünglich rein kapitales Alphabet einfließen,
gibt es viele Buchstaben lange in beiden Varianten nebeneinander: So auch diese beiden E
(das letzte E ist die kapitale Form neben den anderen unzialen E).
37 Für freundliche Unterstützung bei der Auflösung der Inschrift danke ich Christine Wulf,
Inschriftenkommission der Göttinger Akademie der Wissenschaften, und Renate Kohn, Institut
für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Arbeitsgruppe
Inschriften.
38 Legenda Aurea, cap. CLXXX „De sanctis Barlaam et Josaphat”, in: Th. Graesse, Jacobi a
Voragine, Legenda Aurea vulgo historia lomardica dicta. Reprint Osnabrück 1965, 811.
41
Josaphat als junger König mit Reichsapfel und Sprechband, beide sind als Heilige
dargestellt.39 Größte Aufmerksamkeit verdient die Darstellung in einem
griechischen Codex aus Jerusalem „Barlaam und Josaphat“ (Abb. 8), folgt doch
in diesem Codex der Tod des alten Königs.40
Abb. 7: Bekehrung des Josaphat durch Barlaam, Miniatur des 13. Jh. aus Altenberg,
Düsseldorf, Landesbibliothek 13.67, fol. 41 (aus: Kimpel, Barlaam und Josaphat 315)
39 Sabine Kimpel, Barlaam und Josaphat, in: Lexikon der christlichen Ikonographie 5, Rom u.
a. 1973, 313-316. Hier werden weitere Beispiele für die Darstellung Barlaams mit Nimbus
angeführt.
40 Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 171 f.
42
Abb. 8: Barlaam und Josaphat, 11. Jh. Jerusalem, Heilig-Kreuz-Kloster,
cod. 42, fol. 198v (aus: Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 171, fig. 79)
Christianisierung der Reichshälfte Josaphats (Farbtafel 4)
(9 Südwand, befehlender Herrscher)41
Dargestellt ist der junge Machthaber mit einem Berater an seiner Seite. Vincenz
von Beauvais versieht diese Episode mit dem Titel Qualiter Iosaphat se gessit in
potestate regni, et qua fecit. In einer Handschrift, jetzt in St. Petersburg, wird ein
großartig ausgeführter Einzug in die Hauptstadt abgebildet,42 bevor sich Josaphat
zum Vater begibt (Abb. 9). In Cod. 2340 der ÖNB, fol. 79ra hob ein
späterer Benützer, der auch am Ende des Codex eine Kurzfassung niederschrieb,
in einer Randanmerkung hervor, Josaphat habe die heidnischen Heiligtümer zerstört
und Kirchen errichten lassen.
In den Kremser Wandmalereien sehen wir einen jungen, vornehm
gekleideten Mann im Vordergrund, der offenbar die Befehle des hinter ihm stehenden
jungen Königs ausführt: Thema ist die Schleifung der „heidnischen
Kultstätten“ und der Aufbau christlicher Heiligtümer. Links von beiden Männern
wurde vom Maler ein stattliches Gebäude mit Kuppelabschluss, abermals
als pars-pro-toto für die „exotischen Kultstätten“, gemalt.
Die folgende Fehlstelle könnte wieder mit Hilfe des nun im Getty Museum,
Los Angeles, befindlichen Codex aus der Werkstatt des Diebold Lauber
imaginiert werden: auf fol. 316v lässt Josaphat Kreuze errichten (Abb. 10).
41 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 24.
42 Vorbild war der „Einzug Jesu in Jerusalem“ (Der Nersessian, L’illustration du roman de
Barlaam 160).
43
Abb. 9: Ankunft Josaphats in seiner neuen Hauptstadt, Kopie, Mitte 17. Jh.
St. Petersburg, Société Impériale des Amateurs de la Vieille Écriture, cod. 71, p. 440
(aus: Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 160, fig. 74)
Abb. 10: Josaphat lässt Kreuze errichten, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat, Hagenau,
Atelier des Diebold Lauber, 1469. Malibu, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig XV 9,
fol. 316v (aus: von Euw und Plotzek, Handschriften der Sammlung Ludwig, Abb. 221)
44
Aveniers Tod und Übertragung der Regentschaft (Farbtafel 5)
(10 Südwand, Göttlicher Gnadenerweis)43
„In einer rosettengeschmückten Fünfpassarkade, die einen Innenraum angibt,“44
ist ein vornüber gebeugter Jüngling sichtbar. Bei dieser Szene handelt es sich m.
E. um die Darstellung des Todes des Avenier; der angedeutete Innenraum dürfte
das Sterbezimmer des alten Königs markieren. Eine ähnliche Darstellung findet
sich in Codex 42 des Heilig-Kreuz-Klosters in Jerusalem (Abb. 11), wo sich der
junge König über den sterbenden Vater beugt. Auch dort ist der Königssohn im
Halbprofil abgebildet, die Darstellungen stehen seitenverkehrt zueinander.
Abb. 11: Tod des Königs, 11. Jh. Jerusalem, Heilig-Kreuz-Kloster, cod. 42, fol. 190
(aus: Der Nersessian, L’illustration du roman de Barlaam 172, fig. 81)
Um die Reue des Vaters hat Josaphat inständig gerungen. In den
Ausführungen über die göttliche Gnade und die Vergebung der Sünden Reumütiger
erläuterte Barlaam, wer zutiefst bereue und mit dem Herzen und den Augen
heiße Tränen weine, dem werde vergeben; echte Reue bewahre vor der
Hölle (Swem in sînen tougen / von herzen joch von ougen / der heize zaher lufet,/
der ist anderstunt getoufet unde ist sîner missetât / von rehten schulden
worden rât. / Der riuwe hat vil liute ernert / und hât in ouch die helle bewert
OvF 4429-36). Selbst Petrus, der den Gottessohn dreimal verleugnete, wurde,
weil er zutiefst bereute, vergeben und er wurde sogar meister über die kristenheit
(OvF 4591). Gott selbst habe geäußert, wer die Missetat bereut, dem vergebe
er alle Sünden (Swer verlât die missetât, / sô bin ich âne künde / aller sîner
43 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 24.
44 Ebenda.
45
sünde OvF 4664-68). Josaphat gesteht dem Vater bereits im Gespräch nach der
Bekanntgabe seiner Taufe, er bitte Gott um die Bekehrung des Vaters (OvF
9767-72). Gott erhört Josaphats Gebete: diz gebet erhôrte got (RvE 13781). Im
Codex des 15. Jahrhunderts wurde der „Gnadenerweis“ durch die Lauber-Werkstatt
als „Aufnahme der Seele des Avenier im Himmel“ verbildlicht (Abb. 12).
Vinzenz titelt im Speculum Historiale Kapitel 52 mit Qualiter patrem deus visitavit.
Abb. 12: Die Seele Aveniers steigt zum Himmel, Rudolf von Ems, Barlaam und Josaphat,
Hagenau, Atelier des Diebold Lauber, 1469. Malibu, The J. Paul Getty Museum, Ms. Ludwig
XV 9, fol. 339r (aus von Euw und Plotzek, Handschriften der Sammlung Ludwig, Abb. 224)
Weiter geht es mit der „Übertragung der Regentschaft“ an Barachias (De
substitutione Barachie et fuga Iosaphat, Vinzenz von Beauvais, Speculum
Historiale Kapitel 55). Josaphat übergibt die Herrschaft seinem Freund und
Wegbegleiter Barachias, beide sind im Moment der Machtübertragung gekrönt.
Josaphat daz niht vermeit, / ez waere im liep oder leit: ûf sîn houbet schône /
sast er im die krone (OvF 15070-15073). Dennoch wird er später noch als König
bezeichnet. Hinter beiden Regenten befindet sich ein Mann, vielleicht ein königlicher
Ratgeber.
46
Jüngstes Gericht (Farbtafeln 6-8)
(11 Westwand)
Josaphat bestattet Barlaam in größter Betrübnis und erlebt eine Vision. Er sieht
eine schöne Stadt, seinen Vater Avenier und Barlaam im Himmel (OvF 16302-
82). Gott gewährte also Vater und Sohn den Gnadenerweis (OvF 16331).
Vinzenz von Beauvais betitelt diesen Abschnitt im Speculum Historiale
(Kap. 62) mit De visione Iosaphat qua celestes ei mansiones apparuerunt. In
Cod. 2340 der ÖNB ist die Vision breit ausgeführt (88rb-88vb). Die Fassung des
Guy de Cambrai (12584-965) bietet eine ausführliche Schilderung der Vision:
Auf dem Grabhügel sieht Barlaam in einer Vision die Sitze seines Lehrers, Aveniers
und den eigenen im Paradies bereitet. Barlaam zeigt ihm Himmel und
Hölle (12909), Engel, Paradies (12886).
Im Codex aus der Diebold Lauber-Werkstatt ist dem Textbeginn vorangestellt
eine große Titelminiatur des Paradieses mit Sündenfall und Gottvater (fol.
1v), sozusagen als „Leseanweisung“ für die Rezipienten, es folgen die Darstellung
„Lazarus in Abrahams Schoß zwischen Gottvater und Christus, darunter
der Reiche im Höllenrachen“ (fol. 86v) und die des „Jüngsten Gerichtes“ (fol.
93r).45 In der Petersburger Handschrift findet sich eine detailreiche Darstellung
der Himmelsvision und des Jüngsten Gerichtes (Abb. 13).
Abb. 13: Jüngstes Gericht, Kopie, Mitte 17. Jh., Sankt Petersburg, Société Impériale des
Amateurs de la Vieille Écriture, cod. 71, p. 406 (aus: Der Nersessian, L’illustration du roman
de Barlaam 180, fig. 86)
45 Ott, Anmerkungen zur Barlaam-Ikonographie 382.
47
An der Nordwand des Freskensaales in der Gozzoburg sind die „Könige
der vier Weltreiche“46 mit den Bildnissen Alexanders des Großen, Nebukadnezars
und des römischen Augustus dargestellt und mit den Inschriften ALEXANDER
REX, NABV[CHODONSOR], REX ROMANORUM versehen.
Auch für die auf der Nordwand visuell wiedergegebene Weltreichslehre47
bot die Barlaamlegende indirekt die Vorlage, denn im Disput werden die Religionen
der Chaldäer (OvF 10895-11032), der Griechen (RvE 9665-10373, OvF
11033-11279), der Ägypter (RvE 10416-10475, OvF 11280-11397) und der Juden
(RvE 10679-10790, OvF 11398-11438) diskutiert und die Überlegenheit der
christlichen Religion nachgewiesen. Ebenso werden das babylonische Reich und
Nebukadnezar erwähnt (RvE 2318, 2327-2329, 2357, 12739, 12745). Es scheint
jedoch, als hätte der Auftraggeber der Malereien ein aktuelleres Weltdeutungsmodell
als es Johannes Damaszenos im 6. Jahrhundert geboten hatte, an der
Wand sehen wollen. Ein zeitgemäßes Geschichtsbild bot etwa Otto von Freising
in der Chronica sive historia de duabus civitatibus, denn er hat in seiner Chronik
(2,13 u. ö.) die Hieronymus-Interpretation des Danielgleichnisses von den vier
Weltreichen zentral aufgenommen.48 Die Reihenfolge der regna mundi (Babylonier–
Meder/Perser–Griechen–Römer) hatte er von Hieronymus übernommen,
jedoch nicht ohne zugleich das abweichende Schema des Orosius zu zitieren.49
Die Weltreichslehre erscheint allerdings bereits in einer Reihe von Weltchroniken
vor 1200, nämlich bei Orosius, Prosper Tiro, Jordanes, Bernold von St. Blasien,
Frutolf von Michelsberg, Sigebert von Gembloux, Hugo von Fleury und
Honorius Augustodunensis.50 In der Zwettler Stiftsbibliothek befindet sich mit
Codex 284 ein Manuskript der Historia de duabus civitatibus des Otto von Freising,
datiert von Charlotte Ziegler um 1200.51 Die Klosterneuburger Stiftsbibliothek
besitzt mit Codex 691 ebenfalls ein Exemplar von Ottos Weltchronik
und von der Weltchronik Imago Mundi des Honorius Augustodunensis sogar
drei Codices (Codex 722, 795, 1051).52
* * *
Die Kremser Wandmalereien sind ein kulturhistorisches Denkmal ersten Ranges,
denn sie zeigen eine bemerkenswert frühe bildkünstlerische Rezeption eines
46 Lanc, Die neu entdeckten mittelalterlichen Wandmalereien 20 ff.
47 Für große Geduld und freundliche Hilfe bei der Beantwortung meiner historischen Fragen
danke ich Herwig Weigl, Universität Wien, Institut für österreichische Geschichtsforschung.
48 Hans-Werner Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising. Ein Beitrag zur historischen
Vorstellungswelt und zur Geschichte des 12. Jahrhunderts. Köln-Wien 1984, 139 ff.
49 Goetz, Das Geschichtsbild Ottos von Freising 140.
50 Anna-Dorothee von den Brincken, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter
Ottos von Freising, Düsseldorf 1957, Tafel V.
51 Freundliche Mitteilung von P. Petrus Gratzl OCist., Bibliothek und Archiv Zwettl vom 13.
Mai 2008.
52 Freundliche Mitteilung von Alois Haidinger, Kommission für Schrift- und Buchwesen des
Mittelalters der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vom 16. Mai 2008.
48
literarischen Werkes. Die bildliche Umsetzung von Literatur in bürgerlichen
Wohnbauten tritt nördlich der Alpen erst im 14. Jahrhundert vermehrt auf. Der
Barlaamzyklus ist – wenn die Datierungen von kunst- und bauhistorischer Seite
halten – neben den Iweinfreskenzyklen in Rodenegg und in Schmalkalden
(beide aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) vermutlich die einzige geschlossen
erhaltene Monumentalmalerei des 13. Jahrhunderts. Das bildnerische
Programm wurde in relativ enger Anlehnung an die literarischen Vorlagen realisiert,
obgleich für die Umsetzung literarischer Inhalte in Wandmalereien eine
starke Textablösung und ein selbständiges Agieren mit den textlichen Vorlagen
im anderen Medium durchaus üblich ist. Das Bildwerk zeugt sowohl vom Bedürfnis
nach repräsentativer Selbstdarstellung des Auftraggebers als auch von
seinem deutlichen Wunsch nach Visualisierung eines bestimmten literarischen
Themas. Der Barlaam und Josaphat-Stoff war, wie die zahlreich überlieferten
Manuskripte belegen, sowohl in griechisch-lateinischen als auch in volkssprachlichen
Versionen, weit verbreitet und man kann wohl eine gute Stoffkenntnis
in der Bevölkerung annehmen. Mit der visuellen Vergegenwärtigung
dieser religiösen Literatur in einem repräsentativen Raum ist eine klare Intention
des Auftraggebers verbunden. Das Ziel der Dichtung war neben der Verkündung
des Sieges des Christentums die ethische Formung der Menschen. Rudolf von
Ems formuliert über seine lateinische Vorlage: ze latîne erz rihte / durch got und
durch alsolhe site, / daz sich diu liute bezzern mite. / der selben hân ouch ich
gedâht (RvE 130-133). Er wolle den Menschen einen Leitfaden zu ihrer Besserung
an die Hand geben (vorbilde in guoter lêre RvE 140) und für seine Memoria
wirken (RvE 160). Rudolf führt seinem Publikum vor Augen, dass das
Thema des Contemptus mundi zu verbinden ist mit der Bewährung eines christlichen
Fürsten in der Welt.
Es war für den Auftraggeber und den mit der Realisierung beauftragten
Künstler mit Sicherheit nicht einfach, die im Medium des Wortes vorhandenen
Inhalte bildnerisch wiederzugeben. Die im Medium der bildenden Kunst realisierten
literarischen Inhalte mit ihrer figürlichen Repräsentation sind weit entfernt
von der konventionellen Visualisierung zeitgleicher religiöser Inhalte. Die
Kremser Wandmalereien stellen eine bedeutungsvolle Innovation des überkommenen
bekannten Bildrepertoires dar. Sie sind mit ihrer hohen Qualität in der
Ausführung eine Neuerung des damals gängigen ikonographischen Könnens.
Farbtafel 1 (5 und 6 Ostwand): König mit Mönchen (© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 2 (7 Ostwand): Kampfszene mit Josaphat und Begleiter
(© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 3 (8 Ostwand): Barlaam und Josaphat (© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 4 (9 Südwand): Christianisierung der Reichshälfte Josaphats
(© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 5 (10 Südwand): Aveniers Tod und Übertragung der Regentschaft
(© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 6 (11 Westwand): Jüngstes Gericht – Detail: Engel mit Posaune
(© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 7 (12 Westwand): Jüngstes Gericht – Detail: Engel mit zwei Seligen
(© Bundesdenkmalamt Wien)
Farbtafel 8 (14 Westwand): Jüngstes Gericht – Detail: Weltenrichter,
Seliger und Engel mit Kreuz (© Bundesdenkmalamt Wien)
M E D I U M A E V U M
Q U O T I D I A N U M
57
KREMS 2008
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramèr
Copy editor: Judith Rasson
ISSN 1029-0737
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ……………………………………………………..…………….…… 4
Aron Ya. Gurevich (†), Spirit and Matter: The Ambivalence
of Medieval Everyday Religiosity …………………………………….… 5
Yuriy Zazulyak, Ego huic inscriptione non credo, … ipse scribere potuit,
quod voluit: Law, Literacy, and Daily Life in Late Medieval Galicia … 12
Gertrud Blaschitz, „Barlaam und Josaphat“ als Vorlage
für Wandmalereien in der Gozzoburg von Krems .……………………. 28
Buchbesprechungen .………………………………..………….…………….. 49
Anschriften der Mitarbeiter ….…………………………………………….… 62
4
Vorwort
Der vorliegende Band von Medium Aevum Quotidianum wird besonders dadurch
bestimmt, dass wir die Möglichkeit erhalten haben, einen Beitrag zur Alltagsreligiosität
in englischer Übersetzung zu publizieren, den Aron Ya.
Gurevich, einer der bedeutendsten Mediävisten des 20. Jahrhunderts1, im Jahre
1988 in russischer Sprache verfasst hatte und welcher 2005 in einem Sammelband
der Arbeiten des Autors, neuerlich auf Russisch, wieder abgedruckt wurde.
Der Aufsatz beschäftigt sich mit der Analyse von Exempla, einer Quellengruppe,
welcher sich Gurevich in seiner wissenschaftlichen Karriere des öfteren
gewidmet hatte.
Ein zweiter Beitrag, verfasst von Yuriy Zazulyak (L’viv), setzt sich mit
dem Alltag der Gerichtspraxis im spätmittelalterlichen Galizien und der dabei
auftretenden Rolle von Schriftlichkeit auseinander. Gertrud Blaschitz analysiert
schließlich einen im Jahre 2006 entdeckten Wandmalerei-Zyklus in einem
Wohn- und Repräsentationsraum der sogenannten ‚Gozzoburg‘ in der Stadt
Krems an der Donau (Niederösterreich), einem Baukörper aus der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts, als dessen Bauherr der damalige Kremser Stadtrichter
Gozzo gilt.
Der Band versucht somit neuerlich, die Breite, Vielfalt und Interdisziplinarität
der Forschungsfelder einer Geschichte von Alltag und materieller Kultur
des Mittelalters aufzuzeigen. Er soll dadurch auch wieder anregen, sich stärker
mit jener wichtigen Teildisziplin der Mittelalterforschung zu beschäftigen.
Gerhard Jaritz (Herausgeber)
1 Siehe den Nachruf durch János M. Bak, Elizabeth A.R. Brown und Yelena Mazour-Matusevich,
in: Speculum 82 (2007) 826-828.