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Die öffentliche Getreideversorgung in Basel im Spätmittelalter

Die Öffentliche Getreideversorgung in Basel im
Spätmittelalter
Willi Schach
«Und ist auch unser kornhuse uf dem platz der zite gemeiner Statt zuo nutz
und trost angefangen worden zu buwende, und das man korn darin kouffen
und haben soelle; das wir gemeine statt nil so uf die wage lege(n), als der zile
wo/ moechte beschehen sin, heue uns yemand understanden, da uns got
durch sin guote behuete. Das so/ man hernach zuo ewigen ziten bedencken
zuo versehen.» 1
Aus einer Notsituation heraus entschloss sich die Stadt Basel im Jahre 1438
zum Bau eines Komhauses für eine bessere Versorgung mit Getreide in
Notzeiten. Inhalt dieses Beitrages ist die Untersuchung, wie effektiv diese
Lagerhaltung war, woher die eingelagerten Mengen kamen, und für welchen
Personenkreis diese Vorsorge gedacht war. Die Getreideversorgung von
Basel ist schon von mehreren Autoren behandelt worden,2 doch rechtfertigt
die Verwendung der noch nie benützten Abrechnungsbücher der Kommeister
aus dem I 5. Jahrhundert, eine erneute Behandlung des Themas 3
1 Ratsbuch von Basel 1438; Chroniken der Ratsbücher, in: Basler Chroniken IV, Leipzig
1890, S. 48.
2 Hermann Bruder, Die Lebensmittelpolitik der Stadt Basel im Mittelalter, Diss. Freiburg
i.Br. 1 909; August Reichlin, Brotversorgung der Stadt Basel, Diss. Basel 1 912; Hermann
Bruder, Zur Lebensmittelpolitik im alten Basel, in: Vieneljahrschrift flir Sozial- und
Wirtschaftsgeschichte I I ( 1 9 13), S. 157-187; Anne-Marie Dubler, Das Fruchtwesen der
Stadt Basel von der Reformation bis 1 700, in: Jahresbericht des Staatsarchivs Basel-Stadt
( 1 968). Katharina Simon-Muscheid, Das Verzeichnis der Getreidevorräte zu Sankt
Leonhard – demographische und soziale Aspekte, unpubliziene Lizentiatsarbeit,
Historisches Seminar Basel ( 1 979), behandelte die Versorgung mit Brotgetreide in der
Notsituation der Jakoberkriege von 1444, und Ulf Dirlmeier, Untersuchungen zu
Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des
Spätmittelalters, Göttingen 1978, verwendete in seiner Überblicksarbeit einige Daten zur
Basler Getreideversorgung.
3 Staatsarchiv Basel-Stadt (StABS, Frucht und Brot G I : Kombüchlein 1 4 1 5- 1 5 1 5 (im
folgenden: KB). Der Faszikel besteht aus 26 Heften, welche von den jeweiligen
48
Den Anlass zum Bau des Komhauses am Petcrsplatz als Lager fur
importiertes Getreide gaben Versorgungsschwierigkeiten nach der Missernte
von 1438. Es herrschte eine Teuerung und die Importe aus den traditionellen
Einfuhrgebieten, dem Elsass und dem Sundgau, waren mit starken
Schwierigkeiten verbunden. Die Versorgung mit Brotgetreide war eine
Existenzfrage. Verglichen mit Nürnberg und anderen Städten nördlich der
Alpen, die teilweise schon über 100 Jahre fiüher Kornhäuser errichtet hatten,4
ergriff Basel erst relativ spät die Initiative, die Versorgung dauerhafter zu
gewährleisten.
Der Rat begann jedoch nicht erst seit dem Kornhausbau mit der
Lagerung von Getreide. Aus den 1 4 1 Oer Jahren sind Belege von
Getreidebeständen erhalten, die u.a. im Salzhaus und im Kaufhaus gelagert
wurden,5 und im 1 5 . Jahrhundert sind noch vier weitere Kornlager belegt 6
Zur Verwaltung der obrigkeitlichen Früchte wurden ein Kornmeister
sowie zwei Kornherren eingesetzt, die ihn in seinen Geschäften und Pflichten
unterstützten und kontrollierten. Diese drei, in erster Linie jedoch der
Kornmeister selbst, kauften und verkauften Getreide, verwalteten die
Naturaleinnahmen und -ausgaben und überwachten den Zustand des
gelagerten Kornes.7 Nach einer Weisung von 1451 musste der Kornmeister
vierteljährlich dem Rat Rechenschaft ablegen.8
Kommeistem verfasst wurden. Eine vollständige Bearbeitung war Gegenstand meiner
unveröffentlichten Lizentiatsarbeit (Aspekte der obrigkeitlichen Getreidepolitik im Basel
des Spätmittelalters, Basel 1 989; eine Kopie mit der Transkription der Quelle ist auf dem
Basler Staatsarchiv einsehbar).
4 H. G. von Rundstedt, Die Regelung des Getreidehandels in den Städten SüdwestDeutschlands
und der deutschen Schweiz im späteren Mittelalter und im Beginn der
Neuzeit, in: Vietieljahrschrift flir Sozial- und Wittschaftsgeschichte, Beihefte 1 9 ( 1 930),
S. 8 1 ; H. J. Schmitz, Faktoren der Preisbildung für Getreide und Wein in der Zeit von
800-1350, in: Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte 20 ( 1968), S. 59: Errichtung
von Kornhäusern: Nümberg 1340, Buchen nach 1350, Hansestädte seit Beginn
14.Jahrhundert. Vgl. Ulf Dirlmeier, Lebensmittel- und Versorgungspolitik mittelalterlicher
Städte als demographisch relevanter Faktor?, in: Saeculum 39 ( 1988), S. 1 5 1 .
s Jahrrechnungen der Stadt Basel; publiziert durch Bemhard Harms, Der Stadthaushalt
Basels im ausgehenden Mittelalter, 3 Bde .. Tubingen I 909- 1 913, (im folgenden: JRR) I 2,
1409/10, Ausgaben, S. l l3; 1 4 1 0/1 1 , S.l l5; 1415: KB (Kombüchlein), 1-7.
6 1 4 1 1 : Haus zum Salmen (JRR I 2, 1 4 1 0/ 1 1 , Ausgaben, S. 1 1 5); 1 4 1 1 , 1 4 1 5 und 1 51 5:
Haus zum Feldenberg (KB Nr. 2; KB Nr.2720-2722; JRR I 2, 1410/ 1 1 , Ausgaben, S.
1 1 5); 1 445/46: Haus zur Mücke (KB Nr. 736, 738 und 753); 1468: Speicher an der
Rheinhalde unweit des Augustinerklosters (Reichlin (wie Anm. 2), S. 77); KB Nr. 2345-
2366, 2440-2452, 2616-2627, 2732-2748)
7 StABS, Öffnungsbuch V, fol. ! I a (1468).
1 KB 984 (145 1). StABS, Öffnungsbuch TI, S. 138, 1 45 1 .
49
Komherren gab es mindestens seit 1 4 14/15,9 und in Notsituationen wie
etwa der Teuerung von 1438 betraute der Rat noch weitere Bürger mit den
Komgeschäften.10 Erst mit der Eröffnung des Komhauses wurden eigentliche
Kornmeister ernannt: vorerst drei gleichzeitig1 1 und ab 1446 nur noch ein
einziger. 12
Die Kommeister kamen in der Regel aus den vennögendsten
Gesellschaftsgruppen: Während ihrer Amtszeit sassen alle mindestens einmal
im Rate, und sie versteuerten durchschnittlich gegen 3000 fl., womit sie zu
den oberen 4 Prozent der Bevölkerung gehörten.13 Es handelte sich also um
Besetzungen des Amtes mit Leuten, die an den politischen Entscheidungsprozessen
teilhatten und vennögensmässig zur Oberschicht gehörten. Dazu
waren die meisten entweder mit dem Handel oder dem Bäckergewerbe
vertraut und verfiigten somit über Erfahrung mit den Geschäften, welche das
Kornmeisteramt erforderte.
Der Umfang der öffentlichen Getreidelagerung lässt sich anhand der
Lagerbestände verfolgen (Abbildung I ). Aufgrund von Zahlen aus Nümberg
vennutete Dirlmeier, dass auch in Basel nur in Krisenzeiten grössere Mengen
gelagert wurden. 14 Tatsächlich traten die in den Jahrrechnungen aufgezeichneten
Lagerbestände in Notzeiten auf, doch lösten nicht alle Ausnahmesituationen
eine Aufzeichnung von Getreidevorräten in der Stadtrechnung
aus. Nur bei rund der Hälfte der Getreidemessungen oder -abrechnungen
bestand eine Krisensituation, seien es Teuerungen oder Verwicklungen in
Kriege.
Die überlieferten Lagerbestände lassen sich in drei Perioden unterteilen:
1444 – 1 4 5 1 1 577 Viemzel (Mittelwerte)
1 468 – 1475 3289 “
1 494 – 1 5 1 5 3201 “
Im Schnitt wurde in der ersten Periode etwa halb so viel gelagert wie in
späteren Jahren. Die einzelnen Schwankungen können zum grössten Teil auf
9 JRR I I, 1414/15, Einnahmen, S. 79. 10
StABS, Öffnungsbuch I, S. 16 ( 1438).
11
StABS, Öffnungsbuch I, S. 1 76 (1443).
12
KB Nr. 873.
13 Hektor Ammann, Die Bevölkerung von Stadt und Landschaft Basel am Ausgang des
Miltelallers, in: Basler Zeitschrift ftir Geschichte und Alte11Umskunde 49 ( 1950), S. 44.
I m Schnitt zählte Basel etwa 9000 Einwohner.
14 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 5 1 ff.; anhand der Jahnechnungen konnte er nur fünf
Lagerbestände angeben: JRR I 2, 1409/10, S. 1 13; 1410/1 1 , S. 1 15; 1 478179, S. 4 1 3 und
1479/80, S. 42 I , jeweils Ausgaben.
50
äussere Ereignisse zutiickgefuhrt werden, so etwa die hohe Menge von 3 1 47
Viernzeln als Teil der Kriegsvorbereitungen gegen das erwartete Arrnagnakenheer
im Jahre 1 444. Die Situation war schon länger gespannt: Anfangs
des Jahres organisierte Basel seine Abwehr, hiess die Bürgerhaushalte und
Zünfte, Getreidevorräte fur ein Jahr anzulegen, 15 und kaufte selbst 2900
Viernzel Getreide.16 In diese Zeit fallt auch eine Erhebung von privaten
Getreidevorräten, wovon noch das Register aus der Pfarrgemeinde St.
Leonhard erhalten ist. 17 Ende des folgenden Jahres betrug die gelagerte
Menge lediglich noch ein Siebtel. Verschiedene Verordnungen aus der
Zwischenzeit belegen eine Notsituation in der Stadt: drei
Höchstpreisverordnungen sowie eine Weisung, nur Flüchtlinge mit genügend
eigenen Vorräten hereinzulassen.18 Nachdem das Heer des Dauphins im
Herbst das Elsass verwüstet hatte, 19 war der Einkauf in Basels bevorzugtem
Versorgungsgebiet nahezu unmöglich geworden; bis Ende Jahr konnten
lediglich 1 35 Viemzel erworben werden.20
Anfangs 1445 erging die Verordnung, alle Landleute ohne eigene
Vorräte aus der Stadt zu weisen,21 was auf eine verschärfte
Versorgungssituation deutet. Die Einkäufe in der näheren Umgebung waren
so schwierig geworden, dass Getreide in Savoyen eingekauft werden
musste.22 Dieses gelangte jedoch erst ab Januar 1446 in die Stadt,23 nachdem
es bereits ab März 1445 in Solothum zwischengelagert wurde.24 Anscheinend
waren die Strassen wegen der Auseindersetzungen mit dem Adel aus der
Umgebung zu unsicher. Bis zum Ende des Jahres kamen lediglich 658
Viemzel Getreide herein 25 Die in den Jahrrechnungen aufgeführten Käufe im
Rechnungsjahr 1 445/46 von 6375 lb. und in der Periode 1446/47 von 4967 lb.
waren zum grössten Teil Zahlungen für Getreidekäufe bis Ende 1445, wovon
nur der kleinste Teil rechtzeitig nach Basel gelangte. Weitere Zahlungen an
ll Christian Wurstisen, Baszler Chronik, Basel 1 580, S. 380.
16 KB Nr. 469-524; Gesamtkosten: 5696 lb. 1 5 ss 3 d.
17 18 Muscheid (wie Anm. 2); Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 46.
StABS, Rufbuch !, fol. 144a, 145 a/b, 144b. 146b.
19 Wurstisen (wie Anm. 15), S. 385.
20 KB Nr. 530-549.
21 StABS, Rufbuch I, fol . l 5 1 bll52a.
22 JRR I 2, 1444/45, Ausgaben: 3803 Jb. I ss (bis Rechnungsabschluss 24. Juni 1445); KB
Nr. 806-810: 4777 lb. 15 ss 3 d. bis zum 28. Oktober 1 445. Die Differenz ergibt sich aus
den verschiedenen Rechnungsabschlüssen.
23 KB Nr. 774ff.
24 KB Nr. 597 und 883. Solothum war seit 1441 mit Basel und Bem verbündet (Wurstisen
2(lw ie Anm. 1 5), S. 372).
KB Nr. 550-677 und 687-71 8.
51
den Kornmeister in der zweiten Jahreshälfte von 1445 erbrachten bei den
damaligen Preisen nur 366 Viemzel Weizen oder 732 Viemzel Dinke1,26
wodurch die geringe Lagennenge vom Dezember 1 445 trotz hoher
Getreideausgaben erklärbar wird.
Die Frage stellt sich nun, ob der Rat nicht einkaufen konnte oder nicht
wollte. Im Herbst 1444 erschwerten die Umstände sicherlich die Einkäufe aus
dem Elsass und der eigenen Landschaft. Auch 1445 waren die
Getreidetransporte nicht allzu sicher, wie aus dem in Solothum gelagerten
Getreide aus Savoyen hervorgeht, doch war die Lage entspannter als im
Vorjahr. Innerhalb des Rates gab es jedoch Widerstände gegen erneute
Komkäufe. Benmann Offenburg schilderte, wie etliche Ratsherren gegen eine
ausserordentliche Steuer zur Kombeschaffung eintraten, denn «was do
bschach, das beschehe der armen wegen, das denen kom wurde; die rychen
heten es von i r selbs.» Statt dessen sei eine Kriegssteuer beschlossen
worden.27 Danach wurden bis Ende 1445 tatsächlich nur noch etwa 1 500 lb.
fiir Getreide ausgegeben und erst 1 447/48 wiederum 2370 lb. Dabei handelt
es sich um relativ geringe Summen, gemessen an der Geldaufnahme für
Getreidekäufe von 2 1 ‚404 fl. bei der Teuerung 1 43828 und den 1 2 ‚420 fl. im
Jahre 1444.29 Nach 1446 entspannte sich die Situation, was sich durch die
erhöhten Lagenneugen ausdrückt. Trotzdem waren diese noch relativ gering
gegenüber den späteren Jahren.
Der Höchststand in den 1470er Jahren war das Resultat einer
gesteigerten Lagerhaltung seit mindestens 1468; die Zunahme innerhalb von
sieben Jahren betrug rund 50%. Wiederum gaben äussere Umstände, der
eidgenössische Sundgatterzug und der Waldshuterkrieg in den Jahren 1 466
bis 1469 sowie die Burgunderkriege von 1474 bis 1476, den Antrieb. Mit der
Abflachung der militärischen Bedrohung sanken auch wieder die
Lagennengen, d.h. die Einkäufe waren während der folgenden vier Jahre
gering, und die Verkäufe betrugen im gleichen Zeitraum etwa 2000 lb.30
Die letzte Periode zeichnet sich durch uneinheitliche Bewegungen aus.
Schon 1494 war die Lagennenge beträchtlich: Käufen in der Höhe von 9 1 34
lb. in den Jahrrechnungen 1489/90 bis 1491/92 standen Verkäufe von rund
26 JRR I 2, 1445/46, Ausgaben, S. 240. Preise ftir Weizen nach der Ernte 4 lb. bis 4 lb. 4
ss (KB Nr. 664-7 1 8) und ftir Dinkel 2 lb. (KB Nr. 638 und 646).
27 Basler Chroniken V, Leipzig 1895, S. 279f.
28 JRR I 2, 1438/39, Ausgaben, S. 2 1 2.
29 JRR I I, 1 443/44, Einnahmen, S. 167. Der Zweck der Geldaufnahme ist nicht direkt
genannt, doch entspricht die Summe in etwa den Ausgaben in den KB Nr. 8 1 1 ff.
30 JRR I I , 1476/77 bis 1479/80, Einnahmen, S. 256, 260, 263 und 267; leider fehlen die
Kornrechnungen aus diesen Jahren, weshalb die Naruraleinnahmen und -ausgaben nicht
beobachtet werden können.
52
der Hälfte in der Rechnung 1 490/9 1 gegenüber. ln diesen Jahren herrschte im
Elsass eine Teuerung, welche eine Verknappung und Verteuerung auf dem
Basler Markt ausgelöst haben dürfte. Das Hoch von 1499 ist wiederum als
Kriegsvorsorge im Vorfeld des Schwabenkrieges zu werten.31 Weder Kriege
noch nennenswerte Teuerungen gaben den unmittelbaren Anlass zwn
Höchststand von 1 5 1 2. Es scheint, dass seit der Jahrhundertwende eine
konstantere Lagerhaltung bestand, die nicht auf äussere Bedrohung
zurückzuführen ist. Sieht man vom Tiefpunkt von 150 I ab, der durch grosse
Verkaufsmengen in einer Teuerung entstanden ist,32 so liegt der Durchschnitt
des gelagerten Getreides mit 3400 Viemzeln weit über dem doppelten Wert
des Mittels der 1 440er Jahre. Dies wird durch die Betrachtung der Käufe und
Verkäufe in den Jahrrechnungen bestätigt: Bis Mitte der neunziger Jahre
waren wnfangreiche Einkäufe annähernd zeitgleich von fast ebenso hohen
Verkäufen begleitet. Dies endete mit der Teuerung nach 1494: Die hohen
Mengen kamen nun nicht durch plötzliche Einkäufe, sondern durch stetige
Zukäufe zu bereits hohen Lagermengen zustande. Es gab also um die
Jahrhundertwende eine Änderung in der scheinbar unsinnigen Praxis, erst
einzukaufen, wenn die Notsituation eintrat, wodurch sich die Kosten
unnötigerweise erhöhten. 33
Bei der Betrachtung der gelagetten Getreidesorten fallt auf, dass
Dinkel, das Hauptgetreide des Basler Untertanengebietes, und Hafer lediglich
einen kleinen Teil ausmachen. In den 1 470er Jahren lag das Übergewicht
beim Roggen und in den 1 440er Jahren sowie nach 1500 beim Weizen. In der
Literatur wird für Basel das Elsass als Hauptversorgungsgebiet für Brotgetreide
angegeben, während das eigene Untertanengebiet nur am Rande
erwähnt wird.34 Gradmann stellt für dasselbe im Spätmittelalter nur einen
geringen Anteil an Roggen- und Weizenanbau fest,35 was indirekt durch die
Jahrrechnungen bestätigt wird: Bei den Einnahmen aus Verkäufen von
Zinskorn werden lediglich Dinkel und Hafer erwähnt. Ebenso sind in den
Kornrechnungen aus den Ämtern nur Naturalieneinnahmen dieser beiden
Getreidesorten zu verzeichnen.
31 Vgl. Rudolf Wackernagel, Geschichte der Stadt Basel, II, I, Basel 1 907, S. 145.
32 IRR I I , 1 500/01 bis 1502/03, Einnahmen, S. 339, 344f. und 350.
n Zur gleichen Praxis in anderen Städten siehe Dirhneier 1988 (wie Anm. 4), S. 152.
34 Reich I in (wie Anm. 2), S. I; Reinhold Bosch, Der Kornhandel der Nord-, Ost-,
Innerschweiz und der ennetbirgischen Vogteien im 15. und 16. Jahrhundert, Diss. Zürich
1913, S. 8, 12, 16; Rundstedt (wie Anm. 4), S. 1 7 und 33.
3􀄴 R. Gradmann, Der Dinkel und die Alemannen, in: Württembergisches Jahrbuch ftir
Statistik und Landeskunde 1901, S. 154-158; Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in
Deutschland. Kulturgeschichteund Biologie, Stuttgart 1987, S. 76.
53
Neben der öffentlichen Getreidelagerung gab es in der Stadt Vorräte
von Privatpersonen und Korporationen. In Notzeiten erliess der Rat Aufrufe,
sich mit Getreide einzudecken, wobei in vielen Fällen der Jahresbedarf
genommen wurde,36 so auch bei der Bedrohung von 1444.37 Schon 1409,
während des Krieges mit Österreich, wurde die Bürgerschaft angewiesen,
sich für ein Jahr mit Vorräten einzudecken.38 Von 1420 ist eine Vorschrift
erhalten, wonach die verschiedenen Korporationen und Zünfte gernäss ihrer
Finanzkraft im Ganzen 1 7463 Viemzel Getreide einkaufen sollten. 39 Es ist
jedoch nicht gesichert, ob die Weisung auch eingehalten werden konnte, denn
schon Ochs bemerkte, dass es einfach sei, in Notzeiten Vorräte zu befehlen,
aber schwierig, sie zu beschaffen.40 Es bedurfte in späteren Jahren grosser
Anstrengungen und der Beziehungen von Handelsgesellschaften, um das
nötige Getreide zu beschaffen. Die kleineren Zünfte dürften kaum über diese
Möglichkeiten verfugt haben.
Dirlmeier verglich die Sollvorräte von 1420 mit den Grössen der
Korporationen und Zünfte und kam auf beträchtliche Unterschiede des
verfiigbaren Anteils je Person.41 Es ist anzunehmen, dass das Kriterium für
die festgelegte Quote nicht die Anzahl der Mitglieder, sondern die
Finanzkraft der betreffenden Korporation war.42 In Notzeiten wurde fiir die
Allgemeinheit auf solche Privatvorräte zurückgegriffen 43
1444 hingegen mussten die einzelnen Haushalte Von·äte anlegen: In
der Pfarrgemeinde St. Leonhard waren 570 von 2928 Personen ohne Vorräte.
Nach Abzug von 774 Flüchtlingen, die über genügend Getreide verfugen
mussten, um überhaupt in die Stadt gelassen zu werden, war ein Viertel
dieses Quartiers ohne eigene Vorräte. In St. Leonhardt wohnten zur
Hauptsache Handwerker, wohingegen der Adel gegenüber den anderen
36 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 45: Strassburg Ende des 14. und im 15. Jahrhundert,
Bem 1491, Konstanz 1532. Peter Ochs, Geschichte der Stadt und Landschaft Basel, Basel
1 786-1822, III, S. 341: Den Flüchtlingen wurden 1444 die Mengen abgekauft, die sie
«ausser dem jährigen Vorrat entbehren konnten.»
37 Ochs, IIl (wie Anm. 36), S. 341 .
38 Wackernagel, I (wie Anm. 3 1 ), S. 368.
39 Auflistung der einzelnen Mengen bei Bmder 1909 (wie Anm. 2), S. 8.
40 Ochs, III (wie Anm. 36), S. 227.
41 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 46.
42 Bruder 1 909 (wie Anm. 2), S. 7.
43 StABS, Öffnungsbuch I, S. 16 ( 1 438); vgl. Albert Bruckner, Die Zunft zu Brotbecken
in Basel, Basel 1956, S. 77. Das gleiche Vorgehen in Strassburg beobachtete Auguste
Hanauer, Etudes economiques sur l’Aisace ancienne et moderne. II: Denrees et salaires,
Paris/Strasbourg 1978, S. 75ff.
54
Stadtvierteln untervertreten war.44 In vornehmeren Gegenden wird der Anteil
der vorratslosen Personen geringer gewesen sein, doch gab es auch ärmere
Aussenquartiere. Zum Vergleich betrug in Strassburg anlässlich einer
ähnlichen Erhebung im selben Jahr der Anteil der Stadtbevölkerung ohne
Vorräte 40%.45 Bei der Analyse der Basler Steuerlisten entfallen 1446 5 1 %
der Bevölkerung und 1451 43% auf die unterste Vermögensstufe bis 30 f1.,46
weshalb eine Annahme der 25-Prozentgrenze fiir das ganze Stadtgebiet zu
tief sein dürfte.
Herkunft und Verwendung des Getreides
Die Lagerbestände im Basler Komhaus stellten nur einen Teil des in dieser
Institution eingegangenen Getreides dar. Im Ganzen kamen beträchtliche
Mengen herein, deren Höhe sich jedoch nur annähernd feststellen lässt, da
selbst die erhaltenen Jahrgänge der Komrechnungen Lücken aufweisen. Die
verzeichneten Eingänge durch Käufe und Naturaleinnahmen der Jahre 1 442
bis 1 446 betrugen 569 1 Viemzel ( 1 5’650 hl), wobei es sich um weniger als
die Hälfte handelt.47
Genaue Angaben zur Herkunft bei Käuren gibt es nur unter
Kommeister Friedlich Schilling ( 1442-1446). In den folgenden Rechnungen
wird der Herkunftsort nur noch bei den Naturaleinnahmen angegeben,
während bei den Käufen lediglich das Geschäft als solches erwähnt wird.48 In
den Jahren 1 442 bis 1 446 kamen 2421 Viemzel aus dem Elsass, und 709
Viemzel wurden auf dem Markt gekauft. Bei den übrigen zwei Fünftein des
eingegangenen Getreides fehlen genauere Angaben.
Bis in die 1470er Jahre überwog das gekaufte Getreide die
Naturaleinnahmen im Verhältnis von 2.5: 1 , was sich dann in den 1 490er
Jahren umkehrte. In der Periode von 1442- 1444 gingen lediglich etwa 300
Viemzel als Naturaleinnahmen aus den Ämtern sowie von Beutezügen im
Elsass und im Breisgau ein 49 Nach 1469 stammten die 􀀣eisten
44 Muscheid (wie Anm. 2), besonders S. 5; Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 49; Ammann
(wie Anm. 1 3), S. 32. Muscheid (wie Anm. 2), S. 5.
45 Dir1meier 1978 (wieAnm. 2), S. 49.
46 Gustav Schönberg, Finanzverhältnisse der Stadt Basel, Tübingen 1879 S. 90ff.
47 Käufe in den KB: 7665 lb. für 4342 Viemze1; Käufe in den JRR I 2, 1442/43-1445/46,
Ausgaben: 1 6’361 lb.
48 Ausnahme von dieser Praxis: KB Nr. 1 084: Roggen aus Ahkirch, 1472; KB Nr. 1 3 1 3,
1 3 1 5, 1322, 1328: Einkäufe in Strassburg im Teuerungsjahr 1491 für 2614 lb. 6 ss 8 d.
49 KB Nr. 651 und 674-677: Beute aus Pfirt und Durmenach sowie aus dem Breisgau; vgl.
StABS, Öffnungsbuch I, S. 381 und Wurstisen (wie Anm. I 5), S. 340.
55
Naturaleinnahmen, fast ausschliesslich Hafer und Dinkel, aus dem Basler
Untertanengebiet Allein zwischen 1494 und 1499 waren es 4378 Viemzel
( 12’000 hl). Nach 1 5 1 2 reduzierten sie sich auf durchschnittlich 205 Viemzel
im Jahr. Einige wenige Naturaleinnahmen in Fom1 von Zehnten und Zinsen
gingen aus dem nahen Elsass ein. 5°
Beim Vergleich der eingegangenen Mengen mit den Lagerbeständen
wird offensichtlich, dass in den Komrechnungen nicht alle Käufe verzeichnet
sind. Die bis 1444 eingenonunene Menge an Weizen reicht nicht für das
gelagerte Quantum im selben Jahr. Anders steht es 1448, als die
Lagermengen durch die Einnahmen plausibel werden. Ähnliche Unstimmigkeiten
gibt es in den 1470em beim Roggen und in den 1 490er Jahren bei
beiden Getreidearten.
Nach den Jahrrechnungen wurde in allen Perioden für etwa I 0 bis 20%
mehr eingekauft, als in den Kornrechnungen angegeben ist. Diese
Unterschiede dürften nicht alle auf Lücken in den Komrechnungen
zurückzuführen sein, sondern wie in den Jahren 1442 bis 1446 auf
Sondereinkäufe, die nicht durch die Kommeister getätigt und vermutlich nur
z.T. im Komhaus gelagert wurden.51 1473 gibt es eine Unregelmässigkeit in
den Jahrrechnungen: Nur etwa ein Siebtel der effektiven Einkäufe wurde
angegeben. Das Geld stanuute aus den Verkäufen, die in den Jahrrechnungen
auch nicht erschienen.
Eine ähnliche Inkonsistenz der Hauptrechnung lässt sich allgemein in
den l 470er und l 490er Jahren bei den Verkäufen feststellen, denn nur ein
Teil der in den Kornrechnungen aufgeführten Verkäufe wurden als
Einnahmen verbucht. Anscheinend wurden die Verkäufe intern vom
Kornn1eister verrechnet und wieder für Einkäufe ausgegeben, eine Praxis die
sich schon früher beobachten lässt: in der Teuerung von 1 442 bis 1446
wurden laut der JahtTechnung für über 12000 lb. Getreide verkauft, die in den
Kombüchlein nur in der aussecordentlichen Rechnung festgehalten wurden,
denn sie unterstanden nicht der direkten Kontrolle des Kommeisters.52 Das
Geld von den Verkäufen wurde im Komtrog im Kaufuaus aufbewahrt.53
so
Dörfer Sierenz, Niedermichelbach, Ober- und Niderranspach, Bsp. KB Nr. 1850, 1859,
1 873, 1875.
51 Sonderrechnung für die Jahre 1442 bis 1446: KB Nr. 800ff. 12 KB Nr. 823-832.
53 JRR I 2, 1 478179, Ausgaben, S. 413: «So ist das verganngen jare usz weissen und
dincke1 erloszt … , sollen im kouffhuse im trog Iigen»; JRR I 2, 1479/80, Ausgaben, S.
421: «So ist usz kom erloszt … lijt im trog im kouffhusz». Ochs, lll (wie Anm. 36), S.
427: «Sie (die Kornherren] hatten einen zweyten Schlüssel zum Troge im Kaufhaus,
worin das Geld von der Verwaltung gethan wurde.»
56
Ebensowenig sind die Verkäufe von 1501 und 1502 in den Kornrechnungen
verzeichnet.
Da die Verkäufe bis 1 445 nicht dem Kommeister unterstanden, ist man
über die Verwendung des obrigkeitlichen Getreides in dieser Zeit sehr
schlecht unterrichtet. Einzig bei den Naturalausgaben, d.h. Ausgaben ohne
Zahlungen, sind teilweise die Empfänger notiert, wobei nicht hervorgeht, ob
sie nur für 1445 oder für die Zeit seit 1 442 gelten.54 Etwa die Hälfte davon
ging in Form von Hafer in den Marstall, während der Rest verschenkt oder
auf Kriegszügen mitgeführt wurde. ln den folgenden Jahren wurden die
meisten Naturalausgaben für die gleichen Zwecke verwendet.
Für die Verkäufe liegen erst ab 1472 nähere Angaben vor. In der Regel
wurde nicht an die Konsumenten direkt verkauft, sondern an Bäcker in der
Stadt oder auf dem Land. 55 Die städtischen Vorräte reichten jedoch nicht aus,
um den Bedarf der Bäcker zu decken. Auch waren die effektiven Verkäufe zu
sporadisch und gering. Die höchste Verkaufsmenge an Brotgetreide betrug
1 1 07 Viemzel Dinkel im Jahre 1473, was für etwa 400 Personen während
eines Jahres gereicht hätte 56 1495 wurden innerhalb von fünf Wochen 535
Viemzel Dinkel an die Bäcker verkauft, wovon für durchschnittlich 2000
Personen Brot gebacken werden konnte. 57 Die Bäcker waren also auf Käufe
ausserhalb der städtischen Speicher angewiesen.
Die Verkäufe an Bäcker in den erhaltenen Komrechnungen lassen sich
nur zum Teil mit hohen Getreidepreisen erklären: In den 1 470er Jahren
stiegen die Preise erst nach 1475. Bei den Verkäufen von 1495 lagen die
Preise auf nom1alem Niveau und erhöhten sich mässig nach 1496, was sich
aber nicht in verstärkten Verkäufen niederschlug. Denkbar wären Verkäufe
aus zeitlich begrenzten Verknappungen. Ein einziger Fall von direkter
Intervention des Rates bei einer Verknappung ist aus den Komrechnungen
ersichtlich: Beim Besuch des Kaisers im Jahre 1473 wurden 32 Viemzel
Dinkel an die Bäcker verkauft. 58 Bei einem plötzlichen Zuwachs der
Einwohnerzahl durch viele fremde Leute war eine Brotverteuerung
voraussehbar.59 Durch diese Verkäufe an die Bäcker konnte wenigstens für
54 KB Nr. 836-854 – ausserordentliche Rechnung.
55 JRR I I, 1437/38, Einnahmen, S. 419; KB Nr. 1 8 1 3-1836 ( 1 495-1498); JRR I I,
145 1/52, Einnahmen, S. 187; StABS, Öffnungsbuch V, fol. 36b. 56 KB Nr. 1 090, 1 1 00-1 102, 1 108- 1 1 10.
57 KB Nr. l43 1 – 1 694.
58 KB Nr. 1 1 10.
59 Schmitz (wie Anm. 4), S. 32: Bei der Kaiserkrönung in Aachen von 1273 verteuerte
sich wegen der vielen Gäste das Brot übermässig; Horst Buszello, «Wohlfeile» und
«Teuerung» am Oberrhein 1 340-1525 im Spiegel zeitgenössischer erzählender Quellen,
57
die untersten Schichten billiges Brot verkauft werden.60 Eine ähnliche
Vorsorge des Rates gab es während des Konzils, als ein Roggenbäcker aus
Neuenburg am Rhein auf drei Jahre mit der Auflage verpflichtet wurde, nur
billiges Schwarzbrot für die Versorgung der «gemeinen Leute» zu backen.61
Auch damals hatte der grosse Zustrom der Konzilsgäste die Lebensmittel
allgemein verteuert.
Die sporadischen Verkäufe dürften eher dazu gedient haben,
überfälliges Getreide abzustossen, wie die Verkäufe von Dinkel an die
Landbäcker von 1498 und im folgenden Jahr von Mehl an die Stadtbäcker
nahelegen, denn es lagen keine Teuerungsjahre vor.62 Die über 700 Viemzel
Mehl waren vermutlich als Kriegsvorsorge gemahlen worden: Im Frühjahr
wurden alle Mühlen kontrolliert,63 denn selbst bei vollen Speichern konnte es
zu Preissteigerungen und sogar zu Hungersnöten kommen, wenn die Mühlen
wegen kriegerischer Handlungen oder klimatischer Bedingungen wie lange
Trockenheit oder Vereisung nicht mehr funktionierten.64 So hatte die Stadt
1444 befürchtet, die Annagnaken könnten die Wasserzufuhr der Mühlenbäche
stören, weshalb auf dem Rhein zwei Mühlen eingerichtet wurden.65 Im
Schwabenkrieg wurde durch die Lagerung von fast 2000 hl Mehl
vorgesorgt.66 Ebenfalls als Kriegsvorsorge ist das Mahlen von 437 Viemzeln
Dinkel aus der Rechnungsperiode 1 5 1 2 bis 1 5 1 5 im Zusammenhang mit dem
Dijonerzug von 1 5 1 3 zu werten.67
Der Haferverbrauch war sehr unterschiedlich und bewegte sich
zwischen 32 und I 007 Viemzeln, die für die Pferde verbraucht oder an Gäste
verschenkt wurden. 1445 kamen 267 Viemzel in den Marstall, vennutlich
wegen erhöhtem Verbrauch in den Kriegszügen.68 Die Hafereinnahmen in
in: Bauer, Reich und Reformation. Festschrift ftir Günther Franz, Stuttgan 1982, S. 25:
Getreideveneuerung beim Kaiserbesuch in Bern von 14 14.
60 Es reichte während einer Woche flir 600 Personen.
6621 Wackemagel, I (wie Anm. 3 1 ), S. 487; vgl. Bruder 1 909 (wie Anm. 2), S. 6 1 .
KB Nr. 1833-1836 sowie 2402-2405.
63 KB Nr. 2233ff.
64 Schmitz (wie Anm. 4), S. 25 und 32. 65 JRR I 2, 1444/45, Ausgaben, S. 233: «Schiffmilin uff dem Rin ze machen», cf. Bruder
1 909 (wie Anm. 2), S. 24, Anm. 3 .
66 JRR I I , I499!1500, Einnahmen, S. 336: «ltem 691 lb. 1 2 ss usz 432 seck 2 1/2 sester
mei erlost, so in den kriegszlouffen gemalen was».
67 KB Nr. 270 I ; dagegen sind nur Verkäufe von 1 8 1 Säcken Mehl verzeichnet (ibid.). KB
Nr. 2696: « … ist den brottbecken und eydtgenossen verkoufft».
68 KB Nr. 842. Auf einen erhöhten Verbrauch wegen Kriegszügen weist auch der Kauf
von Hafer aus Waldenburg im Jahre 1444/45 hin ( 199 Viemzel, JRR I 2, 1 444/45,
Ausgaben, S. 233); in den Komrechnungen sind nur Naturaleinnahmen aus Waldenburg
notien (Nr. 605, 607, 609, 6 1 7, 624, 626, 636, 648, 76 1).
58
den 1470er Jahren deckten etwa die Fütterung der Pferde. Sehr hoch sind sie
jedoch 1497. Da der Hauptteil des Hafers aus den Untertanengebieten
stammte, liegt es nahe, dass der Rat von den Vögten mehr Hafer anforderte.69
Ochs schreibt, dass die Bedrohung eines nahen Kriegsausbruches seit 1498
zugenommen hätte, und Wackernagel berichtet, Basel hätte den
Schwabenkrieg vorausgesehen und sei getiistet gewesen.70 Es gibt in den
Kornrechnungen wenige Hinweise auf die Verwendung von Hafer für den
menschlichen Verzehr:71 1494 gingen 88 Viemzel Hafer an das Spital und
das Siechenhaus St. Jakob, zwei Jahre später weitere 60 Viemzel an das
Spital und 1 5 1 5 kamen 332 Viemzel an das Spital und die Elendenherberge.72
1 5 1 2 befanden sich 880 Viemzel Hafer im Komhaus,73 wovon im folgenden
Jahr 469 Viemzel verkauft wurden – leider wurden die Käufer nicht
genannt 74 Die Getreidepreise waren 1 5 1 3 nur leicht erhöht, weshalb
auszuschliessen ist, dass Hafer in grösseren Mengen als Brotgetreide
gebraucht wurde. Die Zweitrangigkeil des Hafers für den menschlichen
Verzehr wird auch gestützt durch die Höhe der Hafereinnahmen in
gewöhnlichen Jahren und durch die relativ geringen Lagermengen in den
öffentlichen Speichern.
Die Bedeutung der VOJ1·äte für die Emährung der Bevölkerung
Der Verbrauch des Grundnahrungsmittels Brot war grossen Schwankungen
unterworfen und hing von schichtspezifischen, regionalen und persönlichen
Gewohnheiten ab 75 Trotzdem muss eine Annäherung an den jährlichen
Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung versucht werden, um eine Vorstellung
69 Hohe Hafereinnahmen aus den diversen Ämtern im Jahre 1497: KB Nr. 2002: 430
Viernzel ( I I0 8 hl), Nr. 2017: 64 Viemzel; dazu Einnahme kleinerer Mengen.
70 Ochs, IV (wie Anm. 36), S. 453; Wackernagel, ll, l (wie Anm. 3 1), S. 145.
71 Der Verzehr von Hafer war anscheinend schon «die erste Stufe der Not»: Fritz
Curschmann, Hungersnöte im Mittelalter, Leipziger Studien aus dem Gebiet der
Geschichte VI, Leipzig 1 900, S. 58 zitiert Quellen von 1 1 25 und 1281 (Passio Caroli c.3,
S.S.Xll, 84, 20 und Ann. S. Rudb. Salisbg. S.S. XII, 563, 26); Carl Buxtorf-Falkeisen,
Baslerische Stadtgeschichten aus dem 16. Jahrhunden, 3.Heft, Basel 1 868, S. 83f. zitiert
eine Quelle aus der Teuerung von 1586, viele Leute hätten «lauter Chrisch- und
Haberbrot» gegessen.
72 KB Nr. 1 41 5- 1 4 1 8; 1 729; 2763f.
73 KB Nr. 263 1 .
74 KB Nr. 2436-2439. Weitere Haferverkäufe in der Höhe von 1 3 3 lb. i n der JRR I I ,
1 5 1 5/16, Einnahmen, S . 4 1 3 – auch hier werden keine Käufer genannt.
75 Über den Verbrauch der anderen Grundnahrungsmittel siehe Dirlmeier 1978 (wie Anm.
2), S. 293-39 I .
59
über die Bedeutung der Vorratshaltung fur die Ernährung der Bevölkerung
gewinnen zu können. Aus den Basler Mühlenungeldeinnahmen von 1495 bis
1 5 1 0 lässt sich ein jährlicher Verbrauch von 2.25 Viemzeln errechnen.76 Ein
falsches Bild vermitteln Besoldungsdeputate, Leibgedinge und Almosenverfugungen
mit ihren teils abnom1 hohen täglichen Verbrauchsmengen: die
Basler Jahresdeputaten waren vermutlich fur den Verbrauch einer ganzen
Familie bestimmt und Spitalleistungen erlaubten zum Teil ausdrücklich den
Weiterverkauf von Naturalien.77 Dirlmeier errechnete einen Durchsclmittswert
von 2 1 7 kg Getreide als Jahresverbrauch aufgrund von
Verpflegungsplänen städtischer Aufgebote in Nümberg und aus Brotrationen
fiir Kriegsgefangene, die er auf eine städtische Bevölkerung mit einem Anteil
von 30% Kindem reduzierte; diese verbrauchten weniger als Erwachsene.78
Gleiche Verbrauchsmengen gibt Körner fur das 17. Jahrhundert in Luzem an,
während im 1 8. Jahrhundert nur noch zwei Drittel davon konsumiert worden
seien.79 Mit 259 kg setzt lrsigler den Mindestbedatf an Brotgetreide fur eine
erwachsene Person an,80 was unter Einbezug einer Bevölkerung mit 30%
Kindem einen etwas tieferen als den von Dirlmeier errechneten Verbrauch
ergibt. Bei den Berechnungen des Getreidebedarfs in Hansestädten von 2 1 9
k g folgte Fritze dem Ansatz von Abel.81 Zu dem von Dirlmeier ermittelten
Verbrauch kommt man auch, wenn der vom Basler Rat angegebene
Jahresverbrauch von 269 kg Kernen fur eine envachsene Person auf die
ganze Bevölkerung umgerechnet wird 82 Ein weiterer Hinweis sind die drei
Viemzel Getreide, welche die im Jahre 1 444 nach Basel geflüchteten
Landbewohner mindestens besitzen mussten, um in die Stadt gelassen zu
werden. Die Anordnung spricht lediglich von «Korn», was in Basel eigentlich
76 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 332f.
11 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 332f.
78 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 334; vgl. Ulf Dirlmeier und Gerhard Fouquet,
Ernährung und Konsumgewohnheiten im spätmiuelaherlichen Deutschland, in:
Geschichte in Wissenschaft und Un!en·icht 44 ( 1 993), S. 524.
79 Martin Körner, Luzerner Staatsfinanzen 1 4 1 5- I 798. Luzern I 98 1 , S. 353:
Berechnungen aufgrund des Marktumsatzes und der obrigkeitlichen Verkäufe. 17.
Jahrhundert: 300 I Kernen, 18. Jahrhundert: 228 I.
80 Dietrich Ebeling und Franz lrsigler, Getreideumsatz, Getreide- und Brotpreise in Köln
1 369-1797, Köln/Wien 1976, S. XI; vgl. Wilhelm Abel, Agrarkrisen und
Agrarkonjunktur. Harnburg 1987/3, S. 95.
81 Konrad Fritze, Bürger und Bauern zur Hansezeit. Studien zu den Stadt-LandBeziehungen
an der südwestlichen Ostseeküste vom 13. bis zum 16. Jahrhundert
(Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte 16), Weimar 1976, S. 30; Fritze gibt
nicht an, ob es nur flir Erwachsene zutreffe.
82 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 329: Angabe ftir die Zeit um 1 400 von 956 I
unentspelztem Dinkel.
60
Dinkel wäre.83 Drei Viemzel unentspelzten Dinkels ergeben 230 kg Kemen,
was ziemlich genau dem mittleren Jahresverbrauch von Dirlmeier entspricht
Bei der Annahme eines jährlichen Gesamtverbrauchs von 2 1 7 kg
Getreide zeigt sich in Basel eine zunehmend bessere Versorgung der
Bevölkerung mit Brotgetreide (Abbildung 2). Die Zahl der Personen, welche
jährlich aus den öffentlichen Komspeichem versorgt werden konnte,
verdoppelte sich im untersuchten Zeitraum. Bezogen auf die
Bevölkerungszahl verdreifachte sich sogar der Versorgungsgrad. 84 Aufgrund
der Angaben in den Jahrrechnungen errechnete Dirlmeier eine
durchschnittliche Deckung von 4.2 Monaten und verglich sie mit den vier
Monaten in Nümberg und nur 1 .2 Monaten in München.85 Dabei legte er fiir
Basel eine durchschnittliche Bevölkerungszahl von I 0’000 Personen
zugrunde, was jedoch zu hoch ist 86
Nach Dirlmeier seien die öffentlichen Lager in Basel weit hinter der
privaten Vorratshaltung zurückgestanden, wobei er sich in erster Linie auf die
Weisung von 1420 bezieht. Dabei ninunt er an, dass es sich bei den 17’467
Viemzeln wn Kemen, d.h. um entspelzten Dinkel, handelte, was fiir mehr als
1 7’000 Personen gereicht hätte. Abgesehen davon, ob dieser Sollbestand
erreicht worden sei, spricht die Quelle jedoch von «Kom» und nicht von
«Kernen». Eine Unu·echnung vom gleichen Quantum Dinkel ergibt dann
noch lediglich einen Vorrat fiir etwa 6’200 Personen; dies liegt auch sehr nahe
bei den etwa 6’500 Einwohnern, die 1444 eine ausreichende Menge an
Getreide besassen. 87
83 StABS, Rufbuch I, fol. 145a.; dass Dinkel gemeint sein könnte, geht aus den
Backproben hervor, die im 15. Jahrhundert aufgrund von Dinkel vorgenommen wurden
und nie mit Weizen (nur einmal mit Roggen), Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 340.
84 Die Bevölkerungszahlen wurden von Franz Gschwind, Bevölkerungsentwicklung und
Wirtschaftsstruktur der Landschaft Basel im 18. Jahrhundert (Quellen und Forschungen
zur Geschichte und Landeskunde des Kantons Baselland 15), Liestal 1 977, übernommen.
Abweichungen von den Angaben von Schönberg (wie Anm. 46) und Ammann (wie Anm.
13) sind besonders nach 1500 festzustellen: Die Pest von 1502 brachte einen grossen
Einbruch, der nicht wie in ftiiheren Jahren durch zahlreiche Bürgeraufnahmen
ausgeglichen wurde, weshalb angenommen werden muss, dass in den ersten Jahren des
16. Jahrhunderts die Bevölkerung Basels stark unter dem Mittel des 1 5 . Jahrhunderts lag
(Gschwind, besonders S. 1 43-200). Die letzte einigermassen gesicherte Erhebung fur den
in dieser Arbeit behandelten Zeitabschnitt war die Reichssteuererhebung von 1497
(Ammann (wie Anm. 13), S. 36ff.).
85 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 52.
86 Dirlmeier 1978, S. 26.
87 Erhebung von 1 444: 25% ohne eigene VoiTäte bei einer Bevölkerungszahl von 9’500
(nach Gschwind, wie Anm. 84).
61
Die ältere Literatur, die in den spätmittelalterlichen Städten Vorläufer
der modernen Sozialpolitik sah, betrachtete es als «vordringliche Aufgabe der
stadtstaatliehen Hoheitsaufgaben, für das materielle Wohlergehen der
Stadtbevölkenmg zu sorgen.»88 Die Basler Steuereinnahmen betrugen im 1 5 .
Jahrhundert etwa 1 .5 bis 3.3 Gulden pro Einwohner, was nach Dirlmeier eine
konstante Getreidevorsorge für die Gesamtbevölkerung ausgeschlossen
hätte.89 Das wäre sicher richtig, wenn die Getreidekäufe «a fonds perdu»
gewesen wären. Innerhalb der untersuchten I 00 Jahre kamen jedoch von den
62’000 lb. für Getreideausgaben 52’000 lb. durch Verkäufe wieder herein.90
Die öffentliche Vorratshaltung im 1 5 . Jahrhundert war nicht als
Vorsorge für die gesamte Bevölkerung, sondern in erster Linie für die
Unterschichten gedacht.91 Wie aus den Anordnungen von 1409, 1420 und
1444 hervorgeht, wurde von der Mittel- und Oberschicht eine private
Vorsorge vorausgesetzt. Die Beurteilung der baslerischen Vorratshaltung
sollte deshalb unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Aus der
Erhebung von 1 444 resultiert ein Bevölkerungsanteil von einem Viertel an
Einwohnern ohne eigene Vorräte, und gemäss der Steuererhebung von 1 45 1
befanden sich 43% in der untersten Vennögensklasse. Ab den 1 470er Jahren
reichten die Vorräte fur einen Vieltel der Bevölkenmg, von dem anzunehmen
ist, dass ihre wirtschaftliche Lage ihnen nicht erlaubte, Getreidevorräte
anzulegen, und sie somit zu Tagespreisen auf dem Markt einkaufen
mussten.92 Die übrigen waren in Teuerungszeiten auf private Vorräte
angewiesen, wobei zweifelhaft ist, ob es sich von den restlichen Einwohnern
auch wirklich alle leisten konnten, solche anzulegen. Von einer
umfassenderen Vorsorl!e für die Gesamtbevölkerunl! kann erst im 16.
Jahrhundert die Rede s;in,93 doch erlaubte die konstantere Lagerhaltung seit
der zweiten Hälfte des 1 5 . Jahrhunderts mindestens die Versorgung der
untersten Schichten.
Welches sind nun die Motivationen für eine verbesserte Vorsorge beim
Brotgetreide? Laut der Eintragung in den Ratschronikalien wurde das
Kornhaus «gemeiner statt zuo nutz und trost» erbaut 94 Eine Subsistenzkrise
brachte sicher Störungen des Stadtlebens mit sich, und wenn auch die
88 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 59.
89 Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 56f.
90 Im 1 6 . Jahrhundert war die öffentliche Getreideversorgung ganz selbsttragend (Dubler
(wie Anm. 2), S. 61).
91 Vgl. Anmerkung 27.
92 Femand P. Braudei und F. Spooner, Prices in Europe from I 450-I 750. in: The
Cambridge Economic History of Europe IV, 1967, S. 433.
93 Dirlmeier I 978 (wie Anm. 2), S. 52.
94 Chroniken der Ratsbücher (wie Anm. 1), S. 48.
62
regierungsfahige Oberschicht unter einer Verknappung der Lebensmittel
weniger zu leiden hatte, so lag es doch in ihrem eigenen Interesse, die Stadt
einigermassen «funktionstüchtig» zu erhalten. Extreme Preissteigerungen
banden grosse Teile der Einkommen für die Nahrungsauslagen und
schränkten so das Handelsvolumen, den Absatz der Gewerbe sowie die
städtischen Einnahmen ein, abgesehen von einer Demoralisierung und
Apathie sowie erhöhter Sterblichkeit bei schweren Hungerkrisen,95 die auch
die Wehrfahigkeit der Bevölkerung beeinträchtigen konnten. Denkbar wäre
auch eine Motivation aus Angst vor Aufständen bei Problemen mit der
Versorgung. 96
Die Formulierung «zuo gemeiner statt nutz» kann nicht im heutigen
Sinne von «Gemeinnutz» verstanden werden. Nach Leo Schönberg hätte
jedes Privatinteresse für sich selbst aufKommen müssen, und die
Steuereinnahmen hätten nicht dazu gedient, die Aufgaben des Gemeinwesens
überhaupt zu fördem 97 Ein Gleichheitsprinzip in materiellen Belangen wurde
ja auch nicht von Thomas von Aquin f01111uliert, der klar für eine
Ungleichheit in den Lebenshaltungskosten eintrat, wonach einer
standesgemäss höher gestellten Person auch ein höheres Einkommen
zustehe.98
?l Curschmann (wie Anm. 7 1 ), S. 9; John D. Post, Food Shortage, Nutrition and Epidemie
Disease in the Subsistence Crisis of Preindustrial Europe, in; Feod and Foodways I
( 1 987), S. 389; Dirlmeier 1978 (wie Anm. 2), S. 13; Schmitz (wie Anm. 4), S. I und
33ff.; Braudel/Spooner (wie Anm. 92), S. 429 und 453; Buszelle (wie Anm. 59), S. 26;
Hanauer (wie Anm. 43), S. 38: 1438 «grande mortalite suite de deux che11es precedentes»;
S. 40: 1 5 1 7 «cherte jusqu’en 1520, suivie de peste»; Wurstisen (wie Anm. 15), S. 474:
1474 «Sterbende läuffe/welche auff der zwey vorgehenden jaren Theurung erfolget». Zur
Neuzeit siehe auch Markus Mattmüller, Bevölkerungsgeschichte der Schweiz, Teil 1 : Die
frühe Neuzeit 1500-1 700, Basel 1987, S. 260-307. Die Annahme, Unter- oder
Mangelernährung hätten das Ausbrechen von Seuchen bewirkt (Hans-Jörg Gilomen, Die
Grundherrschaft des Basler Cluniazenser-Priorates St. Alban im Mittelalter, Quellen und
Forschungen zur Basler Geschichte 9, Basel 1977, S. 1 1 3), wird neuerdings von Post (wie
oben, S. 4 12f.) bestritten: Störungen des sozialen Umfeldes, Umweltbelastungen und
materielle Entbehrungen hätten auf die Menschen psychische Auswirkungen gehabt, in
deren Folge das Interesse an persönlicher Hygiene und die Widerstandskraft abgenommen
hätten.
96 Frantisek Graus, Pest – Geissler – Judenmorde. Das 14. Jahrhunden als Krisenzeit,
Göttingen 1987, S. 17, etwähnt Aufstände bei Hungerkrisen, doch in der Regel «flihnen
Hungersnöte eher zur Passivität und zur Resignation der Betroffenen, nicht zur Revolte
oder gar zum Aufstand»; vgl. Dirlmeier 1988 (wie Anm. 4), S. 149.
97 Leo Schönberg, Die Technik des Finanzhaushaltes der deutschen Städte im Mittelalter
(Münchener volkswittschaftliche Studien 103), 19 I 0, S. 7 1 .
98 Themas von Aquin, Summa theologica I I 2, I 1 8 ad primum: < .c.CU c:
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Abbildung 2: Personen. für welche der Vorrat reichte: Monate für die Ernährung der Gesamtbevölkerung
—Anzahl Personen (linke Skala) • • • • • • • • Anzahl Monate (rechte Skala)
Anzahl Personen
4000
3000
2000
1000
1420 1430 1 440 1450 1460 1470 1480 1490 1 500 1 5 1 0
Monate
8
6
2
MEDIUM AEVU1􀀒
QUOTIDIANUM
34
KREMS 1996
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
GASTHERAUSGEBERIN DIESES HEFTES:
DOROTHEE RIPPMANN (BASEL)
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Ti telgraphik: Stephan J. Tram er
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für den
Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher
Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. -Druck: KOPITU Ges. m. b. H.,
Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Stefan Sonderegger: Ernährung im Heiliggeist-Spital St. Gallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Pascale Sutter: Die Ernährung der Leprösen des St. Galler
Siechenhauses Linsebühl im Spätmittelalter
und in der frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 5
Willi Schech: Die Öffentliche Getreideversorgung in Basel
im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .48
Urs Amacher: Die Teichwirtschaft im Spätmittelalter.
Vom Frischhaltebecken zum Fischmastweiher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Dorothee Rippmann: «Sein Brot verdienen»:
Die Beköstigung von Arbeitskräften im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1
5
Vorwort
Das vorliegende Heft von Medium Aevum Quotidianum verem1gt fünf
schweizerische Beiträge, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln Aspekte der
Emährungsgeschichte behandeln. Für die Zukunft wäre es wünschbar, sie
durch weitere Studien aus anderen Regionen zu ergänzen. Die beiden ersten
Artikel zum St. Galler Heiliggeist-Spital und zum St. Galler Leprosorium
widmen sich der Konsumation von Nahrungsmitteln in den betreffenden
Korrununitäten. Stefan Sonderegger und Pascale Sutter werten hauptsächlich
Reclmungen aus und besprechen den jahreszeitlichen Rhythmus der
Emährung, den wöchentlichen Speisenplan, das tägliche Mahlzeitengefüge
und die soziale Ordnung, die in den abgestuften Verpflegungsansprüchen der
Inhaber und Inhaberinnen einer Herrenpfründe, einer Mittelpfründe und einer
Siechenpfründe zum Ausdruck kommt, den Aspekt der sozialen Differenz
also. Da sich die Betrachtungen auch den Verhältnissen im 1 6. Jahrhundert
widmen, lässt sich zumindest ansatzweise überprüfen, ob die Einführung der
Reformation Änderungen der Emähnmgsgewohnheiten bewirkte. Es sei an
die Signal- und Propagandawirkung von Fastenbrüchen durch die Anhänger
des evangelischen Glaubens erinnert. Im St. Galler Leprösenhaus Linsebühl
hielten sich auch in der refom1ierten Zeit die alten Ernährungsgewohnheiten,
indem man an den drei wöchentlichen fleischlosen Tagen festhielt
Die Beiträge von Willi Scl10ch und Urs Amacher stellen die
Vorratshaltung und die Nahrungsmittelproduktion in den Vordergrund. ln
Schechs Ausführungen zur Getreideversorgung der Stadt Basel wird die
Abhängigkeit der mittelalterlichen tmd frülu1euzeitlichen Menschen von den
witterungsbedingten Emteschwanktmgen sichtbar. Missemten, aber auch
kriegerische Ereignisse koiUlten die städtische Getreideversorgung sclUlell aus
dem Gleichgewicht bringen. Gestörte Marktbeziehungen brachten die
Getreidezufuhr aus dem Hinterland zum Erliegen. Während die
wohlhabenderen Einwohner der Stadt Phasen der Teuerung und Knappheit mit
eigenen Vorräten zu überbrücken vennochten, sahen sich die Unterschichten
sehr bald von Htmger und Verschuldung bedroht. Im Spätmittelalter nahm die
Fischzucht, die Produktion der klassischen mittelalterlichen Fastenspeise,
einen Aufschwung. Urs Amacher untersucht die spätmittelalterliche
Teichwirtschaft. Er geht den Fragen der Investitionen und der
Arbeitsorganisation im Weiherbau nach und beschreibt die Aufzuchtmethoden.
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Anlässtich von Weiherbauunternehmungen kormten die Interessen der von den
Markterträgen aus der Fischzucht profitierenden Herrenschicht und der
bäuerlichen Agrarproduzenten in scharfen Gegensatz treten.
Der Beitrag Rippmanns rollt das Thema «Ernährung» am Beispiel der
Geschichte der Arbeit auf Er beschreibt die Organisation und Qualität der
Verpflegung von landwirtschaftlichen Arbeitskräften, Fronleuten und
Handwerkern. Dabei handelt es sich um kollektive Beköstigung ausserhalb
des privaten Kreises von Familienhaushalten, um «convivialite ouvriere».
Wiederum ist wie schon im Beitrag Schoch der zentrale Stellenwert des
Brotes ein Thema. Dieses Grundnahrungsmittel stand nicht inuner in der
gewünschten oder als angemessen erachteten Quantität zur Vetfl.igung. Das je
nach Status und Arbeitsposition der Arbeitskräfte unterschiedliche,
reichhaltigere oder bescheidenere „Companagium“ stellt den tlexibeln Teil
der Beköstigung dar und bringt soziale Wertungen im mittelalterlichen,
ständischen Ordnungsdenken zum Ausdruck.
Dorothee Rippmann, Juni 1996
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