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Die unbekannte illustrierte Fechthandschrift
des Hugold Behr
Vorbemerkungen zur Edition von Rostock UB Mss. var. 83
Matthias Johannes Bauer (Paderborn)
Im Katalog der Bibliothek Johann Albrechts I. zu Mecklenburg (1525-1576)
wird 1573 ein „alt gemalet buch mit allen figuren, von allerley art fechtens“
verzeichnet, das „in alt gelb Pergament eingebunden“ war1. Heute befindet sich
die Handschrift aus dem 16. Jahrhundert in den Beständen der Universitätsbibliothek
Rostock. Vermutlich aus zeithistorischen Gründen rutschte die Handschrift
in jüngerer Vergangenheit durch das Raster bibliographischer Erfassung.
Im Jahr 2001 wurden die Handschriftenbestände der Bibliothek von Kurt Heydeck
im „Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek
Rostock“ veröffentlicht, nicht jedoch die Fechthandschrift des Hugold Behr,
weil sich das Katalogisierungsprojekt als zeitliche Grenze das Jahr 1500 setzte2.
So wurde die kleine Handschrift in jüngster Zeit vorerst erneut übersehen, als
Rainer Leng für die Bearbeitung der Fachgruppe „Fechtbücher“ im „Katalog der
deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters“ (Bayerische Akademie
der Wissenschaften) die Überlieferungsfülle des Materials sichtete und
zusammenstellte3. Die Fechthandschrift des Hugold Behr kann deshalb als bislang
unbekannt angesprochen werden.
Die Herausgabe dieser Quelle als Vierfarbabdruck einschließlich
Handschriftenuntersuchung und Edition des Textes soll ihr nun die gebührende
Beachtung verleihen. Als Vorbild für die Ausgabe dient die im vergangenen
Jahr erschienene Veröffentlichung von Hans Czynners Fechtlehre (1538) von
1 Catalogus sive Index universalis omnium librorum… qui in domini Joannis Alberti Ducis
Megalburgensis etc. bibliotheca Suerinensi habentur et exstant, secundum seriem alphabeticam
digestus. Schwerin 1573, Universitätsbibliothek Rostock Mss. Meckl. J 203, fol.
114r.
2 Kurt Heydeck, Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Rostock.
Wiesbaden 2001.
3 Die Fechthandschrift Rostock UB Mss. var. 83 wurde nach dem Hinweis des Bearbeiters
Rainer Leng.noch als Nachtrag (Katalognr. 38.9.13) im „Katalog der deutschsprachigen illustrierten
Handschriften des Mittelalters“ (kurz: KdiH), Fachgruppe „Fechtbücher“ aufgenommen
(im Erscheinen). Herzlichen Dank an Rainer Leng für die Möglichkeit zur
Einsichtnahme in das Manuskript des gesamten Katalogs und für den konstruktiven Austausch
von Ideen und Erkenntnissen.
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Ute Bergner und Johannes Giessauf4. Der vorliegende Beitrag will die Handschrift
und ihre Edition als eine Art Auftakt zum Projekt vorstellen.
Vorbesitzer und Geschichte der Handschrift
Die Vorgeschichte der Handschrift lässt sich in einigen Etappen rekonstruieren;
sie ist nämlich nicht nur im eingangs angesprochenen Katalog der Bibliothek
Johann Albrechts von 1573 verzeichnet5, sondern auch im Catalogus Bibliothecae
Academicae Bützoviensis aestate anni MDCCLXXXIX Rostochium transportatae
concinnatus ab Olao Gerhardo Tychsen6. Demzufolge kam die Handschrift
1789 bei der Zusammenführung der beiden Universitätsbibliotheken Bützow
und Rostock mit dem Bützower Bestand nach Rostock.
Auf dem vorderen Einbandspiegel liest sich links oben der Besitzeintrag
„Hugoldt Bheer[e]“ und darunter „§ 93 §“, was die Katalogbeschreibung bislang
als Datierung 1593 betrachtete. Das kollidiert aber mit der Verzeichnung im alten
herzoglichen Katalog von 1573. Es handelt sich deshalb bei dem Besitzer
mit ziemlicher Sicherheit um Hugold Behr d. Ä. (7. September 1527 bis 15.
September 1576), fürstlich pommerischen Landrat, und nicht um Hugold Behr
d. J. (11. Dezember 1573 bis 10. August 1620), den Neffen Hugold Behrs d. Ä.,
fürstlich pommerischen, Pfalz-Neuburgischen und mecklenburgischen geheimen
Rat sowie herzoglich mecklenburgischen Amtshauptmann auf Ivenack7.
Datierungsmöglichkeiten
Hinsichtlich der Datierung der Handschrift ist der Katalogeintrag von 1573 der
momentan einzige Anhaltspunkt, womit sich dieses Jahr als terminus ante quem
ergibt. Die Lebensdaten Hugold Behrs liefern keinen terminus post quem, da der
Besitzeintrag auf den ersten Blick nicht die Hand des Schreibers ist. Das (anonyme)
Fechtbüchlein könnte wesentlich älter sein und irgendwann im zweiten oder
dritten Viertel des 16. Jahrhunderts in den Besitz Hugold Behrs übergegangen
sein: Der Katalog der Bibliothek Johann Albrechts bezeichnet das Buch 1573
bereits als „alt“8. Abseits dieser Hypothese scheint eine Datierung um die Jahrhundertmitte
bzw. in das zweite und/oder dritte Viertel des 16. Jahrhunderts
4 Ute Bergner und Johannes Giessauf (Hg.), Würgegriff und Mordsschlag. Die Fecht- und
Ringlehre des Hans Czynner (1538), Universitätsbibliothek Graz MS. 963. Graz 2006.
Herzlichen Dank an Ute Bergner, Universitätsbibliothek Graz, Johannes Giessauf, Universität
Graz, und Christopher Schaffer, Akademische Buch- und Verlagsanstalt Graz, für den
wissenschaftlichen und planerischen Austausch.
5 Wie Anm. 1.
6 Rostock UB Mss. Meckl. J 81, S. 404: „10. Ein Fechtbuch mit ausgemalten Figuren“.
7 G. C. F. Lisch, Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechts Behr. Bd. I-IV
vom 12. Jh. bis 1500 u. Reg.-Bd. zu I-IV von G. A. Seyler; fortges. von U. Graf Behr-Negendank:
Bd. V. Nachträge von 1138-1446. Bd. VI, 1, 2. von 1500 bis zur Gegenwart u.
Reg.-Bd. zu V u. VI. Schwerin (später Berlin) 1861-97.
8 Wie Anm. 1.
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griffig.
Die erkennbaren Wasserzeichen, ein Fischschwanz mit Schuppen und
ein Horn (Musikinstrument), sind bislang nicht zu identifizieren9. Paläographische,
sprach- oder kostümgeschichtliche Untersuchungen im Verlauf der Edition
könnten den Zeitraum möglicherweise noch enger eingrenzen.
Kurze Beschreibung der Handschrift
Die 52 Blatt starke Papier-Handschrift (ein nicht foliiertes Vorsatzblatt, 51 altfoliierte
Blätter) ist in einem gleichzeitigen Pergamentumschlag auf Papier
eingebunden, der heute verzogen ist. Sie wird in einem Schuber aufbewahrt. Die
Handschrift ist im Querformat 16 cm × 20 cm angelegt. Die Seiten sind einspaltig
(3 bis 12 Zeilen) mit einer flüchtigen Kursiven von einer Hand beschrieben.
Rubrizierungen gibt es keine. Die Mundart ist hochdeutsch.
Inhalt und Illustrationen
Die Fechtlehre des Anonymus behandelt das Bloßfechten mit Schwert und
Dolch10. Die Handschrift gliedert sich in zwei Teile, nämlich von fol. 1r bis 39r
das Fechtbuch im eigentlichen Sinne und von fol. 40v bis 51r verschiedene
Genreszenen (männliche und weibliche Figurinen, Portraitskizzen, venezianische
Gondel mit Pärchen, z. T. koloriert und z. T. unvollendet). Die Skizzen
sind überwiegend von der Hand des Fechtbuchzeichners (abweichend 50r:
Ganzfigur von anderer, erfahrener Hand). Sämtliche Fechterzeichnungen sind
ungerahmt (etwa 9 cm × 18 cm) auf jeweils eigenen Seiten angelegt und, abgesehen
von arabischen Ziffern als Verweisnummern zur Schrittstellung, ohne
weitere Beischriften. Intensive Textverweise liefern die Erläuterungen zu den
einzelnen Stellungen. Die Fechterpaare sind meist in eng anliegender und nur
gelegentlich leicht gebauschter oder geschlitzter (Trainings-)Kleidung in starren
Posen abgebildet. Sie stehen frei und ohne Hintergrund, Horizontlinie oder Rasengrund.
Die Bewaffnung besteht durchgängig aus jeweils langem Schwert und
kurzem Dolch. Die Strichführung ist umrissartig ohne Schraffuren, jedoch mit
sorgfältiger, meist deckender Kolorierung. Dunklere Mischungen vermitteln den
Eindruck von Schattierungen und Gewandfalten. Die insgesamt 29 Federzeichnungen
sind teilweise mit Aquarell- und Deckfarben koloriert (braun, bordeaux,
gelb, weiß, grau, orange und Mischungen).
Das nicht foliierte Vorsatzblatt zeigt ein Wappen mit einem bislang nicht
identifizierten Vierfüßler. Auf fol. 1r befindet sich als eine Art Fechterwappen
9 Herzlichen Dank an Heike Tröger, Abtlg. Sondersammlungen der Universitätsbibliothek
Rostock, die für alle Fragen und „Ferndiagnosen“ stets geduldige Ansprechpartnerin war
und Recherchen und Informationen aus der UB zur Verfügung gestellt hat. Sie hat die
Wasserzeichen erkannt und beschrieben.
10 Zum Folgenden vgl. Leng, Zu anonymen Fechtbüchern; Wolfram Schmitt, Fechtbücher
(anonyme), in: Verfasserlexikon 2 (1980), Sp. 712 f.
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eine Zeichnung zweier gekreuzter Hellebarden mit Schwert und zwei Dolchen.
Der Bildkatalog mit kolorierten Federzeichnungen von Fechterpaaren (ab fol.
3r) folgt einem Diagramm (fol. 2v), auf das sich Schritte oder Stellungen beziehen.
Auf fol. 4r (fol. 3v leer) beginnt der Textteil mit den Worten: Dass kurtze
Lager. Item diesem kurzen Lager gezeichnet mit der Ziffer 2 und 3…
Die Fechtlehre scheint eine individuelle, einzelstehende Arbeit zu sein,
die möglicherweise im Zusammenhang mit einer (bürgerlichen?) Fechtschule
steht. Text- und Bildvorlagen konnten bislang nicht ausgemacht werden. Die
Handschrift hat eine klare didaktische Zielrichtung und ist methodisch ausgefeilt.
Der sportlich-gymnastisch-fechterische Aspekt steht im Vordergrund und
könnte ein konkreter Verweis auf eine (bürgerliche?) Freizeitkultur sein11.
Abb. 1: Zeichnung aus der anonymen Fechthandschrift des Hugold Behr, Rostock UB Mss.
var. 83, fol. 33r. Die arabischen Ziffern beziehen sich auf ein Diagramm für Fußstellungen
auf fol. 2v, die gestrichelten Linien zeigen die mögliche Schlagrichtungen oder -techniken an.
Alle Skizzen der Fechterpaare beziehen sich auf das Diagramm auf fol.
2v, das schematisch die Kampffläche der Fechter von oben darstellt und mit arabischen
Ziffern von 1 bis 10 versehen ist. In den einzelnen Skizzen verweisen
arabische Ziffern am linken und rechten Bein des jeweiligen Fechters auf dieses
Diagramm und machen somit die korrekte Stellung und Bewegung der Beine
zusammen mit dem beschreibenden Text leicht nachvollziehbar. Damit wird die
Dreidimensionalität des realen (Fecht-)Raumes mit nur geringem Informationsverlust
geschickt auf die Zweidimensionalität des Papierblattes reduziert.
Als weiteres methodisches Element dieses Fechtbuches verlaufen gestri-
11 Weiterführend: Rainer Welle, „…und wisse das alle höbischeit kompt von deme ringen“.
Der Ringkampf als adelige Kunst im 15. und 16. Jahrhundert (Forum Sozialgeschichte 4)
Paffenweiler 1993.
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chelte Linien vom Waffenarm auf die ungedeckten Stellen des Gegners, höchstwahrscheinlich
zur Andeutung der möglichen Schlagrichtungen oder -techniken.
Die Verwendung solcher Linien ist beispielsweise aus Fechtbüchern italienischer
Traditionen bekannt, so bei Giacomo Di Grassi (1570)12 oder später Francesco
Alfieri (1640)13. Für zeitgenössische deutschsprachige Fechthandschriften
scheint dies ebenso wie die Verwendung eines Schrittdiagrammes ein Novum zu
sein. Der anonyme Schreiber und Zeichner könnte konkret von italienischen
Meistern beeinflusst gewesen sein und möglicherweise in Italien seine Fechtkunst
vertieft haben. Denn unter den Genreszenen im zweiten Buchteil befindet
sich auch eine venezianische Gondel, die einen Bezug der Handschrift und ihres
Zeichners zu Italien herstellen lässt.
Abb. 2: Stich aus dem Druck der italienischen Fechtlehre des Giacomo Di Grassi von 1570.
Linien und Buchstaben zeigen die unterschiedlichen Angriffsmöglichkeiten auf: Von A nach
B als Hieb auf den Kopf- oder Halsbereich schlagen oder alternativ mit der Spitze C zurück
ziehen nach D und dann nach B stechen (aus: http://www.thearma.org/Manuals/
NewManuals/DiGrassi/03001030.jpg – letzter Zugriff 24. Oktober 2007).
12 http://www.thearma.org/Manuals/NewManuals/DiGrassi/03001030.jpg (letzter Zugriff 24.
Oktober.2007).
13 John Clements, Renaissance Swordsmanship. The Illustrated Use of Rapiers and Cut-and-
Thrust-Swords. Boulder, Colorado 1997, 125.
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Abb. 3: Doppelter Angriff mit Schwert und Dolch aus dem Druck der Fechtlehre des Francesco
Alfieri von 1640 mit Linien zur Verdeutlichung einzelner Bewegungen (aus: John
Clements: Renaissance Swordsmanship. The Illustrated Use of Rapiers and Cut-and-Thrust-
Swords. Boulder, Colorado 1997, 125).
Zum Editionsvorhaben
Die Texte in Kombination mit den Abbildungen, die durch Schrittdiagramm und
gezogene Linien die Probleme einer Verschriftlichung von Bewegungen besser
auffangen, machen die Handschrift weit weniger interpretationsbedürftig als die
übrigen Fechthandschriften der Zeit. Sie stellt damit ein besonderes Beispiel
pragmatischer Schriftlichkeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit dar14. Deshalb
soll die Ausgabe des Fechtbuches Hugold Behrs über die Untersuchung der
Handschrift und die Edition des Textes hinaus das Manuskript als Vierfarbabdruck
beinhalten.
Das Editionsvorhaben befindet sich momentan in einigen Teilen noch in
der Planungsphase und soll als Drittmittelprojekt voraussichtlich 2009 seinen
Abschluss mit der Publikation der Ausgabe finden. Dann wird die anonyme
Fechthandschrift des Hugold Behr erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt
und für die Wissenschaft zugänglich gemacht. Hiermit wird eine neue,
herausragende Quelle für die Erforschung von historischer Fachliteratur und die
Untersuchung der Geschichte des Fechtens zur Verfügung stehen.
14 Dazu weiterführend bspw.: Jan-Dirk Müller: Bild – Vers – Prosakommentar am Beispiel
von Fechtbüchern. Probleme der Verschriftlichung einer schriftlosen Praxis, in: Pragmatische
Schriftlichkeit im Mittelalter, hrsg. von Hagen Keller, Klaus Grubmüller und
Nikolaus Staubach (Münstersche Mittelalter-Schriften 65) München 1992, 251-282.
M E D I U M A E V U M
Q U O T I D I A N U M
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KREMS 2007
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramèr
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ……………………………………………………..…………….…… 4
Matthias Johannes Bauer, Extra muros.
Systemimmanente grundherrschaftliche Probleme
im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen städtischen Ziegeleiwesen
am Beispiel der Stadt Erding (Oberbayern) ……….….……………… 5
Ana-Maria Gruia, Sex on the Stove.
A Fifteenth-Century Stove Tile from Banská Bystrica ……………… 19
Thomas Kühtreiber, „Raum-Ordnungen“. Raumfunktionen und
Ausstattungsmuster auf Adelssitzen im 14.-16. Jahrhundert.
Ein Forschungsprojekt am ‚Institut für Realienkunde’
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ………………… 59
Matthias Johannes Bauer, Die unbekannte illustrierte Fechthandschrift
des Hugold Behr. Vorbemerkungen zur Edition
von Rostock UB Mss. var. 83 ….…..…………………….………….. 80
Buchbesprechungen ……..……………………………………………….…….. 86
4
Vorwort
Der vorliegende Band von Medium Aevum Quotidianum beschäftigt sich vorrangig
mit einem Bereich des historischen Alltags, welcher seit dem 19. Jahrhundert
für die kultur- und sozialgeschichtliche Forschung immer wieder von
besonderem Interesse gewesen ist: mit Wohnkultur im weitesten Sinne, vom
Bauwesen bis zu einem Detail spätmittelalterlicher häuslicher Innenausstattung.
Eine solche Konzentration steht im Zusammenhang mit einem Projekt am ‚Institut
für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit’‚ welch letzteres
eng mit Medium Aevum Quotidianum zusammenarbeitet. Dieses Forschungsprojekt,
‚Raum-Ordnungen’ widmet sich vor allem den Raumfunktionen und
häuslichen Ausstattungsmustern im adeligen Wohnbereich Mitteleuropas vom
14. bis zum 16. Jahrhunderts und wird in diesem Heft von Thomas Kühtreiber
kurz beschrieben.
Das genannte Forschungsvorhaben sieht auch die internationale Kooperation
von ausgesprochener Bedeutung. Erste Ergebnisse dieser Zusammenarbeit
sollen zwei weitere Beiträge dieses Heftes vermitteln. Matthias Johannes Bauer
beschäftigt sich für den oberbayrischen Raum mit Fragen des spätmittelalterlichen
städtischen Ziegeleiwesens, welches natürlich eine wichtige Rolle gerade
in Bezug auf jedwede öffentliche und private Bautätigkeit spielte. Ana Maria
Gruia setzt sich dagegen mit einem Detail des häuslichen Innenraumbereiches
im spätmittelalterlichen Oberungarn auseinander, und zwar mit den Bildprogrammen
glasierter Kachelöfen. Es geht ihr dabei besonders um den Versuch
einer Erklärung und Entschlüsselung des Kontextes der Darstellung eines Kopulationsaktes
auf einer Ofenkachel des 15. Jahrhunderts aus der heute slowakischen
Stadt Banská Bystrica. Gerade diese Abhandlung zeigt die Varietät von
zu berücksichtigenden Analysemöglichkeiten, welche akribische Detailuntersuchungen
zu Fragen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wohnkultur eröffnen
können.
Gerhard Jaritz