Einleitung
Die mittelalterliche Münzstätte am Beispiel des Friesacher Pfennigs
Heinz Winter
Speziell die Mittelalte umismatik stellt sich ir die Nachbardisziplinen als nicht leicht zugänglich dar. O ist die Bildwahl sehr willkürlich und Jahres zahlen sowie Wertangaben treten überhaupt nicht auf, häufig lehnen sich ein zelne Prägegruppen typologisch und stilistisch nahe an diverse Vorbilder an und sind somit nur schwer von diesen zu unterscheiden, auch Aufschri en ge ben nur sehr selten Hinweise auf die Herkun von Münzen. Häufig ist auch die Fundevidenz nur wenig aussagekrä ig. Dadurch wird die Bestimmung der Münzstätte erheblich erschwert und Zuschreibungen an die einzelnen Münzher ren sind besonders schwierig. Somit beschränkt sich die Bearbeitung eines mit telalterlichen Fundes häufig auf die Festlegung der Position der jeweiligen Münzen in einem Zitierwerk.
Im Grunde ist ein Zitat jedoch lediglich die Festlegung der A und Her kun einer Münze. Es gibt ausschließlich die Gemeinsamkeiten aller einen je weiligen Typ repräsentierenden Objekte an, legt Prägeherren, Prägezeit und Prägeort fest – und nicht mehr. Da ein Einzelstück aber stets nur ein Vertreter eines komplexen Münzsystems ist, gilt es, die Prägesysteme zu rekonstruieren und diese mit den Ergebnissen der Geschichtsforschung und der Naturwissen scha abzugleichen. Nur Forschungen, die in diese Richtung ihren, können die Basis ir weitergehende Aussagen bilden. Den Fragestellungen sind hier keine Grenzen gesetzt.
Vor der Erstellung der ursprünglichen Prägepläne muß die Erfassung al ler Typen stehen, die jedoch nur die Grundlage ir die Forschung bildet, und nicht ihr alleiniges Ziel ist. Hinzu tritt die Aufnahme aller erreichbaren Streu und Schatz nde, zumal besonders letztere aufgrund ihrer Zusammensetzung stets Hinweise auf Münzstättenzuweisung und chronologische Abfolge der ent haltenen Typen liefe . Damit steht die zeitau endige Rekonst ktion alter Fundbestände und deren Neuvorlage häufig Beginn numismatischer For schung.
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Während sich r viele Gebiete der antiken Numismatik samt ihren Randgebieten entsprechende Arbeiten an hren lassen‘, sind diese wegen der sich dem Bearbeiter stellenden Schwierigkeiten r das Mittelalter noch selten2. Im Folgenden will ich daher aus numismatischer Sicht Einblick in die Ergebnis se eines Gemeinschaftsprojektes von Historike , Numismatike und Metal lurgen geben, das sich dem Beginn dem Friesacher Pfennig gewidmet hatte, zumal hier exemplarisch zu zeigen ist, wie sich zunächst r die antike Numis matik entwickelte Methoden – vo ehmlich jene der Stempeluntersuchung – auf die Mittelalte umismatik übertragen lassen3. Ein vordringliches Ziel ist dabei die Verbesse ng der relativen Chronologie, zumal wir heute im Prinzip die Prägezeit einer mittelalterlichen Münze mit der o langen Regierungszeit ihres Emittenten gleichsetzen. Stillschweigend wird häufig auch eine kontinuierliche Münzung angenommen, die jedoch nicht immer die Regel ist.
Der Friesacher Pfennig zählt zu den bedeutendsten mittelalterlichen Zahlungsmitteln im heute Österreichischen Raum4. Das ForschungsprojektS
1 Ein hervorragendes Beispiel ist der „Wiener Au au“, der sich r die römische Kaiserzeit die „Rekonst ktion des Prägeablaufes und (die) Freilegung seiner Systematik im Präge skelett“ zum Ziel setzt [(Robert GÖBL), Vorwort zur Reihe MIR – Moneta Imperii Romani. In: Wolfgang SZAIVERT, Die Münzprägung der Kaiser Tiberius und Caius (Caligula) 14/41 (Moneta Imperii Romani 2 und 3 = Österreichische Akademie der Wissenscha en, phil. hist. Klasse, Denkschriften 171 = Veröffentlichungen der Numismatischen Kommission 13) Wien 1984),5 .].
2 Einen Überblick bringt Bemd UGE, Stempelvergleichende Untersuchungen deutscher Münzserien des I0. und I I. Jahrhunderts. Fragen, Ergebnisse und Perspektiven einer Me thode. In: Frühmittelalterliche Studien 23, Berlin – New York 1989, 348. Für den heute Österreichischen Raum s. bes. Wolfgang HA , Die Salzburger Münzstätte bis zum Eintritt
der bischöflichen Prägetätigkeit I009/10. In: Christoph MAYRHOFER
(Hg.), Tausend Jahre Salzburger Münzrecht (Salzburger Numismatische Gesellschaft, Son derpublikation 2 = Salzburg Archiv 21) Salzburg 1996, 35 .
3 diesem interdisziplinären Forschungsprojekt waren das Münzkabinett des Kunsthistori schen Museums Wien bzw. die Numismatische Kommission der Österreichischen Akade mie der Wissenscha en (Leitung Michael Alram), das Forschungsinstitut Historische Grundwissenscha en der Karl-Franzens-Universität Graz (Reinhard Härte!) das Institut r Farbenlehre und Farbenchemie der Akademie der Bildenden Künste in Wien (Manfred Schreiner) beteiligt. Die numismatischen Untersuchungen wurden von Heinz Winter durch ge hrt, während die Aufarbeitung der Schri quellen in den Händen von Ingeborg Baum gartner lag. Die metallanalytischen Untersuchungen hat Robert Linke besorgt. Die Ergebnis se sollen im Rahmen der Denkschri en der philosophisch-historischen Klasse der Österrei chischen Akademie der Wissenscha en publiziert werden als Michael AL – Reinhard HÄRTEL – Man ed SCHREINER (Hg.), Die Frühzeit des Friesacher Pfennigs.
4 Zum Friesacher Pfennig s. bes.: Reinhard HÄRTEL – Markus J. WE GER (edd.), Die Friesacher Münze im Alpen-Adria-Raum. Akten der Friesacher Sommerakademie Friesach (K ten), 14. bis 18. September 1992 (Schri enreihe der Akademie Friesach I = Grazer Grundwissenscha liche Forschungen 2) Graz 1996; darin bes. Michael ALRAM, Der Friesa cher Pfennig in den mittelalterlichen Alpenländem, 97 . Ein Typenverzeichnis bringt Be hard KOCH, Corpus Nummorum Austriacorum (CNA) I, Mittelalter. Wien 1 994, 109 . Zur Frühzeit s. bes. Egon BA GARTNER, Die Frühzeit der Friesacher Pfennige. In: Ca rinthia r 142 (1952) 256
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–
Günther ROHRER
widmete sich der sogenannten Frühzeit, die von etwa 1 1 25/30 bis etwa 1 1 66 anzusetzen ist. In dieser Periode wurde der Friesacher Pfennig noch ausschließ lich von den Erzbischöfen von Salzburg und den Herzögen von Kä ten ge prägt. Hinzu treten die Patriarchen von Aquileia, die als erste den Friesacher Pfennig imitierten6.
Im Gegensatz zu den zeitlich folgenden Prägungen sind die Friesacher zu dieser Zeit noch anepigraph. Die erzbischöflichen und die herzoglichen Pfenni ge lassen sich zwar bereits aufgrund ihrer Vorderseitendarstellungen eindeutig trennen, dennoch bereitet die Zuordnung der einzelnen Typen den in Frage kommenden Münzherren erhebliche Schwierigkeiten. Aufgrund der technisch weit sorgfältigeren Aus ihrung eignen sich nun besonders die herzoglichen Pfennige für eine Darstellung der Methodik. Ich beschränke mich somit weitge hend auf diese7.
Methodisches
An erster Stelle mode er numismatischer Methodik steht die sogenannte Stem pelkritik bzw. der Stempelvergleich. Darunter wird die Feststellung und Analy se der ir die Prägung eines Münztyps oder einer Münzgruppe verwendeten Stempel verstanden. Der Numismatiker beschränkt sich also nicht darauf, Münztypen zu umschreiben, sonde stellt jeden einzelnen Stempel fest, der zum Einsatz kam8.
s Zu diesem Forschungsprojekt s. bereits Ingeborg BAUMGARTNER, Neues vom Friesacher Pfennig. Ein Forschungsprojekt zum Beitrag der Schri quellen. : Carinthia I 1 8 9 ( 1 999) 653 .; Heinz WINTER, Die Neuinventarisierung und Neuordnung der Sar nlung von Frie sacher Pfennigen am Wiener Münzkabinett. : Mitteilungen der Österreichischen Numis matischen Gesellscha 37 (Wien 1997) 10 .; ders., Die Frühzeit des Friesacher Pfennigs. In: Carinthia I 189 (1999) 637 .; ders., Der Friesacher P nnig. Ein Forschungsprojekt In: Be d KLUGE – Be ard WEISSER (Hg.), XII. Inte ationaler Numismatischer Kon ess Berlin 1997, Akten – Proceedings – Actes II. Berlin 2000, 990 . [Ku fassung in: XII. t ationaler Numismatischer Kon eß – Vor agszusammenfassungen. Berlin 1997, 167); Robert L – Manfr SCHREINER – Heinz WINTER – Michael ALR , Friesacher Pfen nig: Non-destructive examinations on Austrian medieval silver coins by energy dispersive X-ray fluorescence analysis. Archaeolingua-BAR, Centrat European Series (im Druck) so wie Beitrag LINKE – SCHREINER, in diesem Band.
6 Die Grundlagen die Erforschung der Frühzeit wurden von A old LUSC v. EBEN GREUTH [Friesacher Münzfunde. In: Jahrbuch Altertumskunde V (1911) 188 .; ders., Friesacher Pfennige. Beiträge zu ihrer Münzgeschichte und zur Kenntnis ihrer Gepräge. : Numismatische Zeitschri 55 (n. F. 15) (1922) 89 . bzw. 56 [n. F. 16] (1923) 33 .], wei ters von Wilhelm FRJTSCH – Marianne GRUB GER [Der Münz nd von Dümstein (Schild von Steier 3) 1953) sowie zuletzt von BA G R 1952 (zit. . 4) gelegt. Eine i sche Sichtung dieser Beiträge bei ALRAM 1996 (zit. . 4).
7 Für diese Studie standen etwa 600 erzbischö iche und 400 herzogliche Münzen zur Ve i gung, was das 12. Jahrhundert eine verhäl ismäßig reiche Grundlage darstellt.
8 Diese Methode ist nur r jene Perioden anzuwenden, in welchen noch keine mechanische Vervielfältigung der Stempel möglich war, sond diese von Hand geschnitten und höchs tens Punzen zur Vervielfältigung einzelner Bildteile eingesetzt wurden.
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Die Aussagekra dieser Methode beruht auf dem Umstand, dass nicht nur jeweils ein Vorder- mit einem einzigen Rückseitenstempel kombiniert ist, son de darauf, dass stets verschiedene Stempel miteinander in Verbindung treten. Dies ist dadurch bedingt, dass Unterstempel fest montiert waren, während Oberstempel frei ge hrt wurden. Dadurch waren Unterstempel haltbarer als Oberstempel, und letztere mussten, da sie sich schneller verbrauchten, ö er als Unterstempel ausgewechselt werden9. Aus diesem Grunde können die einzelnen Vorder- und Rückseitenstempel graphisch zu Stempelketten zusammengefasst werden, deren chronologische Ordnung durch fortschreitende Abnützungsspu ren möglich ist.
1 9 7 9 fasste Peter BERGHAUS die Möglichkeiten zus e n, die sich durch die Stempeluntersuchung r die frühmittelalterliche Numismatik erge ben, was auch auf das Mittelalter zu übertragen ist. Seine allgemein gehaltenen Überlegungen seien konkret herzoglich-Friesacber Material überprü lO. Dies auch als Reaktion auf Kritik an dieser Methode durch Gert HATZ 1 987. Nach HATZ bieten mittelalterliche Münzen auf Grund schlechter Erhaltung nur unzureichende Voraussetzungen für Stempelanalysen, zumal der Prozentsatz unverwertbaren und mehrdeutigen Materials zu hoch sei und Stempelidenti kationen damit häu g zu unsicher sind. Als zweiten Hauptkritikpunkt hrt er an, dass die Berechnung von Prägezahlen über Stempelzahlen eine offenkundi ge Schwachstelle darin habe, dass es keine verlässlichen bzw. verallgemeinba ren Zahlen darüber gäbe, wieviele Münzen pro Stempel geschlagen worden sindI I .
Beide Kritikpunkte sind zwar nicht unbegründet, jedoch zeigt das Friesa cher Material, daß Stempelidentifikationen bei ausreichender Erfahrung durch-
9 Festzuhalten ist, dass in Friesach der widerstandsfähigere Unterstempel wie üblich das meist au endiger gearbeitete Vorderseitenbild und der Oberstempel das Rückseitenbild g. In teressant ist dabei das Verhältnis von Unter- zu OberstempeL Normalerweise kann in der mittelalterlichen Münzprägung mit zwei bis f Oberstempel pro Unterstempel gerechnet werden ( UGE 1989, zit. . 2, 359). In Friesach dagegen ist in allen Prägeabschnitten der Frühzeit die Zahl der Oberstempel nur geringfügig höher als die der UnterstempeL Wahrscheinlich bedingten die ge ngen Erfahrungen bei der Münzherstellung einen rasche
IOren Verschleiss der Prägewerkzeuge als sonst üblich.
Peter BERGHAUS, Die hmittelalterliche Numismatik als Quelle der Wirtscha sgeschich
te. In: Herbe JANKUHN – Reinhard WENSKUS (Hg.), Geschichtswissenscha und Archäo logie (Vo äge und Forschungen II) Si aringen 1 979, 4 1 1 .; vgl. dazu auch den undsätzlichen Artikel von KLUGE 1989 (zit. . 2) 344 ., welcher eine Überprüfung der Methodik am Material des Bistums Halberstadt durch hrte und gleichfalls zu einem po
1 1 sitiven Ergebnis kam.
Gert HATZ, Der Handel in der späten Wikingerzeit zwischen Nordeuropa (insbesondere
Schweden) und dem Deutschen Reich nach numismatischen Quellen. : Klaus DÜWEL – Herbert JANKUHN – Harald S!EMS – Dieter T E (Hg.), Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vor- und geschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa : Der Handel der Karolinger- und Wikingerzeit. Bericht über die Kolloquien der Kommission die Al tertumskunde Mittel- und Nordeuropas in den Jahren 1980 bis 1983 (Abhandlungen der Akademie der Wissenscha en in Göttingen, phil.-hist. Klasse, Dritte Folge 156) Göttingen 1 987, 103 . [s. dazu auch UGE 1989 (zit. A . 2) 350 f.).
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aus auch ir größere Serien möglich sind. Jedoch können die Stempelbestim mungen und die Ergebnisse nur schwer überp werden. Hier muß weitgehend auf die Sorgfalt der Bearbeiter vertraut werden. Der Kritik an den Prägezahlen ist erwide , daß diese zwar unsicher bleiben, jedoch läßt sich über die er haltenen Werte durchaus die Prägeintensität einzelner Münzstätten vergleichen.
Diskussion und Ergebnisse
Im Folgenden seien die von Peter BERGHAUS umrissenen Möglichkeiteni2 und deren Anwendung auf das herzoglich-Friesacher Material der Frohzeit disku tiert.
Nach BERGHAUS erlauben „Stempelgleichheiten … die Lokalisierung der durch Stempelidentitäten miteinander verbundenen Münzen an einem Ort.“I3
Insgesamt liegen sechs herzogliche Typen vor (Abb. 1-8). Mit Ausnahme des ältesten Typs H 114, der sich aufgrund der sorglosen Aus ihrung markant von allen jüngeren Prägungen unterscheidet, sind die Münzen durch Überein stimmung in Typologie, Stil und Fabrik bereits optisch einer gemeinsamen Prä gestätte zuzuschreiben. Absolute Sicherheit bietet aber die Stempelanalyse: Die Typen H II und H III weisen einen gemeinsamen Vorderseitenstempel auf, H III und H IV besitzen einen gemeinsamen Rückseitenstempel, H V und H VI dage gen weisen keine Verbindungen auf15.
Dass H V keine Stempelverbindungen zum Vorgängertyp au eist, ist dadurch bedingt, dass auf der Vorderseite andere Beizeichenkombinationen au reten und die Rückseite ein neues Bild bringt16. H VI dagegen weist auf beiden Seiten eine vollkommen neue Bildwahl auf, was auch in diesem Fall Stempelverbindungen zu den Vorgängertypen ausschließt.
Zus e nfassend kann festgestellt werden, dass die Stempelanalyse in allen möglichen Fällen bestätigt, dass die einzelnen Typen – abgesehen von den wenigen am Beginn stehenden Pfennigen – eindeutig Produkte einer Münzstätte sind.
Der nächste Schritt ist die chronologische Ordnung des Materials und – in weiterer Folge – die Zuweisung der Münztypen an die Prägeherren. Da ir können nach BERGHAUS wieder die Ergebnisse der Stempelkritik herangezogen werden, wobei die Fundevidenz ergänzend einbezogen werden muß: „Stempel ketten, in denen verschiedene Unter- und Oberstempel durch eine ununterbro-
1 2 B E R G H A U S 1 9 7 9 ( z i t . . 1 0 ) 4 1 4 f.
1 3 Zur Lokalisierung der he oglichen Münzstätte selbst s. Ex rs Die he ogliche Mü tätte
in diesem Bei ag.
14 Ich beziehe mich bei der T enbezeichnung und bei der Stempelzählung auf meine Typolo gie [Beitrag W TER in: – HÄRTEL – SCHRE ER (zit. . 3)).
15 Identische Stempel sind aufder Typentafel durch horizontale Linien verbunden.
16 Typ H V lässt sich auch auf und der metallur schen Untersuchungen eindeutig an H bis H anschließen. F eine Untersuchung des ausgesprochen seltenen Typs H VI stand kein
ExemplarzurV g ung.
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chene ,Kette‘ miteinander direkt oder indirekt verbunden sind, ermöglichen die relative Chronologie von Münzgruppen.“
Bei Typ H I ist auf der Vorderseite ein ontales Brustbild mit Fahne und Schwert dargestellt. Auf der Rückseite findet sich ein aus einfachen Linien ge bildetes, dreitürmiges Gebäude. Dass dieser Typ, der keine Stempelverbindun gen zu anderen Typen au eist, am Beginn der herzoglichen Reihe steht, ist aufgrund der Fundevidenz und stilistischer Überlegungen hinreichend gesi chertl7. Bleiben also die Typen H li bis H VI, die aufgrund von Stempelverbin dungen und typologischen Kriterien eine klare chronologische Abfolge zeigen. Sie bilden den gesamten typologischen Bestand bis zum Ende der Frühzeit.
Zunächst ist von den Typen H Il bis H IV auszugehen, die einen Großteil der gesamten herzoglichen Prägung ausmachen und gemeinsame Stempel besit zen. H li und H III zeigen auf der Vorderseite stets die gut propo ionierte, ganz gurige Darstellung eines bärtigen Herzogs mit Kegelhaube und Rüstung nach links. Der Herzog hält in der Rechten ein erhobenes Schwert und in der Linken eine Fahnenlanze. Der – wie sich später zeigen wird – ältere Typ H II bringt auf der Rückseite drei senkrechte Stäbe zwischen zwei Kreuzen. Beim
jüngeren Typ H III dagegen wird der mittlere Stab an seinem unteren Ende ge spalten, zwischen die Stäbe werden zwei einander zugekehrte Pro lköpfe ge setzt. Einige Pfennige der Typen H II und H III sind nun durch einen gemein samen Vorderseitenstempel verbundenl8, wobei dessen fortschreitende Abnüt zung die Abfolge festlegt: H II steht eindeutig vor H lil (Abb. 9, 10).
H IV dagegen stellt die unveränderte typologische Fort hrung von H III dar. Auffallend jedoch ist eine markante Änderung in der Vorderseitendarstel lung: Wird bei H II und H III ein zierlicher, stehender, gut proportionie er Her zog gezeigt, der aufgrund seines Bartes einen an Lebensjahren älteren Eindruck erweckt, so ist dessen Aus hrung beim jüngeren Typ H IV merklich gröber, wobei besonders der häu g überdimensionierte Kopf auffallt. Dieser umfang reichste herzogliche Typ der F hzeit steht nun durch einen Rückseitenstempel im Verbund mit H IIII9. Ein erst bei H IV au retender Stempelschaden legt die Abfolge der kombinierten Vorderseitenstempel und somit auch der Typen H IIl und H IV wieder eindeutig fest: H III steht vor H IV (Abb. I I, 12). Damit besit zen wir eine gesicherte Abfolge der Typen H I bis H IV.
H V und H VI dagegen können nur mit Hilfe typologischer Überlegungen in eine chronologische Abfolge gebracht werden: Der eher seltene Typ H V zeigt auf der Vorderseite noch dasselbe Bild wie H IV, bringt auf der Rückseite
jedoch eine Mauer, auf welcher drei Türme stehen. Da Typ H V in der Vorder seite nun Typ H IV gleicht, und sich auch in der Rückseite noch eng an diesen
17 Die Beweis n g ndet sich im Bei ag W TER in: – HÄR L – SCHRE R (zit. . 3), zusammen mit einer umfassenden Neuvorlage dieses Fundes. Der tatsächliche Fundort dieses klein Ho es ist unbekannt, die eingebürgerte Bezeichnung „Fund aus Ro veredo“ wird jedoch beibehalten. Zum Fund s. LUSCH 1 9 1 1 (zit. . 6) 194 ff.
1 8 Vorderseitenstempel H 11-Fl = H III-B l . 19 Rückseitenstempel H Hl-b2 = H IV-al.
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anlehnt, liegt es nahe, in H V den Nachfolger von H IV zu sehen20. Der bislang überhaupt nur in drei Exemplaren bekannt gewordene Typ H VI schließlich weist auf beiden Seiten eine neue Bildwahl auf: Die Vorderseite zeigt vier ins Kreuz gestellte, zum Rand offene Bögen, in denen sich jeweils ein frontaler, wohl barhäuptiger, bärtiger Kopf be ndet. Die Rückseite bringt drei Türme. Ich vermute, dass dieser Typ am Ende der Frühzeit steht.
Nachdem die Abfolge21 der herzoglichen Typen feststeht, können diese den Prägehe en zugeordnet werden. Wegen des aus historischen und numis matischen G nden sicheren Prägebeginns um 1 1 25/30 – was an dieser Stelle nicht näher ausge ihrt werden kann22 – wird Typ H I Herzog Engelbert ( 1 1 24-
1 135) zugewiesen. Es folgen H li und H III. Aufgrund der identischen und zum Teil auch stempelgleichen Vorderseitendarstellung, die sich von den nachfol genden Prägungen unterscheidet und beide Typen deutlich als eigenständigen Komplex auszeichnet, liegen eindeutig die Produkte eines Münzhe vor, bei dem es sich nur um Engelberts ältesten Sohn und Nachfolger Ulrich I. (1135- 1 144) handeln kann. Aufgrund der Fundevidenz23 müssen die restlichen drei Ty pen, also H IV bis H VI, in die Zeit vor etwa 1 1 60 datiert werden. Sie sind so mit zur Gänze Ulrichs Sohn und Nachfolger Heinrich V. (1144-1161) zuzu schreiben24.
Wie angedeutet, darf die wissenscha liche Erschließung einer Münz gruppe nicht mit der typenmäßigen Erfassung derselben ihr Ende nden. Nach Peter BERGHAUS kann mit Hilfe der Stempelkritik etwa die Frage nach der hinter einzelnen Typen stehenden Prägemenge gekJärt werden: ,,Die Zahl der ermittelten Stempel erlaubt Schlüsse auf den Umfang der Prägung. … Gleich zeitig läßt sich an der Berechnung der Stempelzahl die Zuverlässigkeit des vor liegenden Materials ablesen. … Aufgrund von Wahrscheinlichkeitsberechnun gen ist es bei einigermaßen vollständiger Überlieferung möglich, die Anzahl der
20 Darüber hinaus zeigt Variante H Va auf der Rückseite noch die markanten Pro lköpfe der Typen H lii und H IV. Auch der sich gering igig verschlechtemde Silbergehalt von Typ H
21V im Vergleich Typ H IV weist aufeine zeitliche Abfolge.
22 Die parallele Prägung einzelner Typen schließe ich aus.
23Siehe dazu Bei ag WINTER in: ALRAM – HÄRTEL- SCHRErNER (zit. . 3).
Hier ist der um 1 1 60 verborgene Fund von Gra Esztergom in Ung nennen, der nahe alle bekannten herzoglichen Gepräge der Frühzeit enthielt, darunter eben auch H VI. Zum Fund s. LUSCHrN 1 9 1 1 (zit. . 6) 198 . und Ferenc KIRALY, XII. szäzadi penzek Magyarorszägon (Az esztergomi lelet összefoglalo feldolgozäsa) [Münzen des 12. Jahrhun derts in Ung (Zusammenfassender Bericht über den Münz nd von Esztergom)). : Folia Archaeologica VII ( 1 955) 127 . (Zusammenfassung: 240 f.). beiden Publikationen ist der im Berliner Münzkabinett aufbewah e Vertreter des Typs H VI nicht enthalten. Eine umfassende Neupublikation dieses Fundes ndet sich im Beitrag WINTER in: ALRAM – HÄRTEL – SCHRErNER (zit. . 3).
24 Aus der Zeit der Heinrich nachfolgenden Herzöge Hennann (1 161-1 181) und Ulrich Il. (1181-1202) ist wenig bekannt. Diebeiden Haupttypen dieser Zeit (CNA Cb8, Cb9) unter scheiden sich sowohl typologisch als auch in Stil und Mache erheblich von ihren Vorgän ge , so dass eine Zuordnung von Typ H Vl Herzog Hennann wenig wahrscheinlich ist. Ich weise diesen T daher noch Heinrich V. .
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ursprünglich augewandten Stempel zu ermitteln und bei allem Vorbehalt Vor stellungen über die ausgeprägte Prägemen�.e zu erhalten.“
Zunächst gibt die Tabelle einen Uberblick über die nachgewiesenen Stempel. Die Zahlen in Klammer geben Stempel an, die nur einfach belegt sind.
Typ Vorderseiten- Rückseiten- Anzahl der Münzen Stemoel25 stempel
Bereits die Zahl der erhaltenen Stempel deutet an, dass es sich bei der hen herzoglichen Münzprägung um eine solche von kleinem Umfang gehandelt hat. Nach bescheidenen An ngen unter Engelbert und Ulrich I. erreicht sie ihren Höhepunkt unter Heinrich V. Ihr Umfang geht jedoch noch während dessen Regentscha rasch zurück.
Wendet man nun eine statistische Formel an, die davon ausgeht, dass die untersuchten Münzen und die dabei gefundenen Stempelzahlen lediglich einen Ausschnitt aus dem Gesamtmaterial darstellen, zueinander aber in einem be stimmten Verhältnis stehen, so lässt sich die Zahl der ursprünglich eingesetzten Prägestempel ermitteln. Natürlich beinhalten entsprechende Berechnungen ei nige Unbekannte, dennoch scheinen sie zumindest r den Vergleich mit ande ren Prägegruppen nicht uninteressant sein3o.
Von Herzog Engelbert {Typ H I) blieben nur 15 Münzen erhalten. Auch die beiden Typen Dirichs (Typ H II und H III) sind durch lediglich 24 Pfennige
25 Die Bereclmungen gehen stets von den widerstandsf higeren Unterstempeln aus (s. . 9).
En2elbert (1124-113
H l 7 (3) 1 5 Ulrich I. (1135-1 144)
H I I 6 2 6 ( 3 ) 4 2 8 9
H ili
Heinrich V.(it44-1161)
327 (1)
15
H IV
HV
HVl
21 (5)
2 (1)
2429
3 (1)
1
347
30
3
26DavoneinStempelbeiTypHIIIweiterverwendet(HII-FI =HIII-81). 27 Davon ein Stempel von H li übe ommen (H II-F1 = H ill-BI).
28 Davon ein Stempel bei Typ H IV weiterverwendet (H III-b2 = H IV-al).
2 9 Davon Stempel von Typ H lii üb ommen ( H III-b2
30 Diese Überlegungen basieren auf dem Umstand, dass eine große Anzahl von Münzen eines
Typs in einer kleinen Zahl verschiedener Stempel eine zwar be enzte, aber um so vollstän diger erfasste Emission anzeigt. Eine statistische Berechnung ist j och nur dann sinnvoll, wenn das Verhältnis zwischen der Zahl der untersuchten Münzen und der Zahl der ge nde nen Stempel zumindest 5 : 1 be ägt [ UGE 1989 (zit. . 2) 359]. Diese Voraussetzungen e illen nur wenige T en der Frühzeit, ir die Herzöge überhaupt nur T H IV, wo bei 347 untersuchten Münzen 2 1 Stempel festgestellt werden konnten. Die verwendete Formel
=
=
ursp ingliche Ste pelzahl, n
=
Z der untersuchten Mün
n . d I (n – d1) (D
lautet D
zen, d = Zahl der dabei gefundenen Stempel, dl = Zahl der in nur einem Exemplar vor
kommenden Stempel); vgl. dazu UGE 1989 (zit. . 2) 358 mit
38.
105
=
H IV-aI).
.
9 (4 )
4 (1)
belegt. Wir kennen damit nur einen Ausschnitt aus der Gesamtproduktion, der keine statistischen Berechnungen zulässt. Die Werte deuten überdies darauf hin, dass wir noch nicht alle Stempel kennen. Besonders eignet sich aber H IV, der Haupttyp Heinrichs: Zu den 2 1 bekannten Vorderseitenstempeln sind nach der in . 30 genannten Formel keine weiteren Eisen erwarten. Zusammen mit den Typen H V (4 Stempel) und H VI (2 Stempel) sind r Heinrich somit zu mindest 27 Vorderseitenstempel vorauszusetzen.
Um von der Zahl der Stempel nun auf den tatsächlichen Umfang der Prä gung zu schließen, müssen einige mehr oder weniger unbekannte Faktoren be rücksichtigt werden. So ist einerseits bislang nicht erwiesen, wie viele Münzen tatsächlich mit einem Stempel geprägt werden konnten, bis dieser so weit auf gebraucht war, dass er ausgewechselt werden musste. Die Schätzungen reichen von 2.500 bis 10.000 Exemplaren pro StempeJ31, wobei für Münzstätten mit wenig praktischer Erfahrung – wie eben r Friesach – eher von einer niederen Zahl ausgegangen werden muß. Andererseits ist nicht zu ermitteln, ob jeder Stempel tatsächlich so lange verwendet wurde, bis er unbrauchbar wurde. Nach der Minimalzahl von 2.500 geprägten Münzen pro Stempel ist unter Heinrich somit von 67.500 Pfennigen auszugehen, nach der Maximalzahl von 270.000. Dies entspricht zwischen 64,8 und 259,2 kg Feinsilber32. Hier ist auch ein Blick auf die e ittelten Werte der frühen erzbischö ich-Friesacher Prägung interes sant33, die weitaus umfangreicher als die herzogliche war.
Etwa 40 Jahre 919 2-3676,8 kg > 8-259,2
Zu Beginn, unter Erzbischof Konrad I. (Typen E 1-E III), wurden von etwa 1 125/30 bis 1 147, also einem Zeitraum von 18 bis 23 Jahren, zwischen etwa 217.500 und 870.000 Pfennige geprägt, r die man zwischen 208,8 und 835,2 kg Feinsilber benötigte. Unter Konrads Nachfolger Eberhard I. bzw. wiederum dessen Nachfolge – die Zuweisung der Typen an die einzelnen Münzherren ist hier nicht eindeutig – wurden bis etwa 1 166, dem Ende der Frühzeit, zwei Haupttypen geprägt, die einen Zeitraum von etwa 20 Jahren abdecken. Unter dem ersten Typ (E V) ist zunächst eine Verdoppelung der Produktion festzu-
31 UGE 1989 (zit. . 2) 357 f.
32 Ich gehe von einem Raubgewicht von 1 ,20 pro P nnig bei 80 % Silbergehalt aus. 33 Die Daten folgen dem Beitrag WINTER in: – H TEL – SCH ER (zit. . 3).
Erzbischöfe
Feinsilber Herzöge
Feinsilber
Konrad l.
(ab etwa 1 125/30- 1147= 18-23Jahre) Eberhard I., Konrad
!L bzw. Adalbert li. (?)
( 1 147-e a 1 1 66 = etwa 20 Jahre) Gesamt:
208,8-835,2 kg Engelbert, Ulrich I. (ab etwa 1 1 25/30-
1144= 14-19Jahre)
< als E bischöfe
zwei Typen:
446,4-1785,6 kgbzw. 264-1056 kg
Heinrich V. ( 1 144- 1161)
(= etwa 18 Jahre)
64,8-259,2 kg
106
stellen, unter dem folgenden, die Frühzeit abschließenden Typ (E VI) kommt es im Vergleich zum vorangegangenen Typ wieder zu einer Verringerung der Pro duktion um etwa ein Drittel.
Die Erzbischöfe verprägten in den etwa 40 Jahren zwischen etwa 1 1 25/30 und etwa 1 166 somit zwischen 9 1 9,2 und 3676,8 kg Feinsilber. Für die Herzöge lassen sich nur die Zahlen unter Heinrich V. nennen: In den etwa 18 Jahren zwischen 1 144 und 1 161 wurden zwischen 64,8 und 259,2 kg Feinsilber ver münzt.
Auf welch schmaler Materialbasis wir uns hier aber bewegen, zeigt, dass von dieser doch beeindruckenden Menge heute nur noch zwischen 0,01 und 0,06 % überliefert sind, was zugleich auch wieder aufdie großen Unsicherhei ten bei den dahinter stehenden statistischen erlegungen weist. Jedoch geben diese auf den ersten Blick weit auseinander liegenden Zahlen erstmals einen Einblick in das ungefähre Prägevolumen zweier kleiner Münzstätten dieser Zeitstellung. Dass wir mit diesen Werten aber durchaus richtig liegen werden, zeigen etwa die von Wolfgang HAHN r die frühe Salzburger Prägung ermit telten Werte, deren Stempel nahezu lückenlos bekannt sind: Für die Zeit von 995 bis 1002 schloss HAHN (ausgehend von einer angenommenen Schlagzahl von 10.000 pro Oberstempel) auf die Ausprägung von 12.000 Pfennigen pro Jahr, für die anschließenden sieben Jahre bis 1009 auf die Prägung von 30.500 Münzen pro Jahr34. Bei der erzbischöflich-Friesacher Prägung Konrads I., ist je nachdem ob man von 1 8 oder 23 Prägejahren ausgeht bzw. man mit 2.500 oder 10.000 geprägten Münzen pro Stempel rechnet – von einer Ausprägung zwischen etwa 9.500 und 48.000 Pfennigen pro Jahr auszugehen, im Vergleich zu den 12.000 von HAHN ermittelten Pfennigen also durchaus realistische Werte.
Zuletzt schließt Peter Bergbaus, dass es „die exakte Stempeluntersuchung der Münzen eines Ortes erlaubt, Einblicke in die Organisation, die Tätigkeit und das Prägevolumen einer Münzstätte“ zu erhalten.
Hier ist wieder besonders Heinrichs Haupttyp H IV anschaulich. Auffäl lig ist die reiche Beizeichensetzung35, die sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite au ritt und in der vorliegenden Form bereits bei Typ H III ausge bildet war. In einigen Fällen ermöglichte die Stempelkritik zwar, die Abfolge dieser Zeichen festzustellen, jedoch war die Materialmenge für eine noch feine re Ordnung doch zu gering. Hier musste ein Modell erschlossen werden, das noch der Bestätigung durch weitere Funde bedarf.
Bei H IV liegen auf Vorderseiten insgesamt 20 verschiedene Beizeieben kombinationen in 2 1 Stempeln vor, die sich auf Vorderseiten ohne Beizeichen,
34 Für die Periode von 995-1002 konnte HAHN 5 Unter- und 8 Oberstempel bei insgesamt 47 Münzen nachweisen, bei der Periode von I002-1009 waren es 15 Unter- und 20 Oberst pel bei 78 aufgenommenen Pfennigen [HAHN 1 996 (zit. Anm. 2) 39 f.].
35 Zur Funktion von Beizeichen in der mittelalterlichen Münzprägung s. Fritz DWORSCH , Studien zum Österreichischen Münzwesen des Mittelalters V. In: Numismatische Zeitschri 68 (n. F. 28) (1935) 64 f.
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weiters auf solche mit einem bis nf und schließlich mit acht Beizeichen ver teilen36. Jeder Vorderseitenstempel wurde somit durch eine eigene Beizeieben kombination gekennzeichnet. Dagegen lassen die insgesamt 24 Rückseiten stempel nur 13 verschiedene Beizeichenkombinationen erkennen. Anders als bei den Vorderseiten liegen also von einigen Beizeichenkombinationen der Rückseite mehrere gleichartige Stempel vor. Dieser Umstand lässt sich nun da hingehend erklären, dass die Haltbarkeit eines Rückseitenstempels nicht immer r jene Silbermenge ausreichend war, die mit einer bestimmten Beizeieben kombination zu versehen war, und der Stempel daher entsprechend o durch ein gleichartiges Eisen ersetzt werden musste.
Die überaus dichten Stempelkoppelungen lassen aufgrund eindeutiger Abnützungsspuren erkennen, dass die Vorderseitenstempel nicht jeweils aufge braucht und dann durch neue ersetzt wurden. Vielmehr lässt sich feststellen, dass die Vorderseitenstempel immer wieder – scheinbar wahllos – eingesetzt und dabei mit verschiedenen Rückseiten kombiniert wurden. Es lässt sich mit Sicherheit aussagen, dass viele Vorderseitenstempel gleichzeitig in Verwen dung standen, welche relativ o gegeneinander ausgewechselt wurden.
Die ältere Literatur sah im Zunehmen der Beizeichen auf den Vordersei ten eine klare chronologische Abfolge. Im Gegensatz dazu vertrete ich die Auf fassung, dass eine solche Anordnung keine chronologische Abfolge widerspie gelt und sehe als primäres Ordnungskriterium der einzelnen Emissionen die Beizeichenkombination des Rückseitenstempels an. Diese ist in der Regel zu dem besser erkennbar als jene der Vorderseite. Neben dem Umstand, dass man zur Kennzeichnung einzelner Emissionen offensichtlich weitgehend identische Rückseitenstempel bei anscheinend beliebig auswechselbaren Vorderseiten stempeln benötigte, spricht r diese Annahme die Tatsache, daß auch beim äl teren Typ H Ili sowie beim jüngeren Typ H V keine regelmäßige Zunahme der Beizeichen festzustellen ist, die aufgrund der Struktur dieser Typen dann auch dort vorauszusetzen wäre. Gegen eine Zunahme der Beizeichen sprechen auch einige aufgrund der Abnützungsspuren eindeutig festzulegende Stempelabfol gen, die beweisen, dass in einigen Fällen Vorderseiten mit vier Beizeichen vor solchen mit drei stehen.
Insgesamt lassen sich bei Typ H IV nun 36 Kombinationen der einzelnen Vorder- und Rückseitenbeizeichen feststellen, deren Bedeutung zu erschließen ist. Hier hil die Tatsache, dass im Mittelalter der periodische, manchmal sogar
jährliche, Münzverruf üblich war. Bei Heinrich stehen r entsprechende Über legungen höchstens 1 8 Prägejahre zur Ver gung – wobei in dieser Zeit neben Typ H IV auch die Typen H V und H VI unterzubringen sind. Daher ist die Gleichsetzung von jeder der 36 Beizeichenkombinationen bei Typ H IV mit je weils einer Jahresemission abzulehnen. Sieht man dagegen jede Beizeieben kombination der Rückseite als Merkmal einer Jahresemission an, so wäre bei 1 3 verschiedenen Kombinationen eben von 13 Emissionen auszugehen. Da Typ H IV zu Beginn von Heinrichs Regierungszeit anzusetzen ist, würden in diesem
36 Stempel mit sechs und sieben Beizeichen dagegen fehlen. 108
Falle die Jahre bis etwa 1 1 56 abgedeckt sein, was auch r die Typen H V und H VI noch genügend Zeit lassen würde. Mit großer Wahrscheinlichkeit lässt sich diese Annahme auch auf die Typen H II, H III, H V und H VI übertragen. Tatsächlich spricht die jeweilige Anzahl von Beizeichenkombinationen da r. Es ergibt sich folgende Einteilung:
H VI etwa 1 1 59-etwa 1 1 60(?)
Abschließend kann festgestellt werden, dass es die Stempeluntersuchung er möglichte, erstmals ein fundiertes Modell des Prägeablaufes und -umfanges von zwei (heute) Österreichischen Münzstätten des 12. Jahrhunderts zu erhalten. Weiters stellen Stempeluntersuchungen das einzige Mittel dar, Emissionen ge nauer als nach den Regierungsdaten ihrer Emittenten einzugrenzen.
Exkurs: Die herzogliche Münzstätte
Die Lokalisierung der herzoglichen Münzstätte ist nicht sicher, zumal diese so wohl auf den Münzen der Frühzeit als auch in schri lichen Quellen nicht ge nannt wird37. Die zeitlich wohl nur kurze und ihrem Umfang nach äußerst ge ringe herzogliche Anfangsprägung (Typ H I) könnte aufgrund der mit der zeit gleichen erzbischöflichen Prägung (Typ E I) identischen Mache und des ver gleichbaren Stils noch gemeinsam mit dieser in Friesach abgewickelt worden sein, wie zuletzt von AL M ve utet38.
Alle übrigen T en dagegen (also H II bis H VI) sind von besserer Aus hrung. Durch ihre Ubereinstimmung in Typologie, Stil und Fabrik sind sie bereits optisch einer gemeinsamen Münzstätte zuzuschreiben. Die Münzstätte wurde also kurz nach Beginn der Prägung vermutlich verlegt, wo r natürlich besonders St. Veit in Betracht zu ziehen ist. Einerseits ist jedoch das Zentrum der herzoglichen Macht des 12. Jahrhunderts nicht sicher zu bestimmen – nach Ingeborg BAUMGARTNER kommen neben St. Veit auch die Burgen Kraig, Frei berg, Karlsberg und Hardegg in Frage39 – andererseits wurde die spätere Her zogsstadt zusammen mit den genannten Burgen (auch Hardegg?), deren Rolle
37 Die erste Nennung St. Veits („SANDE VEIT“) auf Münzen erfolgte erst unter Herzog Be ard (1202-1256) (CNA Cbl 1).
Engelbert 124-1 135)
HI
etwa 1125/30-1135
U1rich 1(. 1 135-1 144)
H II
1 135-etwa 1 141 (?)
H ili
etwa 1142-1144(?)
H e i n r i c h V 1 1 4 4 – 1 1 6
H IV
etwa 1 144-etwa 1 1 56 (?)
HV
etwa 1157-etwa 1158
38 1996 (zit.
4) 100. Die metallurgische Untersuchung ergab zwar eine abwei chende Zusammensetzung des erzbischö ichen und des herzoglichen Silbers, doch könnte dieser Umstand allein durch eine unterschiedliche Herkun des Metalls erklärt werden. Natürlich muss auch in Be acht gezogen werden, dass Erzbischöfe wie Herzöge eine je
.
39weils eigene Münzstätte besaßen, sich aber derselben Handwerker bedienten.
lngeborg BA GAR R, Schriftquellen Frühzeit des Friesacher Pfennigs. Eine Ein
hrung. : – H TEL – SC R (zit.
3).
1
.
als Münzstätte nicht gänzlich auszuschließen ist, nach Ansicht der älteren For schung im Jahre 1 147 von MarkgrafEngelheft von Istrien, dem Bruder Herzog Ulrichs und Onkel des damaligen Herzogs Heinrich V., in der Absicht, sich am Kreuzzug König Konrads . zu beteiligen, an den Ba berger Bischof Eber hard II. veräußert40. Mit Sicherheit war St. Veit erst 1 1 76 wieder im alleinigen Besitz der Spanheimer41.
E s ist jedoch – wie zuletzt von WADL bemerkt – unsicher, ob St. Veit tat sächlich bambergisch wurde, zumal Engelbert nicht zum Kreuzzug aufgebro chen war. Da St. Veit auch nach 1 147 nachweislich in enger Beziehung zu den Spanheime stand,42 war somit durchaus auch zwischen 1 1 47 und 1 1 76 eine
Prägung in St. Veit möglich. Ich möchte mich daher Egon BAUMGARTNER an schließen43, der die Münzstätte durchgehend in St. Veit beließ und nehme r T H I eine Prägung in Friesach und r die T en H II bis H VI eine solche in St. Veit an.
Abbildungsverzeichnis
Typen
I Typ H Ia [nach WINTER in: AL – HÄRTEL – SCHREINER (zit. Anm. 3), dort Kat.-Nr. 583]; Fund von „Roveredo“ (Verbleib?, Gips Wien, Münzkabinett, danach Abbildung)
2 Typ H lb (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 584); Fund von „Roveredo“ (Wien, Münzkabinett, Inv. Nr. MA 8022)
3 (= Abb. 9) Typ H II (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 606); Fund von Gran (Wien, Münzkabinett, lnv.-Nr. MA 8023)
4 T H III (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 609) (Wien, Münzkabinett, lnv.-Nr. MA 8025)
5 Typ H (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 751); Fund von Gran (Esztergom, Balassa Bälint
Muzeum)
6 Typ H Va (WrNTER, a.a.O., Kat.-Nr. 975); wohl aus dem Fund von Gran (Wien, Münzkabi nett, lnv.-Nr. MA 8053)
7 Typ H (W TER, a.a.O., Kat.-Nr. 992); wohl ausdem Fund von Gran (Wien, Münzkabi nett, Inv.-Nr. MA 8055)
8 Typ H Vlb (WINTE a.a.O., Kat.-Nr. 1002); Fund von Dümstein (Graz, Joanneum, Inv.-Nr. 55176)
40August JAKSCH, Geschichte K tens bis 1335, 1: Urzeit bis 1246. Klagen rt 1 928, 274 . 41 Zu diesem Zeitpunkt wurde in einem Vertrag mit BischofHermann II. von Samberg (1 1 70- 1 1 77) die Vogtei über die bambergischen Besitzungen um Die ichstein sowie über Güter, die Samberg in der Umgebung von St. Veit verblieben waren, wieder an den K tner Her zog Hermann übertragen (C. FRÄSS-EHRFELD, Geschichte K tens I : Das Mittelalter. Kla gen rt 1984, 1 94, 224 f; Wilhelm WADL, Stadtgeschichte. : Andreas BESO et al., St.
Veit an der Glan. Klagen rt 1 997, 1 0 ).
42 Die Argumente nden sich bei W L 1997 (zit. Anm. 41) I I sowie bei BA GAR ER
(zit. . 39).
43 BA GARTNER 1952 (zit. Anm. 5) 264 .
1 10
A bfo l g e d e r Typ e n H // u n d H
9 (= Abb. 6) T H II (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 606); Fund von Gran (Wien, Münzkabinett, Inv.-Nr. MA 8023)
10 T H III (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 611); Fund von Gran (Esztergom, Balassa Bälint M zeum)
Abfolge der Typen H und H IV
I I T H III (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 619); Fund von Gran (Wien, Münzkabinett, Inv.-Nr. MA 8024)
12 T H (WINTER, a.a.O., Kat.-Nr. 622); Fund von Gran (Wien, Münzkabinett, Inv.-Nr. MA 8027)
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T entafel m herzoglich Friesacher Pfennig 112
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
43
MS 2001
HE USGEGEBEN VON GE JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
niederösterreich kultur
Titelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erfor schung der materiellen Kultur des Mittelalters, Kö ermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: KOPITU Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhalt
Beiträge zur Erforschung des mittelalterlichen Handwer in Österreich:
Thomas Kühtreiber, Vorwort ……………………………………………………….. …………. 5
Brigitte Cech, Bergtechnik der hen Neuzeit. Ein Eisen ndkomplex
des 16. Jahrhunderts aus der Bergschmiede am Oberen Bockhartsee, Gasteiner Tal, Salzburg ………………………………….. ………………………………….. 7
Gabriele Scharrer, Mittelalterliche Töpferöfen im Österreichischen
Donauraum und der Strukturwandel in der Keramikherstellung …………. … 33 Heinz Winter, Die mittelalterliche Münzstätte am Beispiel
des Friesacher Pfennigs ……………………………………………………………………. 98
Robert Linke und Man ed Schreiner, Naturwissenscha liche Untersuchungsmethoden zur Klärung der Provenienz
mittelalterlicher Münzen an den Beispielen Friesacher Pfennig
und Tiroler Kreuzer ……………………………………………………………………….. 113
Kinga Tarcsay, Produktionsabfall und Halbprodukte aus Glas.
Archäologische Erkenntnisse zur Glasherstellung in Ostösterreich ……. 125 Thomas Kühtreiber, Eisenverarbeitung auf mittelalterlichen Burganlagen …. 140
Buchbesprechungen …………………………………………………………………………….. 159
Beiträge zur Erforschung des mittelalterlichen Handwer in Österreich
Vorwort
Von 23.-25. März 2001 fand in Krems auf Einladun� des ,Instituts für Realien kunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit‘ der Osterreichischen Akademie der Wissenscha en das 4. Treffen des Arbeitskreises zur Erforschung des mit telalterlichen Handwerks statt. Zum ersten Mal verließ der Arbeitskreis somit seine „Heimat“ Konstanz, wo bislang auf Initiative des Arbeitskreisleiters Ralph Röber in seiner beru ichen Wirkungsstätte in der Außenstelle Konstanz des Ar chäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg drei höchst erfolgreiche und abwechslungsreiche Treffen stattge nden hatten.
Mit der ersten Tagung außerhalb von Konstanz wurde somit auch die Ge legenheit ergri en, neben dem Haupttagungsthema „Fehl-, Halbprodukte sowie ungearbeitete Objekte“, welches in einem Folgeheft von Medium Aevum Quoti dianum voraussichtlich im Herbst 2001 vorgelegt wird, den Forschungsstand zur Handwerksforschung in der Mittelalterarchäologie Ostösterreichs zu beleuchten.
ln insgesamt acht Vorträgen wurde zum einen ein breites Spektrum an Forschungstätigkeiten in der für manchen ausländischen Gast als te a incognita emp ndenen Region ersichtlich, die sich über verschiedene Materialgruppen (Keramik, Glas, Metalle) und Disziplinen (u. a. Numismatik, Montanarchäolo gie, analytische Chemie) erstreckt. Zum anderen zeigte sich, dass neben den in der Mittelalterarchäologie auch überregional stark vertretenen Arbeiten zur Ke ramik- und Glasforschung in Ostösterreich ein ausgeprägter Schwe unkt in der Archäometallurgie zu beobachten ist, wobei dieser Fachzweig Forschungen vom Bergbau bis zur experimentellen Rekonstruktion alter Ver hrenstechniken zum Oberflächendekor von Edelmetallschmuck umfasst.
Dabei handelt es sich weniger um ein zentral gelenktes Forschungsvorha ben, sonde um eine Reihe von Initiativen, die alle mehr oder weniger ihre Im pulse aus der starken montanarchäologischen Tradition dieses Raumes schöpfen, die untrennbar mit den Namen von Forscherpersönlichkeiten wie Franz Hampl, Heinz Neuninger, Richard Pittioni, E st Preuschen u. a. m. verbunden ist. Seit mittle eile vielen Jahren existiert daher auch eine enge Kooperation mit der Montan-Universität Leoben, die z. B. im Forschungsprojekt zum Gasteiner Goldbergbau derzeit reiche Früchte trägt. Die starke naturwissenscha liche Ausrichtung der archäologischen Arbeit an der Universität Wien fand zuletzt ihren institutionellen Niederschlag in der Gründung des ,Vienna Institute for
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Archaeological Research‘ (VIAS), dessen Mitarbeiterinnen Hilfestellung bei interdisziplinären Forschungsproblemen sowie Eigenforschung leisten. Zwei Mitarbeiterinnen – Gabriele Scharrer und Birgit Bühler- nahmen am Tre n in Krems teil.
Forschungslücken in der Österreichischen Archäologielandscha an dieser Stelle zu diskutieren ist müßig – zu groß ist der Mangel an qualifizierten chäologlnnenstellen, um eine halbwegs ächendeckende Arbeit, v. a. in der Bo dendenkmalp ege – leisten zu können. Umso erfreulicher, und das wurde auch von den aus dem Ausland angereisten Gästen so emp nden, ist die Qualität je ner Projekte, die gegenwärtig laufen und in deren „Werkstatt“ in diesem Band auszugsweise geblickt werden kann.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit dieser Publikation wertvolle An regungen r Ihre Arbeiten!
Krems, im Mai 200I
Thomas Kühtreiber
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