Der Nachweis der Treibziseliertechnik an goldenem
Gürtelschmuck der Früh-, Mittel- und Spätawarenzeit
Birgit Bühler
Einleitung
Technologische Untersuchungen an archäologischen Bunt- und Edelmetallgegenständen
liefern zusätzliche Kriterien fur die historische Interpretation der
betreffenden Objekte. Lichtmikroskopische Studien an einigen, im awarischen
Siedlungsgebiet bzw. dessen unmittelbarem Umfeld aufgefundenen, aus Goldblech
gearbeiteten Gürtelbeschlägen haben ergeben, dass diese keineswegs gepresst
sondern vielmehr – wie die zahlreichen individuellen Werkzeugspuren
eindeutig zeigen – in Treibziseliertechnik gearbeitet worden sind: Es handelt
sich hierbei um die frühawarenzeitliche Gürtelgarnitur von Kunagota1, die
mittelawarenzeitliche Gürtelgarnitur aus Fund III von Igal und die spätawarenzeitlichen
Gürtelbeschläge von Brestovac und Mateszalka3• Insbesondere die
Gürtelgarnituren von Kunagota und Brestovac wurden aus typologischen
Gründen wiederholt mit dem byzantinischen Kunsthandwerk in Zusammenhang
gebracht.
In der Früh- und Mittelawarenzeit dominierte bei der Herstellung von
Trachtbestandteilen und Schmuckstücken aus Gold-, Silber- und Kupferlegierungen
die Pressblechtechnik mittels positiver Model. Hingegen war in der
Spätawarenzeit der Guss das bevorzugte Verfahren zur Herstellung von
Schmuckstücken und Trachtbestandteilen. Die betreffenden Fundstücke wurden
somit alle in einer Technik hergestellt, die für das awarische Siedlungsgebiet in
jener Zeit nicht typisch ist.
Bereits Laszl64 hat die für awarischen Blechzierrat charakteristische Herstellung
mittels einfacher Positivmodeln der Serienfertigung von byzantini-
1 Falko DAIM- Zs6fia IU.cz, Kunägota. In: Reallexikon der gennanischen Altertumskunde.
2 Birgit BÜHLER, Untersuchungen zu Guß, Oberflächenbearbeitung und Vergoldung an frühmittelalterlichen
Bunt- und Edelmetallgegenständen. In: Archaeologia Austriaca 82/83
( 1 998-99) 471-472.
3 Falko DAIM, ,,Byzantinische“ Gürtelgarnituren des 8. Jahrhunderts. In: Falko DAIM (Hg.),
Die Awaren am Rand der Byzantinischen Welt (Monographien zur Frühgeschichte und
Mittelalterarchäologie 7) Wien 2000, 162-167 und 171 sowie Abb. I 00.
4 Gyula LASZLO, A kunägotai lelet bizänci aranylemezei (Die byzantinischen Goldbleche des
Fundes von Kunagota). In: Archaeologiai Ertesitö LI ( 1 938) 55-86 sowie deutsch 1 3 1 -148.
147
schem Goldblechschmuck mithilfe negativer Model („Gesenke“) gegenübergestellt
und darauf hingewiesen, dass das letztgenannte Verfahren eine wesentlich
qualitätsvollere Schauseite ergibt. Tatsächlich sind jedoch bis jetzt nur wenige
Beispiele solcher Werkzeuge bekannt geworden und auch an Originalmaterial
des 6. – 8. Jahrhunderts konnten bisher nur in Ausnahmefallen Hinweise auf die
Verwendung dieser Technik festgestellt werden.
Hingegen scheint die Treibziseliertechnik im mediterranen Raum ein gebräuchliches
Verfahren zur Herstellung plastischer (vor allem figuraler) Verzierung
an qualitativ hochwertigen Edelmetallgegenständen gewesen zu sein: Hinweise
auf die Verwendung dieser Technik finden sich z. B. an spätrömischen
und frühbyzantinischen Silbergefaßen5 sowie an frühbyzantinischen Goldblechmedaillons6
und – immer häufiger – auch an „byzantinischen“ Goldblechriemenzungen
des 7. und 8. Jahrhunderts7•
Ziselieren, Punzieren, Pressen: Begriffserklärung und Merkmale
Ziselieren8 ist ein Sammelbegrifffür eine Vielzahl von spanlosen Techniken zur
feineren Bearbeitung von Metalloberflächen mit Hammer und Punzen vorwiegend
auf weicher Unterlage (z. B. Blei, Harz, Pech, Wachs, Leder). Bei modernen
Punzen handelt es sich um gehärtete Stahlstifte, deren polierte Arbeitskanten
je nach Aufgabenstellung unterschiedlich geformt sind9. Die aus dem 12.
Jahrhundert stammende Beschreibung des Theophilus10 zeigt, dass die damals
zur Ziselierung verwendeten Werkzeuge hinsichtlich Form und Material den
heutigen weitgehend entsprachen. Für frühere Zeiten ist jedoch unter Umständen
auch die Verwendung von Punzen aus gehärteter Bronze 1 \ möglicherweise
s Vgl. z. B.: Anna BENNETI – Marlia MUNDELL MANGO, The Sevso Treasure Part I (Journal
of Roman Archaeology, Supplementary Series Nr. 12, Part I) 1994. Ernst FOLTZ, Herstellungstechnik.
Untersuchungen zur Herstellung der Silberobjekte. In: Herbert A. CAHN –
Annemarie KAUFMANN-HEINIMANN, Der spätrömische Silberschatz von Kaiseraugst
(Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 9) 1984, 361-374.
6 Vgl. z. B. BÜHLER 1998-99 (zit. Anm. 2) 452 mit Abb. 20.
7 DAIM 2000 (zit. Anm. 3) 1 10-1 1 2 und Abb. 30 a und b. Birgit BÜHLER, Der Goldschatz von
Brestovac, Kroatien, im Kunsthistorischen Museum, Antikensammlung. Dissertation; in
Vorbereitung. Julia ANDRASI, A gold bett-end from the Ashmolean Museum, Oxford. In:
Falko DAIM (Hg.), Die Awaren am Rand der Byzantinischen Welt (Monographien zur
Friihgeschichte und Mittelalterarchäologie 7) Wien 2000, 67-76.
8 Definitionen dieses Begriffes finden sich z. B. bei: Erhard BREPOHL, Theorie und Praxis des
Goldschmieds. Leipzig 1962, 250. Ulrike BUNTE, Ziertechniken aufBronzeoberflächen. In:
Hermann BORN (Hg.), Archäologische Bronzen, Antike Kunst, Modeme Technik. Berlin
1985, 6 1 . FOLTZ 1984 (zit. Anm. 5) 363. Wilfried SEIPEL (Hg.), Die Magie des Goldes Antike
Schätze aus Italien. AusstellungskatalogWien 1996, 153.
9 BREPOHL 1 962 (zit. Anm. 8) 252-253.
10 Erhard BREPOHL, Theophilus Presbyter und die mittelalterliche Goldschmiedekunst. WienKöln-
Graz 1987, 74. 11 Der Nachweis, dass bronzenes Ziselierwerkzeug zur Bearbeitung von Bronzeblech verwendet
werden kann, wurde von Lowery, Savage und Wilkins erbracht. Allerdings stellten sie
148
sogar aus Holz oder Bein, denkbar. Die Gestaltung von Detailformen (Linien,
Flächen) durch Bearbeitung eines Metallbleches mit Hammer und Punzen von
Vorder- und Rückseite nennt man Treibziselieren.
Die drei grundlegenden Techniken beim Treibziselieren bezeichnet man
als Schroten, Modellieren und Absetzen12• Das Schroten wird sowohl zur
Gestaltung linearer Ornamente, als auch zum Vorzeichnen von Modellierungen
bzw. zur Gestaltung von Details an modellierten Flächen verwendet. Der Schrotpunzen
wird mit einer Hand über die Metalloberfläche geführt und durch leichte
Schläge mit dem Ziselierhammer vorwärts getrieben. Er ,Jäuft nach vom
schlank zu und endet in einem mehr oder weniger scharfkantigen, keilförmigen
Kopf’13• Für gerade Linien eignet sich am besten die Variante mit gerader
Arbeitskante, für gebogene Linien jene mit gewölbter Arbeitskante. Die Verwendung
eines Schrotpunzen mit gerader Arbeitskante zum Schroten von gebogenen
Linien hinterlässt charakteristische, vertikal bis leicht schräg verlaufende
Absätze an den Wänden der so entstandenen Rillen14• Der Vergleich von experimentell-
archäologischen Arbeiten zum Schroten und anderen linearen Verzierungstechniken
mit dem Erscheinungsbild von linearen Ornamenten an Originalmaterial
hat es erlaubt, einige Merkmale herauszuarbeiten, die für die einzelnen
Techniken als charakteristisch gelten können. Die praktischen Arbeiten von
Lowery – Savage – Wilkins 15 haben gezeigt, dass geschrotete Linien im
allgemeinen ein runderes, weicheres Profil aufweisen als gravierte (= mit einem
Stichel gearbeitete) Linien. Die Kanten von geschroteten Linien sind weniger
deutlich und werden außerdem durch Abnützung weniger beeinträchtigt als die
scharfen Kanten von gravierten bzw. gemeißelten Linien. Bei perfekter Handhabung
von Schrotpunzen und Ziselierhammer ist die Oberfläche der Linien glatt
und es sind daher keine Rückschlüsse auf die Länge der Arbeitskante des Werkzeuges
möglich. Wird die Technik weniger gut beherrscht, hinterlassen die
Ecken der Arbeitskante des Schrotpunzens kleine, quer zur Längsachse der
Linie verlaufende Absätze, die fallweise sogar Rückschlüsse auf die Länge der
Arbeitskante erlauben können16• Außerdem erleichtern solche Absätze die
Erkennung von geschroteten Linien an Originalmaterial 17• In einigen Fällen
fest, dass die Arbeitskante eines bronzenen Schrotpunzens wesentlich häufiger überarbeitet
werden muss als jene eines eisernen: R. P. LoWERY – R. 0. A. SAVAGE – R. L. WILKlNS,
Scriber, Graver, Scorper, Tracer: notes on Experiments in Bronzewerking Technique. In:
Proceedings ofthe Prehistoric Society 37 (1971) 170 und 173.
11 8REPOHL 1962 {zit. Anm. 8) 259.
13 BREPOHL 1962 {zit. Anm. 8) 253 und Bild 1 9 1 a + b.
14 BENNETT – MUNDELL MANGO 1 994 (zit. Arun. 5) 3 1 , 63 (Fig. 1-9), 67 (Fig. 1 – 1 4), 429, 440
(Fig. 1 3 . 16). Marlia MUNDELL MANGO, Silver from Early Byzantium – The Kaper Koraon
and Related Treasures. Saltimore 1986, 84 (Fig. 6.1), 1 1 8 (Fig.18.1).
15 LoWERY – SAVAGE – WU.KINS 1971 {zit. Anm. 11) 173, 181 und P!ate X!Wa-d.
16 LoWERY- SAVAGE – WU.KINS 1971 {zit. Anm. 1 1 ) .173.
17 8ENNE1T – MUNDELL MANGO 1994 (zit. Anm. 5) 62 (Fig. 1-8), 65 (Fig. 1 – 1 1), 1 1 0 {Fig. 2-
13), 1 1 1 (Fig. 2-14), 4 1 1 (Fig. 1 1 -15), 423 (Fig. 1 1-26), 430 (Fig. 13-4). Susan A. BOYD –
149
erlaubt die unterschiedliche Form und Tiefe von geschroteten Linien verschiedener
Bereiche eines Werkstückes Rückschlüsse auf die Zahl der zur Bearbeitung
eines bestimmten Werkstückes verwendeten Schrotpunzen. Es soll in
diesem Zusammenhang daraufhingewiesen werden, dass es sich bei Meißel und
Schrotpunzen um fast identisch geformte und zu handhabende, nämlich keilformige
Werkzeuge, die beide mit dem Hammer vorwärtsgetrieben werden, handelt.
Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Meißel eine scharfe und
der Schrotpunzen eine stumpfe Arbeitskante besitzt. In vielen Fällen kann daher
nicht mit Sicherheit entschieden werden, ob es sich um Spuren eines feinen
Meißels oder eines Schrotpunzens handelt, zumal es bei entsprechend vorsichtiger
Handhabung durchaus möglich ist, auch mit einem Meißel spanlos zu arbeiten
(„Schrotmeißel“).
Beim Modellieren wird eine reliefartige Gestaltung erreicht, indem die
Rückseite des Bleches mit gewölbten Punzen bearbeitet wird18• Diese Technik
wird auch als ,,Repousse“ bezeichnet19• Wird das Blech ausschließlich von der
Rückseite her modelliert, wirkt das so entstandene Relief weich. Durch Schroten
der Konturen lässt sich das Relief etwas deutlicher vom Hintergrund abgrenzen.
Dies gelingt am besten, wenn die Konturen vor dem Modellieren auf der Vorderseite
eingeschrotet werden, jedoch ist zwecks Vorzeichnung auch das
Schroten auf der Rückseite möglich20• Um die Konturen noch schärfer hervortreten
zu lassen, kann man sie absetzen. Zu diesem Zwecke verwendet man meist
einen Setzpunzen, der die Form eines „flachen, einseitigen Keils“ aufweise1•
Mit einem Setzpunzen kann man nicht nur die unmittelbare Umgebung des aus
einem Blech herausmodellierten Reliefs auf das ursprüngliche Niveau zurücksetzen
und so dessen Konturen deutlicher hervortreten lassen. Man kann auch
einen ursprünglich flachen, von geschroteten Linien begrenzten Bereich erhaben
erscheinen lassen, indem man ausschließlich dessen Umgebung absetzt. Hierbei
kommen außer Setzpunzen auch verschiedene Planierpunzen zur Anwendung.
Das Punzieren steht in technischer Hinsicht dem Ziselieren nahe. Die mit
einem Ornament versehene Arbeitskante des Musterpunzen22 wird durch Hämmern
in die Metalloberfläche eingeschlagen, wobei Metall verdrängt, aber nicht
entfernt wird. Die Muster können einfach (z. B. Dreiecke, einfache bzw. mehrere
konzentrische Kreise) oder komplex (z. B. Pflanzen- oder Tierrnotive) sein23•
Marlia MUNDELL MANGO (Hg.), Ecclesiastical Silver Plate in Sixth-Century Byzantium.
Washington D.C. 1992, 854.5-6. MUNDELL MANGO 1986 (zit. Arun. 14) 78 (Fig. 4.1), 84
(Fig. 6.1 ), 87-88 (Fig. 7 . I).
18 BREPOHL 1 962 (zit. Anm. 8) 259.
19 Carol E. SNOW – Terry DRAYMAN WEISSER. A Technical Study of the Harna Treasure at
the Wallers Art Gallery. In: Marlia MUNDELL MANGO, Silver from Early Byzantiurn – The
Kaper Koraon and Related Treasures. Baltimore 1 986, 44.
20 BREPOHL 1 962 (zit. Anm. 8) 259-264.
21 BREPOHL 1962 (zit. Anm. 8) 253 und Bild 19lh.
22 BREPOHL 1962 (zit. Arun. 8) 252-254, Bild 191i-l.
23 BUNTE 1985 (zit. Anm. 8) 6 1 .
!50
Zur Herstellung einer größeren Anzahl von Blechen mit identischer Reliefverzierung
kann man sich anstatt der aufwendigen Treibziseliertechnik auch
der sogenannten ,,Pressblechtechnik“ mit positiven (= erhabenen)24 oder negativen
(= eingetieften)25 Modeln bedienen. Zur Unterscheidung von Pressblechen,
die mit positiven bzw. negativen Modeln angefertigt worden sind, lässt sich
sagen, dass sich das Relief jeweils auf jener Seite des Bleches deutlicher abzeichnet,
die mit dem Model direkt in Berührung gekommen ise6, also bei positiv
gepressten Blechen die Rückseite und bei negativ gepressten Blechen die
Vorderseite.
Die Unterscheidung zwischen gepressten und ziselierten Blechen ist auf
technologischem Wege ausschließlich durch die Erkennung von individuellen
Werkzeugspuren (z. B. eines Schrot-, Modellier- oder Absetzpunzens) möglich.
Jedoch kann auch nicht ganz ausgeschlossen werden, dass einige Pressbleche
anschließend ebenfalls mit Punzen überarbeitet worden sind, um das Muster
deutlicher hervortreten zu lassen und daher (stellenweise) individuelle Werkzeugspuren
aufweisen können. Auch die Verwendung von Feinwerkzeugen
(eventuell aus organischen Materialien) im Zuge des Pressvorgangs, um das
Blech besser in das Model hineinzuarbeiten, sollte in Betracht gezogen werden.
In beiden Fällen sollten sich die individuellen Werkzeugspuren erwartungsgemäß
auf bestimmte Bereiche der Oberfläche beschränken. Bedecken sie hingegen
die gesamte Oberfläche des Pressblechs spricht dies eher für eine individuelle
Anfertigung (durch Ziselieren, Gravieren, Ritzen, eventuell auch Meißeln).
Ein besonders deutlicher Hinweis dafür ist das Vorhandensein einer (geritzten
oder geschroteten) Vorzeichnung.
Die Gürtelgarnitur von Kumigota (Ungarn)
Lichtmikroskopische Untersuchungen an ausgewählten, aus Goldblech gefertigten
Komponenten der frühawarenzeitlichen Gürtelgarnitur von Kunägota
(Ungarn) haben ergeben, dass diese durch beidseitiges Treibziselieren von
Goldblechen hergestellt worden sind, wobei die unterschiedlichsten Ziseliertechniken
(z. B. Schroten, Modellieren, Absetzen, Planieren) zur Anwendung
kamen. In einigen Fällen wurde an der Vorderseite auch die Funziertechnik
verwendet (z. B. wurde die Punkt-Komma Zier mit entsprechend geformten
Musterpunzen eingeschlagen). Je nach Ornament sind bei den verschiedenen
Beschlagstypen Unterschiede hinsichtlich der genauen Vorgangsweise bzw. der
Abfolge der Arbeitstechniken festzustellen. Es ist nicht auszuschließen, dass die
Grundform einiger Beschläge – vermutlich einschließlich der randliehen Perl-
24 Dyfri WILLIAMS – Jack ÜGDEN, Greek Gold – Jewelry of the Classical World. London –
New York 1994, 1 9 (Fig. !Oe).
25 WILLIAMS – ÜGDEN 1994 (zit. Anm. 24) 19 (Fig. IOa).
26 Ernst FOLTZ, Technische Beobachtungen an Goldblattkreuzen. In: Wolfgang HOBENER
(Hg.), Die Goldblattkreuze des frühen Mittelalters (Veröffentlichungen des Alemannischen
Institutes Freiburg im Breisgau 37) 1975, 15.
151
leisten – in Pressblechtechnik hergestellt, die im Innenfeld befindliche Verzierung
hingegen individuell ziseliert worden ist. Die Perlleisten am Rand der Beschläge
weisen stets (auch bei der Hauptriemenzunge) an der Vorderseite nur
wenig Bearbeitungsspuren auf, meist handelt es sieb um Spuren eines feinen
Schrotpunzens, mit dem die Rillen zwischen den einzelnen Perlen nachgearbeitet
worden sein dürften.
Am deutlichsten sind die auf die Verwendung von Ziselierwerkzeugen zurückzuführenden
Spuren auf der Hauptriemenzunge erkennbar. Insbesondere im
Bereich des lnnenfeldes, an dessen äußerem Rand sowie an den Konturen der
pflanzlichen Motive (Abb. I) und des Medaillons (Abb. 2) finden sich zahlreiche
Absätze, die wohl auf die Verwendung eines Schrotmeißels zurückzuführen
sein dürften. Weiters ist davon auszugehen, dass die erhabenen Bereiche von der
Rückseite her modelliert worden sind.
Die Vorgangsweise beim Treibziselieren eines Lochschützers aus dem
Fund von Kunägota (vgl. Abb. 3 und 4) lässt sich gut mit jener vergleichen, die
bei der Herstellung der ziselierten PaJmettenzier an einer aus Goldblech gefertigten
Riemenzunge vermutlich byzantinischer Herkunft (erste Hälfte 7. Jahrhundert)
aus dem Ashmolean Museum Oxford (Antiquities Department
1927.6470)27 angewendet worden ist: Letztere ist durch beidseitige Bearbeitung
entstanden. Die Grundform des auf der Rückseite des Bleches mit einem
Schrotpunzen vorgezeichneten Ornamentes wurde – ebenfalls von der Rückseite
– herausmodelliert (Repousse). Die deutlichen Konturen sind durch anschJießendes
Absetzen des Reliefgrundes entstanden. Dieser wurde dann an einigen
Stellen – vermutlich mittels eines feinen Meißels – exakt herausgeschnitten. Die
Details wurden von der Schauseite her mit einem Punzen mit gewölbter Arbeitsfläche
(Perl- oder Kugelpunzen) angebracht28• Auch bei dem Lochschützer aus
Kunagota – der allerdings nicht durchbrachen gearbeitet ist – wurden Teile der
Verzierung (die Punkt-Komma-Zier) auf der Rückseite mittels eines sehr feinen
Schrotpunzens vorgezeichnet (vgl. Abb. 4), bevor sie auf der Vorderseite mittels
eines gröberen Schrotmeißels gearbeitet wurden (Abb. 3).
Die Gürtelgarnitur von lgar-Vamszölöhegy Fund ill (Ungarn)
Die überwiegende Mehrzahl der aus Goldblech gefertigten Komponenten einer
mittelawarischen Gürtelgarnitur aus Igar-Vämszölöhegy (Fund ITI; Ungarni9
weist individuelle Werkzeugspuren auf0, die beweisen, dass sie keineswegs ge-
27 Vgl. ANDRASI 2000 (zit. Anm. 7).
28 Vgl. auch BÜHLER 1998-99 (zit. Anm. 2) 451-452 mit Abb. 16-18.
29 Gyula FüLöP, Awarenzeitiiche Fürstenfunde von !gar. In: Acta Archaeologica Academiae
Scientiarum Hungaricae 40 ( 1 988) I63-I65 mit Abb. I 0 und I I .
3ll Mit Ausnahme der viereckigen Beschläge, die vermutlich als einzige tatsächlich
(ausschließlich) gepresst worden sind und deren Verzierung auch wesentlich weichere
Konturen aufweist als jene der anderen Komponenten; vgl.: FÜLÖP 1988 (zit. Anm. 29)
Abb. I 0/9-1 0 und Abb. 1 115.
152
presst sondern vielmehr in Treibziselier- und Punziertechnik individuell angefertigt
worden sind.
Die flechtbandverzierten Bestandteile dieser Gürtelgarnitu1 weisen mit
freiem Auge kaum sichtbare Vorzeichnungen in Ritztechnik auf. Diese begrenzen
die Konturen des ziselierten bzw. punzierten Ornaments (vgl. Abb. 5). Die
Konturen der Flechtbänder wurden geschrotet: Dies verraten die stellenweise
erkennbaren Absätze, die auf das Vorantreiben des Schrotpunzens durch Hammerschläge
zurückzuführen sind. Im Bereich gebogener Linien fmden sich teilweise
fächerförmig verlaufende Absätze (vgl. Abb. 5), die auf die Verwendung
eines Schrotpunzens mit gerader Arbeitskante zurückzuführen sind. Ansonsten
weisen die geschroteten Rillen einen annähernd u-förmigen Querschnitt und
eine relativ glatte Oberfläche auf Letzteres lässt vermuten, dass die Ziseliertechnik
gut beherrscht wurde. Möglicherweise wurden die Flechtbänder nicht
ausschließlich geschrotet, sondern zusätzlich von der Rückseite her leicht modelliert.
Außerdem finden sich an den flechtbandverzierten Gürtelbestandteilen
Abdrücke zwei er verschiedener Musterpunzen (rund, quadratisch; vgl. Abb. 5).
Auch die vier, ein etwas einfacheres Ornament aufweisenden, kleinen
Riemenzungen32, von denen sich drei stark gleichen und nur eines etwas abweichend
gestaltet worden ist, wurden nicht in Pressblechtechnik hergestellt: Feine
Ritzlinien dienten als Vorzeichnung für die, von geschroteten Linien begrenzten,
mit rechteckigen Punzierungen gefüllten, Felder (vgl. Abb. 6). Im Bereich des
unteren Feldes variiert die Anzahl der rechteckigen Punzierungen, auch bei den
drei ähnlich gestalteten Riemenzungen33• Auch hier finden sich im Bereich der
geschroteten Rillen Absätze, die auf das Vorantreiben eines Schrotpunzens
durch Hammerschläge zurückzuführen sind (vgl. Abb. 6).
Gürtelbestandteile aus dem Schatzfund von Brestovac (Kroatien)
Die s-förmige Rankenzier auf der Rückseite der beiden goldenen Nebenriemenzungen
aus dem Schatzfund von Brestovac (Kroatien; Spätawarenzeit In, letztes
Drittel 8. Jh.) ist ebenfalls durch beidseitiges Ziselieren entstanden: Schroten der
Konturen an der Schauseite (Abb. 7 und 8), Modellieren von der anderen Seite
sowie Absetzen der Konturen und Planieren des Reliefgrunds (vgl. Abb. 8) auf
der Schauseite. Die Punkt-Kommazier wurde mittels eines runden und eines
dreieckigen Musterpunzens eingeschlagen (Abb. 7).
Auf der Vorderseite der Nebenriemenzungen umgeben quadratisch-pyramidenförmige
Punzierungen (Abb. 9) eine u-förmige Fassung, die ursprünglich
eine Glas- bzw. Edelsteineinlage enthielt. Die Form der hier verwendeten Musterpunzen
entspricht im wesentlichen jener der Werkzeuge, die bei der Gestaltung
der Gürtelgarnitur von !gar verwendet worden sind (vgl. Abb. 6).
31 Vgl. Fül.ÖP 1999 (zit. Anm. 29) Abb. 1011-5, 7,1 1 und Abb. 1 1/1-4, 6.
32 Vgl. FÜLÖP 1 999 (zit. Anrn. 29) Abb. 10112-15 und Abb. 1 1/7, 8.
33 Vgl. FÜLÖP 1999 (zit. Anm. 29) Abb. 10/12-15 und Abb. 1 1/7, 8.
153
Die ziselierte „Stäbchenrankenzier“ auf dem Gürtelschnallenbeschlag sowie
auf Vorder- und Rückseite der Hauptriemenzunge weist ein außergewöhnlich
deutliches Relief auf, das nur durch besonders sorgfältige, beidseitige Bearbeitung
des Goldblechs entstanden sein kann. Zunächst dürften die Konturen des
Ornaments an der Vorderseite mittels eines Schrotpunzens markiert worden
sein. Um das Relief deutlich hervortreten zu lassen hat man einerseits die erhabenen
Bereiche von der Rückseite her mit Formpunzen modelliert und andererseits
den Reliefgrund mit Setz- und Planierpunzen zurückgesetzt. Es sind unter
anderem Spuren halbrunder Planierpunzen erkennbar (vgl. Abb. 1 1).
Zusätzlich wurden die Konturen des Ornaments auf der Vorderseite mittels
eines Schrotmeißels nachgezogen (vgl. Abb. 12). Die teilweise kantige Linienführung
und die „fächerförmigen“ Werkzeugspuren im Bereich gebogener
Linien weisen daraufhin, dass man auch für gebogene Linien ein Werkzeug mit
gerader Arbeitskante verwendet haben dürfte. Auch im Bereich gerader Linien
sind immer wieder Absätze erkennbar.
Details wurden mit feinen Schrotpunzen, einer Stichelspitze sowie mit diversen
Musterpunzen ausgeführt (vgl. bes. Abb. 13). Die größeren Vertiefungen
im Zentrum des ,,kreislappenartigen“ Endbereichs der „Stäbchenranken“ wurden
mit einem Kugelpunzen mit größerem Durchmesser sanft eingedrückt. Die kleinen
Aussparungen im Inneren des ,,Kreislappens“ wurden hingegen mittels
eines weiteren Kugelpunzens mit wesentlich kleinerem Durchmesser eingeschlagen
(Abb. 14).
Riemenzunge aus Matesza1ka (Ungarn)
Die kleine Goldblechriemenzunge aus Mäteszalka (Ungarn; Spätawarenzeit III)
ist ähnlich gefertigt wie die – ebenfalls aus Goldblech gearbeiteten – „stäbchenrankenverzierten“
Gürtelbestandteile aus Brestovac (s. o.), denen sie auch bezüglich
Form und Verzierung nahe steht. Das hohe Relief der auf Vorder- und
Rückseite der Riemenzunge befindlichen „Stäbchenrankenzier“ wurde ebenfalls
durch sorgfältige Treibziselierung der beiden u-förmigen Goldblechstücke erreicht,
wobei jedes (mehrfach) von beiden Seiten bearbeitet worden sein muss.
(Die Rückseite der beiden Bleche konnte hier allerdings nicht untersucht
werden, so dass sich alle hier angeführten Beobachtungen auf die Schauseite des
jeweiligen Bleches beziehen). Zwischen den einzelnen Arbeitsschritten muss
das Goldblech jeweils durch ,,Zwischenglühen“ wieder geschmeidig gemacht
worden sein.
An den Konturen der im hohen Relief gearbeiteten Ornamente sind an einigen
Stellen flache Rillen mit u-förmigem Querschnitt, die auf die Verwendung
eines Schrotpunzens zurückzuführen sind, erkennbar (vgl. Abb. 1 5 und insbesondere
Abb. 1 6). Vermutlich sind diese Spuren im Zuge einer genauen, linearen
Vorzeichnung des Ornaments auf der Schauseite jedes der beiden Bleche
entstanden: Die geschroteten Linien sind auf der Rückseite (leicht erhaben) erkennbar
und eignen sich daher als Begrenzung fiir Bereiche, die von der Rück-
154
seile her modelliert (= ,,Repousse“) werden sollen. Eventuell wurden die Grundzüge
des Ornamentes vorher mit einer Metallnadel aufgeritzt
Ein so deutliches Relief, wie es an der Riemenzunge von Mäteszalka und
auch an der Haupriemenzunge sowie dem Gürtelschnallenbeschlag aus
Brestovac vorhanden ist, lässt sich auf keinen Fall ausschließlich durch Modellieren
(=Verwendung der Repousse-Technik, Bearbeitung von der Rückseite)
erzielen. Es kann davon ausgegangen werden, dass man zusätzlich den ,,Hintergrund“
mittels Setz- und Planierpunzen zurückgesetzt hat, um das Relief deutlicher
hervortreten zu lassen. Stellenweise sind auf der Vorderseite Bearbeitungsspuren
vorhanden (vgl. Abb. 1 5 und 16), die auf die Verwendung solcher Werkzeuge
hinweisen, allerdings sind keine genaueren Angaben zur Form bzw.
Größe der Arbeitskante bzw. zu individuellen Merkmalen (Unregelmäßigkeiten)
der verwendeten Werkzeuge möglich. Weiters dürfte man die Konturen des
Ornaments auf der Vorderseite mittels eines Schrotmeißels nachgezogen haben,
wobei die teilweise kantige Linienführung darauf hindeutet, dass man auch im
Bereich gebogener Linien ein Werkzeug mit gerader Arbeitskante verwendet
hat. Sowohl im Bereich gebogener als auch gerader Linien sind an den fast senkrechten
Kanten der „Stäbchenrankenzier“ bzw. der Randleiste stellenweise
deutliche ,,Absätze“ zu erkennen (vgl. Abb. 15).
Die größeren Vertiefungen im Zentrum des ,,kreislappenartigen“ Endbereichs
der „Stäbchenranken“ hat man mittels eines Kugelpunzens mit größerem
Durchmesser sanft eingedrückt und die kleinen Aussparungen im Inneren des
,,Kreislappens“ mittels eines weiteren Kugelpunzens mit wesentliche kleinerem
Durchmesser eingeschlagen (Abb. 16). Dasselbe Werkzeug dürfte man auch
verwendet haben, um die Vertiefung im Zentrum der runden Knoten der „Stäbchenrankenzier“
einzuschlagen (Abb. 15).
Die „gekörnte“ Oberfläche der tropfenformigen Blättchen zu beiden Seiten
der zentralen „Stäbchenrankenzier“ im Bereich der Zwinge wurde mittels
eines Werkzeuges mit quadratischem bis halbrundem Querschnitt gestaltet
(Abb. 17). Es könnte sich hierbei um die Spitze eines Stichels gehandelt haben.
Zusammenfassung
Sowohl die goldene Gürtelgarnitur aus Kunägota (Frühawarenzeit) als auch jene
aus lgar (Mittelawarenzeit) wurden bisher falschlieh als „gepresst“ beschrieben.
Es liegen hier jedoch zwei Exemplare sowohl aus einem frühen als auch aus
einem späteren Abschnitt des 7. Jahrhunderts vor, deren Ornament individuell in
Treibziseliertechnik – aus Goldblech hergestellt worden ist. Es muss nicht
weiter ausgeführt werden, dass solche – individuell und mit vergleichsweise
hohem Aufwand angefertigten – Objekte als wertvoller eingestuft werden
können als in „Serienproduktion“ hergestellte Pressb1eche, auch wenn es sich
dabei ebenfalls um Gold- bzw. Silberbleche handelt. Es scheint also, als müsste
man den „gepressten“ früh- und mittelawarischen Gürtelgarnituren aus Gold-
155
bzw. Silberblech eine weitere Gruppe – mit vergleichbarem Materialwert, aber
wesentlich aufwendiger gearbeitet – voranstellen.
Die beiden anderen Bestandteile goldener Gürtelgarnituren, fiir die eine
Herstellung in Treibziseliertechnik nachgewiesen werden konnte, datieren ins
letzte Drittel des 8. Jahrhunderts. Die überwiegende Mehrzahl der aus dem Karpatenbecken
stammenden Parallelen mit „Stäbchenranken“- bzw. ,,Lilienzier“ ist
hingegen gegossen worden, mit Ausnahme der betreffenden Gefaße aus dem
Schatzfund von Nagyszentmikl6s (Sinnicolau Mare, Rumänien), deren „Stäbchenrankenzier“
jener des Gürtelschmucks aus Brestovac nicht nur in ikonographischer
sondern auch in technischer Hinsicht nahe zu stehen scheint. Die
kleine Riemenzunge aus Mäteszalka wurde ursprünglich als „gegossen“ angesprochen34.
Wie gezeigt werden konnte, wurde die Treibziseliertechnik zur Herstellung
von qualitativ besonders hochwertigem goldenen Gürtelschmuck, der im
bzw. am unmittelbaren Rande des awarischen Siedlungsgebietes gefunden
wurde, sowohl in der Früh- und Mittelawarenzeit als auch in der Spätawarenzeit
I1I verwendet. Zum Teil (insbesondere Kunägota und Brestovac) weist dieser
Gürtelschmuck hinsichtlich Form und Verzierung deutliche Verbindungen zum
mediterranen Raum auf. Die Tatsache, dass sich alle vier Gürtelbeschläge bzw. –
gamituren in technischer Hinsicht deutlich von ihren Parallelen im Karpatenbecken
unterscheiden, könnte eventuell als zusätzliches Argument für die Herstellung
in einer byzantinischen Werkstätte herangezogen werden. Hierfür wäre es
jedoch notwendig, möglichst viele weitere Blechbeschläge des 6. – 8. Jahrhunderts
– sowohl aus dem Karpatenbecken als auch dem mediterranen Raum –
lichtmikroskopisch auf eventuell vorhandene Spuren der Treibziseliertechnik zu
untersuchen.
34 Eva GARAM, Spätawarenzeitliche Goldgegenstände im Ungarischen Nationalmusewn. In:
Folia Archaeologica XXXV (1984) 95-96, 99 (Abb. 7), 105-107.
!56
Abb. 1 : Kunagota, Ungarn. Hauptriemenzunge aus Goldblech, Frühawarenzeit
(erste Hälfte 7. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, Inv.-Nr.
69/1 858.3. Detail (VS oben): Spuren eines Schrotmeißels an den Konturen des
pflanzlichen Ornaments und im Bereich der langgestreckten Kommazier.
Abb. 2: Kunagota, Ungarn. Hauptriemenzunge aus Goldblech, Frühawarenzeit
(erste Hälfte 7. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, Inv.-Nr.
6911858.3. Detail (VS Mitte): Spuren eines Schrotmeißels an den Konturen des
Medaillons und im Bereich der langgestreckten Kommazier.
!57
Abb. 3: Kunägota, Ungarn. Lochschützer aus Goldblech, Frühawarenzeit (erste
Hälfte 7. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, lnv.-Nr. 69/1858.3.
Detail (VS): Spuren eines Schrotmeißels an den Konturen des doppelbogigen
Innenfeldes, im Bereich der Kommazier sowie – stellenweise – im Bereich des
Perlrandes.
Abb. 4: Kunägota, Ungarn. Lochschützeraus Goldblech, Frühawarenzeit (erste
Hälfte 7. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, Inv.-Nr. 69/1 858.3.
Detail (RS): Die Punkt-Komma-Zier wurde auf der Rückseite mittels eines sehr
feinen Schrotpunzens vorgezeichnet.
!58
Abb. 5: Igar-Vämszölöhegy (Fund III), Ungarn. Hauptriemenzunge aus Goldblech,
Mittelawarenzeit (letztes Drittel 7. Jh.). Istvän Kiräly Museum, Szekesfehervar,
Inv.-Nr. 8003. Detail (VS links oben): Feine Ritzlinien als Vorzeichnung
für das ziselierte und punzierte Flechtbandornament Stellenweise sind in
den Linien Absätze feststellbar, die auf das Vorantreiben eines Schrotpunzen
durch Hammerschläge zurückzuführen sind.
Abb. 6: Igar-Vämszölöhegy (Fund III), Ungarn. Nebenriemenzunge aus Goldblech,
Mittelawarenzeit (letztes Drittel 7. Jh.). Istvän Kiräly Museum, Szekesfehervär,
Inv.-Nr. 8003. Detail (VS rechts unten): Feine Ritzlinien als Vorzeichnung
für das von geschroteten Linien begrenzte, mit rechteckigen Punzierungen
gefüllte Feld. In den Linien zahlreiche Absätze, die auf das Vorantreiben eines
Schrotpunzen durch Hammerschläge zurückzuführen sind.
159
Abb. 7: Brestovac, Kroatien. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung), Wien,
Inv.-Nr. VII B 75. Detail (RS unten): Spuren eines Schrotpunzen an-den
Konturen der S-Rankenzier, die zusätzlich von der anderen Seite modelliert
worden ist. Die Punkt-Kommazier war mittels eines runden und eines dreieckigen
Musterpunzens eingeschlagen worden.
Abb. 8 : Brestovac, Kroatien. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel S. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung), Wien,
Inv.-Nr. VII B 75. Detail (RS links oben): Bearbeitungsspuren, die auf das
Planieren des Reliefgrunds zurückzuführen sind.
160
Abb. 9: Brestovac, Kroatien. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung), Wien,
Inv.-Nr. VII B 75. Detail (VS rechts unten): Quadratisch-pyramidenformige
Punzierungen umgeben eine u-förmige Fassung, die ursprünglich eine Glasbzw.
Edelsteineinlage enthielt.
Abb. 10: Brestovac, Kroatien. Hauptriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung),
Wien, Inv.-Nr. VII B 79. Detail (VS Mitte rechts): Treibziseliertes Ornamentgeschrotete
Konturen, Reliefgrund abgesetzt bzw. planiert.
1 6 1
Abb. 1 1 : Brestovac, Kroatien. Hauptriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
lii (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung),
Wien, Inv.-Nr. VII B 79. Detail (VS rechts oben): Spuren halbrunder Planierpunzen
im Bereich des Reliefgrundes.
Abb. 12: Brestovac, Kroatien. Hauptriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
ill (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung),
Wien, Inv.-Nr. VII B 79. Detail (VS links oben): Die Konturen des treibziselierten
Ornaments wurden auf der Vorderseite mittels eines Schrotmeißels nachgezogen.
Funkt-Kommazier hier vermutlich mit dem Stichel gearbeitet.
162
Abb. 1 3 : Brestovac, Kroatien. Gürtelschnallenbeschlag aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensammlung),
Wien, Inv.-Nr. VII B 70. Detail {VS): Die „gekörnte“ Oberfläche der
tropfenilinnigen Blättchen wurde mittels eines Werkzeuges mit annähernd
rundem Querschnitt (= Stichelspitze ?), die Mittelrippe mittels eines
Schrotmeißels gestaltet.
Abb. 14: Brestovac, Kroatien. Hauptriemenzungenfragment aus Goldblech.
Spätawarenzeit III (letztes Drittel 8. Jh.). Kunsthistorisches Museum (Antikensarnmlung),
Wien, Inv.-Nr. VII B 82. Detail (VS links oben): Die größere
Vertiefung im Zentrum des ,,kreislappenartigen“ Endbereichs der „Stäbchenranke“
wurden mit einem Kugelpunzen mit größerem Durchmesser sanft eingedrückt.
Die kleine Aussparung im Inneren des ,,Kreislappens“ wurde hingegen
mittels eines weiteren Kugelpunzens mit wesentlich kleinerem Durchmesser
eingeschlagen. Weiters: Konturen geschrotet, Reliefgrund abgesetzt bzw.
planiert.
163
Abb. 1 5 : Mateszalka, Ungarn. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, lnv.-Nr.
1 3 7/1909. Detail: Treibziselierte „Stäbchenrankenzier“.
Abb. 16: Mateszalka, Ungarn. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel 8 . Jb.). Ungarisches Nationa1museum, Budapest, Inv.-Nr.
137/1909. Detail: Spuren eines Schrotpunzen an den Konturen des treibziselierten
Reliefs; Spuren von Planierpunzen im Bereich des Reliefgrunds; zur
Gestaltung der ,,Kreislappen“ wurde jeweils ein größerer und ein kleinerer Kugelpunzen
verwendet.
1 64
Abb. 1 7: Mäteszalka, Ungarn. Nebenriemenzunge aus Goldblech, Spätawarenzeit
III (letztes Drittel S. Jh.). Ungarisches Nationalmuseum, Budapest, lnv.-Nr.
13 7 I 1909. Detail: Die „gekörnte“ Oberfläche der tropfenförmigen Blättchen
wurde mittels eines Werkzeuges mit quadratischem bis halbrundem Querschnitt
(= Stichelspitze ?) gestaltet.
165
MEDIUM AEVUM
QUOTIDIANUM
45
KREMS2002
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Oiederösterreich kultur
Redaktion: Thomas Kühtreiber
Titelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhalt
Fehl-, Halbfertigprodukte sowie umgearbeitete Stücke
und ihre Rolle bei der Erforschung des mittelalterlichen Handwerks
Ralph Röber, Vorwort . . . . . . . . …………………………………………………………………… 5
Herbert Knittler, Qualitätsvorschriften in Handwerksordnungen
des Mittelalters und der frühen Neuzeit
(dargestellt an Österreichischen Beispielen) ……………… ……………….. . . . . . . . 7
Doris Mührenberg, Recycelt, repariert oder wiederverwendet
Fehl- und Halbfertigprodukte im archäologischen Fundgut
der Hansestadt Lübeck . . . . . ….. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Ulrich Müller, Ein Fund vom Rugard, Ldkr. Rügen ……….. ………………………… 38
Monika Doll und Andreas König, Produktionsabfälle
einer knochen- und hornverarbeitenden Werkstatt
des späten I I . Jahrhunderts aus Höxter an der Weser …………………. ….. 61
Stefan Krabath, Untersuchungen zur mittelalterlichen und neuzeitlichen
Ringbrünnenproduktion in Mitteleuropa
unter besonderer Berücksichtigung Westfalens . . …….. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96
Bertram Jenisch, Die ,,Bohrer und Balierer“ in Freiburg
und Waldkirch im Breisgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Birgit Bühl er, Der Nachweis der Treibziseliertechnik
an goldenem Gürtelschmuck der Früh-, Mittel- und Spätawarenzeit … 147
Anschriften der Autoren ………………….. ………………………………………………….. 166
Vorwort
Das vierte Treffen des ,,Archäologischen Arbeitskreises zur Erforschung des
mittelalterlichen Handwerks“ fand vom 23. bis 25. März 2000 in Krems statt. Es
folgte einer Einladung des ,,Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der
frühen Neuzeit“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Organisation
hatte Thomas Kühtreiber übernommen, von ihm stammten auch die
Vorschläge zu den beiden Tagungsthemen. Die Vorträge des Themas ,,Zur
Erforschung des mittelalterlichen Handwerks in Österreich“ sind bereits in Band
43 von Medium Aevum Quotidianum erschienen, die Vorträge des zweiten
Bereichs ,,Fehl-, Halbfertigprodukte sowie umgearbeitete Stücke“ werden hier
vorgelegt. Die insgesamt acht Beiträge umspannen einen großen geographischen
Rahmen, der vom Norden Deutschlands bis in den Osten Österreichs reicht. Die
interdisziplinäre Ausrichtung spiegelt sich in den beteiligten Wissenschaftsrichtungen
wider, bei der neben Archäologen auch Historiker, Kunsthistoriker
und Naturwissenschaftler vertreten sind.
Produktionsabfalle bieten ebenso wie umgearbeitete Stücke ein weites
Feld von Erkenntnismöglichkeiten zum Handwerk. An ihnen lassen sich Auswahl
und Verwendung von Rohstoffen studieren, sie erlauben darüber hinaus
aber auch weit besser als fertige Produkte, die auf Grund von Überarbeitungen
der Oberfläche in dieser Hinsicht oft nur sehr eingeschränkt auswertbar sind,
detaillierte Einblicke in Techniken und Prozesse der Herstellung. So lassen sich
Traditionen und Innovationen im Handwerk ebenso erkennen wie der Grad der
Spezialisierung und die Produktpalette einzelner Handwerker.
Aber noch in einem weiteren Bereich sind diese Objekte von hoher Aussagekraft,
da durch ihre Aussonderung durch den Produzenten unmittelbar individuelle
oder berufsspezifische Qualitätsnormen sichtbar werden. Damit werden
im Abgleich mit den in den Verkauf gelangten Produkten Aussagen zum Qualitätsmanagement
einzelner Handwerker und Berufsstände möglich. Auch zur
Quantität der Produktion sowie zur Normierung bestimmter Erzeugnisse lassen
sieb Aussagen erzielen. Dies sind Themen, zu denen Schriftquellen nur eingeschränkt
Auskunft geben, da Qualitätsbestimmungen zum Beispiel in Zunftoder
Gewerbeordnungen in der Regel allgemein oder formelhaft verfasst wurden.
Diese gelten zudem nur für einzelne Handwerkssektoren, wie das Nahrungs-,
Textil- oder Metallgewerbe. Hier bilden die archäologischen Quellen
nicht nur Ergänzung und Korrektiv, sondern sie erlauben einen Zugriff auf
Erkenntnisse, die dem Historiker verwehrt bleiben.
5
Mein Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die Ihre Beiträge zur Verfügung
gestellt haben, sowie Medium Aevum Quotidianum für die Aufuahme derselben
in sein Publikationsorgan. Es ist erfreulich, dass neben den Vorträgen
von zwei Treffen des Arbeitskreises1 nun die Ergebnisse einer weiteren Tagung
publiziert werden konnten. Es bleibt zu hoffen, dass damit die erst in Ansätzen
greifbaren archäologischen Erkenntnisse zum mittelalterlichen Handwerk
vertieft und ausgebaut werden können.
Konstanz,
im Juni 2002
Ralph Röber
Leiter des ,,Archäologischen Arbeitskreises
zur Erforschung des mittelalterlichen Handwerks“
1 Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.), Von Schmieden, Würflern und
Schreinern – Städtisches Handwerk im Mittelalter (ALManach 4) Stuttgart 1999; Ralph
Röber (Hg.), Mittelalterliche Öfen und Feuerungsanlagen. Beiträge des 3. Kolloquiums des
Arbeitskreises zur archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Handwerks (Materialhefte
zur Archäologie in Baden-Württemberg 62) Stuttgart 2002.
6