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„Crudeliter afflicta“ Zur Darstellung von Gewalt und Grausamkeit in mittelalterlichen Mirakelberichten

„Crudeliter afßicta“.
Zur Darstellung von Gewalt und Grausamkeit
in mittelalterli<hen Mirakelberichten
CHRISTIAN KRÖTZL
Welche Rolle spielten Gewalt und Grausamkeit in den Kommunikationsund
Interaktionssituationen des Mittelalters? Welche Formen der Gewaltausübung
bildeten ’normale‘ Bestandteile des Verhaltens und der Vorstellungswelt?
Wo begann die nicht mehr tolerierte, als unnötig und
übertrieben angesehene Grausamkeit? Gab es überhaupt eine solche Grenze?
In welchen Situationen kam Gewalt bzw. Grausamkeit vor?1
Beim Versuch zur Beantwortung dieser Fragen stellt sich das Problem
der repräsentativen Quellen für breitere Schichten der Gesellschaft. Viele
der sich anbietenden Quellengattungen wie Chroniken, Annalen, literarische
Schilderungen und ikonographische Darstellungen sind nur für gewisse
Teile der Gesellschaft aussagekräftig. Von großer Bedeutung sind Quellen
zur Legislation und Rechtssprechung. Detaillierte und vergleichende
1 Eine umfassendere Untersuchung von Gewalt und Grausamkeit im Mittelalter steht
aus. Arbeiten zu einzelnen Aspekten: H. Platelle, La violence et ses remedes en Flandre
au Xle siede. In: Sacris erudiri 20 (1971), 101-173; J. Chiffoleau, La violence au
quotidien. Avignon au XIVe siede d’apres les registres de Ia Cour temporelle. In:
Melanges de l’Ecole frant;aise de Rome, Moyen Age et Temps Modernes, 1980, 325-371;
G. Signori, Gewalt und Frömmigkeit. Die Waadtländer Landschaft im Spiegel Conon
von Estavayers Wunderbücher „Unserer Lieben Frau von Lausanne“ (1232-1242). In:
Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 40 {1990), 1 27-152; K. Simon-Muscheid, Gewalt
und Ehre im spätmittelalterlidJ.en Handwerk am Beispiel Basels. In: Zeitschrift für
Historische Forschung 18 (1991), 1-29. Zur Mentalität im allgemeinen sowie zum Postulat
einer wesentlich an Verhaltensweisen orientierten Erforschung der mittelalterlidJ.en
Mentalität s. F. Graus, Mentalität – Versuch einer Begriffsbestimmung und Methoden
der Untersuchung. In: F. Graus (Hrsg.), Mentalitäten im Mittelalter. Methodische und
inhaltliche Probleme (Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterlidJ.e Geschichte, Vorträge
und Forschungen, XXXV), Sigmaringen 1987, 9-48.
121
Untersuchungen von normativen Gesetzestexten sowie von konkreten Gerichtsurteilen
und -akten können wesentliche Informationen zum Ausmaß
von Gewalt und Grausamkeit in der mittelalterlichen Gesellschaft liefern2 .
Zur Untersuchung von Gewalt und Grausamkeit in breiteren Schichten
der mittelalterlichen Bevölkerung bietet sich eine weitere Quellengattung
an: die hagiographische Literatur, darunter vor allem die aus allen Teilen
des christlichen Mittelalters vorliegenden Heiligenviten und Sammlungen
posthumer Mirakelberichte. Die hagiographische Literatur kann zwar auf
eine lange, mit den Bollandisten des 17. Jahrhunderts einsetzende Tradition
der Quellenkritik und Edition zurückblicken, die historische Forschung
hat sich jedoch erst in den letzten Jahrzehnten der Inhalte dieser
Texte vermehrt angenommen3 • Ich stütze mich in der vorliegenden Untersuchung
auf die aus dem 12.-15. Jahrhundert stammenden Sammlungen
posthumer Mirakel aus Skandinavien, die im Vergleich zum übrigen Europa
den Vorteil einer überblickbaren Anzahl – ca. 800 Einzelberichte unterschiedlicher
Länge aus Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland –
für ein kulturell und geographisch abgegrenztes Gebiet aufweisen4. Mit
2 Zur kriminal- und sozialgeschichtlichen Auswertung juridischer Quellen des Mittelalters
liegen aus verschiedenen Teilen Europas regionale Untersuchungen vor, zu Skandinavien
s. E. Österberg & D . Lindström, Crimeand Social Control in Medieval and Early
Modern Swedish Towns. (Acta Universitatis Upsaliensis, Studia Historica Upsaliensia
152) Uppsala 1988.
3 Zur Untersuchung von mittelalterlimen Mirakelberichten im allgemeinen s. D. Ganthier,
C. Le Bas, „Analyse socio-economique de quelques recueils de mirades dans Ia.
Norma.ndie du XIe au Xlle siede“ . In: Annales de Norma.ndie 24 (1974), 3-36; R. Finucane,
Mirades a.nd Pilgrims. Popula.r beliefs in Medieval Engla.nd. London-MelbourneToronto
1977; C. Rendtel, Hochmittelalterlime Mirakelberichte a.ls Quelle zur Sozialund
Mentalitätsgeschichte und zur Geschichte der Heiligenverehrung. Diss. phil. Berlin
1982; N. Ohler, „Zuflucht der Armen. Zu den Mirakeln des Heiligen Anno“. In: Rheinische
Vierteljahresblätter 48 (1984), 1- 33; Id., „Alltag im Ma.rburger Raum zur Zeit
der heiligen Elisa.beth“. In: Archiv für Kulturgeschichte 67 (1985), 1-40; P.-A. Siga.l,
L’homme et le mira.cle dans la. Fra.nce medievale. Paris 1985; G. Signori, op.cit.
4 Die meisten skandinavischen Mirakelsammlungen liegen in Editionen vor. Die vorwiegend
a.us dem 12. und 13. Jahrhundert stammenden dänischen Sammlungen finden
sich zum größten Teil in Vita.e Sa.nctorum Da.norum (a.bgek. VSD), ed. M. C. Gertz
(Kopenha.gen 1908-12), 287-295 und die zeitlich meist später anzusetzenden schwedischen
Sammlungen in Scriptores Rerum Svecica.rum medii a.evi, (Uppsa.la. 1818-1876),
vol. II:1, 270-316 (Erik von Uppsa.la.); ibid., vol. III:2, 138-185 (Brynolph von Ska.ra.);
Acta. et processus ca.noniza.cionis bea.te Birgitte. Utg. a.v Isa.k Collijn ( Stockholm 1924-
122
Berücksichtigung einiger durch Gesellschaft, Klima und Natur bedingter
Sondereigenschaften lassen sie sich ohne weiteres mit den Mirakelsammlungen
aus den übrigen Teilen Europas vergleichen und reflektieren Einstellungen
und Verhaltensweisen, die nicht nur für Skandinavien gültig
sind5 .
Bei einer Untersuchung von Gewalt und Grausamkeit als Verhaltensmuster
in den Mirakelberichten zeichnen sich zwei Hauptbereiche ab: einerseits
die Beziehungen der Heiligen und Dämonen zu den Menschen,
andererseits Formen der zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere
persönliche Streitigkeiten. Es ist jedoch davon auszugehen, daß dieses
Quellenmaterial die Bereiche des menschlichen Lebens, in denen Gewalt
und Grausamkeit vorkamen, nur ausschnittweise beleuchten kann. Zudem
sind bei der Interpretation die Tendenzen und Charakteristiken der
hagiographischen Quellen zu berücksichtigen6 . Die biblischen Wunderberichte
bildeten das große Vorbild, nach dem man sich ausrichtete und das
die Auswahl der in den Sammlungen vertretenen Mirakeltypen in starkem
Maße beeinfl.ußte. Mit zu berücksichtigen ist auch die didaktischmoralische
Funktion der Mirakelberichte, die zu gewissen Verhaltensweisen
anregen sollten und in dieser Beziehung den Exempla gleichen. Mit
der endgültigen Übertragung der Kanonisationsbefugnis von den Bischöfen
auf den Papst zu Beginn des 13. Jahrhunderts traten, ausgehend von den
1931), 108-43, 145-61, 608-10; Tryggve Lunden (Hg.), Miracula Defixionis Domini.
In: Göteborgs Högskolas Arsskrift 50 {1949), 33-60; Miracula sancti Nicholai, ed. H.
Schück. In: Antiqvarisk tidskrift för Sverige 5 {1873-1895), 333-399; Processus seu
negocium canonizacionis B. Katerine de Vadstenis, ed. Isak Collijn (Samlingar utg. av
Svenska Fornskriftsällskapet, Andra serien, Latinska skrifter, vol. III, 1942-1946).
5 Zur Erforschung der skandinavischen Mirakelsammlungen s. Ch. Krötzl, Mittelalterliche
Mirakelberichte aus Skandinavien als Quelle zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte
sowie zur Geschichte des Pilgerwesens. Lizentiatsarbeit Zürich 1983; E. Österberg,
Människor och mirakler i medeltidens Sverige. In: Studier i äldre historia tillägnade
Herman Schück, Stockholm 1985, 141-157; Ch. Krötzl, Parent-Child Relations in Medieval
Scandinavia according to Mirade Collections. In: Scandinavian Journal of History
14 (1989), 21-37 sowie als neueste Untersuchung des spätmittelalterli<hen Heiligenkultes
und der Mirakelberichte in einem skandinavischen Bistum die Dissertation von
A. Fröjmark, Mirakler och helgonkult. Linköpings biskopsdöme under senmedeltiden.
{Acta Universitatis Upsaliensis. Studia Historica Upsaliensia 171) Uppsala 1992.
6 Dazu R. Finucane, The use and abuse of medieval miracles. In: History 60 {1975),
1-10.
123
Kanonisationsprozessen, auch 􀁢?1 den Mirakelberichten Veränderungen ein,
die zu einer immer stärkeren Uberprüfung und zu ausgedehnten Zeugenverhören
führten.
Gewalt und Grausamkeit waren ein Charakteristikum des in den Mirakelberichten
geschilderten Verhaltens der Heiligen, Dämonen und Teufel
gegenüber den Menschen. Dieses gewalttätige oder grausame Verhalten
der Heiligen, Dämonen und Teufel wird in den Mirakelberichten in sehr
konkreter und realistischer Weise beschrieben.
In den dänischen Mirakelberichten des 12. und 13. Jahrhunderts liegt
dabei der Schwerpunkt auf der durch die Heiligen selbst ausgeübten Gewalt
bei Strafmirakeln 7 • Der Heilige ahndete tätliche Angriffe auf die Reliquien,
Diebstahl von Votivgeschenken, Beeinträchtigung des Besitztums
der Kirche des Heiligen, fehlenden Glauben an die Wunderkraft, blasphemische
Äußerungen, Verunglimpfungen, unwürdiges Verhalten sowie die
Nichterfüllung von abgegebenen Voten.
Die aus konkreten Taten und Angriffen gegen den Heiligen resultierenden
Strafmirakel werden in den dänischen Mirakelsammlungen des 12.
und 13. Jahrhunderts vielfach in alttestamentarischer, drastischer und
unerbittlicher Weise geschildert. Ein Priester, der nicht an die Mirakel
des hl. Knut glaubte, näherte sich der Quelle des Heiligen und trank
„in unehrerbietiger Weise“ vom Wasser, worauf „ihm sogleich drei Zähne
zertrümmert wurden, was allergrößte Schmerzen verursachte“. Der entstandene
Schmerz verschwand nach langem Gebet, die Zahnlücke blieb
jedoch bestehen8 • Zwei andere Priester versuchten das Knutsgrab und die
heilige Quelle mit Hundeurin zu verunreinigen, um die Mirakel zu beenden
und die Menschen vom Besuch abzuhalten, worauf der Sohn des einen
Priesters schwer erkrankte und nur durch Reichung des heiligen Wassers
geheilt werden konnte9• Der Heilige des 12. Jahrhunderts akzeptierte nur
7 Sigal berechnet in seinem Korpus von ca. 5000 südfranzösischen Mirakeln 470 Strafmirakel,
L’homme et le miracle, 276. Zu Gewalt und Grausamkeit der Heiligen in den
Exempla s. A. Gurjewitsch, Santi iracondi e demoni buoni, in: Settimaue di studio
del Centro Italiano di Studi sull‘ Alto Medioevo XXXVI, Spoleto 1989, 1050-1052, vgl.
auch id., Mittelalterlid:J.e Volkskultur. München 1987, 79-81.
8 „Presbiter quidam, sancti miraculis incredulus, venit tarnen ad fontem immundus explorator,
et in siti prevalida anxiatus irreverenter aquam bibit; et statim ei tres minutim
fracti sunt dentes, dolore maximo subsequuto. Sed ipso die orante dolor cessavit; sed
castigationis prodigium seu amissio dentium semper mansit.“, VSD, 242-43.
9 VSD, 243.
124
auf ehrbare Weise erworbene Votivgeschenke und wies zwei Prostitutierte
„in schrecklicher Weise“ ab, da sie „den Lohn ihrer Schande“ als Votivgeschenk
anboten10.
Der Heilige schützte auch sein Eigentum. Versuchter Diebstahl von
Geld (Votivgeschenken) wurde dadurch geahndet, daß die Hand des Diebes
am Reliquiar angeklebt blieb, bis er entdeckt wurde und seine Tat gestand.
Ein Jüngling, der im Obstgarten des Heiligen Äpfel stehlen wollte,
konnte bis zum Morgen nicht mehr vom Baum weg und mußte seine Tat
gestehen 11 . Schutzmirakel dieser Art kommen jedoch ausschließlich in den
frühen dänischen Sammlungen vor.
Der quantitativ am stärksten vertretene Grund für Strafmirakel des
Heiligen ist Blasphemie, Unglauben oder verbale Verunglimpfung des Heiligen
12. Kritik am Heiligen und an seiner Heilkraft konnte in den frühen
dänischen Sammlungen schwerwiegende und irreversible Folgen haben, wie
ein Mirakel des dänischen Königs Eriks belegt: „Karolus Kannae in Scania
dixit: ‚Si rex Ericus est sanctus, ervat michi oculos et faciat me furiosum‘.
Quod et factum est: quia cecus et amens et propriam linguam dilacerans
exspiravit“13. In den meisten Fällen von Unglauben oder Blasphemie
strafte der Heilige den Betroffenen durch eine schwere Krankheit, von der
man jedoch durch die Ablegung eines Votums geheilt werden konnte. Der
10 lbid.
11 “ … fur quidam, volens pecuniam de capsula sancti Nicolai extrahere, manu firmiter
adherente ibi usque ligatus mansit, donec reatum venienti episcopo et ceteris confessus
evasit.“, VSD, 406; „Adolescens furans poma in Skybya monitus est per socium, ne in
pomerium sancti Nicolai ascenderet. Quod ille contempnens et sanctum blasphemans
quasi compeditus ad arborem tota nocte ibi mansit, donec in crastino patrifamilias
reatum confitens solutus est.“, ibid.
12 Dazu auch P. Geary, Humiliation of saints, in: Stephen Wilson (ed.), Saints and their
cults. Studies in Religious Sociology, Folklore and History, Garnbridge 1983, 123-140.
13 VSD, 438. Ein vergleichbarer Fall der reinen Bestrafung ohne Heilung findet sich
in den dänischen Knutsmirakeln, wo eine bucklige Frau die an der Quelle Heilung Suchenden
verspottete und den 􀁡eiligen herausforderte: „Si pigacium meum tortuosum
non potest dirigere, nec vos curare potest.“ Als sie darauf Durst verspürte, trank sie
vom Quellenwasser und wurde grausam gestraft: “ … aqua mox properavit ad exitum;
et temptatrix cruciata se tendit et lacerat, turpiter et probrose volutata et alvo tumescente,
urine et fimi effusionem comitantibus Iumbcis et tavillis ac fetore horribili.
Confusa per aliorum auxilium removetur.“, VSD, 242.
125
Ungläubige „erkrankte zu Tode“ oder wurde in der Nacht durch starke
Sehnletzen geplagt14.
Besonders viele Fälle von Blasphelllie und anschließenden Straflllirakeln
finden sich in den aus den letzten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts
stanlmenden Akten des Kanonisationsprozesses der hl. Birgitta, die auch
nach ihrenl Tode eine Unlstrittene Person blieb15 . Die Kritik gegenüber
Birgitta war oft recht herber Natur, und auch die Strafnllrakel waren nicht
von milder Barnlherzigkeit gekennzeichnet; die Gewalttätigkeit der Heiligen
bzw. Gottes wird in einigen Fällen explizit hervorgehoben. „Was
geht nlich jene Alte nlit ihren Reliquien an?“ rief ein Bürger der Stadt
Söderköping inl Jahre 1374 aus, verlor darauf den Verstand, zerbiß sich
die Finger, peinigte und geißelte sich, so daß Blut ßoß16. In vier der elf
Blasphenliefälle strafte Birgitta dadurch, daß der Betreffende den Verstand
verlor oder epileptische Anfälle erlitt: „anlens onlnino effectus est per tres
dies et noctes“ 17• Als Strafmirakel werden weiter Lähnlung, in einenl
Falle verbunden nlit einenl Selbstnlordversuch18 , Verlust eines Auges19,
starke Sehnletzen inl Arnl20, sowie eine Geschwulst und Kopfschnlerzen
angeführt21. In zwei, allerdings nur sehr kurz und ohne Zeugenaussa-
14 “ … non credens sancti Erici miraculis … infirmatus ad mortem“, VSD, 438; “ … derisit
et dixit: Si ille sanctus est, ira.scatur mihi si potest. Sequenti vero nocte jacens in lectulo,
nimio coepit cruciari tumore corporis et dolore … “ , SRS II:l, 335.
15 Acta et processus, 109-110, 112, 113, 115, 127, 128, 147-48, 150, 151, d. h. 7,6 %
der insgesamt 144 Birgittamirakel.
16 „Quid roichi de illa vetula et reliquijs suis … cum virgis et baculis totum corpus
suum et capud percuciens miserabiliter wlneravit … ex demencia sua digitos dentibus
mordens“, Acta et processus, 109. Dasselbe Mirakel wird an einer anderen Stelle des
Kanonisationsprozesses in leicht veränderter Form angeführt, wobei die Grausamkeit
der Selbstkasteiung noch stärker betont wird: “ … euro lapidibus, virgis et baculis tot um
corpus suum crudeliter percuciens sibi ipsi gravia wlnera iroprimebat.“, ibid., 147.
17 “ … morbo epilentico subito percussus cecidit.“; “ … statim vindicta Dei percussa
sensum perdidit et loquelam“, ibid., 109, 112, 113, 127.
18 „paralisi dissolutus est“, ibid., 112; „arreptus est subito tanta infirmitate, quod se
nec ad sinistram movere potuerat et tanto tedio effectus est, ut eciam sibi immittere
vellet manum propriam ad extinguendam vitam“, ibid., 151.
19 “ … altero oculo privatus subito est … “ , ibid., 112.
20 “ … dolore gravissimo in dextro brachio percussus est … intollerabiliter affligebatur
… “ ‚ ibid., 115.
21 “ … inflacione et dolore capitis percussa est … “ , ibid., 128.
126
gen angeführten Strafmirakeln heißt es, Gott habe die Verspottung seiner
Heiligen durch den Bruch eines Schienbeines bestraft. Bei diesen beiden
Strafmirakeln wird eine Heilung nicht erwähnt22. Die Bestrafung erfolgte
meist unmittelbar – „subito“ – auf die Blasphemie und dauerte einige Tage:
in fünf Strafmirakeln bei Birgitta wird eine Periode von „tres dies et tot
noctes“ angegeben, einmal fünf Tage und einmal ein halbes Jahr.
In den übrigen skandinavischen Mirakelsammlungen des Spätmittelalters
finden sich lediglich bei Nikolaus von Linköping zwei Fälle von Blasphemie
verzeichnet, die jeweils Priester betrafen. Einmal fiel der Betreffende
wie gelähmt um und blieb einen Vormittag lang auf dem Boden
liegen23. Im anderen Blasphemiefall bei Nikolaus wird die Bestrafung drastisch
geschildert: der Piebanus fiel nach dem Genuß von Kräutern um,
krümmte sich, verlor den Verstand, sah in einer Vision schwarze Hunde und
beschimpfte die Umstehenden24. Die aus dem 1 5 . Jahrhundert stammenden
Mirakelsammlungen Brynolphs von Skara, Katharinas von Vadstena
sowie der Defixio Domini verzeichnen keine Blasphemiefalle mit Strafmirakeln.
Die Nichterfüllung eines abgelegten Votums zog ebenfalls die Bestrafung
durch den Heiligen nach sich, im allgemeinen durch die Rückkehr der
Krankheit oder Verletzung, von der man geheilt worden war, in verstärkter
Form. Ein von einem Augenleiden Geheilter, der die versprochene Wallfahrt
zum hl. Nikolaus von Linköping unterlassen hatte, wurde erneut von
noch stärkeren Augenschmerzen befallen, so daß er bereits glaubte, sich
die Augen ausreißen zu müssen25•
22 „Vir quidam … blasphemans dominam Brigidam ita a Deo subito correptus est, quod
crus ipsius continue frangeretur.“, ibid., 150. Hier wird also entsprechend der offiziellen
kirchlichen Auffassung Gott und nicht die Heilige selbst als Agens dargestellt.
23 „cecidit de loco, in quo sedebat, sensus arnittens et mutus ex toto effectus est“,
Miracula sancti Nicholai, 361; Processus canonizacionis beati Nicolai, 80, 324-25.
24 „Et gustans quandam herbam videlicet pipinellam prout frequenter alias solitus
erat subito misero et miro modo cruciatus in terram corruit, et post horulam surgens
omnino insensatus tarn horrenda quam miranda balbutare cepit, dicens inter alia se
vidisse et videre multos nigros canes leporinos satis grandes. Detestari eciam cepit
et anathemizare circumstantes, oculos mirabiliter girando et mirabilius regirando … „,
Processus canonizacionis beati Nicolai, 361-62.
25 “ … quia votum distulit complere, iterum … acriori quam prius oculorum dolore
percussus est, ita ut iam sibi oculos ervi ex doloris vehemencia crederet … “ , Miracula
sancti Nicholai, 387. Ebenso mit Beinschmerzen ibid., 390.
127
Geisteskrankheit, Epilepsie und plötzliche Anfälle wurden im Mittelalter
im allgemeinen auf Dämonen und Teufel zurückgeführt26. In den
skandinavischen Mirakelsammlungen des 12. und 13. Jahrhunderts finden
sich dazu nur vereinzelte Belege, während die spätmittelalterlichen
Sammlungen in dieser Hinsicht ergiebiger sind. Gewalt und Grausamkeit
werden in der Kommunikation zwischen Dämonen, Teufel und Menschen
häufig angeführt27. Die Realität bzw. Irrealität der beschriebenen
Vorgänge wird in diesem Zusammenhang nicht untersucht, da es hier vor
allem um Vorstellungs- und Verhaltensstrukturen geht.
In einem Wilhelmsmirakel aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
heißt es, ein böser Geist sei in eine Frau eingedrungen und zerfleischte sie28•
In einem Mirakel des schwedischen Königs Erik wurde ein als geisteskrank
bezeichneter Jüngling nach seinen Erfahrungen während der zwei Tage,
in denen er wie tot dalag, befragt, worauf er berichtete, er sei von einer
Vielzahl schwarzer Vögel umgeben gewesen, die ihn ‚in schrecklicher
Weise‘ zu erdrücken drohten29. Das Eindringen der Dämonen und Teufel
in den Körper der Menschen ist ein durchgehender Topos, der sowohl in
den hoch-, als auch in den spätmittelalterlichen Berichten vertreten ist30 .
Es handelte sich aus den beschriebenen Symptomen zu schließen in vie-
26 P.-A. Sigal berechnet 8,8 % Fälle von Geisteskrankheit (241 Einzelberichte) in den
von ihm untersuchten Mirakelberichten, davon wurden ca. 70 % auf die Einwirkung von
Dämonen zurückgeführt, L’homme et le miracle, 236-239. Laut R. Finucane wurden
Dämonen ausschließlich bei Geisteskrankheiten angeführt, Mirades and Pilgrims, 72.
27 Vgl. auch die Ausführungen zum Frühmittelalter in P. Dinzelbacher, Der Kampf der
Heiligen mit den Dämonen, in: Settimaue di studio del Centro italiano di studi sull’alto
medioevo XXXVI, Spoleto 1989, 647-695, wo jedoch vor allem die Viten und nicht die
Sammlungen posthumer Mirakel untersucht werden.
28 “ … statim insiluit in eam spiritus malignus vehementer discerpens eam.“, VSD, 347.
29 “ … se circumdatum multitudine nigrarum avium, quae quasi in speciem corvorum,
nitebantur eundem horribiliter suffocare.“, SRS II:1, 282. Ein anderes Eriksmirakel
berichtet, ein Mann sei „graviter a demonibus vexatum et in omni medietate sui corporis
tarn gravi paralisi adeo percussum, ut nullis membrorum officiis in ea parte uti posset“,
ibid., 284.
30 SRS III:2, 143, 169, 180. Ebenso ein Katharinamirakel aus dem Jahre 1476: „filia
… sex annorum a festo nativitatis Christi usque ad festurn Pentecostes arrepta fuit
quolibet die duabus vicibus a demone et percussa fuit in terram ita et taliter, quod
horribiliter clamabat et terribiliter cruciabatur.“, Processus seu negocium, 196.
128
len Fällen um epileptische Anfälle, mehrmals wird auch „demoniacus“ als
Synonym für einen von „morbo caduco“ Befallenen verwendet.
Die zahlreichsten und detailliertesten Schilderungen des Wirkens von
Dämonen und Teufeln finden sich in den Birgittamirakeln, wobei, im Gegensatz
zu den anderen Mirakelsammlungen, auch von verbaler Kommunikation
– meist in der Form von Drohungen – der Teufel und Dämonen
mit den Menschen die Rede ist. Die Frau eines Glöckners wurde 16 Jahre
lang von einem Dämonen grausam geplagt, der sie schrecklich beschimpfte
und drohte, ihr das Herz herauszureißen und sie eines schauerlichen Todes
sterben zu lassen31 . Ein schwerkranker Bauer wurde während drei Tagen
von zwölf Dämonen geplagt und mit dem Tode bedroht, wenn er ihnen
nicht gefügig sei32.
In den meisten Fällen wird berichtet, die Dämonen seien in den Körper
der Menschen eingedrungen und hätten diese von innen heraus gequält.
Das Einwirken der Dämonen sei an bestimmten körperlichen Veränderungen
sichtbar geworden: der Bauch sei plötzlich unformig angeschwollen
oder die Brust habe sich so stark bewegt, daß es schien, als ob keine
Knochen vorhanden wären. Im letzteren Beispiel entwich der Dämon nach
einiger Zeit aus dem Mund des geplagten Knaben in der Form einer „großen
und schrecklichen Schlange“33•
Die Birgittamirakel berichten darüber hinaus auch von konkreter,
31 „obsessa a demone … per sexdecim annos continuos crudeliter affiicta jacuit in grabato,
frequenter ab inhabitante se demone audiens horribilia et abhominabilia verba,
dicente inter alia:’lam extraham cor tuum de corpore tuo teque morte turpissima condempnabo“,
Acta et processus, 118.
32 Die Dämonen seien zudem in der schändlichen Art neumodischer Höflinge gekleidet
gewesen, mit weit ausgeschnittenen Hemden, Spitzschuhen und Spitzhauben: “ …
per tres dies continuos vidit duodecim demones teterrimos in habitu usque ad nates
decurtato, calceis rostratis et capucijs in summitate exacuatis secundum turpissimam
aulicorum modernorum consuetudinem, juxta se chorizantes atque dicentes: ‚Si vis consentire
nobis, ditabimus te divicijs, si autem nolueris, morte turpissima condempnabimus
te nobiscumque ad tartara perducemus‘ “ , Acta et processus, 124.
33 „.. . puellam … quam secunda die pasche invasit diabolus et per integrum mensem
bis vel ter quolibet die crudelissime vexabat, ita quod venter eius supra pectus usque
ad fadem eius videbatur se erigere“, Acta et processus, 130; “ … decem annorum, filius
… invasus est a diabolo, a quo per sex annos crudelissime vexabatur … apparuit ei
dernon in specie nigri canis et tangens pede pectus demoniaci dixit humana voce: ‚Exi
hinc, socie carissime, alioquin in brevi maximum scandalum paciemur‘. Quo dicto exiit
dernon per os demoniaci quasi serpens magnus et horribilis et post pauca factus ut
129
äußerlicher Gewaltausübung und Grausamkeit von Seiten der Dämonen
und Teufel. In einem ausführlichen und über mehrere Seiten detailliert geschilderten
Beispiel wird von einer Bauerstochter berichtet, die von Kindheit
an vom Teufel gepeinigt wurde. Nachdem eine Beschwörerin versucht
hatte, den Teufel zu vertreiben, verschlimmerte sich die Lage nur noch. Der
Teufel erschien dem Mädchen in der Form von furchterregenden Pferden,
Hunden, Wölfen und Schlangen sowie anschließend auch als zwölfjähriger
Knabe (!?), der sie erbarmungslos schlug. Drei Tage nach ihrer Verheiratung
wurde der Teufel erneut tätlich, warf sie zu Boden, zerrte sie an den
Haaren herum, schleuderte sie an die Wand, so daß diese erzitterte und
wiederholte dies mehrere Male, selbst innerhalb von Kirchen und Kapellen
und im Beisein von Angehörigen und Freunden. Der Teufel griff auch
ihren Ehemann und die Helfer an, die die Gelähmte auf einem Karren nach
Vadstena brachten, schleuderte diese aufs Eis und schlug sie aufs Maul, so
daß Blut floß34. Eine Bürgerin der Stadt Örebro, die an einem Gelage
mit Reigentänzen – von den klerikalen Verfassern der Mirakelsammlung
als unzüchtig beurteilt – teilgenommen hatte, wurde bei ihrer Rückkehr
hircus cum magno impetu precipitavit se in profund um stagni monasterio adiacentis.“,
Acta et processus, 141-142.
34 „… rusticus … habens filiam … que a primis annis infancie magnas infestaciones in
sompnis perpessa est a diabolo … vidit eum in teterrimis formis diversorum animalium
se terrencium, videlicet equorum, luporum, canum et serpentum … quia tune apparuit
ei ut puer teterrimus duodecim annorum et percuciebat eam sine misericordia eo, quod
plenus sit jnvidia … visu ocolorum privata est, ita quod nichil omnino viderat nisi diabolum
et circa eum unum circulum et omne quod erat cum eo illo circulo, hoc videbat.
Hic eam tarn acriter vexabat, commovebat et collidebat ad parietes, ubi jacuit vel sedebat,
ac traxit per crines membratimque discerpsit, ut omnes videntes eam mirarentur,
quomodo in una hora tantas penas vivens pati posset … anno sequenti … maritus suus
cum amicis suis paravit se, ut transferret eam Wastenas, et cum iter arriperent, cucurrit
cum eis diabolus … arripuit unum per pedes et collidebat eum ad glaciem, alterum vero
percussit in dentes cum instrilmEmto, quo minabat jumenta, ita quod sanguis effiueret
… semper sequebatur eam diabolus affiigendo … in conspectu omnium astancium arripuit
eam diabolus per pedes elevans in sublime et fecit horribiliter cadere in vehiculum
… collocassent eam in quodam loco in capella, arripuit eam diabolus per pedes volens
extrahere eam, frendens tarn horribiliter, quod fere rumpebatur cor videncium eam pre
timore … inter hec vexabat eam et collidebat eam ad parietem, circa quem sedebat,
ita horribiliter, quod fere tremebat et movebatur tota capella … „, Acta et processus,
120-23 sowie in verkürzter Form ibid., 175-176.
130
vom Teufel ergriffen und „grausam zusammengeschlagen“35• In all diesen
Beispielen wurden die Teufel und Dämonen offenbar jedoch nur für
die Hauptbetroffenen selbst sichtbar, den anderen Beteiligten blieben sie
unsichtbar, selbst wenn sie in konkreter Art tätlich wurden. Die Anwesenden,
die in vielen Fällen als Zeugen zitiert wurden, sahen gemäß der
Schilderung, wie die von Teufel oder Dämonen Angegriffenen an die Wand
geschleudert wurden oder wie sich ihr Körper krampfhaft bewegte, bekamen
den Teufel jedoch selbst nicht zu Gesicht36. Die Sichtbarkeit des
Teufels war laut diesen Schilderungen kein notwendiges Kriterium für den
Glauben an die Realität seines Wirkens.
Das Verhalten der Geisteskranken gegenüber sich selbst sowie anderen
Menschen wird auch ohne die explizite Erwähnung von Dämonen und Teufel
meist als so gewalttätig beschrieben, so daß man sie fesseln und einsperren
mußte. „Wir mußten sie fesseln, damit sie nicht sich selbst tötete oder
ihre Söhne erdrosselte“, heißt es bei einer Frau in einem dänischen Wilhelmsmirakel37.
Dazu finden sich auch Belege in den spätmittelalterlichen
Mirakelsammlungen des 15. Jahrhunderts. Ein Mann wurde während
35 „Burgensis … hora completorii in carnisprivio revertens a convivio, quo choreas minus
honestas duxerat, in platea, priusquam venit in domum suam, a diabolo arrepta est
et ita crudeliter percussa, quod a planta pedis usque ad verticem in omnibus membris
esset livida, sensu, loquela, visu, auditu tociusque corporis perdita validitate noctem
illam peregit in maxima miseria.“, Acta et processus, 124. Ein Knecht eines Adligen
wurde vom Teufel ergriffen und samt seinem Pferd in einen See geworfen: “ … subito
obscuratis oculis suis raptus est a diabolo et cum equo precipitatus in profundum
ampnis.“, ibid., 141.
36 So beispielsweise in Acta et processus, 1 75-176.
37 „Et ecce eam ligatarn tenemus, ne se ipsam interficiat ac pueros suos strangulet“,
VSD, 347. Weitere Gewalttätigkeiten und Selbstmordversuche von als geisteskrank
Bezeichneten: “ … intravit quidam demoniacus furens et frendens. Hunc tanta vexabat
dementia, ut sepius habitatione relicta inter bestias quasi besti vivebat. Ex ingressu
ipsius tota turbatur familia, timens insultum eius.“, ibid., 348; „Muli er … occulto Dei
judicio in tantam mentis incidit alienationem, ut etiam linguam suam propriis dentibus
mordendo discerperet, et se ipsam propriis manibus impetendo, saepius vellet occidere.
Quam sui ligantes manibus et pedibus, etiam ori suo, ne sibi vel aliis noceret, interjectis
faucibus lignum imposuerunt, ne, ut dieturn est, sibi et aliis linguam horribili morsu
praecideret … vix octo homines poterant continere … lignum interjectum inter fauces
… ne sibi vel aliis crudeliter noceret „, SRS 11:1, 288; ibid., 280, 292; „Vir quidam …
subito mutus et amens effectus adeo ut prae furia propriam uxorem graviter vulnerando
vellet occidere … “ , ibid., 300; Acta et processus, 366.
131
dreier Wochen „mit schweren Ketten gefesselt, damit er nicht anderen
Schaden zufüge“ ein anderer mußte während sechs Jahren des öfteren gefesselt
werden, heißt es in Defixio-Dornini-Mirakeln aus den ersten Jahrzehnten
des 15. Jahrhunderts38. Andere Geisteskranke zerrissen ihre Kleider,
zerfleischten sich drei Tage lang, krümmten und verrenkten sich, hatten
dämonenhafte Augen und Schaum am Munde, zerbissen sich die Zunge,
geißelten sich mit Steinen, Zweigen und Stecken „in grausamer Weise“, so
daß schwerste Wunden entstanden, bissen alle, die sie halten wollten, und
schrien schrecklich39. Das Verhalten der Geisteskranken gegenüber anderen
Menschen stellt in dieser Hinsicht eine Übergangsform zu den nicht
durch Heilige oder Dämonen beeinflußten gewalttätigen und grausamen
Verhaltensweisen unter Menschen dar.
Gewaltanwendung und Grausamkeit gehörten auch im Mittelalter zur
Natur kriegerischer Auseinandersetzungen40• Gab es dabei bewußte oder
unbewußte Trennlinien des Verhaltens? Die untersuchten Mirakelberichte
aus Skandinavien liefern nur wenige Belege, die kaum Rückschlüsse auf
die Grenze zwischen der als normal und akzeptabel angesehenen Gewaltanwendung
und der exzessiven, nicht mehr akzeptierten Grausamkeit in
Kriegssituationen zulassen, falls eine solche Trennung überhaupt gemacht
wurde. Eine drastische, jedoch im Ton nüchtern gehaltene Schilderung der
Folgen von Kriegsgewalt und -grausamkeit findet sich in einem Katharinarnirakel
aus dem Jahre 1471; ein Ritter wird als vollkommen durchbohrt
und durchlöchert dargestellt und ein anderer war „in grausamer Weise“
durch Kriegswerkzeuge aller Art am ganzen Körper bis auf die Knochen
38 Miracula Defixionis Domini, 33, 44.
39 Processus seu negocium, 96; “ … morbo caduco et totus torquebatur et paciebatur
vexaciones terribilies torsionum corporis et oculorum admodum demoniaci et mittebat
per os spumam horribilem bis in illa yeme … intantum laceravit lingwam suam“, ibid.,
109; “ … subito cecidit in terram et perdidit loquelam et omnes sensus corporis et exutus
vestibus tot um corpus sutim lapidibus, virgis et baculis crudeliter percuciens sibiipsi
gravissima wlnera imprimebat et omnes eum tenere volentes mordacibus dentibus dilaniabat
… horribiliter clamans et terribiliter per duas ebdomadas cruciabatur.“, ibid.,
113; “ … incepit horribiliter clamare et furiosus apparere, vestes lacerare et terribiliter
per illam totam noctem tamquam demoniacus cruciari.“, ibid.
40 Zum Krieg im allgemeinen cf. P. Contamine, War in the Middle Ages, Oxford
1984, sowie den Sammelband B. P. McGuire (Ed. ), War and Peace in the Middle Ages,
Kopenhagen 1987. Die Grausamkeit des Krieges wird jedoch kaum angesprochen.
132
verletzt und durchlöchert, so daß sämtliche Glieder zerschlagen und fast
in Stücke gehauen waren41 .
Die Befreiung von Gefangenen mit Hilfe der Heiligen ist eine bereits
in den frühmittelalterlichen Sammlungen vertretener und auf antike Wurzeln
zurückgehende Mirakelkategorie42. Die Gefangenenbefreiungen sind
als Mirakelkategorie der adligen Lebenswelt zuzuordnen, die meisten Gefangenenbefreiungen
betrafen Adlige oder Leute, die von Adligen oder von
der Obrigkeit gefangengesetzt wurden43.
Bei den Schilderungen von Gefangenenbefreiungen werden in einigen
Fällen die näheren Umstände der Gefangenschaft und damit der Ausübung
von Gewalt und Grausamkeit gegenüber den Gefangenen erläutert. Im untersuchten
skandinavischen Material kommen insgesamt 13 Fälle von Gefangenenbefreiung
vor, d. h. sehr wenige Fälle im Vergleich zur Gesamtzahl
der skandinavischen Mirakelberichte44. Die starke Fesselung des Gefangenen
wird in den meisten Fällen angeführt45 • Der Gefangene wurde in einem
dunklen Turmverlies mit eisernen Ketten fest an einen Pfahl gekettet46• In
41 “ … perforatus et penetratus quasi per totum corpus undecim jaculis et Japidibus
bombarderum huicinde in pectore circa cor … in eodem bello erat sauciatus, telis
perforatus et per totum corpus ac eciam in ossibus adeo crudeliter fustibus, falengis,
gladiis, mucronibus et securibus percussus, quod omnia membra comminuta et quasi
in partes divisa“, Processus seu negocium, 77. Eine weitere Kriegsverletzung eines
schwedischen Adligen anläßtich der Belagerung einer Burg auf Femahrn: „… sagitta
hostium per sinistrum os mandibuli usque ad dexteram partem colli subito perforatus
fuit.“, Miracula Defixionis Domini, 53-54.
42 Dazu grundlegend F. Graus, Die Gewalt bei den Anfängen des Feudalismus und die
􀔐Gefangenenbefreiungen“ der merowingischen Hagiographie, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte
(1961}, 60-156, zu den gesellschaftlichen Hintergründen der Gefangenenbefreiungen
in Mirakelberichten vgl. auch G. Signori, Gewalt und Frömmigkeit
(siehe Anmerkung 1).
43 P.-A. Sigal berechnet in seiner Untersuchung von ca. 5000 Mirakelberichten des 10.
und 11. Jahrhunderts 159 Gefangenenbefreiungen, d. h. 3,3 % der Fälle, wobei 30,8 %
der befreiten Gefangenen Adlige waren, P.-A. Sigal, L’homme et Je miracle, 268-270,
289. Der „feudale“ Charakter der Gefangenenbefreiungen wird auch von G. Signori
betont, Gewalt und Frömmigkeit, 128.
44 Die Anzahl der Gefangenenbefreiungen in den skandinavischen Sammlungen: Knut
Lavard 1, Erik Plovpennig 1, Birgitta 6, Miracula Defixionis Domini 3, Katharina 2.
45 “ … capitur et strictissime Iigatur … “ , Acta et processus, 108; “ … durissimis vinculis
… „‚ ibid., 610.
46 􀁏 … in turri tenebrosa … includitur et cippo ligneo cathenisque ferreis strictissime
133
drei Fällen wird genauer angeführt, wo die Fesseln angebracht waren. Ein
beim Bau einer Burg beschäftigter Maurer, der seinen Lohn einforderte,
wurde, wohl zur Abschreckung der anderen Arbeiter, mit vier Halseisen
und Fesseln an Händen und Füßen im Speisesaal der Burg an die Wand gekettet
– ein Fall von sowohl physischer wie auch geistiger Grausamkeit47 .
Die Dauer der Gefangenschaft wird nur vereinzelt angegeben, in einem
Falle wurde ein Wisbyer Bürger im Schloß zu Stockholm ein Jahr und 9 Monate
gefangengehalten48 . Folterung wird nur in zwei Fällen erwähnt, wobei
im ersten Beispiel die Angst vor der Folter angesprochen wird: ein schwedischer
Adliger befürchtete, nach Deutschland entführt und dort durch
Folterungen zu Lösegeldzahlungen erpreßt zu werden49. Im anderen Beispiel
wird auch von konkreter Folterung berichtet, der ein fälschlicherweise
der Unterschlagung von Handelswaren beschuldigter Kaufmann in einem
städtischen Gefängnis unterworfen wurde, wobei das Arsenal der Foltermethoden
ziemlich umfassend ist: strenge Fesselung, Verbrennen der Haut
mit glühenden Kohlen, kopfüber aufhängen, beißender Rauch, Verabreichen
von Salzwasser u. a. m.50 Der Ton der Schilderung ist jedoch auch in
diesem Falle nüchtern und neutral.
Gewalt oder Grausamkeit bei privaten Streitigkeiten, Duellen oder
aus ähnlichen Anlässen werden in den skandinavischen Mirakelsammlungen
des 12.-13. Jahrhunderts nicht angeführt; sie kommen hingegen in
den späteren, aus der zweiten Hälfte des 14. und aus dem 15. Jahrhundert
stammenden Sammlungen vor, wobei die Sammlungen der hl. Birgitta
sowie ihrer Tochter Katharina die meisten Fälle aufweisen. Die zeitvinculatur
… „, Acta et processus, 129. Ebenso: „positi in carcere civitatis sub cathenis
et seris fortissimiset graviter constricti et serati ad parietem carceris“, ibid., 178; “ … rustici
captivati sunt per castrenses … et cippo ligneo necnon et aliis vinculis strictissime
ligati atque constricti“, ibid., 609.
47 „capitur et quatuor boys et totidem seris in collo videlicet et manibus ac utroque
pede in communi refectorio castri seratus ad parietem vinculatur“, Miracula Defixionis
Domini, 56. Detaillierte Angaben zur Art und Weise der Fesselung finden sich in der von
G. Signori untersuchten Lausanner Mirakelsammlung: Fußketten, Schnüre, Eisenketten,
Holzpflöcke und Baumstrünke, Ead., Gewalt und Frömmigkeit, 139.
48 Miracula Defixionis Domini, 48. Gefangenschaftsperioden von 19 Tagen: ibid., 40,
2 Monaten: Acta et processus, 178.
49 “ … ad Alamanniam ulterius traduceretur, ut ibi liberius tantam argenti summam
quantam vellent ab eo per penas extorquere possent.“, Acta et processus, 108.
50 Processus canonizaconis beati Nicolai, 72.
134
lieh am spätesten anzusetzende Sammlung der Katharinamirakel (1469-74
aufgezeichnet) ist dabei am stärksten vertreten: elf Einzel berichte, die alle
Männer betreffen 51 .
In einigen Fällen läßt die Schilderung des Vorganges Rückschlüsse
auf die Motive zu. Ein Vorsteher eines Nonnenklosters in Skänninge geriet
1474 in Streit mit seinem Diener, worauf ihm dieser hinterrücks das
Schwert zwischen die Schulterblätter stieß und ihn damit durchbohrte. Ein
Diener eines königlichen Beamten stritt sich bei einem Gastmahl mit einem
anderen Diener so sehr, daß sie sich „als Todfeinde“ trennten. Auf
dem Heimweg stürmte dieser plötzlich entgegen und schoß ihm einen Pfeil
in den Kopf, so daß nur noch die Schaftfedern herausschauten. Ein Mann
in einer Landgemeinde lag in Streit mit seinem Nachbarn, worauf dieser
die Axt ergriff und sie ihm bis zum Schaft in den Rücken hieb. Ein „Feind“
verletzte den Arm eines Mannes in einer schwedischen Landgemeinde so,
daß dieser nur noch durch die Haut zusammengehalten wurde, und im norwegischen
Telemarken richteten „Satansdiener“ – in diesem Fall offenbar
keine Dämonen, sondern menschliche Widersacher – einen Mann schlimm
zu: sie hackten ihm die rechte Hand .ab, durchbohrten die Brust mit zwei
Speeren und brachen beide Beine, so daß diese nur noch an der Haut hingen;
darauf ließen sie den Mann liegen, da sie glaubten, er sei tot. Ohne
nähere Hinweise auf Motive wird in der Katharinasammlung von folgenden
Streitverletzungen berichtet: Ein Mann aus einem Dorf in der Nähe
des Wallfahrtsortes Vadstena geriet in einen Hinterhalt und erhielt einen
Speer in die Brust, der bis zu den Schaftfedern eindrang, während ein
Diener des Ritters Nils Sture mit einem Schwert zweimal bis zum Schaft
durchbohrt wurde. Ein Schneider, der sonntags zur Messe ging, wurde in
der Nähe der Kirche von einem Knecht mit einer Armbrust angegriffen; der
Pfeil durchdrang den Hals und blieb dort acht Tage lang stecken. Weiter
wird von einem Mann berichtet, dessen Kopf mit einem Dolch durchbohrt
wurde, während ein anderer einen Pfeil in die Brust erhielt, der sich nicht
herausziehen ließ, und einem dritten ein Pfeil durch das Kinn geschossen
wurde52 • Drei dieser elf Fälle betreffen Diener von Klostervögten,
Beamten oder Rittern, während die übrigen Beispiele im ländlichen Mi-
51 D.h. ca. 5 % der insgesamt 195 posthumen Mirakel in den Akten des Kanonisationsprozesses.
52 Den heliga Katarina av Vadstenas liv och undervärk, übersetzt von T. Lunden, Credo
( 1 950), 97-98, 124, 126, 130, 138, 150-51, 155-56, 159, 161.
135
lieu anzusiedeln sind und Bauern oder Handwerker betrafen. Stadtbürger
werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, obschon die Katharinasammlung
und andere spätmittelalterliche Mirakelsammlungen durchaus
Stadtbürger verzeichnen.
Gewalt in der Familie kommt höchst selten zur Sprache; ein Bauer
wurde von seinen Schwiegereltern beschuldigt, seine Frau zu hassen und
die Mirakelaufzeichner stellen es als Tatsache dar, daß der Bauer seine
Frau „oft mit Ruten züchtigte“ . Nach deren plötzlichem Tod geriet er in
Verdacht und konnte sich nur durch ein Auferstehungsmirakel befreien:
seine Frau erwachte für einen kurzen Moment, empfing die letzte Ölung
und bestätigte, daß ihr Mann an ihrem Tode keine Schuld trage53 . Dieser
Einzelfall läßt jedoch kaum Rückschlüsse auf die Normalität der Gewaltausübung
gegenüber den Ehefrauen zu 54. In einem anderen Falle heißt
es, ein Mann sei „plötzlich stumm und geisteskrank geworden, verletzte in
einem Wutanfall seine eigene Frau schwer und wollte sie töten“ 55. Gewaltausübung
gegenüber Frauen wird dazu nur noch in einem Nikolausmirakel
angeführt: eine schwangere Frau hatte die kostenlose Abgabe von Bier
verweigert und wurde daraufhin von Gästen mit einer Axt angegriffen und
bewegungsunfahig zusammengeschlagen 56•
Wie kamen das Geschlecht und die soziale Stellung der Betroffenen
in den untersuchten Mirakelberichten zum Ausdruck? Auffallend ist das
absolute Vorherrschen der Männer bei den Schilderungen von Gewalt und
53 „Rusticus … a parentibus uxoris sue sepius arguebatur, nam dixerunt eam ab eo
exosam haberi et despectam. Verum fuit, quod eam jugiter verberibus afilixit.“, Acta
et processus, 154.
54 Gegen die Auffassung des Vorherrschens unbegrenzter, brutaler Gewaltausübung innerhalb
der spätmittelalterlidJ.en und frühneuzeitli<:hen Familie spricht sich E. Österberg
aus, Cruelty and Care within the Family, in E. Österberg & D. Lindström, Crime and
Social Control, 141-49. Zur Gewaltausübung gegenüber Ehefrauen s. auch Shahar, Die
Frau im Mittelalter. Königstein 1981, 95-98.
55 SRS Il:1, 300. Dazu ein ‚ähnlicher Fall in der Birgittasammlung: ein als geisteskrank
beschriebener Mann wollte seine Ehefrau und seine Mutter umbringen, Acta et
processus, 366.
56 “ ••. Inghridis uxor Holmgeri prope pontem habitans in parrocchia Motalon diocesis
lyncopensis cum decem septimanas haberet, postquam in utero concepisset, percussa est
a clientulis cum quadam securi, eo quod non daret eis cerevisiam gratis et abundanter
ad bibendum, in tantum quod per mensem se a lecto movere non posset … “ , Miracula
sancti Nicholai, 367.
136
Grausamkeit; nur sehr wenige Frauen sind als Betroffene verzeichnet, meist
bei den Fällen der Gewaltanwendung von Dämonen und Heiligen gegenüber
Menschen. Aktive Gewaltanwendung von Frauen gegenüber anderen
Frauen oder Männern kommt lediglich in einigen Fällen von Geisteskrankheit
vor; bei Streitigkeiten privater und kriegerischer Art sind stets Männer
die aktiv Handelnden. Die Gefangenenbefreiungen betrafen ausschließlich
Männer. Kinder werden lediglich bei Geisteskrankheiten angeführt.
Die Ausübung von Gewalt und Grausamkeit war in den Mirakelberichten
vor allem mit den höheren sozialen Schichten verknüpft; Angehörige
tieferer sozialer Schichten sind – außer bei den Geisteskrankheiten – in weit
geringerem Maße verzeichnet als in den anderen Mirakelkategorien, was jedoch
wegen des selektiven Charakters dieser Quellen noch keine sicheren
Rückschlüsse auf die tatsächliche Verbreitung erlaubt.
Die Gewaltanwendung der Heiligen in Strafmirakeln wird stets als
legitim, d. h. als logische Folge des strafbaren Handeins der betroffenen
Menschen dargestellt und kaum je als ‚crudelis‘ verurteilt. Gewalt und zumindest
in den dänischen Sammlungen des 12. und 13. Jahrhunderts auch
Grausamkeit waren normale Verhaltensweisen der Heiligen in gewissen Situationen.
Als ‚crudelis‘ wird hingegen ausnahmslos das Wirken der Dämonen
dargestellt, die von den Menschen Besitz ergriffen, in sie eindrangen und
konkret geschilderten Grausamkeiten aussetzten. Diese, in vielen Fällen
ausdrücklich verurteilte Grausamkeit der Dämonen verstärkte sich in den
Mirakelsammlungen des Spätmittelalters und wurde detailliert, anschaulich
und emotionsweckend geschildert.
Die oft zu schweren Verletzungen führende Gewaltanwendung bei privaten
Auseinandersetzungen wird hingegen in den meisten Fällen sachlichkühl
geschildert und kaum je als übertriebene Gewaltanwendung oder
Grausamkeit verurteilt. Belegen diese Beispiele demzufolge den gewaltsamen
und grausamen Charakter der Alltagskommunikation im Spätmittelalter?
Zu Vorsicht gegenüber einer eindeutigen Schlußfolgerung mahnt
der Umstand, daß die zeitlich zwischen den Sammlungen mit vermehrter
Gewaltanwendung und Grausamkeit (Birgitta, Katharina) liegenden
Sammlungen Nikolaus‘ von Linköping, Brynolphs von Skara und der Defi:x
io Domini nur wenige (zwei bzw. ein Fall) oder – wie die Brynolphssammlung
– überhaupt keine Gewaltanwendung oder Grausamkeit verzeichnen.
Die vermehrte Gewaltanwendung in den Birgitta- und Katharinamirakeln
läßt sich auch durch die soziale Herkunft dieser Heiligen und
137
den Typus ihrer Sammlungen erklären: Diese beiden aus dem hochadligritterlichen
Milieu stammenden Heiligen wurden vorwiegend bei Anlässen
angerufen, die den Verhaltensweisen der oberen Schichten entsprachen 57.
Bei einer Beurteilung der Schilderungen von Gewalt und Grausamkeit
in den Mirakelberichten ist auch die Zielrichtung dieser Quellengattung zu
berücksichtigen: die Mirakelberichte sollten die Macht des Heiligen gegenüber
Verletzung und Krankheit aufzeigen und zu Votum, Wallfahrt
und Votivgeschenk in bestimmten Situationen anregen; ihre Funktion war
nicht die moralisch-ethische Verurteilung der Gewaltanwendung und Grausamkeit
in Kommunikationssituationen.
Die Grenze zwischen akzeptierter und normaler Gewaltanwendung
und exzessiver Grausamkeit ist jedoch für viele Bereiche des mittelalterlichen
Verhaltens und der zugrundeliegenden Mentalitäten noch durch genauere
Untersuchungen festzulegen.
57 Von den in den Katharinamirakeln angeführten Fällen von Gewaltanwendung betreffen
1 1 private Streitigkeiten, 5 Kriegsverletzungen und 2 Gefangenschaftszeiten,
während lediglich 4 Berichte mit Gewaltanwendung nicht diesen für die Adels- und
Ritterwelt typischen Erscheinungen zuzuordnen sind.
138
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
SONDERBAND II
CRUDELITAS
The Politics of Cruelty
in the Ancient and Medieval World
Proceedings of the International Conference
Turku {Finland), May 1991
Edited by
Toivo Viljamaa, Asko Timonen
and Christian Krötzl
Krems 1992
Front page illustration: Martyrdom of Saint Barbara (detail),
Friedrich Pacher, Tyrolian, 1480-1490,
Neustift (Novacella), South Tyrol (Italy), Stiftsgalerie
Alle Rechte vorbehalten
– ISBN 3-90 1094 05 9
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich – Druck:
KOPITU Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Contents
Preface 7
Andrew LINTOTT (Oxford): Cruelty in the Political Life
of the Ancient World . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Maarit KAIMIO (Helsinki): Violence in Greek Tragedy 28
Toivo VILJAMAA (Thrku): „Crudelitatis odio in crudelitatem
ruitis“ . Livy’s Concept of Life and History . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Katarüna MUSTAKALLIO (Helsinki): The „crimen incesti“
of the Vestal Virgins and the Prodigious Pestilence
Asko TIMONEN (Thrku): Criticism ofDefense. The Blam-
56
ing of „Crudelitas“ in the „Historia Augusta“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Christer BRUUN (Helsinki): Water as a Cruel Element in
the Roman World . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4
Luigi de ANNA (Thrku): Elogio della crudelta. Aspetti
della violenza nel mondo antico e medievale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Greti DINKOVA-BRUUN (Helsinki): Cruelty and the Medieval
Intellectual: The Case of Peter Abelard . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Christian KRÖTZL (Tampere): „Crudeliter affiicta“ . Zur
Darstellung von Gewalt und Grausamkeit in mittelalterlichen
Mirakelberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
5
Thomas LINDKVIST (Uppsala) : The Politics of Violence
and the Transition from Viking Age to Medieval Scandinavia
Alain DUCELLIER (Toulouse): Byzance, Juge Cruel dans
un Environnement Cruel? Notes sur le „Musulman cruel“
dans l’Empire byzantin entre Vlleme et XIIlerne siedes
Asko TIMONEN (Turku): Select Bibliography
6
139
148
181
Preface
The present volume is a collection of the papers read at the conference
which was held in May 1991 at the University of Turku on the theme
The Politics of Cruelty in the A ncient and Medieval World. The general
aim of the conference was to advance interdisciplinary and international
collaboration in the fields of humanistic studies and particularly to bring
together scholars who have common interests in the study of our past.
The choice of the subject of cruelty naturally resulted from different study
projects concerning the political and social history of late antiquity and
the Middle Ages – the Roman imperial propaganda, the conß.ict between
paganism and christianity, the history of the Vandals, the Byzantine empires,
the Medieval miracle stories, to name some of them. Perhaps also
contemporary events had an influence on the idea that cruelty could be
the theme which conveniently would unite those various interests. And
the idea emerged irrespective of considerations whether or not we should
search for models in the Ancient World or join those who, as it seems to
have been a fashion, insist on investigating what we have common with
the Middle Ages.
One might argue – and for a good reason indeed – that cruelty is
a subject for anthropologists and psychologists, not for philologists and
historians. Where does the student of history find reliable criteria for
defining the notion of cruelty in order to judge the men of the past and their
actions, to charge with cruelty not only individuals but also nations and
even ages („the crudelitas imperatorum“ , „the Dark Ages“ , „the violence of
the Vikings“, „the cruel Muslims“ )? Is it not so that the only possibility is
to adapt our modern sensibilities to the past and to use our own prejudices
in making judgements about others? The prejudices – yes, but this is just
what makes the theme interesting for the historian because our prejudices
– our conception of cruelty, for instance – are part of the heritage of past
centuries. The events of our own day – maybe more clearly than ever – have
demonstrated that we live in a historical world. When we investigate the
history of the concept of cruelty we, as it were, Iook ourselves at a mirror
and learn to understand ourselves better. The concept of cruelty has two
sides. It is a subjective concept used to define and describe those persons
7
and those acts that according to the user of the term are negative, harmful,
humiliating, harsh, inhumane, primitive and unnatural; in everyday life
it is associated with religious habits – with crude remnants of primitive
religion, it is associated with passion, an uncontrolled mental state, or with
violence and with the exercise of power without justice. On the other hand
the term is used to classify people by their ethical and social habits, to
accuse, to invalidate and injure others; therefore the accusation of cruelty
refers to basic features of ancient and also Medieval thought, to the fear of
anything foreign, to the aggressive curiosity to define and subsume others
simply by their otherness.
Such were the considerations wich gave inspiration for arranging the
„cruelty“ -seminar. The conference was accommodated by the Archipelago
Institute of the University of Turku, in the island Seili („Soul island“) , in
an environment of quiet beauty of the remote island and sad memories of
the centuries when people attacked by a cruel fate, lepers or mentally ill,
were banished there from the civilized community.
The conference was organized by the Department of Classics of the
University of Turku in collaboration with the Departments of Cultural
History and Italian language and culture of the same university. It is a
pleasure to us to be able to thank here all those who helped to make the
congress possible. We would like especially to express our gratitude to
Luigi de Anna and Hannu Laaksonen for their assistance in preparing and
carrying out the practical arrangements. The financial assistance given by
the Finnish Academy and by the Turku University Foundation was also
indispensable. Finally, we close by expressing our gratitude to Gerhard
Jaritz, the editor of the Medium Aevum Quotidianum for the Gesellschaft
fü r Erforschung der materiellen Kultur des Mittelalters, for his kind COoperation
and for accepting this collection of papers to be published as a
supplement to the series of the studies on the Medieval everyday life. One
of the starting-points for organizing the „cruelty“ -conference was the firm
conviction that the Graeco-Roman Antiquity did not end with the beginning
of the Middle Ages, but these two eras form a continuum in many
respects, and the continuity was felt not only in the literary culture, in the
Greek and Latin languages which were still used, but also in the political,
social and religious structures of the Middle Ages. We think that this
continuity is amply demonstrated by the studies of the present volume.
Department of Classics, University of Turku, Finland
8

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