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Das Pferd als Fortbewegungs- und Transportmittel in der deutschsprachigen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts

Das Pferd als Fortbewegungs- und Transportmittel in der deutschsprachigen Literatur
des 12. und 13. Jahrhunderts*

Gertrud Blaschitz

Im neuhochdeutschen Sprachgebrauch wurde Pferd zum Gattungsnamen. In der mittelalterlichen Lebenswelt verfügt das Pferd über eine breite Mannigfaltigkeit als Kampf-, Reise-, Jagd-, Last- und Zugtier.1 Diese Dominanz reflektiert die ausführliche Behandlung des Tieres in den Naturenzyklopädien. Während die Mehrzahl der mittelalterlichen Autoren antikes Wissen über Zucht, Verhalten, wirtschaftliche und kulturelle Stellung nur bruchstückweise tradiert, bietet Al- bertus Magnus in der Abhandlung Equus eine umfassende Darstellung zeitge- nössischer Pferdehaltung, die vielleicht auch auf persönlicher Beobachtung be- ruhte:2 „Es gibt bei uns unter den gezähmten Pferden vier Arten von Pferden (in- ter domitos equos quatuor modi equorum), und zwar die Streitrösser (bellici), die dextrarii genannt werden, die Pferde (palefridi), die Rennpferde (curriles

* Der Artikel ist ein Kapitel der in Arbeit befindlichen Studie „Weg und Straße in der deutschsprachigen Epik des 12. und 13. Jahrhunderts. Eine germanistisch-kulturwissen- schaftliche Untersuchung“ (Arbeitstitel). Eine quellenkritische Darstellung über Funktion und Bedeutung des Pferdes im 12. und 13. Jahrhundert aus philologischer Sicht existiert bislang nicht. Wertvolle Einsicht in das Thema bringen die Arbeiten von Beate Acker- mann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion im mittelhochdeutschen „Prosa-Lancelot“ (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 19) Berlin-New York 1990, 56; Friedrich Ohly, Die Pferde im „Parzival“ Wolframs von Eschenbach. In: L’uomo di fronte al mondo animale nell’alto medioevo 2 (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo XXXI) Spoleto 1985, 847-933 und Gertrud Jaron Lewis, Das Tier und seine dichterische Funktion in Erec, Iwein, Parzival und Tristan (Kanadische Studien zur deutschen Sprache und Literatur 11) Bern-Frankfurt 1974. In diesen Arbeiten wird auf die Rolle der Pferde in der Artusliteratur fokussiert, das Pferd als Teil der mittelalterlichen Realität aber ausge- klammert.

1 Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion im mittelhochdeutschen „Prosa- Lancelot“ 56.

2 Herbert Kolb, Namen und Bezeichnungen der Pferde in der mittelhochdeutschen Literatur. In: Beiträge zur Namenforschung N. F. 9 (1974) 151-166, hier 151 ff.; Christian Hüne- mörder, Pferd. In: Lexikon des Mittelalters 6. München-Zürich 1993, Sp. 2029.

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equi) und die runcini genannten“.3 Die vier modi equorum erläutert Albertus Magnus in den nachstehenden Abschnitten, was Heinrich Mynsinger in der ers- ten Hälfte des 15. Jahrhunderts folgendermaßen übersetzt: Die ersten sind groß stechRoß vnd sthryt pferd. Die heissent zu latin dextrary. Vnd den sol man nit uß werffen (castrari), wann sie werdent verzagt. Vnd die selben grossen stechroß oder stryt pfert hörent gern pfiffen vnd seyten spil vnd das gedone vnd den schall von dem harnasch. […] Die ander pfert sind, die man heisset reissig pfert. Die sint gůt zů ryten. Vnd den sol man auch nit monichen vnd uß werffen, (horum etiam est non castrari), das sie da nit verzagt werden vnd swer. Die tritten pfert sint wetlöffer. Vnd die sint zů lauffen vnd zů fliehen gut, vnd den monichet man vnder willen, das das geeder dar durch fücht verblib vnd nit zů dirre werdent von der hicze des louffs (castrantur ut frigiditate et humore occuratur siccitati quae ex calore motus et cursus inducitur). Die vierden pfert sind die gemeinen karch pferd, die zů karchen vnd leste tragen gůt sint.

Dextrarius ist das eigentliche Kampfpferd des Ritters, das Ritterross; die mittelhochdeutsche Bezeichnung für diesen Pferdetypus ist ros oder ors.4 Der Terminus palafridus geht auf das spätantike ‚paraverēdus’ zurück und bezeich- net ein Pferd, das ein dazu Verpflichteter dem amtlichen Verkehr auf Anforde- rung zur Verfügung zu stellen hatte, das auch für den Transport von leichteren Gütern dient; es ist ein Pferd, das – im Rahmen einer Verpflichtung bzw. des Aufgebots zur Verfügung gestellt – als „Beipferd“ diente.5 In der erschlossenen indo- und urgermanischen Wortform ist das Verb reiten enthalten: rēd- < in- doeuropäisch (ie) *reidh- >urgerm *rīdan.6 In der von Friedrich Barbarossa 1158 erlassenen Heeresordnung dient die Differenzierung des Reittieres zusam- men mit fehlender oder vorhandener Bewaffnung zur legislativen Richtlinie im Rahmen der Friedensgesetzgebung: Ein Ritter, der unbewaffnet auf seinem Reitpferd sitzend (sedens in palefrido sine scuto et armis) ins Lager kommt, darf nicht angegriffen werden, im Gegensatz zu jenem, der bewaffnet auf seinem Streitroß kommt (sedens in dextrario et habens scutum in collo, lanceam in manu).7

3 Albertus Magnus, De Animalibus Libri XXVI, hg. von Hermann Stadler nach der Kölner Urschrift (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15, 16) Münster 1920, XII.1, 41, 1377 f.; Von Falken, Hunden und Pferden. Deutsche Albertus-Magnus-Überset- zungen aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts, hg. von Kurt Lindner. Berlin 1962, 102 f.

4 Die Differenz beruht auf Metathese zweier Laute, von ahd. hros (> nhd. Ross) neben ags. hors (ne. horse), mnd. (h)ors > mhd. ors; vgl. Helmut Birkhan, Etymologie des Deutschen (Germanistische Lehrbuchsammlung 15) Bern-Frankfurt am Main-New York 1985, 108.

5 Birkhan, Etymologie des Deutschen 246.
6 Ebenda.
7 Bischof Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, übers.

von Adolf Schmidt, hg. von Franz-Josef Schmale (Ausgewählte Quellen zur deutschen Ge- schichte des Mittelalters 17, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe) Darmstadt 42000, 457; vgl. dazu Joachim Bumke, Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mit- telalter 1 (dtv 4442) München 61992, 237.

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Zur Typeneinteilung nach dem menschlichen Verwendungszweck kommt die Nennung der Pferde nach ihrer Herkunft. Vor allem in der Epoche der Kreuzzüge wurden persische, türkische, arabische, berberische und andere Pferde nach Europa gebracht.8 Großer Beliebtheit erfreuten sich auch dänische, ungarische und spanische Pferde.9 .Dazu trat die Klassifizierung durch die Art der Bewegung: Mähre (march),10 Renner (loufaere), Ross, Zelter,11 râvît.12 Die Bezeichnungsvielfalt wird daneben durch die Einteilung nach Geschlecht er- weitert: Hengst (mhd. Hengist), Wallach,13 Maiden,14 Beschäler (admissario oder waranio),15 Stute, Gurre,16 Fähe (Mutterpferd) und Fole (gebährende Stute);17 nach Alter: Füllen oder Fohlen,18 nach Größe: runzît, ein vermutlich

8 Elisabeth Hayden, Das Pferd im Mittelalter. Diplomarbeit, Wien 1987, 35.
9 Parzival stiehlt ein Gralsroß, einen Kastilianer: Wolfram von Eschenbach, Parzival, hg. von Albert Leitzmann. Tübingen 1961-1963, Str. 157/26; vgl. dazu Ohly, Die Pferde im „Parzi-

val“ Wolframs von Eschenbach 847-933.

  1. 10  Marc/march war ursprünglich eine wertneutrale Bezeichnung für das Ross; der Terminusexistiert noch in marschieren (marcher, marciare, marchar) und in Marschall (marschalc); Marschall war ursprünglich ein Reit- und Pferdeknecht, der die Aufsicht über die Pferde hat. Mähre erlebte noch im Mittelhochdeutschen eine Bedeutungsverengung und meinte bis ins 16. Jahrhundert als wertneutrale Bezeichnung Stute; danach bedeutete es nur noch schlechtes, klappriges Pferd: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. München 1995, 825 und 842; Max Jähns, Ross und Reiter in Leben und Sprache, Glauben und Geschichte der Deutschen. Eine kulturhistori- sche Monographie. Leipzig 1872, Ndr. Wiesbaden 1973, 13; Wolfgang Christian Schnei- der, Animal laborans. Das Arbeitstier und sein Einsatz in Transport und Verkehr der Spät- antike und des frühen Mittelalters. In: L’uomo di fronte al mondo animale nell’alto medio- evo 1 (Settimane di studio del centro italiano di studi sull’alto medioevo XXXI) Spoleto 1985, 457-578, hier 522.
  2. 11  Erscheint als zelter oder zeltenphert und häufiger als Verbindung des Partizip Präsens des Verbs zelten und dem Nomen zu zeltend phert. Der Zelt (heute gebräuchlicher Tölt) ist eine sehr ruhige Sondergangart, der in langsamerem und schnellerem Tempo geritten werden kann. Häufig wird Zelt fälschlich mit dem Passgang gleichgesetzt; Zelt ist aber eine Vier- taktbewegung, Pass dagegen eine Zweitaktbewegung; vgl. Hayden, Das Pferd im Mittelal- ter 87 f.
  3. 12  Bezeichnung für ein Turnierross; die vermutlich auf dem romanischen raver/rennen beruht, vgl. Jähns, Ross und Reiter 1, 13; Dorothea Segelcke, Rîten. Studien zum Wortschatz des Reitens im Mittelhochdeutschen. Münster 1969, 153 ff.
  4. 13  Kastrierter Hengst, frühnhd.; Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 1534.
  5. 14  Maiden hatte die Bedeutung „Hengst“, die sich im Mittelhochdeutschen zu „kastriertes Pferd“ wandelte: Jähns, Ross und Reiter 1, 18-20.
  6. 15  Jähns, Ross und Reiter 1, 20.
  7. 16  Gurre ist eine Stutenbezeichnung, die schon im Mittelalter negativ konnotiert war; Jähns,Ross und Reiter 1, 23.
  8. 17  Jähns, Ross und Reiter 1, 22.
  9. 18  Otte, Eraclius, hg. von Winfried Frey (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 348) Göppin-gen 1983, A, B, C V. 1481; Wolfdietrich B II, Str. 311/3 (in: Ortnit und die Wolfdietriche, hg. von Arthur Amelung und Oskar Jänicke (Deutsches Heldenbuch 3) Ndr. Weidmann 1968.

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kleineres Pferd, das meist von Damen verwendet wurde.19 Runzît kann wertneut- ral Anwendung finden; es repräsentiert aber in erster Linie die vierte Kategorie des Albertus Magnus, die runcini. Dazu kommt noch die Bezeichnung nach der äußeren Erscheinung, wie Farbe. Die vier Hauptkategorien sind Schimmel, Rappe, Fuchs und Brauner, die Varianz der Schattierungen innerhalb dieser Ka- tegorien ist jedoch sehr vielfältig.20 Die Farbe des Pferdes ist nach Albertus Magnus nur eine von vier Kriterien bei der Beurteilung von Schönheit und Ge- sundheit des Pferdes. Neben color nennt er forma, pulcritudo, meritum.21

Im Folgenden stehen jene Pferde im Mittelpunkt des Interesses, mit deren Hilfe in den literarischen Quellen das mittelalterliche Verkehrswesen bewältigt wurde. In die Betrachtung eingeschlossen werden auch die artverwandten Tiere Maultier (mûl), Esel (esel) und Maulesel, die allerdings geringeres Prestige hat- ten und daher in den Quellen weniger oft vorkommen. Ihre Bedeutung für den Transport und als trittsichere Tiere in unwegsamen, vor allem alpinen Gelände war vermutlich sogar höher als die der Pferde. Diese Vorgangsweise entspricht dem mittelalterlichen Wortverständnis, denn das Kollektivum phert bezeichnete als Oberbegriff alle Pferdearten, Maultier, Esel und Maulesel eingeschlossen.22

Der Oberbegriff für die Fortbewegung auf einem Reittier, das Reiten (rîten), wurde namengebend für den Reiter, den Ritter.23 Das Begriffsfeld von reiten lässt sich auf indoeuropäisch (ie) *reidh- (fahren, in Bewegung sein) zu- rückführen.24 Reiten bedeutete eigentlich „durch fremde Kraft fortbewegt wer- den“, wobei die Art der Fortbewegung durch ein Schaukeln gekennzeichnet ist.25 Die Wortbedeutung umfasste gleichermaßen „mit der Bahre getragen wer- den“, „auf den Wellen schaukeln“, „in der Luft, am Himmel gleiten“, „am Gal- gen hängen“. Reiten konnte man also außer auf Reittieren in der Bahre, auf dem Wasser und in der Luft. Die Einschränkung auf die heutige Bedeutung erfuhr das Verb erst im Frühneuhochdeutschen.26

Für die Gangweisen existierte besonders im Verbenbereich ein ausdiffe- renziertes Wortfeld. Für den Gang allgemein fand gân, gên Verwendung; der Schritt wurde mit stapfen, schrîten, spranzelieren, stolzieren wiedergegeben, der Trab mit draben, der Galopp mit springen, (er)sprengen, rennen, galopieren, schûften, leis(ch)ieren, hancen, hossen gestrecken. Der Zelt zählt nicht zu den

19 Mittelhochdeutsches Wörterbuch 2/1, bearbeitet von Wilhelm Müller und Friedrich Zarn- cke. Leipzig 1854-66, Ndr. Stuttgart 1990, 796.

  1. 20  Jähns, Ross und Reiter 1, 41 f.
  2. 21  Albertus Magnus, De Animalibus XII.1, 41, 1377 f.; Von Falken, Hunden und Pferden (hg.Lindner) 99-104.
  3. 22  Vgl. dazu Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 58.
  4. 23  Kolb, Namen und Bezeichnungen 151 ff.
  5. 24  Es ist in Verbindung zu setzen mit aengl. rīdan, mnd. rīden, nl rijden, engl. to ride, anord.rīηa (hin- und herbewegen, schwingen, wanken, reiten, besiegen), air rīad(a)im, ich fahre, dērīad (Zweigespann): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer, 1110.
  6. 25  Segelcke, Rîten 104.
  7. 26  Segelcke, Rîten 126-128.

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natürlichen Gangarten, sondern ist eine dem Pferde (seltener dem Maultier) an- trainierte Gehweise.27 Spazieren reiten (baneken rîten)28 wird in Gesundheits- regimena wie dem Tacuinum sanitatis29 als äußerst vorteilhaft für die Gesund- heit empfohlen.

Das Pferd war in der mittelalterlichen Gesellschaft das Mittel zur Mobi- lität, es brachte erhebliche Bequemlichkeit bei der Fortbewegung, erhöhte die Reisegeschwindigkeit und trug Lasten. Die Relevanz des Pferdes für den mittel- alterlichen Menschen zeigt die Fürsorge für Pflege, Gesunderhaltung und Hei- lung kranker Pferde. Zahlreich ist das diesbezügliche naturwissenschaftliche Schrifttum. Hervorzuheben ist die ausführliche Behandlung zahlreicher Pferde- krankheiten in De Animalibus des Albertus Magnus, das zu Beginn des 15. Jahr- hunderts durch die von Heinrich Münsinger vorgenommene Übertragung ins Deutsche weite Verbreitung fand. Große Verbreitung fand im Spätmittelalter auch das Roßarzneibuch des Meisters Albrant. Es ist in 211 Handschriften, acht Inkunabeln und einer großen Anzahl von Drucken und Übersetzungen in euro- päische Sprachen überliefert.30

Aber auch mit Hilfe von Zaubersprüchen, Segen und Gebeten versuchte man die Gesundheit der Pferde zu beschwören.31 Selbst Heilige wurden um Bei- stand angerufen; Pferdepatrone sind Antonius von Padua, Berthild von Chelles, Celsus, Georg, Eligius, Gangolf, Georg, Hyppolytus, Leonhard, Mauritius, Qui- rinus und Stephanus.32

  1. 27  Segelcke, Rîten 133-163.
  2. 28  Dietrichs Flucht, hg. von Elisabeth Lienert und Gertrud Beck (Texte und Studien zur mittel-hochdeutschen Heldenepik 1) Tübingen 2003, V. 7456; dazu Matthias Lexer, Mittelhoch- deutsches Wörterbuch 1, Ndr. Stuttgart 1974, Sp. 120 f.: banchen, baneken, sich durch Be- wegung erlustigen.
  3. 29  Das Tacuinum von Lüttich, fol. 71v: „Equitatio. Reiten. Beschaffenheit: es ist eine gemä- ßigte Bewegung. Vorzuziehen ist Reiten, das Schweiß hervorruft. Nutzen: es ist gut in den beiden erwähnten Dingen. Schaden: wenn diese im Übermaß auftreten. […]. Ganz ähnlich lautet die Empfehlung im Pariser Codex (Tacuinum Sanitatis. Das Buch der Gesundheit, hg. von Luisa Cogliati Arano. München 1976, 110, 127); vgl. Hausbuch der Cerruti, hg. und übers. von Franz Unterkircher. Dortmund 1979, 201.
  4. 30  Rainer Rudolf, Meister Albrant. In: Verfasserlexikon 1 (1978) Sp. 157 f.
  5. 31  Hans-Hugo Steinhoff, Ad equum errehet. In: Verfasserlexikon 1 (1978) Sp. 27 f.; idem, ‚Contra vermem edentem’ und ‚Contra vermes pecus edentes’. In: Verfasserlexikon 2 (1980) Sp. 11; idem, De hoc quod spvriha[l]z dicvnt (Visc flot aftar themo uuatare). In: Verfasserlexikon 4 (1983) Sp. 75 f.; idem, Merseburger Zaubersprüche. In: Verfasserlexi- kon 6 (1987) Sp. 410-418; idem, Pro nessia / Contra vermes (Gang zu / ut nesso). In: Ver- fasserlexikon 7 (1989) Sp. 853 f.; idem, Trierer Pferdesegen ‚Incantatio contra equorum egritudinem quam nos dicimus spurihalz’. In: Verfasserlexikon 9 (1995) Sp. 1055; idem, Vatikanische Pferdesegen ‚Ad pestem equi / Ad equum infusum’. In: Verfasserlexikon 10(1995) Sp. 184.
  6. 32  Ökumenisches Heiligenlexikon: http://www.heiligenlexikon.de; Zugriff am 14.2.2006.

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Abb. 1: Zwei Adelige auf einem Spazierritt. Aus: Das Hausbuch der Cerruti. Nach der Hand- schrift in der Österreichischen Nationalbibliothek (die bibliophilen Taschenbücher 130) Dortmund 1979, 201

Auf den mittelalterlichen Verkehrswegen bot sich ein vielfältiges Bild an Transportmitteln. Das Erscheinungsbild des Pferdes steht in enger Beziehung mit dessen Funktion: Das Repräsentationspferd hat einen stattlichen Körperbau, es ist mit wertvollem Pferdezeug ausgestattet und prunkvoll geschmückt. Das Pferd, mit dem frau/man spazieren ritt, war normalerweise bescheidener aus- gestattet (Abb. 1), wieder anders sahen der Renner oder das bepackte Saumtier aus. Wie der Autofahrer über sein Auto klassifiziert wird, wurde auch der Reiter über sein Reittier taxiert. Große, kräftige Pferde mit schönem Körperbau, glän- zendem, dichtem Fell, nicht zu großem Kopf, mäßig langer Mähne und starken Beinen33 hoben das Ansehen des Reiters, während schwache, ungepflegte Pferde,34 Maultiere und Esel persönliche, soziale oder ökonomische Mängel an- deuteten. Entscheidend für den Wert des Pferdes sind Alter, Zustand des Felles, Schönheit der Gestalt, Bewegungsart und Gewandtheit des Ganges. Hartmann von Aue bietet im Erec zwei Beschreibungen idealer Damenpferde.35 Er bedient

33 Von Falken, Hunden und Pferden (hg. Lindner) 99-104.
34 Diese werden mit runzît, gûl oder gurre bezeichnet, dazu weiter unten.
35 Hartmann von Aue, Erec. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung von Thomas Cramer.

Frankfurt 1995, V. 1426-1441 sowie 7336-7366. 22

sich dabei der rhetorischen antiken Beschreibungsmuster, wenn er beim Kopf beginnend die Qualitäten des idealen Reitpferdes aufzählt: ein schlanker Kopf, steile, nicht zu lange Ohren, ein kräftiger, nicht zu hoch gezogener Hals, ein schmaler Kopfansatz, eine kräftige Brust, schlanke Läufe mit kurzen Fesseln, die Mähne dicht und gelockt; ein sanfter Gang. Die Farbe des ersten Pferdes ist weiß, die des zweiten Pferdes schwarz/weiß und grün.36

Abb. 2: Bischof (er entspricht im mittelalterlichen Spiel dem Läufer) reitet auf einem Pferd (vermutlich einem Läufer/Renner). Schachfigur, Deutschland, 1245/1255, Bein (Hirsch- horn?), H. 5,6 cm.; Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Nr. PL 364. Aus: Gerhard Jaritz, Schachfigur. In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters. Ausstellungskatalog Krems-Stein 1982, 38 f.

Das mindere Ansehen des Maultieres und Esels begründet die Weigerung vieler geistlicher Würdenträger, sich wie Jesus des Esels als Reittier zu bedie- nen.37 Vor allem Geistliche aus dem (Hoch)Adel blieben auch im geistlichen Umfeld dem adeligen Prestigedenken verpflichtet (Abb. 2). Auch die Ausstat- tung des Reittieres unterlag dieser Einschätzung durch die Zeitgenossen. Das Pferdezeug besteht aus Kopfgestell samt Biss (Trense oder Kandare) und Zü- geln, Sattel mit Sattelgurt, Steigriemen und Steigbügeln, Brustriemen (Vorder- zeug, nicht immer verwendet), Schwanzriemen mit Schlaufe und allenfalls

  1. 36  Zur Farbensymbolik siehe Ingrid Bennewitz, Die Pferde der Enite. In: Matthias Meyer und Hans-Jochen Schiewer (Hg.), Rollenentwürfe in der Literatur des Hoch- und Spätmittelal- ters. Festschrift für Volker Mertens zum 65. Geburtstag. Tübingen 2002, 1-17, hier 13.
  2. 37  Bekanntlich ritt Jesus auf einem Esel. In den Evangelien findet das Pferd keine einzige Er- wähnung. Vgl. dazu Lewis, Das Tier und seine dichterische Funktion 21.

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Flankenriemen (Umgang).38 Wie zahlreiche Miniaturen der Handschrift G des Welschen Gastes des Thomasîn von Zerklaere39 zeigen (Abb. 3), hatte der Sattel vorne und hinten hohe Sattelknöpfe, sodass der Ritter fest und sicher saß. Der österreichische Moralist Seifried Helbling schrieb diese „modische Neuerung“ dem verderblichen schwäbischen Einfluss zu, der seit dem Herrschaftsantritt der Habsburger die österreichische Landessitte dominieren würde.40 Damen sollten nicht mit gespreizten Beinen, sondern seitlich sitzend (im Damensitz) das Pferd reiten. Falls sich die Dame an diese Empfehlung tatsächlich hielt, benötigte sie einen Damensattel (Abb. 4). Der Damensattel war eine Art (gepolsterte) Bank, auf der sie sitzen und beide Beine auf die unten befestigte Fußbank stützen konnte.41 Sämtliche Bestandteile des Pferdezeuges lassen die Dichter mitunter aus kostbaren Materialien (Gold, Silber und Edelsteine) äußerst artifiziell gefer- tigt sein.42

In Mitteleuropa waren die vornehmen Pferde ab der Mitte des 9. Jahrhun- derts mit Hufeisen beschlagen.43 Bis ins 13./14. Jahrhundert wurden Hufeisen mit Wellenrand geschmiedet, danach waren bis ins 16./17. Jahrhundert die sog. „Mondsichelruten“ gebräuchlich.

Wert des Reitpferdes, Arbeitspferdes, Esels, Maulesels

Der materielle Wert eines Pferdes lässt sich über Relationen ungefähr herstellen. Im Sachsenspiegel wird das Wergeld für das Fohlen, den Esel, den Maulesel, den Zugochsen, die Feldstute, das Feld- und Reitpferd festgelegt: „Dat uolen uor enen scilling binnen sime soge. […]. Den mul mit acht schillingen und Den tochossen. Unde de uelt sterken mit achten. § Andere uelt perde de to uolen arueide dogen mit tuelf scillingen […]. Dat ridepert dar de ridene man sime he-

38 39 40

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Ortwin Gamber, Pferdezeug. In: Lexikon des Mittelalters 6. München-Zürich 1993, Sp. 2030.
Thomasin von Zerclaere, Der Welsche Gast, hg. von Friedrich Wilhelm von Kries (Göppin- ger Arbeiten zur Germanistik 425) Göppingen 1984-85, fol. 8v, Bild 3 u. ö.

Nû habent uns die Swâbe,/ des ich got immer lobe, / her in ditze lant brâht, / des ich ê nie gedâht,/ setel als die krippe / gênt uns umb die rippe / als die zarge umb den tuorn. Seifried Helbling, hg. und erklärt von Joseph Seemüller. Halle 1886, XIV, 53-59.

Vgl. dazu auch Alwin Schultz, Das höfische Leben zur Zeit der Minnesänger 1. Leipzig 1889, Ndr. Osnabrück 1965, 497. Bischof Wolfger von Erla schenkte der Königin von Böhmen 1204 einen Reitsattel: Hedwig Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vo- gelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla. Wien 1970, 82/106 f., 86/64 f., 92/30-32; 123, Anm. 57.

Hartmann von Aue, Erec, hg. von Albert Leitzmann (ATB 39) Tübingen 61985, V. 7426- 7766, wo der berühmte Damensattel der Enite (vrouwen gereite, V. 7463) beschrieben wird. Vgl. dazu Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 122/2: Mit guldîn schellen kleine / vor iewederm beine / wâren die stegreife erklenget / und ze rehter mâze erlenget.

Walter Drack, Hufeisen – entdeckt in, auf und über der römischen Straße in Oberwinterthur (Vitudurum). Ein Beitrag zur Geschichte des Hufeisens. In: Bayerische Vorgeschichts- Blätter 55 (1990) 191-239.

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ren uppe uolget unde denet mit eneme punde. Riddere perd. ors unde teldere. Unde runeiden en isnen weregelt gesat.“

Abb. 3: Zwei berittene, ungerüstete Männer auf Rittersätteln. Aus: Thomasîn von Zerkläre, Der Welsche Gast (hg. V. von Kries) Codex G fol. 8v Bild 3, Band 4, 11

Abb. 4: Die heilige Maria reitet auf einem Damensattel einen Esel. Die Reise von Nazareth nach Bethlehem (Folio 84v). Aus: Herrad von Landsberg, Hortus deliciarum (hg. von Otto Gillen) 1979, 74 f.

Für das Fohlen (während der Säugezeit) betrug es einen Schilling, für den Maulesel, den Zugochsen und die Feldstute waren acht Schillinge zu zahlen, für andere Feldpferde, die zu voller Arbeit taugten, 12 Schilling. Das Reitpferd, mit dem der berittene Mann seinem Herrn dienen soll, war ein Pfund wert. Für Rit-

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terpferde aber, für Ross, Zelter und Klepper, wurde kein Manngeld festgesetzt.44 Der Bauer Helmbrecht gibt für das Ritterross seines Sohnes nach Aussage des Dichters 30 Ellen Stoff (weit über 20 m), vier Kühe, zwei Ochsen, drei Stiere und vier Scheffel Korn; das entsprach einem Wert von 10 Pfund: einen loden von drîzec stürzen / (alsô saget uns daz mære, / daz der lode wære / aller loden lengest) / den gap er an den hengest / und guoter küeje viere, / zwêne ohsen und drî stiere / und vier mütte kornes. /…/ er koufte den hengest umb zehen phunt.45 König Ludwig von Bayern gibt 1315 für einen Meidem (Zuchthengst) 13-15 Pfund Münchner Pfennige, für ein Ross 32, 50 bis 60 Pfund Münchner Pfennige, für einen Zelter 30 Pfund Münchner Pfennige.46 Walther von der Vogelweide beziffert den Wert seines Pferdes, das Herr Gerhart Atze ihm erschoss, mit drîer marke wert. König Rudolf von Habsburg kaufte um 1288 ein Pferd um 34 Mark.47 Der kaiserliche Ratgeber Eraclius erwirbt für den kaiserlichen Reitstall um 60 Mark ein übel aussehendes Fohlen, dessen Wert als überragendes Renn- pferd er nur aufgrund einer Gottesgabe im Gegensatz zu den Schatzmeistern er- kennt.48 Der Stricker beziffert in einem Märe den Wert eines guten jungen Ros- ses mit 30 bzw. 40 Mark.49

Fortbewegungsmittel Pferd (palefridi)

Die dem Adeligen entsprechende Fortbewegung ist das Reiten auf dem Pferde. Die Fortbewegung per pedes ist für einen Mann „von Stande“ unwürdig. Auch kurze Distanzen innerhalb der Stadt werden auf dem Rücken eines Pferdes zu- rückgelegt. Denn der Ritter ist der „Pferdemann“50 und daher ohne Pferd nur ein halber Mensch. Ein Ritter ohne Pferd oder Ross wird als Ritter nicht ernst ge- nommen,51 er ist eine unehrenhafte Erscheinung.52 Ohne Pferd, also zu Fuß

44 Sachsenspiegel oder Sächsisches Landrecht, hg. von Carl Robert Sachse. Heidelberg 1848 (Ndr. Leipzig 1988) 3. Buch, Artikel 51, 264.

45 Wernher der Gärtner, Helmbrecht, mittelhochdeutsch/neuhochdeutsch, hg. von Fritz Tschirch (RUB 9498) Stuttgart 1978, A V. 390-399. Vgl. dazu Karl Brunner, Bauern im Innviertel. In: Egon Boshof, Max Brunner und Elisabeth Vavra (Hg.), Grenzenlos – Ge- schichte der Menschen am Inn. Katalog zur ersten Bayerisch-Oberösterreichischen Lan- desausstellung. Regensburg 2004, 398-407, hier 405.

46 Monumenta Boica 9. München 1767, 128; vgl. dagegen Mittelhochdeutsches Wörterbuch, hg. von Wilhelm Müller und Friedrich Zarncke unter Benützung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke. Leipzig 1854-66, Ndr. Stuttgart 1990, 2/1, 92.

47 Walther von der Vogelweide, Leich, Lieder, Sangsprüche, hg. von Christoph Cormeau. Berlin-New York 141996, Lied 104/11; vgl. dazu auch Schultz, Das höfische Leben 1, 501.

48 Otte, Eraclius, A, B, C V. 1485-1759.
49 Edelmann und Pferdehändler. In: Die Kleindichtung des Strickers, hg. von Wolfgang Wil-

fried Moelleken (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 107,1) Göppingen 1973, V. 64 f.
50 Dietmar Peschel-Rentsch, Pferdemänner. In: Idem (Hg.), Pferdemänner. Sieben Essays über Sozialisation und ihre Wirkungen in mittelalterlicher Literatur (Erlanger Studien 117)

Erlangen-Jena 1998, 12-47, hier 12.
51 Der Ritter Ecke geht zu Fuß (ze fuosse gan) auf Abenteuer, weshalb die Königin, die ihn

ausstattet, um ihren guten Ruf fürchtet; er sprang wie ein Leopard, alsam ain lebart … sach 26

unterwegs sind in der Dichtung Arme,53 Mönche,54 Pilger,55 Dienstboten,56 elende Besiegte.57

In der Regel bezeichnet phert ein leichteres Gebrauchspferd, das zur Re- präsentation,58 zum Zeitvertreib,59 Spazierenreiten,60 auf der Reise,61 auf Botenritten62 und bei der Jagd Verwendung fand. Dem Selbstverständnis eines adeligen Herrn entsprach es, sich ausschließlich männlicher Tiere zu bedienen. Auch Damen,63 ältere Personen64 und Kinder65 reiten auf Pferden. Für diese

man in wite springen: Das Eckenlied. Sämtliche Fassungen, hg. von Francis B. Brevart. 3

Bde. (ATB 111) Tübingen 1999, Str. 35/5 und 36/5.

  1. 52  Hartmann von Aue, Iwein, hg. von Thomas Cramer nach der Ausgabe von Georg FriedrichBenecke, Karl Lachmann und Ludwig Wolff. Berlin-New York 31981, V. 763-766.
  2. 53  Caesarius von Heisterbach, Hundert auserlesene, wunderbare und merkwürdige Geschich-ten des Zisterziensers, hg. von Otto Hellinghaus. Aachen 1925, 4.
  3. 54  Caesarius von Heisterbach (hg. Hellinghaus) 17 u. ö.
  4. 55  Die Karfreitags-Pilgergruppe im Parzival geht zu Fuß, obwohl sie königlichen Geblüts ist:Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 446/21; vgl. dazu Wolfdietrich B I

    (hg. Amelung und Jänicke) Str. 321/1-323/2.

  5. 56  Hartmann von Aue, Erec, hg. von Thomas Cramer (Fischer Taschenbuch 6017) Frankfurt1972; V. 3490-3497; Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet, hg. von Wolfgang Spiewok (Wo- dan. Serie 1: Texte des Mittelalters 16) Greifswald 1997; V. 2595; Heger, Das Lebenszeug- nis Walthers von der Vogelweide, 99/67 u. ö.
  6. 57  Ermrich nimmt Dietrich von Bern das Pferd ab, um ihn zu demütigen: Nu hab ouf minen triwen phant, dir wirt diu ere nimmer getan, /daz ich dich welle riten lan. / Du můst in der maze / arbeiten uf der straze / ze fuzen, /swar du cherest, / dich selben du unerest. Er muss mit der Bevölkerung Veronas die Stadt zu Fuß verlassen: Dietrichs Flucht (hg. Lienert und Beck) V. 4277-4283 und V. 4406 f.
  7. 58  Wolfram lässt Parzivals Vater Gahmuret in Konvoleiz ohne Waffen und edel ausstaffiert auf einem Pferd effektvoll und pompös einreiten: Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 63/1326; vgl. dazu Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 896; Ulrich von Liech- tenstein, Frauendienst (hg. Spechtler) Str. 810/1-8.
  8. 59  Als Iwein heimlich vom Artushof zum Brunnen des Askalon aufbricht, um Kalogrenant zu rächen, reitet er, um seine Absicht zu verschleiern, auf einem Pferd und lässt sich sein Ross und die Rüstung nachbringen: Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V. 954-965.
  9. 60  Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 605, 15; 718, 13; vgl. dazu Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 875 f.
  10. 61  Kaiser Otto bedient sich auf dem Weg von Magdeburg nach Köln eines Reitpferdes phert: Rudolf von Ems, Der guote Gêrhart, hg. von John A. Asher (ATB 56) Tübingen 21971, V. 639; vgl. auch Hartmann von Aue, Der arme Heinrich. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung, hg. von Hermann Henne (Fischer Taschenbuch 6017) Frankfurt/Main 122000, V. 1022.
  11. 62  Das Nibelungenlied. Paralleldruck der Handschriften A, B und C nebst Lesarten der übri- gen Handschriften, hg. von Michael S. Batts. Tübingen 1971, Str. B 735/1, C 745/1, A 681/1.
  12. 63  Nibelungenlied (hg. Batts) B 567/1-B 568/3, pfært (Ih); B 1302/3: pfært, C 1332/3: möre; A 1245/3: pferit.
  13. 64  Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 2020.
  14. 65  Der junge Parzival erhält von Herzeloyde für seinen Ritt in die Welt des Rittertums einPferd: Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 126/20; Lancelot aber be- kommt von seiner Ziehmutter als Zeichen seiner Maturität ein Ross anstelle des Pferdes:

27

Personen wurden Tiere, die den Zelt beherrschen, Zelter, bevorzugt eingesetzt.66 Als Damenpferde wurden auch Stuten eingesetzt. Ritterrösser werden von Da- men nur in Ausnahmesituationen und nicht ohne Einwilligung und Mithilfe ei- nes männlichen Begleiters geritten.67

Fortbewegungsmittel Ross (dextrarii)

Das gewöhnliche Pferd, das Marschpferd und der Zelter scheinen für einen ech- ten Kämpfer unpassend, das eigentliche Ritterpferd ist das Ross (ros, ors). Die Verwendung des Terminus Pferd als Oberbegriff für alle Typen erschwert mit- unter die korrekte Zuordnung der einzelnen Pferdetypen. Erst die Einbeziehung des Kontextes ermöglicht eine Zuordnung: So werden in Dietrichs Flucht fumf- zec gůteu kastellan (Streitrösser) mit dem Oberbegriff phærde versehen.68

Befand sich der Ritter auf der Suche nach Abenteuer oder auf dem Weg zu einem Kampfgeschehen, ritt er normalerweise das Ross.69 Im Frauendienst schildert Ulrich von Liechtenstein die „Fahrt“ seines Protagonisten von Mestre bis an die böhmische Grenze. An zahlreichen Stationen werden Turniere und Tjoste abgehalten, die er auf Rössern bestreitet; für die Ritte zwischen den Her- bergs- und Turnierorten bedient er sich seiner Reisepferde.70 Der Legende nach beabsichtigte Kaiser Eraclius bei seiner Kreuzrückführung, in Jerusalem auf sei- nem prächtigen Streitross (ravit)71 einzureiten. Da sich durch dieses „hochmü- tige und stolze“ Ansinnen die Porta speciosa augenblicklich verschloss, stieg der Kaiser vom Pferd und bereute tief, bis sich die Stadttore wieder öffneten; er betrat die Stadt schließlich zu Fuß mit dem Kreuz auf dem Rücken.72

Lancelot 1, hg. von Reinhold Kluge (Deutsche Texte des Mittelalters 42). Berlin 1948,

125, 10; vgl. dazu Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 295.
66 Das Pferd, das die junge Ênîte von ihrem Onkel für die Reise zum Artushof erhält, ist we- der zu stark noch zu schwach, weiß wie Hermelin, geht sanft und gutmütig übers Feld und trägt sie, wie ein Schiff auf den Wellen gleitet: Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V.

1404-1441.
67 Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 59; Jähns, Ross und Reiter 1, 5.
68 Dietrichs Flucht (hg. Lienert und Beck) V. 4790 und 4800.
69 Als Êrec heimlich mit seiner Frau Ênîte zu seiner Aventiure aufbricht, befiehlt er, ihm ein

70

Ross und seiner Frau Ênîte ein Pferd herzurichten (daz man im sîn ros bereite / und ir phert vrowen Ênîten). Nichts desto trotz wird Ênîte von Êrec auf diesem Abenteuerritt die Tätig- keit eines Pferdeknechtes zugemutet, sie muss „als Strafe“ schließlich acht Rosse betreuen: Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 3548; Dietrichs Flucht (hg. Lienert und Beck), V. 4221; Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici 457; Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V. 2555.

Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst, hg. von Reinhold Bechstein. Leipzig 1888, Str. 544/ 1-3, 791/8.

71 Otte, Eraclius (hg. Frey) A, C V. 5376.
72 Otte, Eraclius (hg. Frey) A V. 5361-5434; vgl. dazu auch Der Eraclius des Otte, hg. von

Winfried Frey (Erzählungen des Mittelalters 3) Kettwig 1990, 155. 28

Fortbewegungsmittel Renner (curriles equi)

Rennpferde dienen dem schnellen Transport des Reiters und der Repräsentation. Im Frauendienst des Ulrich von Liechtenstein reitet der Regensburger Domvogt Otto von Lengenbach in Wien mit seinem Tross, der hundert Rennpferde ein- schließt, Frau Venus entgegen.73 Ulrich von Zatzikhoven rüstet im Lanzelet Räuber mit schnellfüßigen Rennern aus, die ihre Reiter rasch über Berge und durch sumpfiges Gelände tragen sollen.74 Zu früh unterwirft der ungeduldige und misstrauische Kaiser Focas ein unfertiges Fohlen einem Wettrennen mit den drei besten Rennpferden des Hofstaates und Roms; das Fohlen gewinnt zwar, überlebt die Anstrengung jedoch nicht.75

Transportmittel Esel, Maulesel, Maultier und runcini

Wie das ros dem Ritter zuzuordnen ist, sind Esel, Maulesel und Maultier die Reittiere des einfachen Volkes76, der Diener77 und vieler Pilger.78 Allerdings stieg in der Realität auch der Adelige im unwegsamen Gelände um. Als Zeichen ihres Bemühens um imitatio Christi wählten mitunter auch Geistliche den Esel als Reittier, in der Regel ritten sie aber auf Pferden.79 Für die kirchlichen Refor- mer des 12. und 13. Jahrhunderts galt der Ritt auf dem Esel – wie ärmliche Kleidung – als Signal für Reformwillen.80 Nach Auskunft der Reiserechnungen bediente sich der spätere Patriarch von Aquilea und damalige Bischof von Pas- sau, Wolfger von Erla, auf seinen österreichischen und italienischen Reisen (1203 und 1205) mehrerer Pferde.81 Aber auch einfache Pfaffen bevorzugten

73 Ulrich von Liechtenstein (hg. Spechtler) Str. 801-802; vgl. dazu Gertrud Blaschitz, „… gechleidet wol nach ritter siten“. Beschreibungen von Kleidung und Rüstung im „Frauen- dienst“. In: Franz Viktor Spechtler und Barbara Maier (Hg.), Ich – Ulrich von Liechten- stein. Literatur und Politik im Mittelalter (Schriftenreihe der Akademie Friesach 5) Klagen- furt 1999, 371-410, hier 382.

74 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) V. 3811 f.
75 Otte, Eraclius (hg. Frey) A, B, C V. 1485-1759.
76 Maria reitet nach Bethlehem auf einem Esel: Konrad von Fussesbrunnen, Die Kindheit

Jesu, hg. von Hans Fromm und Klaus Grubmüller. Berlin-New York 1973, V. 723.
77 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) V. 4678; Wolfdietrich B I (hg. Amelung

und Jänicke) Str. 248/3f..
78 Norbert Ohler, Reisen im Mittelalter. München 1986, 48 f.

  1. 79  Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 92-97; Schneider, Animal laborans540.
  2. 80  Rupert von Deutz ritt 1117 nach eigener Aussage auf einem Esel von Siegburg nach Laon(PL 170, Sp. 482A-483A); vgl. dazu Walter Haug, Autorität und fiktionale Freiheit. In: Die Wahrheit der Fiktion. Tübingen 2003, 115-127, hier 115; Giles Constable, The Reforma- tion of the Twelfth Century. Cambridge 1985, 99; Michael T. Clanchy, Abelard. A Medie- val Life. Oxford-Cambridge 1997, 308; Ohler, Reisen im Mittelalter 35, 37.

81 Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide 82/120, 84/153, 165 f., 179; u. ö. 29

Pferde auf ihren Fahrten.82 Der Ritt auf mûl und esel galt eindeutig als ehrenrüh- rig.83 Auf Maultieren lässt Wolfram von Eschenbach die Gralsbotin Cundriê und ihren Bruder Malcrêature reiten; während ihr Tier wenigstens eine kräftige Gangart auszeichnet, ist das ihres Bruders ein hinkendes Reittier, gelähmt an allen Vieren.84 Das Erscheinungsbild der Cundriê selbst ist eine Summe aller Hässlichkeiten; bei ihrem Bruder verweist schon der Name auf seine Missgestalt (mit tierischen Zügen).85

Wenig prestigeträchtig war auch das Reiten auf dem runcino des Albertus Magnus, das Mynsinger der Kategorie Lastpferd zuweist (gemeine karch pferd).86 Zahlreiche Literaturstellen belegen jedoch seinen Einsatz als minder- wertiges Reitpferd. Es trägt im Mittelhochdeutschen die Bezeichnung runzît, gûl und gurre.87 Der Herzogin Jeschute etwa wird von ihrem Gemahl, weil er sie für eine Ehebrecherin hält, ein runzît zugewiesen. Wolfram beschreibt die Elends- kreatur als dürren Gaul mit viel zu langer Mähne, tief liegenden Augen und pri- mitivem Reitzeug. Zur Unterstreichung des schlechten Allgemeinzustandes dichten Autoren solchen Tieren nicht selten Krankheiten, ungute Gewohnheiten, unkontrollierte Bewegungen und unangenehme Gangarten an.88

Transportmittel Lasttier

Zur Beförderung von (leichteren) Lasten (soum) dienten überwiegend Last- oder Saumtiere (soumaere).89 Die Herkunft des Wortstamms „Saum“ (von gr. σάγμα – „Packsattel“, „Traglast“) und seine Verbreitung in den europäischen Sprachen (spätlat. sagma, vulgärlat. sauma, it. salma, ags. seam, frz. somme, mhd. soum) weist nicht nur auf die besondere Nutzung der Tiere hin, sondern lässt auch be- stimmte Packtechniken und deren Tradierung annehmen.90 Als Lasttiere fanden Maultiere (mûl), Maulesel, Esel aber auch minderwertige Pferde, runcini, Ver- wendung. Die Saumtiere wurden von einem Führer (soumaere) begleitet und

82 Der Stricker, Der Pfaffe Amis. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch nach der Heidelberger Handschrift cpg 341 hg. von Michael Schilling (RUB 658) Stuttgart 1994, V. 335 f.

83 Gefangene werden so transportiert: Der Stricker, Karl der Grosse hg. von Karl Bartsch (Deutsche Neudrucke: Texte des Mittelalters) Berlin 1965, V. 2116.

  1. 84  Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 312/6-14; 520/ 6-11.
  2. 85  Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 883-885.
  3. 86  Siehe Anm. 3.

87 Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 256/24, 342/15, 522/14, 529/25,

536/25, 545/13, 779/3; Otte, Eraclius (hg. Frey) A, B, C V. 1632; Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V. 4941; Die Herren zu Österreich. In: Die Kleindichtung des Strickers, hg. von Wolfgang Wilfried Moelleken (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 107,1) Göp- pingen 1973, V. 115-125; Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 91.

88 Wolfram von Eschenbach, Parzival, hg. von Wolfgang Spiewok (RUB 3681) Stuttgart 1981, Str. 256/17-27; Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet. (hg. Spiewok) 58 f.

89 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 1812-1819; Graf Rudolf, hg. von Peter F. Ganz (Philologische Studien und Quellen 19) Berlin 1964, K V. 19 f., 26, 31 f.

90 Thomas Szabó, Saumtiere. In: Lexikon des Mittelalters 7. München 1995, Sp. 1405. 30

betreut, woraus sich der heute noch gebräuchliche Familienname Sum(m)er, Saumer (u. ä.) entwickelte. Das geläufige Verb für transportieren ist mhd. sou- men. Auf die Lasttiere werden Kisten soumschrîn91 oder leitschrîn92 und Säcke93 geladen, die nach den literarischen Quellen mit Gold, Silber, Edelsteinen, kost- baren Stoffen und Kleidung gefüllt sind.94 Lasttiere sind sprichwörtlich gedul- dig, ungeheuer genügsam und trittsicher im schwierigsten Gelände. Nach Be- rechnungen, die auf Basis der Raffelstettener Zollordnung (903/05) angestellt wurden, sollen Saumtiere ungefähr die doppelte Mannestraglast (zwischen 98 und 163 kg) und die Hälfte der Last eines Ochsengespannes befördert haben; Packpferde schafften bis zu 195 kg.95 Soum ist als Last auch ein Maß, nämlich soviel ein Lasttier tragen kann.

Karren, Wagen, Rossbahren, Sänften, Schlitten

Für schwere Transporte wurden zwei- und vierrädrige Wagen als Beförde- rungsmittel eingesetzt.96 Im 13. Jahrhundert war das Speichenrad bereits in Gebrauch, die Reifen wurden mit Eisen beschlagen, was die Widerstandsfähig- keit der Felgen erhöhte, und die bewegliche Vorderachse war (wieder?) in Ver- wendung.97 Der Wagen war aus Holz gefertigt. Eine primitive Form des Wagens ist der (meist für die Güterbeförderung verwendete) Karren, eine Leiterkon- struktion ohne Abdeckung98 (Abb. 5). Bei anspruchsvolleren Wagen war der Wagenkasten aus Korbgeflecht oder eine Bretterkonstruktion; die Wagenabde-

  1. 91  Das von König Siegfried und seiner Gemahlin benötigte Gepäck für die Reise nach und den Aufenthalt in Worms wird im Saumschrein geladen: Vil der sovmschrîne man schiet zv den wægen, Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 776/1. Als der junge Siegfried sein Vaterland verlässt, um in Burgund um Kriemhild zu freien, werden Waffen und Ausrüstung auf Saumtiere geladen: di helde in hiezen sŏmen beide wafen vnd gewant, ebd. Str. B 65/4; vgl. Der Stricker, Der Pfaffe Amis (hg. Schilling) V. 1592.
  2. 92  Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 518/2; 1368/2.
  3. 93  Wernher der Gärtner, Helmbrecht (hg. Tschirch) A V. 662.
  4. 94  Kriemhild nimmt auf ihre Reise zu Etzel zwölf Truhen voll Gold mit (zwelf schrin des allerbesten goldes), Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 1277, 1 f.
  5. 95  Schneider, Animal laborans 531; Szabó, Saumtiere Sp. 1405.
  6. 96  Hartmann von Aue: Erec (hg. Cramer) V. 2351 f.: sîniu sper truoc ein wagen / hin dâ derturnei sold sîn.; Wol hundert soumære wurden wol geladen / und ouch die kamerwagen, als sie sollten tragen / trinken unde spîse durch diu wîten lant: / daz riet im wol nâch êren vil manic küener wîgant. Wolfdietrich B I (hg. Amelung und Jänicke) Str. 229/1-4.
  7. 97  Siehe dazu Thomas Szabó, Wagen. In: Lexikon des Mittelalters 8. München 1998, Sp. 1905 ff.; Herbert Haupt, Der Wagen im 14. Jahrhundert. In: Der sassen speyghel. Sachsenspiegel – Recht – Alltag 2 (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 10) Oldenburg 1995, 155-161, hier 155.
  8. 98  Rudolf von Ems, Gerhard (hg. Asher) V. 1291; Stricker, Karl der Grosse (hg. Bartsch) V. 1055, 1326, 3215; Moric von Craûn, hg. von Ulrich Pretzel (ATB 45) Tübingen 31966 V. 659.

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ckung bestand aus Holzreifen, an die unter Umständen kostbare Decken99 oder Häute geknüpft100 wurden, so dass im Allgemeinen solche Fuhrwerke wie Planwagen aussahen. Die Gefährte waren ungefedert, jedoch gab es eine Art Aufhängung mit Lederriemen.101 Diese Wagen dienten der Güter-102 und Perso- nenbeförderung, Frauen,103 Kinder,104 ältere Personen,105 Kranke und Ver- letzte106 bedienten sich vor allem bei längeren Strecken eines Wagens. Der ade- lige Herr des 12. und 13. Jahrhunderts unternahm hingegen auch längere Reisen auf des Pferdes Rücken, denn die Fortbewegung im Wagen galt als unritterlich. Auch Leichen werden im Wagen gefahren.107 Als Zugtiere für Karren und Wa- gen wurden neben Pferden unterschiedlicher Art auch Rinder und Ochsen108 (Abb. 6) eingesetzt. Rossbahren und Sänften sind offene oder kobelwagenartig gedeckte Gebilde, die auf einem von zwei Pferden getragenen Gestell ruhten (Abb. 7).109 An den Tragpferden, von denen das eine vor der Bahre, das andere dahinter geht, schätzte man die Sanftheit ihres Ganges.110 Rossbahren wurden hauptsächlich für den Transport Verwundeter und Toter eingesetzt.111 Zuweilen wurde großer Luxus mit solchen Rossbahren getrieben, und wahrhaft komisch berührt die Beschreibung, die im Tristan von dem Transport der zierlichen Hun-

99 Die wagen wurden schiere gestalt. / mit reiner sîd, diu was niht alt, / wurdens verdecket schône: / dar ûf wol vunfzec magetîn. / man truoc dar laden unde schrîn. / und Die wagen wurden schiere bereit, / Mit reinen sîden wol bekleit: / mit beldekîn bedecket / Wurden sî dô überal. – Virginal Str. 659/1-5 und 800/1-4. In: Dietrichs Abenteuer, hg. von Julius Zupitza (Deutsches Heldenbuch 5) Ndr. Weidmann 1968.

100 Schaffelle werden über den Wagen gehängt: König vom Odenwalde. Gedichte Mittelhoch- deutsch-neuhochdeutsch, hg. von Reinhard Olt. Heidelberg 1988, 92, V. 69.

101 Diese werden aus Rindsleder gefertigt: König vom Odenwalde 40, V. 136-139.
102 Reiseproviant wurde auf dem Wagen transportiert: Wolfdietrich B I (hg. Amelung und

Jänicke) Str. 229/1 f.
103 Virginal Str. 307/7-10: manec rîlîch vrouwen wagen / ze velde wart gevüeret, / dar ûf diu

zendeldach geslagen. / mit sîden wol gesnüret.
104 Virginal Str. 849, 1-4: Die wagen wurden schiere bereit, / ein rîchez dach dar ûf geleit. /

die juncfrowen sich vröuten alle. / die wâren von der megde schar.
105 Bischof Ulrich von Augsburg unternahm im hohen Alter eine Romreise, den ersten Teil

des Weges verbrachte er liegend im Wagen (carpentum), als das Gelände steiler wurde,

wurde er in einer Liege transportiert. Vgl. Schneider, Animal laborans 533.
106 Der im Zweikampf schwer verletzte Gawan wird im rîtwagen transportiert: Lancelot 3 (hg.

Kluge) 699/1-7.
107 Lancelot 3 (hg. Kluge) 717/1-5.
108 Ohler, Reisen im Mittelalter 40 f.
109 Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 61; Ohler, Reisen im Mittelalter

50.
110 Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 61.
111 Die im Sachsenkrieg siegreichen Burgunden führen 80 Verwundete auf Bahren nach

Worms: vnt der verch wnden – frovwe wizzet daz – wol ahtzech rôte bâre / her in vnser lant, Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 237/1; vgl. dazu Hartmann von Aue, Erec (hg. Cra- mer) V. 4254; V. 6311.

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dehütte für das wunderbare Hündchen Petitkriu gegeben wird.112 Bei Schneelage wurden auch Schlitten von Pferden gezogen.113

Abb. 5: Ochsen als Zugtiere. Detail aus: Die rechte Feier des Herrenmahls. Federzeichnung laviert, Concordantiae caritatis, 1349/51. Stiftsbibliothek Lilienfeld Niederösterreich Cod. 151, fol. 74v. Foto: Institut für Realienkunde, Krems

Unterbringung und Versorgung der Transporttiere und andere Probleme

Ein Gebot der Gastfreundschaft war es nach der Begrüßung auf die gute Versor- gung der Pferde bedacht zu nehmen.114 Die Tiere werden von der Dienerschaft in den Stall geführt,115 abgeschirrt,116 abgerieben, gefüttert,117 getränkt118 und mit

112 Gottfried von Straßburg, Tristan, hg. v. Rüdiger Krohn. Stuttgart 61999, V. 16341-16350. 113 Die Lieder Neidharts, hg. von Edmund Wießner (ATB 44) Tübingen 41984, WL 3, 1,1. (R1 C 139 c1). Die bildliche Realisierung dieses Winterliedes in den Wiener Tuchlauben befindet sich in sehr schlechtem Erhaltungszustand; die den Schlitten ziehenden Pferde da-

gegen sind noch recht gut erkennbar.
114 Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V. 6655-59: erne wâfente sich zehant, / und nâch

dem orse wart gesant. daz was die naht sô wol bewart / daz ez nie bî im enwart / gekunrie-

ret alsô schône umb sînes orses gemach.
115 Thomas Kühtreiber, Mittelalterliche Stallbefunde anhand bildlicher Quellen. In: Beiträge

zur Mittelalterarchäologie in Österreich 15 (1999) 57-78. 33

frischer Streu versorgt.119 Auf größeren Höfen obliegt die Pferdeversorgung dem Marschall.120 Nicht immer kann der Reisende mit unentgeltlicher Gastfreund- schaft für sich und sein Pferd rechnen. In den literarischen Werken des 12. und 13. Jahrhunderts wird dieses Thema kaum angeschnitten. Nicht selten reitet der Held der Epen einsam auf der Suche nach Abenteuer, wie etwa Erec, Iwein und Parzival. Der Pfaffe Amis jedoch ist mit sechs Knappen unterwegs, die wie er gut beritten sind.121

Abb. 6: Lancelots Karrenfahrt. Prosa-Lancelot, um 1286, Nordfrankreich. Universitätsbiblio- thek Bonn S 526, fol. 296r. Aus: Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 372

116 Wernher der Gärtner, Helmbrecht (hg. Tschirch) A V. 843f: sîn phärit wart enphettet, / im selben wol gebettet.

117 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 364 f.
118 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 365 und 6709: Im verarmten Haushalt des Gra-

fen Karolus versieht die Tochter Ênîte den Pferdedienst, in der Burg Lîmors hingegen

führte ein Knappe das Ross zum Wasser.
119 Chretien de Troyes, Yvain, übers. und eingeleitet von Ilse Nolting-Hauff (Klassische Texte

des Romanischen Mittelalters 2) München 1983, V. 5354-59. 120 Siehe Anm. 10.
121 Der Stricker, Der Pfaffe Amis (hg. Schilling) V. 335 f.

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Abb. 7: Der verwundete Lancelot auf einer Rossbahre. Prosa-Lancelot, um 1286, Nordfrank- reich. Universitätsbibliothek Bonn S 526, fol. 208r. Aus: Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 368

Mitunter erzählen die Autoren doch von Reisen größerer Reitertrosse. So lässt Wolfram Parzivals Vater Gahmuret in Zazamank sehr effektvoll mit einem großen Gefolge einziehen.122 Ulrich von Liechtenstein beschreibt im Frauen- dienst das standesgemäße Auftreten der Frau Venus auf ihrer Fahrt von Mestre bis an die böhmische Grenze. Der Zug von Frau Venus besteht aus 20 Personen und umfasst einen Marschall, einen Bannerträger, zwei Posaunenbläser, drei Knappen mit drei Saumtieren, einen Flötenbläser, der auch Trommel schlägt, vier Knechte, zwei Mägde (Jungfrauen) und zwei Fiedler, die die „Reisenote“ fiedeln.123 Der Dichter des Nibelungenliedes lässt größere Truppen über die

122 Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 18/18-19/16.
123 Ulrich von Liechtenstein (hg. Spechtler) Str. 482-487. Lanzelet zieht mit 25 Knappen ins

Turnier: Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) V. 2770. 35

Straßen ziehen: Im Krieg gegen die Sachsen werden tausend Mann aufgeboten, die unter der Führung von zwölf Recken durch Hessen nach Sachsen ziehen. Brünhild verlässt mit dreitausend Mann Gefolge Island. Der Zug der Burgunder nach Osten zum Hofe Etzels umfasste tausend berittene Helden.124 Auch Tur- niere locken Massen von Rittern an.125 Wenngleich die Zahlen in den Epen reine Fiktion sind, spiegeln sie zum Teil mittelalterliche Realität, denn anlässlich der Romfahrten der römisch-deutschen Könige und Kaiser und der Kreuzzüge be- wegten sich gewaltige Menschenmassen durch die Lande.

In den literarischen Quellen sind Unterbringung und Versorgung der Mannschaften und Tiere selten ein Thema.126 Der Dichter Otte schildert einen Pferdemarkt in Rom anlässlich des kaiserlichen Aufrufs an die Untertanen, alle zum Verkauf stehenden Pferde (Swer ein ros veile habte / Ez zelte oder trabte) nach Rom zu bringen; Otte betont, ein Teil der Verkäufer sei der Aufforderung unwillig nachgekommen, da sie selbst die Unterkunft und Verpflegung für sich und die Pferde suchen und auch „berappen“ mussten.127 Die Reiserechnungen Wolfgers von Erla zeigen deutlich den Unterschied der anfallenden Kosten für eine Übernachtung innerhalb und außerhalb des bischöflichen Visitationsgebie- tes.128 Innerhalb des Bistums sind überwiegend nur die Kosten für Hufpflege und Hufbeschlag, selten für Streu und Futter verzeichnet, auf der Italienreise laufen relativ hohe Kosten für Unterkunft und Verpflegung der Pferde an.129

Die Reise mit dem Verkehrsmittel Pferd konnte zahlreiche Schwierigkei- ten mit sich bringen. In historischen Quellen ist von Seuchen unter den Tieren, Diebstählen von Reit- und Transporttieren, Verlust der Reittiere durch wilde Tiere, Überbeanspruchung und schlechte Wegeverhältnisse zu lesen.130 Hinzu kam die Schändung von Reitpferden als Ausdruck von Feindschaft und Schmä- hung.131 Eines der größten Probleme war sicherlich Futtermangel: Der Sachsen- spiegel regelt das Abschneiden von Pferdefutter durch Reisende auf fremden Feldern.132 In den Gesta Frederici wird von einer Geldsammlung auf dem ersten Italienzug Friedrich Barbarossas in der lombardischen Ebene berichtet. Mit der Kollekte wurden die zuvor in Mitleidenschaft gezogenen Alpenbewohner ent- schädigt.133

124 Nibelungenlied (hg. Grosse) Str. 166/3; 197;1; 524/1-3; 1523/1. 125 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) V. 2635, 3329. 126 Otte, Eraclius (hg. Frey) A, B, C, V. 4710-4800.
127 Otte, Eraclius (hg. Frey) A V. 1408 f., 1421 f., 1432 f.

128 Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide 79-114.
129 Heger, Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide 80/44-59, 81/73, 81/79, 81/85,

81/101 f., etc; 97/3, 99/46, 99/50, 99/67, 99/70 f., 103/43, 103/53 f.; über die unterschiedli-

chen Gepräge und deren Wert siehe 192-197.
130 Schneider, Animal laborans 527 f.
131 Häufig geübte Praktiken waren die Spaltung der Nasen und das Abschneiden von Ohren

und Schwanz, was den Einsatz der Tiere stark minderte: Schneider, Animal laborans 528 f. 132 Sachsenspiegel (hg. Sachse) 2. Buch, Artikel 69, 200.
133 Otto von Freising und Rahewin, Gesta Frederici 457.

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Unfälle

Auch Unfälle auf der Straße werden selten von den Dichtern des 13. Jahrhun- derts erzählt. Eine schöne Szene bietet Otte mit der Erzählung von der List der liebeskranken Kaiserin, die einen Unfall vortäuscht, um der Aufsicht der Hofbe- amten (hůte) für kurze Zeit zu entkommen und ein ungestörtes Zusammensein mit ihrem Geliebten einzufädeln: Auf dem Ritt zu einem Fest bringt sie ihr Pferd zum Straucheln, indem sie es auf einen Stein lenkt, der vor dem Haus der Kupplerin liegt (in welchem alles für ein Treffen der beiden arrangiert ist). Sie lässt sich in den Straßenkot fallen, täuscht eine Verletzung vor und befiehlt ihren Dienern, sie ins Haus zu tragen.134 Das Überfahren eines Menschen mit einem von Pferden gezogenen vierrädrigen Wagen wird im Sachsenspiegel geregelt.135

Etikette rund ums Pferd

Um 1215 formulierte Thomasîn von Zerklaere in seiner Erziehungslehre Der welsche Gast die wesentlichen Anstandsregeln für höfisches Benehmen. Gleich zu Beginn des 1. Buches136 gibt er den Jugendlichen Anweisungen für den rich- tigen Umgang miteinander und mit dem Reittier. Die Mehrzahl der Verhaltens- regeln sind jedoch an junge Damen gerichtet: Eine Reiterin muss nach vorne sehen und darf nicht quer, sondern nur im Seitsitz reiten. Sie darf auch nicht die Hände aus ihrer Kleidung hervorstrecken und muss Haupt und Augen still hal- ten.137 Eine reitende Dame darf von einem anderen Ross nicht erschreckt wer- den. Trifft ein Reiter „hoch zu Ross“ auf eine Dame, die nicht reitet, gebietet der Anstand das Absteigen.138 Thomasîns Forderung des seitlich Sitzens scheint im mittelalterlichen Alltag nicht Standard gewesen zu sein. Der Seitsitz war gerade für längere Reisen zu unsicher und zu unbequem. Bildliche Quellen zeigen in der Überzahl im Spreizsitz reitende Damen: Im Codex Manesse etwa reitet keine der Damen im Seitsitz. Königin Margarethe, die ihren Gemahl Heinrich VII. auf dessen Romreise begleitet, wird zumindest bei der Alpenüberquerung im „Herren“sitz dargestellt.139 Auch die beiden anderen Anweisungen Thoma- sîns an die jungen Damen, die Verhüllung der Arme und Hände mithilfe des Mantels sowie die ruhige Kopfhaltung widersprechen den Anforderungen des Reitens.140 Auch in diesem Bereich zeigt die ikonografische Überlieferung ein anderes Bild: Reitende Damen lassen die Hände sehen, die Hände sind auch

134 Otte, Eraclius (hg. Frey) A, B, C V. 3980-4025.
135 Sachsenspiegel (hg. Sachse) 2. Buch, Artikel 40 §4, 166 f.
136 Thomasîn von Zerkläre, Der Welsche Gast (hg. von Kries), V. 1033-1064.
137 Ohler, Reisen im Mittelalter 45.
138 Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 437,7.
139 Ohler, Reisen im Mittelalter 45 f.; dazu Katharina Fietze, Im Gefolge Dianas. Frauen und

höfische Jagd im Mittelalter (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 59) Köln-Weimar-

Wien 2005, 40-47.
140 Fietze, Im Gefolge Dianas 32 f.

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nicht mit Handschuhen bedeckt. Sicher ist, dass eine sittsame Dame, wollte sie die Empfehlungen Thomasîns realisieren, ein Pferd mit ruhigem Gang in ge- mächlichem Tempo, einen Zelter, reiten musste.

Die Frauen der literarischen Quellen benötigen fremde Hilfe beim Auf- und Absitzen. Sie werden im allgemeinen manuell gehoben.141 Ulrich von Liechtenstein erwähnt als einziger mittelalterlicher Autor ein Hebeeisen als Ab- stieghilfe.142 Das Aufsitzen wird Damen oft mit Schemeln – die im Nibelungen- lied golden sind und auf seidene Stoffe gestellt werden – ermöglicht.143 Dienerinnen müssen selbständig agieren; ihnen wird nicht geholfen;144 Chretien betont diesen Umstand.145 Das „damenlose“ Pferd wird von Dienern oder Kavalieren übernommen und am Zaum geführt.146 Männer springen vom Pferd oder bedienen sich beim Absitzen eines Steines.147 Damen besitzen zum Reiten eine dafür geeignete Garderobe: Reitkleider.148

Pferde als Geschenk, als Zahlungsmittel und als Lohn; Beutepferde

Pferde stellen einen hohen materiellen Wert dar; wertvolle Rösser, schöne Reit- pferde und schnelle Läufer sind Luxusartikel. Sie sind ein respektables Ge- schenk reicher Herrschaften. Der in jeder Beziehung hervorragende König Artus beschafft sich als Gastgeber tausend kastilianische Rosse und zwölfhundert Araber, um seine Gäste standesgemäß beschenken zu können.149 Enîte erhält auf ihren beiden Reisen mit Êrec zwei exzellente Pferde geschenkt.150

Sehr häufig erhalten Spielleute, Boten und Arme Pferde, Kleidung, Gold und Silber als Geschenk.151 Die Beschenkung der Armen ist ein immer wiederkehrender Topos, eine geradezu unverzichtbare Erscheinung im Zusam- menhang mit großer Prachtentfaltung der Vermögenden. Die Zueignung eines Pferdes übersteigt jedoch bei weitem die übliche Mildtätigkeit im Sinne der Werke der Barmherzigkeit. Im Eraclius wird erzählt, dass die reich begabten

141 Nibelungenlied (hg. Grosse) 710/2; Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 615, 16 ff.

142 Ulrich von Liechtenstein, Frauendienst (hg. Bechstein) Anm. zu Str. 132,6. 143 Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 567/3.
144 Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V. 2958 f.
145 Chretien de Troyes, Yvain (hg. Nolting-Hauff) V. 2705 f.

146 Nibelungenlied (hg. Batts) Str. B 576/3.
147 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 1197-1204; Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet

(hg. Spiewok) V. 5187-89.
148 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) V. 5933.
149 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok), V. 5607-09.
150 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 1414 f., 728; Bennewitz, Die Pferde der Enite 6

-17.
151 Hartmann von Aue, Erec (hg. Cramer) V. 2183 f: beide ros unde wât / gap man der swa-

chen diet. Wolfdietrich B I (hg. Amelung und Jänicke) Str. 226/3: ros unde ouch guotiu kleider gap er in ze botenbrôt.

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Fahrenden sich durch die Schenkungen eine „Ausrüstung anlegen konnten, wie sie weder Vater noch Großvater zur Verfügung hatten“.152

Pferde werden auch als Zahlungsmittel eingesetzt und akzeptiert.153 Dem Sieger in Tjosten oder Turnieren steht das Pferd des Gegners als Gewinn zu.154

Transport der Transporttiere

Bei Benützung der Wasserwege müssen Pferde und andere Reittiere verschifft werden.155 Die Unterbringung und Verpflegung an Bord über gewisse Zeit setzt eine nicht unerhebliche Logistik voraus. Im Nibelungenlied werden eine See- und eine Flussreise sowie eine Fährfahrt mit Pferden erzählt.156 Zuerst erfolgte die Brautwerbefahrt Gunthers von Worms am Rhein nach Island und im zweiten Teil die Reise der Burgunder von Worms nach Ungarn an den Hof Etzels. Man ließ das Schiff im Ufersand festlaufen; es lag nicht (wie heute) schwimmend an einer Kaimauer festgebunden. Die Pferde und die gesamte Verpflegung wurden durch das Wasser watend zum und vom Schiff gebracht.157 Der Nibelungenlied- dichter hebt beim Ver- und Entladen der Pferde den Vorgang des Ziehens der Tiere und die gute Unterbringung der Rösser auf den Schiffen hervor, die der Menschen wird nur beiläufig erwähnt.158 Es darf angenommen werden, dass die- ser Pferdetransport mit jenen Schifffahrtsszenen auf dem Teppich von Bayeux, der bald nach der Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer 1066 ange- fertigt wurde, vergleichbar ist (Abb. 8). Die Pferde standen quer zur Fahrtrich- tung und schauten über die Bordwand. Voraussetzung für eine gute Fahrt der Pferde war eine ruhige See; schwerer Sturm hätte katastrophale Folgen für den Pferdetransport gehabt. Bei der Hunnenfahrt erschwerte Hochwasser die Fahrt über die Donau. Die Pferde wurden daher ins Wasser getrieben und mussten aus eigener Kraft an das Ufer schwimmen. Infolge der starken Strömung wurden manche abgetrieben, einige kamen erschöpft an, alle erreichten aber das gegen- überliegende Ufer. Die Lasten der Tragtiere wurden in die Fähre geladen. Die Überfuhr der gesamten Mannschaft meisterte Hagen von Tronje, ein Kunstgriff

152 Otte, Eraclius (hg. Frey) 93.
153 Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 546/5-19.
154 Ulrich von Zatzikhoven, Lanzelet (hg. Spiewok) Vers 2898; 2956, 2965f. Wolfram von

Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 45/15; 389/17 ff.
155 Gahmuret transportiert fünf Dutzend Pferde zu Schiff von Alexandria nach Zazamank; von

dort kehrt er über Spanien nach Frankreich zurück und transportiert 30 Lastpferde zu

Schiff: Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 18,18-19,16; 59, 21-61, 14. 156 Nibelungenlied (hg. Batts) Str. C 375-C493; C 1563-1608; Detlev Ellmers, Schifffahrt auf Fluss und Meer. In: “Uns ist in alten Mären…“ Das Nibelungenlied und seine Welt. Aus- stellungskatalog Darmstadt 2003, 124-133; vgl. dazu auch Rudolf von Ems, Gerhard (hg.

Asher) V. 2647-50.
157 Vgl. dazu Rudolf von Ems, Gerhard (hg. Asher) V. 2647-2651.
158 Nibelungenlied (hg. Batts) Str. A 369/3: ir ros stůnden ebene; si heten gůt gemach und B

378/3: ir ross div stůnden scone; si heten gůt gemach; vgl. dazu Dietrichs Flucht (hg. Lie- nert und Beck) V.1707 f.

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des Nibelungenlieddichters zur effektvollen Demonstration von Hagens außer- gewöhnlichen Fähigkeiten.

Abb. 8: Transport von Pferden auf Schiffen, Detail aus dem Teppich von Bayeux. Aus: Der Teppich von Bayeux, hg. von David M. Wilson. Frankfurt/Main-Berlin 1985, 43 f.

Pferde als Symbol

Die Pferde der mittelhochdeutschen Literatur haben kein Eigenleben, sie tragen selten Namen, es wird kaum eine persönliche Beziehung zwischen Mensch und Tier aufgebaut. Die Pferde erfüllen nur eine Dienstfunktion als Reit- und Last- tier und existieren nur in Bezug auf den Menschen.159 Zwischen Reiterin und Pferd beziehungsweise zwischen Reiter und Ross besteht eine Korrespondenz. Die epische Bedeutung des Pferdes liegt in seinem Hinweischarakter, der dem Publikum Informationen über die Reiterin oder den Reiter signalisiert: über die gesellschaftliche Stellung, den Charakter, die Gesinnung und die Beziehung zu den Mitmenschen. Als Signale werden die von Albertus Magnus genannten Merkmale color, forma, pulcritudo, meritum des Reittieres gleichermaßen in- szeniert: Ein kräftiges Ross mit kraftstrotzendem Körper, schönem Fell, edlen Eigenschaften usw. verweist auf die Potenz des Reiters, seinen außergewöhn- lichen Charakter, seine herausragenden Fähigkeiten, etc.160 Die Schindmähren Cundries und Malcreatures sind Abbilder ihrer Reiter, denn die Geschwister sind Adamskinder und somit Abkömmlinge einer verbotenen Verbindung, Monstren aus dem Orient, abstoßend und abgrundtief hässlich. Ihre Charakteri- sierung durch den Dichter enthält zahlreiche Negativvergleiche aus dem Tier-

159 Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 865.
160 Hartmann von Aue, Iwein (hg. Cramer) V 699: sîn ors was starc, er selbe grôz; ebenso V.

3697-3700.

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reich.161 Die von ihnen gerittenen Maultiere sind Produkte der unnatürlichen Verbindung eines Esels mit einer Stute und stellen somit eine Potenzierung ihrer eigenen unnatürlichen Herkunft dar. Korrelieren das Erscheinungsbild des Reit- tieres und des Reiters nicht, so besitzt auch dieser Bruch entscheidenden Hin- weischarakter.162 So könnte ein edles Pferd in den Händen eines Schurken auf Diebstahl, Mord, Totschlag oder zumindest unrechtmäßigen Erwerb hinweisen. Umgekehrt fordert der Autor, der einem Adeligen ein unedles Reittier zuordnet, das Publikum vehement zur Interpretation auf. Lanzelot, der Karrenritter, ist am absoluten Tiefpunkt seiner Ritterkarriere gezwungen, einen Schandkarren zu besteigen, der von einem Karrengaul gezogen wird.163 Dieser Gaul steht auf der hippologischen Werteskala des Albertus Magnus und Mynsingers an letzter Stelle,164 somit wird die ganze Schmach der Karrenfahrt schon an dem Zugtier deutlich. Der Ritt Jeschutes auf der Schindmähre ist eine Metapher für die tiefe Lebenskrise, in welcher sich die Herzogin befindet.165

Die Pferde der Enîte im Erec Hartmanns haben Struktur bildende Bedeu- tung im gesamten Epos. Sie sind Symbole für den physisch-psychischen Zu- stand der Reiterin und symbolisieren ihr Verhältnis zu ihrem Ehemann Êrec.166 Bei der Pferdebeschreibung bedient sich Hartmann – wie viele andere Autoren – des rhetorischen Musters weiblicher Körperbeschreibungen und stellt damit eine Kongruenz zwischen Reiterin und Reittier her.167 Der Vergleich des Pferdes mit der Frau ist in Sprüchen überliefert, die im gesamten mittelalterlichen Europa verbreitet waren und gemeineuropäische Wurzeln aufweisen. Ein Beispiel aus dem englischen Mittelalter schreibt dem guten Pferd fünfundzwanzig Eigen- schaften zu: Je vier sollen vom Löwen, Ochsen, Esel, Hasen und Fuchs kom- men, fünf von der Frau: mery of chere, brod-buttokyd, and esy to lep on, good at long-rynnyng, and steryng vnder a man (guter Mut, breiter Hintern, und leicht aufzusteigen, gut bei langen Ritten und lenk/steuerbar unter einem Mann).168 Die Anzahl der Merkmale schwankt in den Überlieferungen stark, oft teilen die Schriftsteller parallel unterschiedliche Fassungen mit. Johannes Colerus hat drei Varianten in sein Opus oeconomicum aufgenommen:169 Wenn die alten Teut-

161 Wolfram von Eschenbach, Parzival (hg. Leitzmann) Str. 313,17-314,10; vgl. Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 883 ff.

162 Lewis, Das Tier und seine dichterische Funktion 31; Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 869 f. 163 Lancelot (hg. Kluge) 1, 601/11-17; 604/11-14; 2, 8/8; 8/9; 8/16; vgl. dazu Ackermann-

Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion 91.
164 Albertus Magnus, De Animalibus XII.1, 41, 1377 f.; Von Falken, Hunden und Pferden

(hg. Lindner) 102 f.
165 Ohly, Die Pferde im „Parzival“ 865.
166 Lewis, Das Tier und seine dichterische Funktion 31.
167 Claudia Brinker-von der Heyde, Weiber–Herrschaft oder: Wer reitet wen? Zur Konstruk-

tion und Symbolik der Geschlechterbeziehung. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bei-

heft 9 (1999) 47-65; Bennewitz, Die Pferde der Enite 6-17.
168 Gerhard Eis, Ein Merkspruch von den Kennzeichen eines guten Pferdes. In: Mélanges de

linguistique et de philologie. Fernand Mossé in memoriam. Paris 1959, 129-139, hier 132. 169 Eis, Ein Merkspruch von den Kennzeichen eines guten Pferdes 133.

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schen die Kennzeichen eines guten Pferds wollen anzeigen / so nehmen sie die Tugenden anderer Thier / und suchen die selbigen auch beym Pferde / als erstlich sagen sie / ein gut Pferd soll drey Dinge vom Wolffe / drey Ding vom Fuchse / vnd 3. Ding von einem Weibe haben / […] Eines Weibes breite Brust / Hoffart / und Haar / vor das Haar setzten etliche / dass es gern aufsitzen lasse. Die zweite Fassung besagt über die gewünschten weiblichen Eigenschaften Hoffart vnd vnterthänigkeit oder gehorsam, in der dritten Version tritt die Katze als Synonym für die Frau: von der Katzen / glattigkeit vnd einen sanfften Tritt.170 Der sexuelle Bezug ist nicht zu übersehen. Die Frau als Reittier, ein in allen Sprachen und Kulturen weit verbreitetes Motiv mit großer Tradition, liefert seit der Antike den „Bildbereich und das Vokabular obszönen Sprechens“.171 Gurre war nicht nur die Bezeichnung für ein schlechtes Pferd, es bedeutete im mittel- alterlichen Sprachgebrauch auch Hure.172 Dass dieser Sprachgebrauch in der Ge- genwartssprache noch aktuell ist, beweist ein Blick in die Wörterbücher der Umgangssprache unter dem Lemma „reiten“.

***

Die deutschsprachige Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts bietet einen Aus- schnitt der mittelalterlichen Realität, wobei manche Aspekte weniger Berück- sichtigung finden. Der fiktionale Charakter manifestiert sich von Werk zu Werk unterschiedlich; er wird jedoch aus Realitätspartikelchen der damaligen Welt gestaltet. Der adelige Held bewegt sich in der Dichtung und in Wirklichkeit nur im äußersten Notfall auf „Schusters Rappen“, üblicherweise bedient er sich ei- nes standesgemäßen Reittieres. Kämpfe bestreitet der Berittene mit dem (Streit)Ross (dextrarius). Außerhalb des Kampfgeschehens reitet der Herr ein ihm adäquates Pferd (palefridus) oder einen Renner (curriles equus), durchaus auch im Tölt (Zelt), niemals jedoch besteigt er freiwillig ein minderwertiges Reittier. Frauen, Kinder und alte Menschen bevorzugen für die Fortbewegung einen Zelter wegen seines ruhigen, ausgeglichenen Ganges oder einen Wagen. Die den Damen empfohlenen Verhaltensmaßregeln setzen den Einsatz des Zel- ters voraus, die Befolgung der Anweisungen findet jedoch in der zeitgleichen bildlichen Überlieferung wenig Niederschlag. In der Literatur wie im Leben des 12. und 13. Jahrhunderts ist Dienstleistung für den Menschen die dominierende Funktion des Pferdes. Die erkennbare dichterische Konsequenz ist eine realitäts- nahe Schilderung des Tieres, seines Wertes und seiner Einsatzgebiete im Be- reich der Jagd, des Verkehr- und Transportwesens, im Kampf, bei Vergnügun- gen, bei der Repräsentation und als Arbeitstier.

Das Pferd hat in der Literatur vor allem Verweisfunktion. Seine vor- nehmste Aufgabe liegt in der Charakterisierung des reitenden Individuums. An-

170 Vgl. dazu Gertrud Blaschitz, Die Katze. In: Eadem u. a. (Hg.), Symbole des Alltags – All- tag der Symbole. Graz 1992, 589-616, bes. 596-609.

171 Brinker, Weiber–Herrschaft 59. 172 Jähns, Ross und Reiter 1, 11.

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sonsten dient es wiederholt als Symbol, allerdings primär für die Frau. Auch in der gegenwärtigen Umgangssprache verfügt das Verb „reiten“ eine den hippolo- gischen Bereich überschreitende Bedeutung.

Als Haustier mit seinem universellen Einsatzbereich im profanen Leben wurde dem Pferd kein geistlicher Sinn zugeschrieben; es hat in der Allegorese keine Bedeutung.

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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM

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KREMS 2006

HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ

GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG

Titelgraphik: Stephan J. Tramèr

Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich. Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ………………………………………………………………………… 4 Dolly Jørgensen, Medieval Latrines and the Law ……………………………… 5

Gertrud Blaschitz, Das Pferd als Fortbewegungs- und Transportmittel
in der deutschsprachigen Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts ………… 17

Aleksandr E. Makhov, The Devil’s Naked Tongue
as an Iconographical Motif ……………………………………………….. 44

Besprechung ………………………………………………………………….. 74

Vorwort

Das vorliegende Heft von Medium Aevum Quotidianum enthält drei wichtige Beiträge, die sich mit sehr unterschiedlichen Bereichen von Alltag und mate- rieller Kultur des Mittelalters auseinandersetzen. Dolly Jørgensen beschäftigt sich mit Latrinen in Nordeuropa und den darauf bezogenen rechtlichen Kompo- nenten und Bestimmungen im städtischen Raum.

Gertrud Blaschitz widmet sich in ihrem Beitrag zum Pferd in der mittel- hochdeutschen Literatur erneut einem Interessensschwerpunkt, der bereits im Jahre 2005 in Heft 52 und Sonderband XVI (Animal Diversities) unserer Reihe Berücksichtigung fand. Ihr Aufsatz führt weiter in die relevante Sphäre interdis- ziplinärer Ansätze zur mittelalterlichen „Zoologie“.

Schließlich untersucht Aleksandr Evgenevich Makhov das ikonografische Motiv des zungezeigenden Teufels und gelangt dabei zu wichtigen neuen Ergeb- nissen bezüglich spätmittelalterlicher visueller Kultur. Wir freuen uns hier im besonderen darüber, dass unsere guten Kontakte zum bedeutenden russischen Jahrbuch Одиссей. Человек в истории die Übernahme des Artikels möglich gemacht haben. Wir möchten uns wieder vor allem bei Svetlana Luchitskaya (Moskau) sehr herzlich dafür bedanken, dass sie die Übersetzung und Aufnahme von Beiträgen aus dem Jahrbuch unterstützt und zu verwirklichen hilft. Das nächste Heft von Medium Aevum Quotidianum wird neuerlich drei Beiträge aus der russischen Forschung enthalten, die sich vor allem der mittelalterlichen Festkultur widmen werden.

Gerhard Jaritz Herausgeber

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