6
Frauen im Allgemeinen und Ehefrauen im Besonderen.
Zur frauendidaktischen Relevanz der Lehrdichtung des
„Seifried Helbling“
Angelika Kölbl
Einleitung
Im 19. Jahrhundert erweckten 15 anonym überlieferte Gedichte die Aufmerksamkeit
zahlreicher Germanisten;1 den Namen des im XIII. Gedicht genannten
Spielmannes Helblinc Sîfrit2 mit jenem des Verfassers gleichzusetzen, erwies
sich zwar als falsch,3 dennoch etablierte sich „Seifried Helbling“ als Bezeichnung
für einen Autor, dessen dichterisches Werk mit Bestimmtheit im spätmittelalterlichen
Niederösterreich entstand.4
Die bislang einzige umfassende Edition der Gedichte des „Seifried Helbling“
veröffentlichte 1886 Josef Seemüller.5 Er schuf damit die nötige
Voraussetzung für eine über literaturwissenschaftliche Fragestellungen hinausgehende
Auseinandersetzung mit diesem didaktischen Werk. In der Folgezeit
wurde auch der historische und kulturwissenschaftliche Quellenwert der Gedichte
erkannt. Im Verlauf der Jahrzehnte blieb die Beschäftigung mit den
1 Vgl. Theodor Georg von Karajan, Zu Seifried Helbling, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum
4 (1844), 1-284; Franz Pfeiffer, Zu Seifried Helbling, in: Zeitschrift für deutsches
Alterthum 5 (1845), 471; Ernst Martin, Zu Seifried Helbling, in: Zeitschrift für deutsches
Alterthum 13 (1867), 464-466; Oskar Jänicke, Beiträge zur Kritik und Erklärung des Seifried
Helbling, in: Zeitschrift für deutsches Alterthum 16 (1873), 402-419; Josef Seemüller,
Studien zum Kleinen Lucidarius („Seifried Helbling“) Wien 1883; Joseph Seemüller (Hg.),
Seifried Helbling. Halle a. S. 1886; Gustav Ehrismann, Zum Seifried Helbling, in: Germania.
Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde 33 (1888), 370-379.
2 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht XIII, V. 11.
3 Karajan, Zu Seifried Helbling, 243; Martin, Zu Seifried Helbling, 464.
4 Vgl. Seemüller, Seifried Helbling, VI; Reinhold Hangler, Seifried Helbling. Ein mittelhochdeutscher
Dichter aus der Umgebung des Stiftes Zwettl (Göppinger Arbeiten zur Germanistik
623) Göppingen 1995, 47; Max Wehrli, Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter.
Von den Anfängen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Stuttgart 31997, 457.
5 Seemüller, Seifried Helbling.
7
Helbling-Gedichten zwar lebendig, Monographien und themenspezifische Aufsätze
beschränkten sich allerdings auf eine überschaubare Anzahl.6
Knapp hundert Jahre nach der Gedichtedition Seemüllers erhielt die „Seifried
Helbling“-Forschung zunächst einen neuen Anstoß durch Ursula Liebertz-
Grüns 1981 erschienene Arbeit „Seifried Helbling. Satiren kontra Habsburg“:7
Als Reaktion auf Liebertz-Grüns Studie fand bis in die 90er Jahre sowohl aus
Sicht der Literaturwissenschaft als auch der historischen Disziplin eine intensive
Auseinandersetzung mit den Helbling-Gedichten statt.8 Beinahe hat es jedoch
den Anschein, als hätte sich die „Seifried Helbling“-Forschung in dieser Zeit der
konzentrierten Analyse erschöpft, denn seit mehr als zehn Jahren liegt das Werk
des Didaktikers am Rande des wissenschaftlichen Wahrnehmungsbereichs und
das, obwohl vor allem durch die Publikationen der 80er- und 90er-Jahre des 20.
Jahrhunderts das enorme inhaltliche Potential der 15 Lehrgedichte des „Seifried
Helbling“ offengelegt wurde.
In der vorliegenden Arbeit soll dem frauendidaktischen Anteil der Helbling-
Gedichte, bislang von der Forschung entweder vollkommen ausgeblendet
oder zumeist nur in Aspekten berührt,9 Raum gegeben werden und das unter besonderer
Berücksichtigung von Gedicht I und den darin beschriebenen sechs
Negativbeispielen verheirateter Frauen kontrastierend mit der Idealdarstellung
einer Ehefrau.
6 Vgl. Wolfgang Schütz, Neue Studien zum kleinen Lucidarius. Diss. phil., Jena, 1959; Sieghilde
Benatzky, Österreichische Kultur- und Gesellschaftsbilder des 13. Jahrhunderts aufgrund
zeitgebundener Dichtungen (Seifried Helbling und Meier Helmbrecht). Diss. phil.,
Wien, 1963; Stephanie Cain van D’Elden, Seifried Helbling’s „Ein maer ist guot ze schriben
an“. A Reevaluation, in: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 13 (1978),
167-179; Stephanie Cain van D’Elden, Rhetorical devices in Seifried Helbling’s political
poetry, in: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 74 (1982),
451-462; siehe auch Anmerkung 8.
7 Ursula Liebertz-Grün, Seifried Helbling. Satiren kontra Habsburg. München 1981.
8 Vgl. Maximilian Weltin, Die Gedichte des sogenannten „Seifried Helbling“ als Quelle für
die Ständebildung in Österreich, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich NF
50/51 (1984/1985), 338-416; Dieter Vogt, Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften
Kleindichtung des Stricker und im sog. Seifried Helbling. Frankfurt am Main 1985; Gerhard
Wolf, Die Kunst zu lehren. Studien zu den Dialoggedichten („Kleiner Lucidarius“) der
„Seifried Helbling“-Sammlung (Regensburger Beiträge zur deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft
26) Frankfurt am Main 1985; Hangler, Seifried Helbling; Angelika Kölbl,
Das kulturelle Leben im Österreich der frühen Habsburgerzeit aus der Sicht des „Seifried
Helbling“. Eine Analyse der Gedichte XIV, V, VI, XIII, I, II, III unter Berücksichtigung
von Bronislaw Malinowskis „Wissenschaftlicher Theorie von der Kultur“. Dipl. phil.,
Wien, 1997.
9 Gerhard Wolf widmet sich einer eingehenden Analyse des Herr-Knecht-Dialogs über Ehefrauen.
Vgl. Wolf, Die Kunst zu lehren, 49-57.
8
Autor und Werk
Der Verfasser einer der bedeutendsten Gedichtsammlungen des späten 13. Jahrhunderts10
ist für die Wissenschaft ein weitgehend Unbekannter geblieben.
Insbesondere in der Frühphase der „Seifried Helbling“-Forschung wurde wiederholt
der Versuch unternommen, den einzelnen Gedichten autobiographische
Hinweise abzuzwingen, mit dem Ergebnis vager, bezüglich des vermeintlichen
Autorennamens „Seifried Helbling“ haltloser Meinungen.11 Das Faktenwissen
zur Person des Dichters reduziert sich darauf, dass er in Niederösterreich wirkte.
In den Helbling-Gedichten werden zahlreiche niederösterreichische Orte ebenso
genannt wie auch Personen, die in Niederösterreich lebten und begütert waren.12
Ein gewisses Naheverhältnis des „Seifried Helbling“ zu den Kuenringern darf
als wahrscheinlich gelten, immerhin äußert sich der Dichter in seinen Gedichten
vornehmlich positiv über dieses niederösterreichische Ministerialengeschlecht.13
Bereits Josef Seemüller hielt es für denkbar, dass sich „Seifried Helbling“ aufgrund
der „entschiedenen Sympathie“ für die Kuenringer im Kerngebiet ihrer
Herrschaft aufhielt, im Raum Zwettl. Seemüller sah seine These auch dadurch
gestützt, dass der Dichter in Gedicht I einen Zwettler Mönch in scherzhaftem
Zusammenhang erwähnt.14 Zuletzt erneuerte Reinhold Hangler die Vermutung,
den Schaffensbereich des Dichters im näheren Umfeld der Kuenringer zu suchen;
seine sozialhistorische Studie wurde unter dem Titel „Seifried Helbling.
Ein mittelhochdeutscher Dichter aus der Umgebung des Stiftes Zwettl“ veröffentlicht.
15
Das aus 15 Gedichten bestehende Gesamtwerk des „Seifried Helbling“
findet sich nur in einer Papierhandschrift (b) des 16./ 17. Jahrhunderts vollständig
überliefert.16 In seiner Edition bringt Josef Seemüller die Gedichte in eine
chronologische Abfolge, die Nummerierung der Gedichte verweist auf ihre Rei-
10 Joachim Bumke, Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter. München 31996,
337.
11 Vgl. vor allem: Karajan, Zu Seifried Helbling; Seemüller, Seifried Helbling, Kapitel I (Der
Dichter).
12 Seemüller, Seifried Helbling, VI.
13 Helmut Birkhan, Ministerialenliteratur in Österreich, in: Die Kuenringer. Das Werden des
Landes Niederösterreich. Niederösterreichische Landesausstellung. Stift Zwettl 16. Mai –
26. Oktober 1981 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 110) Wien
1981, 20-36, hier 29.
14 Seemüller, Seifried Helbling, VII f.; Nach dem Blick des „Seifried Helbling“ in das Dekolleté
der koketten Ehefrau spottet er: […] der dâ zwischen sehen baet/ von Zwetel einen münich
guot,/ er gewünn zer werlte muot./ (Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1112-
1114).
15 Hangler, Seifried Helbling, 47.
16 Seemüller, Seifried Helbling, LXXVI, LXXXII-CVII; Hangler, Seifried Helbling, 39; Die
Handschrift b befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek und trägt die Signatur:
Cod. 2887; Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften
der Österreichischen Nationalbibliothek 1 (Veröffentlichungen des Instituts für deutsche
Sprache und Literatur 13) Berlin 1960, 547 f.
9
hung in der Handschrift b.17 Zeitgeschichtliche Anspielungen des „Seifried
Helbling“ ermöglichen es, für einen Großteil der Gedichte eine zumindest ungefähre
Entstehungszeit festzulegen. Das älteste Gedicht datiert mit 1282/83, das
jüngste mit 1299.18
Innerhalb des satirisch-didaktischen Werks des „Seifried Helbling“19
kristallisiert sich eine Gruppe von acht Gedichten heraus, die durch einen lehrhaften
Dialog zwischen einem Herrn und seinem Knecht gekennzeichnet ist.
Hinsichtlich dieser auf Unterweisung abzielenden Frage-Antwort-Situation orientiert
sich der Autor an dem deutschen „Lucidarius“ (um 1190),20 einer
enzyklopädischen Dichtung, charakterisiert durch ein Gespräch zwischen Meister
und Schüler.21 „Seifried Helbling“ tituliert Gedicht I als kleinen Lûcidârius22
und diese Bezeichnung etablierte sich als namensgebend für alle Dialoggedichte
des Helbling-Korpus.23
In den Lucidarius-Gedichten des „Seifried Helbling“ führen Herr und
Knecht als kritische Beobachter ihrer Zeit Gespräche von gesellschaftlicher Relevanz:
Sie bemängeln beispielsweise das Verhalten der Landherren,24
thematisieren Missstände im Bereich der Rechtssprechung,25 unterhalten sich
über fremde Einflüsse auf die österreichische Landessitte,26 fragen nach dem
rehten Ôsterman27 – und nach der rehten,28 der tugendhaften Ehefrau.
DieSuche nach der idealen Ehefrau
Das wîp ohne Makel zu beschreiben, gelingt dem Knecht erst im letzten Versuch;
endlich fällt das Urteil des Herrn günstig aus und dieser stellt fest: sie ist
âne wandel gar (Gedicht I, V. 1395).29 – Das Lehrgespräch in Gedicht I mündet
in einem Diskurs über richtiges und falsches Handeln verheirateter Frauen, der
Knecht charakterisiert sieben Frauentypen, dem Herrn obliegt deren Beurtei-
17 Seemüller, Seifried Helbling, CIX; Die Datierung der Gedichte durch Seemüller blieb in
der Folgezeit nicht unwidersprochen. Vgl. insbesondere Hangler, Seifried Helbling, 30-39.
18 Hangler, Seifried Helbling, 30; Wehrli, Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter,
456.
19 Bernhard Sowinski, Lehrhafte Dichtung des Mittelalters. Stuttgart 1971, 83.
20 Vogt, Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Stricker und im sog.
Seifried Helbling, 143; Wehrli, Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter, 819.
21 Bumke, Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, 93 f.
22 Seemüller, Seifried Helbling, V. 30.
23 Gedichte I, II, III, IV, XV, VIII, IX und X; Seemüller, Studien zum Kleinen Lucidarius, 16;
Wolfgang Schütz zählt Gedicht XV nicht zu den Lucidarius-Gedichten, eine Meinung, der
sich Reinhold Hangler anschloss. Vgl. Schütz, Neue Studien zum Kleinen Lucidarius, 193
f.; Hangler, Seifried Helbling, 168.
24 Seemüller, Seifried Helbling, Gedichte I, II, III, IV, VIII.
25 Ebd. Gedicht II, V. 129 ff., V. 649.
26 Ebd. Gedicht I, V. 223 ff., Gedicht II, V. 1459 ff., Gedicht III, V. 332 ff.
27 Ebd. Gedicht I, V. 218, V. 167-534.
28 Ebd. Gedicht I, V. 933.
29 Seemüller, Seifried Helbling.
10
lung.30 „Seifried Helbling“ lässt sein Publikum nicht im Zweifel darüber, welche
weiblichen Eigenschaften und Handlungen inakzeptabel sind, die Ausführungen
des Knechts über unaufrichtige, kokette, geschminkte, kritische, gleichgültige
und neugierige Ehefrauen sind unmissverständlich, ebenso ist es das Lob auf die
tugendsame Ehefrau.
In Gedicht I entwickelt „Seifried Helbling“ damit eine spezifische, 473
Verse umfassende Verhaltenslehre für Ehefrauen und fokussiert auf die Beziehung
des wîp zu ihrem Ehemann, zu ihren Mitmenschen und darauf, wie sie sich
ihrer Umwelt präsentiert. Es liegt im primären Interesse des Autors, die unterschiedlichen
Handlungsweisen der Hauptakteurinnen zu kommentieren und zu
bewerten. In seinen Beschreibungen und Erläuterungen spiegeln sich Denktraditionen
wieder, die insbesondere auf das Alte Testament und die patristische Literatur
rekurrieren und für die lehrhafte Dichtung generell charakteristisch sind.
Inhaltliche Überschneidungen didaktischer Texte sind üblich bzw. werden die
Werke literarischer Autoritäten wie etwa Freidanks Sittenlehre „Bescheidenheit“
von Didaktikern häufig zitiert.31 Die Belehrungen des „Seifried Helbling“ sind
auch durch die Auffassung der sexuellen Bestimmtheit von Frauen geprägt.
Frauen, im Gegensatz zu Männern, als Geschlechtswesen zu betrachten, erweist
sich als Gemeinsamkeit männlicher Didaktiker des Mittelalters. Diese wenden
sich implizit an das „rechts- und wehrfähige Subjekt“, an ein Publikum von
Männern, sodass die „Kategorie des Geschlechts“ keiner Thematisierung bedarf.
32 Weibliche Protagonistinnen sind im Werk des „Seifried Helbling“ unterrepräsentiert,
das Herr-Knecht-Gespräch über die rechte Ehefrau bildet in dieser
Hinsicht eine Ausnahme.
Um seine Argumentation zu stützen oder die Anschaulichkeit einer Schilderung
zu steigern, erwähnt der Autor in seinen Gedichten immer wieder
Frauen, allerdings in aller Regel nur flüchtig. Verweist „Seifried Helbling“ auf
den Missstand der Plünderung der bäuerlichen Bevölkerung durch einzelne Herren
und ihre Gefolgsleute, unterstreicht er deren Raffgier mit der Bemerkung,
dass einer Ehefrau kein Zwirnfaden bleibt.33 Wenn der Verfasser der Helbling-
Gedichte Klage führt über Knappen, die sich nach einem wilden Trinkgelage auf
Raubzug begeben, so kommt er nur beiläufig auf die weibliche Bedienung zu
sprechen.34
30 Ebd. Gedicht I, V. 929-1402.
31 Wehrli, Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter, 459; „Seifried Helbling“ bezieht
sich dreimal auf Freidank: Gedicht VI, V. 186-194, Gedicht II, V. 147-150, Gedicht VIII,
V. 488-492.
32 Ingrid Bennewitz, „Darumb lieben Toechter/ seyt nicht zu gar fürwitzig…“. Deutschsprachige
moralisch-didaktische Literatur des 13.-15. Jahrhunderts, in: Elke Kleinau und Claudia
Opitz (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung 1. Vom Mittelalter bis zur
Aufklärung. Frankfurt/Main 1996, 23-41, hier 25.
33 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 613 f.
34 Ebd. Gedicht XIII, V. 118.
11
Die auf Frauen bezogene Tugend-Laster-Lehre des „Seifried Helbling“
beschränkt sich zwar im Wesentlichen auf Gedicht I, strahlt allerdings vereinzelt
auf das gesamte Werk aus: So wirft der Dichter zum Beispiel einen satirischen
Seitenblick auf trinkfreudige Frauen,35 geht auf Distanz zu einem übelen wîp,
die er als wankelmütig charakterisiert36 oder belächelt die Beziehung einer jungen
Ehefrau zu ihrem alten Partner.37 In zwei weiblichen Schlüsselfiguren des
Parzivalromans Wolframs von Eschenbach sieht „Seifried Helbling“ das Ideal
einer Frau verwirklicht, in Herzeloyde und Orgeluse, beiden attestiert er gleichermaßen
Schönheit wie Tugend, indem er knapp feststellt: diu schoen, diu
klâr.38 Ein komplexeres Bild der idealen, verheirateten Frau lässt der Dichter in
Gedicht I entstehen, auch indem er negative Eigenschaften der von ihm zuvor
beschriebenen sechs Frauen ins Positive wendet und auf diese Weise ein weibliches
Gegenmodell âne wandel39 konstruiert.
1. Die Unaufrichtige40
Aufgefordert durch den Herrn, die rechte Ehefrau ausfindig zu machen, fällt die
Wahl des Knechts als erstes auf eine Bäuerin, die entgegen dem Wunsch ihres
Ehemannes sparsam zu kochen und sich mit einfachen Speisen zu begnügen, in
seiner Abwesenheit schlemmt und sich an gebratenem Huhn, Wein, Weißbrot,
Eiern, Beuschel und Ferkelbraten41 delektiert. Ihrem Mann serviert die Frau vergleichsweise
magere Kost, Kraut, Suppe (varveln) und Gerstenbrot, als Wegzehrung
gibt sie ihm auf das Feld Brotrinde mit.42 Während der gemeinsamen Mahlzeiten
zeigt sich die Bauersfrau sehr zurückhaltend oder isst gar nichts, aus
Mangel an Appetit, wie sie ihrem Ehemann gegenüber meint.43 Das Eheleben
der Bauersleute verläuft harmonisch, der Bauer ahnt nichts vom doppelten Spiel
seiner Gattin und diese präsentiert sich in seiner Gegenwart als sparsame Hausfrau.
Herr und Knecht führen in Gedicht I zunächst eine Unterhaltung über einen
wohlhabenden Mann, der, auf jeglichen Luxus verzichtend, an der Vermehrung
seines Vermögens, nicht aber an der finanziellen Unterstützung armer, bedürftiger
Menschen interessiert ist.44 Der Herr verurteilt die Lebenseinstellung
eines Mannes,45 der […] bî guot wil arm sîn,/ […].46 Zweifellos ergibt sich eine
35 Ebd. Gedicht II, V. 1375-1378.
36 Ebd. Gedicht VII, V. 1046 f.
37 Ebd. Gedicht I, V. 123-145.
38 Ebd. Gedicht XV, V. 111 (Herzeloid) und V. 137 (Orgelûs).
39 Ebd. Gedicht I, V. 1395.
40 Ebd. Gedicht I, V. 938-1092.
41 Ebd. Gedicht I, V. 977, V. 980, V. 1013, V. 1014, V. 1015.
42 Ebd. Gedicht I, V. 949-957, V. 971, V. 1029-1032.
43 Ebd. Gedicht I, V. 966-973, V. 1037-1039.
44 Ebd. Gedicht I, V. 43-55.
45 Ebd. Gedicht I, V. 59-64.
46 Ebd. Gedicht I, V. 63.
12
Parallele zu dem auf extreme Sparsamkeit bedachten Ehemann der genussfreudigen
Bäuerin. Auch in diesem Fall äußert sich „Seifried Helbling“ kritisch und
noch bevor er das Verhalten der Bauersfrau beschreibt und schließlich beurteilt,
stellt er fest: herte guotes was ir man./47 Indem der Dichter bereits einleitend auf
den Geiz des Bauern verweist,48 signalisiert er seinem Publikum, dass die
nachfolgenden Ausführungen vor dem Hintergrund des ausgeprägten Sparwillens
des Bauern zu betrachten sind. Obwohl „Seifried Helbling“ die Unaufrichtigkeit
der Bäuerin verurteilt, weckt sein an einen Schwank erinnernder Erzählstil49
Sympathien für die an Gewitztheit ihrem Ehemann überlegene Bauersfrau.
Sie überrascht ihren Mann mit dem Einfall, den Nährwert mehrerer Krautgerichte
durch Zugabe immer desselben Fleisches zu erhöhen; ehe gegessen wird,
zieht die Frau das an einen Faden gebundene Fleisch aus dem Kraut und bewahrt
diese Zutat für die nächste Krautspeise auf: des fleisches hie an einer
snüer;/ sie nam ez bî dem selben vadem/ und truoc ez wider gein ir gadem./50
Sobald jedoch der Bauer zur Feldarbeit aufgebrochen ist, stillt die Bäuerin ihren
Hunger mit qualitativ hochwertigeren Speisen und triumphiert in aller Heimlichkeit
über den Ehemann: […]‘got erlâz in aller nôt,/ von dem ich dise
prêsent/ sô heimlîchen swent’/ […].51 Dieser Betrug am Ehemann wird vom
Herrn nicht gebilligt, und im Gegensatz zum Knecht, der die Frau schlicht als
biderb52 bezeichnet, übersieht bzw. ignoriert der Herr nicht die Ambivalenz ihres
Verhaltens und ihr tugendhafter Schein kann ihn nicht über ihre Unaufrichtigkeit
hinwegtäuschen: ‘ich ahte, daz sie biderb sî/ und doch niht arger liste
frî,/dâ sî vil lîht ein hekel bî.’/53
2. Die Kokette54
Ein wîp mit zwei antlütze55 steht als nächstes auf dem Prüfstand. Während der
Knecht das Gesicht der Frau als von menschlicher Hand unverändertes Werk
Gottes erkennt,56 wundert er sich über ihr „unteres Antlitz“, ihr ausladendes Dekolleté
nämlich: […] der buosem was gerizzen/ wît gein der senke vor,/ dâ inne
loblîch truoc enbor/ zwei hiufel tratz, eben gedraet;/ […].57 In der Öffentlichkeit
gibt sich die Frau leichtfertig-kokett, stets mit einem Lächeln auf den Lippen.58
47 Ebd. Gedicht I, V. 941.
48 Wolf, Die Kunst zu lehren, 50.
49 Ebd.
50 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 951-953.
51 Ebd. Gedicht I, V. 981-983.
52 Ebd. Gedicht I, V. 1087.
53 Ebd. Gedicht I, V. 1090-1092.
54 Ebd. Gedicht I, V. 1096-1142.
55 Ebd. Gedicht I, V. 1100.
56 Ebd. Gedicht I, V. 1102-1105.
57 Ebd. Gedicht I, V. 1108-1111.
58 Ebd. Gedicht I, V. 1115-1124.
13
Der Knecht wirbt beim Herrn auch für diese Frau und argumentiert mit ihrer
Tugendhaftigkeit und ihrem Ansehen,59 allerdings ohne Erfolg. Der Herr
stößt sich am Hochmut der Frau und bemängelt ihre aufreizende Art Männern
gegenüber: […] doch hât sie ze hôhen muot,/ ob sie wîbes güete kan,/ daz sie
reizet sô die man,/ […].60 Ihre im Hochmut, der superbia, begründete
Sündhaftigkeit wiegt schwer61 und stellt einen unüberwindbaren Mangel dar.
3. Die Geschminkte62
Beim dritten Versuch des Knechts, dem Herrn eine verheiratete Frau ân wandel
gar63 zu präsentieren, fällt sein Augenmerk auf jene, die ihr Äußeres durch die
Verwendung von Schminke verändert. Den Halsbereich bestreicht diese Frau
mit einem Gemisch aus Quecksilber, Kampfer, Weizenmehl und altem Fett, in
der Absicht, einen korrigierenden Effekt zu erzielen. Ihren Wangen verleiht sie
eine rote Färbung, mit Hilfe eines Filzes wird Scharlachrot reibend aufgetragen.
64
Dem Knecht fehlt das Verständnis dafür, dass eine Frau ihr Aussehen
kosmetisch manipuliert, die in ungeschminktem Zustand als anmutig zu bezeichnen
ist: […] liutsaelic was sie selpvar;/ […]65 – mit dieser Einschätzung
nimmt er in gemilderter Form die scharfe Kritik des Herrn vorweg. Dieser zeigt
sich unbeeindruckt von der Zusatzbemerkung des Knechts, die Frau sei doch
êrbaer,66 verurteilt ihr Handeln als Missachtung der göttlichen Schöpfung und
nennt drastische Konsequenzen: Demnach würde Gott der geschminkten Frau
seine Unterstützung entziehen und ihre Seele verfluchen:67 zeiner immernôt/ in
den êwigen tôt.’/68
Die Praxis des Schminkens wird als Eingriff in das Werk Gottes betrachtet,
eine Sichtweise, die „Seifried Helbling“ mit anderen Didaktikern des Mittelalters
teilt69 und die in der Bibel sowie in Schriften der Kirchenväter wurzelt.
59 Ebd. Gedicht I, V. 1126f., V. 1130 f.
60 Ebd. Gedicht I, V. 1134-1136.
61 Wolf, Die Kunst zu lehren, 52.
62 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1143-1166.
63 Ebd. Gedicht I, V. 1144.
64 Ebd. Gedicht I, V. 1146-1151.
65 Ebd. Gedicht I, V. 1145.
66 Ebd. Gedicht I, V. 1152.
67 Ebd. Gedicht I, V. 1154-1159.
68 Ebd. Gedicht I, V. 1158 f.
69 Vgl. etwa: Alois Primisser (Hg.), Peter Suchenwirt`s Werke aus dem vierzehnten Jahrhunderte.
Ein Beytrag zur Zeit- und Sittengeschichte. Wien 1827 (Nachdruck 1961), Gedicht
XL, V. 50-55: […] Du machst dich anders, wann dich got/ noch im selb gepildet hat;/ dein
antlFtz smárst du vrF und spat,/ dein hárn glitzent, deinew wang/ hot dew salben so durichgang,/
daz du geist valscher varbe schein;/ […]; Heinrich Niewöhner (Hg.), Die Gedichte
Heinrichs des Teichners II (Deutsche Texte des Mittelalters 46) Berlin 1954, Gedicht 292,
V. 1 f., V. 4-9: Ich waiz ein volkch, dw tFnt sich schein/ daz sew über got wellent sein/ […].
da main ich an streicherinn/ dw sich schoner machen wellen/ denn si got selber chan ge14
Über Jahrhunderte wurden im Hinblick auf den Gebrauch von Kosmetika die
Positionen insbesondere eines Tertullian, Cyprian und Gregor von Nazianz tradiert,
deren ausführliche, dem weiblichen Putz gewidmete Unterweisungsschriften
in der Warnung gipfeln, eine Veränderung des göttlichen Werks würde
einer Beleidigung des Schöpfers gleichkommen.70 „Ich kenne euch nicht. Weg
von mir, ihr Übertreter des Gesetzes!“, heißt es in Matthäus 7,2371 und Gregor
von Nazianz formuliert: „Fort von mir, du Fremde! Nicht bemalt habe ich dich,
Hündische, sondern als mein Ebenbild geschaffen.“72 Am Beispiel der ablehnenden
Haltung des „Seifried Helbling“ gegenüber dem Schminken wird deutlich
sichtbar, wie sehr die Argumentation mittelalterlicher Didaktiker biblischen,
christlichen Lehren verpflichtet war und dieser Tradition entsprechend innerhalb
enger, stark normierter Grenzen verlief.
4. Die Kritische73
Abermals stellt der Knecht seinem Herrn eine Frau in der Hoffnung vor, die
richtige Wahl getroffen zu haben, und er äußert sich gleich zu Beginn wohlwollend
über ihr weißes Gebende mit Flechtelementen und beschreibt sie zudem als
gottesfürchtig.74 Im Haus hält die Frau ihre Bediensteten unter strenger
Beobachtung, hat an der Arbeit eines jeden etwas auszusetzen und spart nicht
mit Beschimpfungen:75 Die Magd wird als Hexe bezeichnet (dehselrit)76, der
Ackerknecht als Dummkopf (snûdaer)77 und der für das Beheizen der Stube zuständige
Knecht als übler Geselle (boeswiht)78, Letzterem gegenüber wird die
Frau sogar handgreiflich: […] dem sleht sie einez an daz mûl:/ […].79 Auch der
stellen/ der aller sch=n hat gewalt./ der hat seu nach im selb gestalt/ und wellent sich dennoch
schoner machen./
70 Tertullian, Über den weiblichen Putz, in: Tertullians private und katechetische Schriften.
Aus dem Lateinischen übersetzt von K. A. Heinrich Kellner (Bibliothek der Kirchenväter 1.
Reihe, Band 7) München 1912, 175-202, insbesondere I. Buch, Kapitel 8 und II. Buch, Kapitel
5; Cyprian, Über die Haltung der Jungfrauen, in: Des Heiligen Kirchenvaters Caecilius
Cyprianus sämtliche Schriften. Aus dem Lateinischen übersetzt von Julius Baer (Bibliothek
der Kirchenväter 1. Reihe, Band 34) München 1918, 56-82, insbesondere II. Buch, Kapitel
15; Gregor von Nazianz, Gegen die Putzsucht der Frauen. Verbesserter griechischer Text
mit Übersetzung, motivgeschichtlichem Überblick und Kommentar von Andreas Knecht
(Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern) Heidelberg
1972.
71 Das Neue Testament. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Kommentierte Ausgabe.
Klosterneuburg 1981, 30.
72 Gregor von Nazianz, Gegen die Putzsucht der Frauen, 21.
73 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1167-1229.
74 Ebd. Gedicht I, V. 1168-1183.
75 Ebd. Gedicht I, V. 1184-1213.
76 Ebd. Gedicht I, V. 1196.
77 Ebd. Gedicht I, V. 1208.
78 Ebd. Gedicht I, V. 1200.
79 Ebd. Gedicht I, V. 1199.
15
Ehemann bleibt nicht von Kritik verschont, ihm wirft die Frau vor, schlecht zu
wirtschaften.80
Das gefällige Äußere der Frau und ihre Gläubigkeit kontrastieren mit ihrer
aufbrausenden, rüden Art und ihrem ausschließlich kritisch-provokanten Verhalten
Personal wie Ehemann gegenüber. Der Magd wirft die Frau mangelnde
Sorgfalt bei der Käseherstellung vor; es befände sich noch reichlich Topfen in
der Molke und die Frau äußert den Verdacht, die Magd würde einen heimlichen
Liebhaber, einen Knecht, mit diesem Topfen verköstigen.81 In der Stube stört
sich die Frau an aufgewirbeltem Aschestaub und beschuldigt den Heizer, die
Feuerstelle nicht mit Wasser benetzt zu haben.82 Vom Ackerknecht behauptet
die Frau, das Ackerzeug für die Pferde (hofgerechte)83 zu beschädigen.84 Misstrauen,
Unterstellungen und Respektlosigkeit prägen das Verhältnis der Frau zu
den Bediensteten, weder Magd noch Knechte verrichten ihre Aufgaben zur Zufriedenheit
der Hausfrau. Nachdem sie einen so negativen Eindruck von der
Dienerschaft gewonnen hat, tritt die Frau ihrem Ehemann mit einer „Bissigkeit“
gegenüber, die „Seifried Helbling“ an einen Hamster erinnert: pforipfutsch!/ diu
frouwe beiz umb als ein grutsch./ sie sprach: ‘owê, herre wirt,/ wie nütz ir dem
hûse birt!/ als ein verfuortez pfluocrat,/ sô eben iur geschefte stât.’/85 In ihrem
Ehemann meint die Frau den Schuldigen für die Missstände im Haus gefunden
zu haben, ihn trifft ihr Spott, wenn sie seine wirtschaftliche Situation vor dem
Hintergrund der vermeintlichen Unzulänglichkeit der Bediensteten mit einem
kaputten Pflugrad vergleicht und seine Qualitäten als Hausherr massiv in Zweifel
zieht. Der Ehemann widerspricht zwar der Einschätzung seiner Frau, ‘frou,
ich schaffe wol und eben;/ […],86 nach dieser knappen Stellungnahme führt er
allerdings einen abrupten Themenwechsel herbei. Er fordert seine Frau auf, eine
Mahlzeit servieren zu lassen und bringt schließlich deutlich zum Ausdruck, wer
im Bereich der häuslichen Verwaltung, aber wohl auch in der ehelichen Beziehung
den Ton angibt: heizt uns drâte zezzen geben,/ daz wir, die stummen,
rûmen iu.’/87 Eine Frau, deren Verhältnis zu Bediensteten wie Ehemann von
solch unerbittlicher Härte geprägt ist, beurteilt der Herr erwartungsgemäß negativ.
Seinem Dafürhalten nach erweist sie sich als wild, als schrecklich und er
wählt die Charakterisierung freidic88, ergänzt um den Nachsatz: […] daz ist ein
wandel, sammir Krist!’/89
80 Ebd. Gedicht I, V. 1214-1220.
81 Ebd. Gedicht I, V. 1186-1196.
82 Ebd. Gedicht I, V. 1197-1205.
83 Ebd. Gedicht I, V. 1211; Matthias Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch 1. Stuttgart
1992, Spalte 1360 (hovegereite).
84 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1208-1213.
85 Ebd. Gedicht I, V. 1215-1220.
86 Ebd. Gedicht I, V. 1221.
87 Ebd. Gedicht I, V. 1221-1223.
88 Ebd. Gedicht I, V. 1228; Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch 3. Stuttgart 1992,
Spalten 495f.
89 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1229.
16
5. Die Gleichgültige90
Der Knecht zieht die Konsequenzen aus der Ablehnung der kritischen Ehefrau
durch den Herrn und wähnt sich auf dem richtigen Weg, der rehten vart,91 wenn
er ein weibliches Gegenbild entwirft. Er beschreibt eine Frau, die stets in Passivität
verharrend, sogar Unrechtshandlungen kommentarlos zur Kenntnis nimmt
und sich lediglich um das eigene Wohlergehen kümmert. Die Schmälerung des
Besitzes der Frau durch Personen in ihrem Haus92 wird von ihr hingenommen,
diesbezügliche heftige Gefühlsregungen bleiben aus: […] dar umb sie zorn gar
verbirt,/ […].93 Die Frau gibt sich stets freundlich, während sie es dem Ehemann
überlässt, auf Missstände zu reagieren. Ihr primäres Interesse liegt darin, ihr Äußeres
zu verschönern, gutes Essen zu genießen und lange zu schlafen. Das Verhalten
des Ehepartners kümmert sie nicht, selbst wenn er seinen Vater berauben
würde. Das Liebesleben des Ehepaares gestaltet sich nach den Wünschen des
Ehemannes, die Frau fügt sich schweigend.94 Diese bedingungslose Bereitschaft
ihrem Ehemann zu Willen zu sein, lässt nach Ansicht des Knechts manch andere
Frau vermissen.95
Die Gleichgültigkeit der Frau gegenüber ihren Mitmenschen und ihrem
Ehemann veranlasst den Herrn zu der Bemerkung: […] ir ist ze lützel sorge bî,/
[…].96 Diesen Mangel an Sorge für Belange, die sie selbst aber auch andere
betreffen, empfindet der Herr als Makel97 und widerspricht damit deutlich dem
Knecht, der die Überzeugung vertritt, die Frau wäre niemals zu einer Unrechtshandlung
fähig.98 Dem Knecht fehlt das Verständnis für die Sichtweise des
Herrn99 und er bezeichnet seinen Lehrer als ze merklîch,100 allzu „tadelsüchtig“.
101 Mit diesem Einspruch des Knechts mag „Seifried Helbling“ versucht haben,
mögliche Publikumskritik an der Auffassung des Herrn vorwegzunehmen,
schließlich verhält sich die Frau bei oberflächlicher Betrachtung entsprechend
der mittelalterlichen Erwartungshaltung und ordnet sich dem Ehemann unter.102
Mit Kommentaren wie […] sie laet ez allez an den wirt/ […]103 bringt der Autor
freilich zum Ausdruck, dass die Frau Konflikte auf den Ehemann abwälzt und
90 Ebd. Gedicht I, V. 1233-1277.
91 Ebd. Gedicht I, V. 1231.
92 Ebd. Gedicht I, V. 1234f.
93 Ebd. Gedicht I, V. 1236.
94 Ebd. Gedicht I, V. 1237-1255.
95 Ebd. Gedicht I, V. 1256-1265.
96 Ebd. Gedicht I, V. 1273.
97 Ebd. Gedicht I, V. 1274.
98 Ebd. Gedicht I, V. 1269 f.
99 Ebd. Gedicht I, V. 1275 f.
100 Ebd. Gedicht I, V. 1277.
101 Lexer, Mittelhochdeutsches Handwörterbuch 1. Stuttgart 1992, Spalte 2114.
102 Wolf, Die Kunst zu lehren, 54.
103 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1237.
17
ihrer Umwelt desinteressiert und dem eigenen Mann zudem leidenschaftslos gegenübersteht.
6. Die vensterhenne104 – nach Männern Ausschau haltend105
Der Knecht besinnt sich wieder auf die untergeordnete Rolle des Schülers und
fragt den Herrn nach seiner Meinung über eine Ehefrau, die zwar wolgetân106
und häuslich zu nennen ist, jedoch neugierig aus dem Fenster späht und mit einem
fremden Mann Blicke tauscht.107 Unter der Beobachtung des Mannes fühlt
sich die Frau innerlich aufgewühlt, ihr herz erschricket,108 und sie fordert ihre
Magd Brîde auf, seine Absichten zu deuten. Brîde stellt fest, dass der Unbekannte
ihrer Herrin zugetan ist und sieht sich im Hinblick auf die Gesichtsblässe
der Frau in ihrer Einschätzung bestätigt: […] der man ist gein iu hôchgemuot,/
dem gelîch iur varwe tuot./109 Den Rat der Magd, dem Mann ein Zeichen zu geben,
[…] recket einen vinger ouf;/ […],110 schlägt die Frau allerdings aus, unter
Hinweis auf einen hinter ihrem Verehrer stehenden Mann, einen potentiellen
Zeugen ihres Blickkontaktes mit dem unbekannten Bewunderer.111 Die Dienerin
versucht etwaige moralische Zweifel der Frau zu zerstreuen und gibt zu bedenken,
der „Hintermann“ könne nicht mehr erzählen, als dass sie und ihre Herrin
Blicke und ein Lächeln erwidern: wes sol er von uns verjehen,/ ân daz wir sehen
wider sehen/ und lachen wider lachen?/ waz wil er dâ von machen?’/112
Die Frau sucht die Aufmerksamkeit fremder Männer und positioniert sich
am Fenster, um zu sehen und gesehen zu werden, gleichzeitig fürchtet sie um
ihren guten Ruf und vermeidet es, einem mutmaßlichen Beobachter ihres wortlosen
Flirts mit einem Unbekannten den Eindruck zu vermitteln, sittlich unkorrekt
zu handeln. Der Verzicht auf ein Handzeichen gegenüber dem Verehrer ändert
für den Herrn nichts an seinem negativen Eindruck von der vensterhenne,
die ungeachtet ihres Ehestandes an anderen Männern Interesse zeigt: […] diu
krizelt von ir man/ nâch einem andern han./113 Ohne auch nur den Platz am
Fenster verlassen zu haben und dem Mann auf der Straße nahe gekommen zu
sein, ihn gesprochen oder berührt zu haben, leidet das Ansehen der Frau. „Seifried
Helbling“ lässt den Herrn gemäß strikter Moralvorstellungen im Hinblick
auf das Verhalten der Ehefrau urteilen und der Irrtum Brîdes wird offenkundig:
Ein verschämter Blick, ein harmloses Lächeln reichen bereits aus, um als verhei-
104 Ebd. Gedicht I, V. 1338.
105 Ebd. Gedicht I, V. 1288-1341.
106 Ebd. Gedicht I, V. 1290.
107 Ebd. Gedicht I, V. 1289-1301.
108 Ebd. Gedicht I, V. 1302.
109 Ebd. Gedicht I, V. 1311 f.
110 Ebd. Gedicht I, V. 1314.
111 Ebd. Gedicht I, V. 1321-1326.
112 Ebd. Gedicht I, V. 1329-1332.
113 Ebd. Gedicht I, V. 1339 f.
18
ratete Frau in Verruf zu kommen – der Autor zeigt keinerlei Toleranz gegenüber
ehelicher Untreue von Frauen.114
7. Die Tugendsame115
Zuletzt beschreibt der Knecht eine Frau, die der Herr resümierend als Ausnahmeerscheinung
betrachten wird: […] und ahte, daz ir kûme sî/ in einer wîten gegent
drî,/ […].116 Auch dem Dafürhalten des Knechts nach handelt es sich um
eine einzigartige Frau, die er zunächst als keusch und rein bezeichnet, von
weiblicher Güte würde sie niemals abrücken,117 später nennt er sie demütig und
gottesfürchtig.118 Die Ehe stellt für die Frau ein höchst schützenswertes Gut dar,
als Ehefrau ist sie in der Öffentlichkeit stets auf Anstand bedacht119 und wendet
den Blick nicht nach anderen Männern, ein Beobachtungsposten am Fenster
kommt für sie nicht in Frage,120 ihr Herz gehört einzig und allein dem Ehemann,
nur zu ihm fühlt sie sich hingezogen.121 Nach Eitelkeiten steht ihr nicht der Sinn,
auf Schminke verzichtet sie ebenso wie auch auf ein allzu gewagtes Dekolleté:
ein lob ich an ir kroene:/ sie bezzert niht ir schoene/ und ist behuot alle zît:/
gespriuzelt hôhe buosem wît/ der frouwen sint unmaere./122
Endlich teilt der Herr die Vorstellungen seines Knechts von einer vollkommenen
Frau und bestätigt dessen positiven Eindruck indem er meint: […]
und waer ez wâr!/ wand sie ist âne wandel gar,/ […].123 Von insgesamt sieben
Ehefrauen gibt der Herr jener den Vorzug, die treu zu ihrem Ehemann steht und
keine Augen für andere Männer hat. Es ist eine unmissverständliche Botschaft,
die „Seifried Helbling“ an sein Publikum richtet: Das Leben einer verheirateten
Frau sollte einzig auf ihren Ehemann und auf Gott fokussiert sein. Ihre weiblichen
Reize öffentlich zur Schau zu stellen, gehört sich für eine Ehefrau ebenso
wenig wie das Schminken des Gesichts, um so attraktiver zu erscheinen. Einmal
mehr hält es „Seifried Helbling“ für wichtig, darauf hinzuweisen, dass verheiratete
Frauen ihr äußeres Erscheinungsbild nicht verändern sollen. Die mustergültige
Ehefrau kümmert sich nicht um Äußerlichkeiten, jegliche Form der Selbstpräsentation
liegt ihr fern, obwohl sie, und das zu erwähnen will der Autor nicht
114 Wolf, Die Kunst zu lehren, 55; „Seifried Helbling“ denkt in erster Linie an die Untreue
von Ehemännern, wenn er sich in Gedicht II dem Thema Ehebruch zuwendet. Vgl. Seemüller,
Seifried Helbling, Gedicht II, 942-1006.
115 Seemüller, Seifried Helbling, Gedicht I, V. 1342-1402.
116 Ebd. Gedicht I, V. 1396 f.
117 Ebd. Gedicht I, V. 1367-1369, V. 1343-1346.
118 Ebd. Gedicht I, V. 1358, V. 1359-1364.
119 Ebd. Gedicht I, V. 1347-1354.
120 Ebd. Gedicht I, V. 1380-1382, V. 1355-1357.
121 Ebd. Gedicht I, V. 1385-1387.
122 Ebd. Gedicht I, V. 1370-1374.
123 Ebd. Gedicht I, V. 1394 f.
19
versäumen, durchaus über körperliche Vorzüge verfügt: doch ist diu saeldenhêre/
underm gwande wol getân;/ des guoft sich niemen ân ir man./124
„Seifried Helbling“ konfrontiert sein Publikum mit einem äußerst restriktiven
Frauenbild, sein Postulat besteht in einer Beschränkung verheirateter
Frauen auf Ehemann und Gott.
***
Das letzte Lehrgespräch in Gedicht I des „Seifried Helbling“-Werkkorpus wird
von Herr und Knecht mit dem Ziel geführt, um festzustellen, welche Eigenschaften
eine Ehefrau auf sich vereinen muss, um das Prädikat ân allen wandel125
zu erhalten. In Form eines Dialogs zwischen dem Knecht und seinem
dozierenden Herrn entwickelt „Seifried Helbling“ eine Verhaltenslehre für Ehefrauen,
die nach der Beschreibung zahlreicher negativer Eigenschaften und
Handlungsweisen in der Idealdarstellung einer Ehefrau gipfelt. „Seifried Helbling“
formuliert eine Positiv- und Negativdidaxe für verheiratete Frauen und argumentiert
entsprechend eines christlichen auf die Ehefrau bezogenen Wertekanons
in der Tradition der Bibel und der Kirchenväterliteratur.
Nach einem intensiven Diskurs zwischen Herr und Knecht in Gedicht I
über den rehten Ôsterman,126 wird der Knecht in der Folge vom Ehrgeiz geleitet,
eine rechtschaffene verheiratete Frau ausfindig zu machen. Auf die Ausführungen
des Knechts folgt stets ein kritischer, einzig auf die beschriebene Ehefrau
abzielender Kommentar des Herrn und das, obwohl der Knecht in vier Fällen
auch das Handeln des Ehemannes der jeweiligen Frau in seine Schilderungen
miteinbezieht.127
Gerhard Wolf, Autor der „Seifried Helbling“-Monographie „Die Kunst zu
lehren. Studien zu den Dialoggedichten („Kleiner Lucidarius“) der „Seifried-
Helbling“-Sammlung“, will die Ausführungen „Seifried Helblings“ bezüglich
verheirateter Frauen nicht als „allgemeine Verhaltenslehre für Frauen“ verstanden
wissen, sondern als „Ehelehre“.128 Der Auffassung Wolfs steht jedoch zunächst
entgegen, dass die Ehemänner der in Gedicht I charakterisierten Ehefrauen
zuweilen unerwähnt bleiben: In die Beschreibung der koketten Ehefrau
wird die Perspektive des Ehemannes ebenso wenig einbezogen wie im Falle der
Schminke verwendenden Frau und jener, die neugierig aus dem Fenster lugt.
Zudem schließen „Seifried Helblings“ Ausführungen in Bezug auf die unaufrichtige,
kritische, gleichgültige und tugendsame Frau zwar den Blick auf den
Ehemann mit ein; es wird ein zumeist flüchtiger Eindruck vom Mann an der
124 Ebd. Gedicht I, V. 1375-1377.
125 Ebd. Gedicht I, V. 930.
126 Ebd. Gedicht I, V. 218, V. 167-534.
127 Beispiel 1 („Die Unaufrichtige“), Beispiel 4 („Die Kritische“), Beispiel 5 („Die Gleichgültige“),
Beispiel 7 („Die Tugendsame“).
128 Wolf, Die Kunst zu lehren, 49.
20
Seite der beschriebenen Frau vermittelt129 und die Beziehung der Eheleute gewinnt
zumindest oberflächlich an Kontur. Das Urteil des Herrn trifft letztlich
aber doch nur eine Person, die Frau – die Kritik am Ehemann flackert hingegen
nur zwischen den Zeilen auf und wird in das Fazit des Herrn nicht einbezogen.
Im Hinblick darauf, dass für „Seifried Helbling“ nur die Handlungsweise der
Ehefrau jene Relevanz hat, um am Ende einer Bewertung zugeführt zu werden,
handelt es sich bei dem Gespräch zwischen Herr und Knecht über die Ehefrau
ân allen wandel um einen „Frauendiskurs“. Im Sinne Rüdiger Schnells ist es
doch allein die Frau, die „beschuldigt, angeklagt, kritisiert, ermahnt“ wird.130
Anhand von sechs Frauenbeispielen entfaltet sich in Gedicht I des Helbling-
Werkkorpus eine Bandbreite schlechter Eigenschaften, die Ehefrauen zugeschrieben
wird. Die leitende, das Lehrgespräch vorantreibende Frage nach der
Ehefrau ohne Fehler wird letzten Endes doch noch einer positiven Beantwortung
zugeführt, und „Seifried Helbling“ kreiert auch im Kontrast zu den negativen
Frauendarstellungen das Idealbild einer Frau.
„Seifried Helbling“ kleidet seine Überlegungen bezüglich verheirateter
Frauen in eine Sprache, die missverständliche Deutungen nicht zulässt. Als Didaktiker
hinterlegt er seine Unterweisungen mit den Beurteilungskriterien richtig
und falsch und schafft dadurch eine Verständnisgrundlage für sein Publikum im
Hinblick auf akzeptables und inakzeptables Verhalten. „Seifried Helbling“ bemüht
sich um Bewusstseinsbildung, seine Didaxe wird allerdings nicht von jenem
„heiligen Ernst“ bestimmt, der etwa die Lehrreden Heinrichs des Teichners
durchdringt;131 dafür ist er zu sehr darauf bedacht, sein Publikum auch zu
belustigen.
So sehr die Ehefrauen-Beschreibungen des „Seifried Helbling“ in der didaktischen
Tradition wurzeln, nicht zuletzt aufgrund des kurzweiligen Dialogs
zwischen einem pfiffigen Knecht und seinem Herrn sowie einem scherzhaften,
satirischen Unterton, erweist sich diese Frauendidaxe durchaus als Lehrdichtung
individueller Prägung und unterscheidet sich von anderen, weibliches Handeln
thematisierenden Unterweisungsschriften des Mittelalters.
129 Dem bescheidenen Ehemann der unaufrichtigen Ehefrau widmet „Seifried Helbling“ etwas
mehr Aufmerksamkeit.
130 Rüdiger Schnell, Frauendiskurs, Männerdiskurs, Ehediskurs. Textsorten und Geschlechterkonzepte
in Mittelalter und Früher Neuzeit (Reihe „Geschichte und Geschlechter“ 23)
Frankfurt/ Main 1998, 184.
131 Vgl. Heinrich Niewöhner (Hg.), Die Gedichte Heinrichs des Teichners I-III (Deutsche
Texte des Mittelalters 44, 46, 48) Berlin 1953, 1954, 1956; Angelika Kölbl, Der Blick auf
die Frau. Frauendidaxe in den Reden Heinrichs des Teichners. Wien 2005.
M E D I U M A E V U M
Q U O T I D I A N U M
62
KREMS 2011
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramèr
ISSN 1029-0737
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ……………………………………………………..…………….…… 4
Angelika Kölbl, Frauen im Allgemeinen und Ehefrauen im Besonderen.
Zur frauendidaktischen Relevanz der Lehrdichtung des
„Seifried Helbling“ ……………………………………………….……… 6
Kateřina Horničková, Contextualising and Visualising Saints
in the Fourteenth and Fifteenth Centuries …….……………………….. 21
Susanne Rischpler, Memoria Mittelalter – aktiv, passiv oder manipuliert?
Rezensionsartikel zu Lucie Doležalová (Hg.),The Making of Memory
in the Middle Ages (Leiden und Boston: Brill, 2010) …………………. 40
Buchbesprechungen ………………………………………………………..….. 54
Anschriften der AutorInnen ….…………..……………………………………. 62
4
Vorwort
Das vorliegende Heft von Medium Aevum Quotidianum beinhaltet zwei
Schwerpunktartikel, welche sich einerseits auf die Analyse literarischer und andererseits
auf die Untersuchung visueller Quellen beziehen. Die Germanistin
Angelika Kölbl widmet sich der Lehrdichtung des sogenannten „Seifried Helbling“
und seinen genderspezifischen Inhalten, die bis dato in der Forschung interessanterweise
erst wenig Beachtung gefunden haben. Sie kann dabei feststellen,
dass sich die Didaxe dabei hauptsächlich auf verheiratete Frauen bezieht.
Der zweite Beitrag ist ein erstes Ergebnis im Rahmen einer internationalen
und interdisziplinären Forschungskooperation im EUROCORECODE-Programm
(„European Comparisons in Regional Cohesion, Dynamics and Expressions)
des EUROCORES-Schemas („European Collaborative Research“) der
European Science Foundation. Drei EUROCORECODE-Projekte beschäftigen
sich hierbei mit der Rolle von Regionen und regionalen Entwicklungen in der
Vergangenheit und Gegenwart Europas:
o Das „Unfamiliarity“-Projekt („Unfamiliarity as signs of European times:
scrutinising historical representations of otherness and contemporary daily
practices in border regions“) konzentriert sich auf die Analyse von Alltagspraktiken
der Bewohner von Grenzregionen innerhalb der Europäischen
Union.
o Das „Cuius Regio“-Projekt („Cuius Regio. An analysis of the cohesive
and disruptive forces destining the attachment of groups of persons to and
the cohesion within regions as a historical phenomenon“) zielt auf die
komparative Analyse einer Gruppe von europäischen Regionen über sieben
Jahrhunderte in Bezug auf deren kohäsive und disruptive Dynamiken.
o Das Projekt „Symbols that bind and break communities: Saints’ cults as
stimuli and expressions of local, regional, national and universalist identities“
setzt sich mit der mittelalterlichen Heiligenverehrung und ihren modernen
Aneignungen auseinander, um damit den Wandel kultureller und
sozialer Werte in unterschiedlichen Regionen Europas (im Besonderen
Zentraleuropas und Nordeuropas) festzustellen. Forschungsinstitutionen
in Dänemark, Estland, Norwegen, Österreich und Ungarn kooperieren in
diesem Projektverbund. Das Kremser Institut für Realienkunde der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften beschäftigt sich dabei vor al5
lem mit der visuellen Repräsentation von Heiligen und deren regionalen
Spezifika und Entwicklungen.
In jenem Kremser Forschungszentrum entstand der Beitrag der Projektmitarbeiterin
Kateřina Horničková. Er setzt sich mit den regionalen Kontextualisierungen
und Unterschieden von spätmittelalterlichen Heiligendarstellungen
in Österreich und Böhmen auseinander.
Gerhard Jaritz