In der Kanzlei des Königs.
Die Kanzlei im mittelalterlichen Dänemark
JENS E. OLESEN
Die Kenntnis von den administrativen staatlichen Funktionen im Mittelalter
ist gering, weil nur verhältnismäßig wenige schriftliche Aufzeichnungen erhalten
sind. Der Großteil der Originalquellen ist im Laufe der Zeit verloren gegangen,
im Rahmen von Zerstörungen in Verbindung mit Kriegsereignissen
oder innerer Unruhe, bei Brandkatastrophen und endlich auch durch allgemeine
Nachlässigkeit. Was heute noch an Originaldokumenten der Zeit um
1400 vorhanden ist, sind überwiegend Fragmente aus einmal existierenden Gesamt
beständen.
Der König war das Zentrum der Verwaltung. Er stützte sich auf die
Reichsbeamten, die die politischen und administrativen Aufgaben in der Praxis
ausführen sollten. Die Zahl der Reichsbeamten konnte sich manchmal schnell
ändern, so wie sich auch ihre Funktionen mitunter schnell veränderten oder
sogar gänzlich zu existieren aufhörten.
Die Verwaltung war im mittelalterlichen Gemeinwesen nicht an eine bestimmte
Stadt oder Burg geknüpft. Die Verwaltung folgte dem König, der mit
seiner Gefolgschaft im Reich herumreiste, um Ordnung und Stabilität aufrecht
zu erhalten und die Finanzverwaltung und die Gerichtsbarkeit zu sichern. Dem
König und seiner Gefolgschaft folgten auch die notwendigen Schreiber und Dokumente.
Von den Reichsbeamten sind besonders zu erwähnen: der „Drost,“ der
Marsch ( „Marsk“ ) , der Kammermeister und der Kanzler. Der „Drost“ war,
bis das Amt in der Zeit von Königin Margrethe (1387-1412) verschwindet und
danach wieder für kürzere Zeit unter ihrem Nachfolger Erich von Pommern
( 1412-1439) auflebt, der wichtigste Beamte und wird oft als Stellvertreter des
Königs genannt. Nach der Aufhebung des Amtes wurden dessen Aufgaben
zwischen den übrigen Hofbeamten geteilt. Der Marsch hatte neben anderen
Funktionen die Leitung der Kriegsmacht über. Der Kammermeister fungierte
als Steuer- und Zinseinnehmer und sorgte für die Auszahlungen des Staates.
Der Kanzler war der Vorstand der königlichen Kanzlei ( „Schreibstube“ ) , fertigte
deren Briefe aus und bewahrte die königlichen Siegel auf.
Die Beamten waren adelig, der Kanzler jedoch gehörte normalerweise dem
geistlichen Stand an, vor allem wegen der notwendigen Lese- und Schreibkenntnlsse.
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Als Quellen zur Geschichte der dänischen Kanzlei im Mittelalter können
genannt werden: Briefe der Könige, ältere Abschriften, Kopialbücher, Register
und einzelne Briefbücher, sowie Grundbücher (Kataster) und Rechnungen.
Im Hochmittelalter ist der Name des Leiters der Kanzlei oft nur aus Einzeldokumenten
und Annalen überliefert, unter anderem durch den Chronisten
Saxo (um 1180).
Auch Untersuchungen der Schreiberhände (Schreibweise), Formulare, Abhängigkeiten
von Vorlagen und Datierungsformel können die Tätigkeit der
Kanzlei beleuchten 1 .
Im Folgenden soll eine Darstellung der Entwicklung der dänischen Kanzlei
gegeben werden und zwar mit besonderer Berücksichtigung jener Komponenten,
welchen sich die dänische Forschung vorrangig gewidmet hat.
Nicht lange nach der Einführung des Christentums in Dänemark müssen
am königlichen Hof Geistliche als Seelsorger angestellt worden sein, und diese
sind wahrscheinlich auch als Sekretäre herangezogen worden, als es zur Regel
wurde, die Regierungsangelegenheiten des Königs schriftlich zu beurkunden.
Die königliche Verwaltung in Dänemark nach dem J ahre 1000 hat wahrscheinlich
Einflüsse von außen erhalten, zuerst und besonders vom angelsächsischen
England, das damals in diesem Bereich vom Kontinent noch ziemlich unbeeinflußt
war. Ein eigentliches Kanzleiwesen kann nicht nachgewiesen werden,
aber es ist bekannt, daß Knud der Große (1018-1035), Svend Estridsen ( 1047-
ca. 1074) und Knud der Heilige (1080-1086) „capellani“ in ihren Diensten
hatten, welche sie als Bischöfe einsetzten. Aus diesem Gesichtspunkt ist es
natürlich, daß die dänischen Bischöfe in einem persönlichen Treueverhältnis zu
den Königen standen2 .
Erst in den Briefen des Königs nach 1135 kann eine eigentliche Schreibertätigkeit
nachgewiesen werden, in welcher Kapellane und Notare tätig sind.
In Deutschland hatte sich ein eigenes „Regierungsbüro“ entwickelt, das
bis ins 11. und 12. Jahrhundert gewöhnlich als die „Kapelle“ ( capella regis)
bezeichnet wurde. Geistliche und weltliche Kapellane machten hier Dienst,
und viele von ihnen wurden zu höheren Ämtern befördert. Bischofsitze und
Präbenden wurden aus ihr besetzt – soweit der König das Ernennungsrecht
1 Die Literatur zur Geschichte der mittelalterlichen Dänischen Kanzlei ist – wie das angeschlossene
Literaturverzeichnis belegt – nicht besonders groß, und es fehlen noch Untersuchungen,
die das 14.-15. Jahrhundert betreffen. Hier sollen besonders erwähnt werden:
KHL vol. 8, col. 201 ff., 232 ff., 239 ff.; Secher 1886, p. 65 ff.; Will. Christensen 1903, p. 82
ff.; Carlie 1925, passim; Komerup 1943, p. XXI; Krornan 1943, p. 36 ff.; Niels Skyurn-Nielsen
1963, 1966 passim; Jexlev 1981, p. 223 ff.; Oiesen (Hrsg.): Die Briefe Christoffers von Bayem
144Q-1448 (1986) p. 25 ff.
2 Schück 1963, p. 137; P. Johns. J!llrgensen 1971, p. 341 f.
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besaß -, und aus dieser Gruppe wurden auch Gesandte an fremde Mächte
erwählt.
Die Kanzlei war wahrscheinlich anfangs ein Teil dieser „Kapelle“ , und
der Kanzleidienst war an jenen Klerus geknüpft, aus welchem auch die Kirchenchöre
besetzt wurden und der auch die literarische Kultur in der Tradition
der Antike bewahrte.
Derjenige, der in der „Kapelle“ die ausgehenden Briefe und Dokumente
ausfertigte, wurde Not arius genannt . Jener, welcher der „Kapelle“ vorstand
und das königliche Siegel aufbewahrte, mit dem die Ausfertigung rechtsgültig
gemacht wurde, war der Cancel/arius (Kanzler) . Mit der Zeit bekam der Kanzler
die Ob eraufsicht über die gesamte Kapelle und er wurde der oberste Vertrauensmann
(Treuhänder) des Königs.
Die ältesten dänischen Königsbriefe kennen nur königliche Kapellanea Der
Kapellan des Königs Erich Ernune ( 1 134-1137) namens Rike wird 1 135 genannt.
Vier Jahre später treten Ass er, der Kapellan des Königs Erich Lam ( 1137-
1146), und Toke, sein Notarius, auf4
Aus den ersten Regierungsjahren des Königs Valdemar I . ( 1 157-1182) ist
sein Kapellan, der Engländer Radulf, bekannt (ab ca. 1 163 Bischof in Ripen) .
Er wurde als Gesandter verwendet, weil er wie Erzbischof Absalon auch Latein
sprechen konnte. Bald wurden ihm ein Kapellan und ein Notar zur Seite
gestellt, und ab 1161 wird er als Kanzler tituliert. Dieses Jahr (1161) scheint
vermutlich der Zeitpunkt der formalen Trennung von Kapelle und Kanzlei zu
sem.
Das Kapellanat existiert neben der Kanzlei bis zum Jahre 1 1 96. Danach
sind in dänischen Quellen bis in das dritte Viertel des 13. J ahrhunderts keine
Kapellane genannt. In den Jahren 1 175- 1 1 93 werden zwei und auch drei Kapellane
gleichzeiti;- erwähnt , aber – bis zum Jahr 1300 – immer nur ein Notar.
Dies kann darauf hindeuten, daß das Notaramt bald in eine höhere Position
rückte.
1 175 ist ein königlicher Kanzler namens Kar! bekannt. Dieser wird neuerlich
1 180 genannt, in einem Dokument, in welchem sein Name vor dem Namen
eines Kapeilans und dreier Clerici steht, also ohne Zweifel den untergeordneten
Schreibern vorangestellt.
Allmählich zeichnet sich der Beginn eines Kanzleiwesen kontinentaler Prägung
ab5 .
Nach Saxo wird das Kanzleramt bedeutender und sein Tätigkeitsbereich
3 A. D. J!ISrgensen 1884, p. 1 f.; Weibull 1941, p. 60 f.; Schiick 1963, p. 135-37.
4 A. D. J!ISrgensen 1884, p. 2.
5 A. D. J!ISrgensen 1884, p. 2.; N. Skyum-Nielsen 1971, p. 176-77.
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größer. Daß der hervorragende Gelehrte und Dompropst in Roskilde, Anders
Sunesen (t 1228) das Kanzleramt in den Ietzen Jahren der Regierung von Knud
VI. ( 1 194-1201) einnahm, ist ein Zeichen dafür, daß diese Funktion als eine Art
von Sprungbrett zu höheren Positionen bewertet werden kann. Anders Sunesen
war ein naher Verwandter des Erzbischofs Absalon und war für die damalige
Zeit von ungewöhnliche:: Gelehrsamkeit. Er war Diplomat bei der Kurie in
Rom und in Frankreich. Im Jahre 1201, nach seiner Erhebung zum Erzbischof
nach Absalon wurden die Kanzler aus den Obersten des Reiches, den Bischöfen,
gewählt.
Aus der Zeit Valdemars II. ( 1202-1241) können genannt werden: Bischof
Peder Surresen von Roskilde, Bischof Niels von Schleswig und Bischof Niels von
Roskilde, danach einerseits Bischöfe, anderseits andere gelehrte Männer.
Streitigkeiten zwischen dem König und der Kirche hatten zur Folge, daß
in der Folge niedriger stehende Geistliche das Kanzleramt einnahmen6 .
Seit der Zeit Oluf’s ( 1 376-1387) scheint der Bischof von Roskilde ein Anrecht
auf das K anzleiamt besessen zu haben 7.
Eine effektivere königliche Kanzlei ist in den J ahren 1 193-1194 zu beobachten.
Ein Diplom aus dieser Zeit geht an einen ostwendischen Fürsten und
ist mit einer Hand geschrieben, die später (1202-1214) Diplome für Ripen und
Lübeck verfertigt. Der Betreffende war Kanzleischreiber unter zwei Königen,
ein klares Zeugnis der Kontinuität. Die Kanzlei stand am Anfang des 12. Jahrhunderts
im europäischen Vergleich gesehen auf einem verhältnismäßig hohen
Niveau8.
Ein einheitlicher Wortlaut (Diktat) in den Briefen an verschiedene Empfänger
kann ab ca. 1 195 mit Sicherheit festgestellt werden. Eine eigentliche
Kanzleitradition liegt also von diesem Jahrzehnt an vor. Es ist ungewiß, wie
weit die Tradition des einheitlichen Diktats zurückreicht.
Einwirkungen von außen können nachgewiesen werden, teils aus Deutschland,
teils von der Kurie in Rom9 .
Die Königs- und Bischofsurkunden sind noch durch einen älteren, wortreichen
Stil gekennzeichnet, darunter mit den Fönformeln der Schwert- und
Verbannungsandrohung.
In der in der dänischen Forschung stark diskutierten Quelle „Kong Valdemars
Jordebog“ (Kataster des Königs Valdemar) wird in Verbindung mit dem
6 A. D. Jt�Srgensen 1884, p. 3 f.; Schück 1963, p. 138; N. Skyum-Nielsen 1971, p. 177, 229,
241-42, 294-95.
7 Will. Christensen 1903, p. 82 ff.; K. Erslev 1901, p. 125.; Oiesen 1980, p. 269-71.
8 N. Skyum-Nielsen 1971, p. 177.
9 N. Skyum-Nielsen 1971, p. 177-78.
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Gastrecht des Königs im Winter ein Betrag für den „custos capellae“ erwähnt,
der wohl dem in späterer Zeit nachzuweisenden Kanzleidiener oder -Verwalter
entspricht, also demjenigen, der „die Kanzlei öffnet und schließt“ und der die
Aufsicht über die schriftlichen Ausfertigungen hatte und die ankommenden
Briefe und Aktenstücke aufbewahrte.
Die Kapelle muß man hier als die ambulante Kanzlei ansehen, die den
König auf dessen Reisen im Lande begleitete. Briefkisten wurden mitgeführt,
und von dort stammt wahrscheinlich die Bezeichnung „Fadebur“ , welche später
tatsächlich für das Archiv angewendet wurde10 .
In der Regierungszeit Valdemars li. (1202-1241) wurde die Kanzlei von
Peder ( 1 202-1214), Bruder des Erzbischofs Anders Sunesen, übernommen. Sein
Nachfolger war Bischof Niels von Schleswig (1215-1233/34). Die Erwerbung
einer goldenen Bulle zu Neujahr 1215 geschah gleichzeitig mit dem Wechsel des
Kanzlers. Daran geknüpft war eine Änderung der Intitulatio in den Königsdiplomen
und ein Wechsel des königlichen Siegels.
1216 wird ein „Pronotar“ genannt, der wahrscheinlich als „Vizekanzler“
anzusehen ist.
Gerade in der Kanzleizeit des Bischofs Niels verschwinden die altmodischen,
feierlichen Einleitungen in den Diplomen. Der kürzere, sachbezogenere
Stil war zeitsparender und steht in Verbindung mit der steigenden Produktion
von Königsurkunden. Es wurde vorausgesetzt, daß Königsurkunden schon fest
eingearbeitet waren in „Jyske Lov“ (das Gesetzbuch der Halbinsel Jütland).
Der folgende Kanzler war Bischof Niels Stigsen von Roskilde (erstmals
erwähnt 1244). 1237-39 wurden päpstliche Privilegien erreicht, die den Zugang
zu den kirchlichen Ämtern für den Klerus des Königs erleichterten, unzweifelhaft
ein Zeichen der Entwicklung der Kanzlei und der entstehenden
Abhängigkeit der Kirche vom König.
1245 kam es zu einem Bruch mit dem König, und Niels Stigsen – aus der
mächtigen Familie Skjalm (Hvide) – mußte Hals über Kopf fliehen. Er wurde
einer Verschwörung gegen den König beschuldigt.
Vielleicht waren die Kanzler aus dem Bischofsstand allzu mächtig geworden;
in jedem Fall wurde der nächste Kanzler aus einer niedrigeren Schicht
genommen. Es war Kanoniker Magister Peder Ranesen aus Roskilde, genannt
von 1246-48.
In den vierziger J ahren des 13. Jahrhunderts wurde das Notariat als übergeordnete
Institution in die Kanzlei integriert. Gleichzeitig wurden die Schreiber
fest angestellt, was eine gewisse Stabilität in der Ausgabe der Diplome zur
10 A. D . JiZSrgensen 1884, p. 4.
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Folge hatte11 .
In März 1253 erscheint ein neuer Kanzler aus dem Bischofsstand, Niels
von Viborg. Er wurde Mitglied des Rates von König Christoph und hatte
politischen Einfluß, wie 1259 explizit betont wird.
Nach seinem Tod im Jahre 1267 wurde wieder ein Untergeordneter, Magister
Niels Jyde ( 1 268-82), als Kanzler berufen. Allein, es gab in dieser Zeit
nur noch zwei bis drei Bischöfe, die man dazu berufen hätte können. Vielleicht
hatten daher die solcherart besonderen Verhältnisse Einfluß auf die Ernennung.
Immer jedoch scheint die Frage virulent gewesen zu sein, ob ein Kanzler
königstreu war oder eher selbständig als Bischof und Magnat. Die Frage eines
stärkeren oder eines schwächeren Kanzlers kann auch in den letzten J ahrzehnten
des 13. J ahrhunderts aufgetreten sein. Ein Bischof-Kanzler mußte in seinem
Bistum herumreisen und sich in seinem Bischofssitz einigermaßen regelmäßig
aufhalten, um sein kirchliches Amt zu verwalten. Ein untergeordneter Geistlicher
war dagegen weniger gebunden und konnte zum Beispiel auf zeitraubende
Missionen ins Ausland gesandt werden. Dies geschah zum Beispiel mit den
Kanzlern Niels Jyde und Morten Mogensen (1285-1304), die sich wahrscheinlich
beide für mehrere Jahre in Italien und Frankreich aufgehalten haben.
Ab der Mitte des 13. Jahrhunderts berichtet eine Reihe von Quellen indirekt
über die Kanzlei des Königs. Die Zahl der bewahrten Königsdiplome
steigt, und viele sind noch im Original erhalten12. Dank dessen ist es möglich,
durch ein Studium der Schreiberhände das Problem der Kanzlei und seines
Personals näher zu analysieren und sozusagen in die königliche Schreibstube
hineinzusehen.
Untersuchungen haben festgestellt, daß Bischof Niels von Viborg einen
Kleriker in seinem Dienste hatte; ähnliches kann für die Zeit des Niels Jyde nicht
nachgewiesen werden. Die Quellen berichten hier jedoch einiges über den Stab
der Kanzlei. Ein Kleriker aus Roskilde, Jens, der auf der Insel Falster Propst
war, hatte den Rang eines königlichen Notarius. Er tritt in drei Königsdiplomen
von 1271-73 auf, das eine Mal zusammen mit dem königlichen Kapellan Erik,
der Kleriker in Lund war. Der Vollständigkeit halber soll angeführt werden,
daß in der Zeit beider Kanzler drei königliche „Clerici“ genannt werden.
Die Bedeutung des Kanzlers in der zweiten Hälfte des 13. J ahrhunderts
darf nicht überbetont werden. Eher ist Grund dazu gegeben, die Bedeutung
des Kanzlers in diesem Zeitabschnitt der Geschichte Dänemarks niedriger zu
bewerten.
Der Drost war der wichtigste Beamte, der dem König und dem Hof viel
11 N. Skyurn-Nielsen 1963, p. 226; 1971, p. 294-95.
12 N. Skyum-Nielsen 1963, p. 226-27; 1966, p. 179.
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häufiger folgte als der Kanzler . Vielleicht hatte er auch so bedeutende Funktionen,
daß er deswegen in den Urkunden erwähnt wird, der Kanzler dagegen
nicht. In Norwegen kann der Kanzler in derselben Zeit deutlich als ein untergeordneter
Königsdiener eingeordnet werden. Es ergibt sich daher die Frage, ob
Niels J yde mehr war als eine Art Büroleiter des Königs Erik Klipping ( 1254-
1286) 13
Im Laufe der Zeit verschwand das Interesse, stets alle Briefe des Reiches
mitzunehmen, wenn der König auf Reisen war, und gewisse Briefkisten mußten
unter sicherer Verwahrung zurückbleiben. Erst zu Ende des 13. J ahrhunderts
liegen Auskünfte vor, wie die Staatsdokumente aufbewahrt wurden. Unter den
Klagepunkten, die König Erich Menved ( 1286-1319) 1289 bei der Kurie in Rom
gegen den Erzbischof Jens Grand vorführte, war unter anderem, daß dieser als
Dompropst von Roskilde – also zwischen 1282-1289 – Akten aus der Kiste, die
in der Dornkirche aufbewahrt war und Dokumente des Königs und des Reiches
enthielt, genommen hatte14 .
Die Staatsdokumente der Zeit Erich Menveds, seines Vaters und Großvaters
( 1 252-1319) sind vor allem bekannt durch das große angelegte Register, das
jetzt das Reichsbriefbuch genannt wird, früher Cancellariae veteris episcopalis
liber nach einer seiner Kopien.
Das Register, das nur durch spätere Abschriften bekannt ist, enthält außer
einem Auszug der großen Gerichtsstreitigkeiten zwischen den Königen und den
Erzbischöfen auch eine umfassende Registratur der königlichen Kanzlei der
Jahre 1300-1320. Die Ausarbeitung dieses großen Registers zeigt, daß die
Staatsdokumente des vorangehenden halben Jahrhunderts in der königlichen
Kanzlei gesammelt worden waren. Die große Mehrzahl der Originalurkunden
ging dann scheinbar im Rahmen der Auflösung der Königsmacht nach dem
Tode Er ich Menveds v• rloren 1 5 .
Aus der folgenden Auflösungszeit sind von den Königsarchiven nur geringe
Reste üb erliefert, die in das Archiv der folgenden Regenten eingingen. Ab dieser
Zeit läßt sich ein Beginn der Anlage eines Reichsarchivs erkennen. Das Archiv
umfaßte die Privilegien der Regenten und die Urkunden, die vom König und
seinem Rat erlassen wurden. Eine feste Praxis hatte sich jedoch noch nicht
entwickelt.
Die Kirche fungierte nicht mehr als Aufbewahrungsort des Königsarchivs.
König Valdemar Atterdag (1340-1375) bewahrte seine Dokumente auf Schloß
13 N. Skyurn-Nielsen 1966, p . 183f; 1972, p. 197-99.; K . Helle 1972, p. 399-402, 41 1 .
14 A. D. J�“Srgensen 1884, p. 4-5.
15 Diplomatariurn Danicum 2 : 1 {1938) p. 42 ff.; Repertorium Diplomaticurn Regni Danici
Mediaevalis I:4 {1906-1912) p. 10 ff.; Schück 1976, p. 2G-21, 54 f.; K. H�“Srby 1981, p. 183-94.
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Vordingborg auf, wo das Zentrum seiner Regierungstätigkeit lag. Eine ähnliche
Rolle spielte Kaiundborg für Königin Margrethe und für Erich von Pommern
(1412-1439). Der Inhalt ist wohlb ekannt durch Register von 1476, die von der
königlichen Kanzlei auf der Grundlage älterer Aufzeichnungen angelegt wurden.
Man findet dort sogar einzelne Dokumente aus den Archiven von Erich Menved
(1286-1319) und Christoph II. (1330-1332). Daß sowohl solche Briefe als auch
viele Dokumente, die König Valdemar Atterdag gehörten, später auf Schloß
Kaiundborg aufbewahrt wurden, ist ein Zeugnis des Usus, ältere Urkunden
von Interesse in aktuelle Archivsammlungen zu verlegen.
Unter König Christoph von Bayern ( 1440-1448) und den Oldenburgern
entstand ein Kanzleiarchiv in Kopenhagen. – Die alten Archive bestanden
noch, und besonders Kaiundborg wurde unter König Hans (1481-1513) und
Christian II. ( 15 1 3-1523) als Reichsarchiv für ältere, weniger aktuelle Dokumente
angesehen. Erst im J ahre 1582 wurde die gesamte königliche Archivverwaltung
im Kopenhagener Schloß zusammengeführt16 .
Die Anstellung weniger hochstehender Kanzler, welche die alltägliche Führung
der Kanzleigeschäfte wahrnehmen konnten und dem König auf seinen
Reisen im Lande folgten, führte dazu, daß der Bischof von Roskilde zu Ende des
14. Jahrhunderts allem Anschein nach nur noch eine Art von Aufsicht über die
Kanzlei führte. Sein Titel änderte sich auch allmählich zu summus cancellarius
regni Dacie (oberster Kanzler des Reiches Dänemark) oder archicancellarius
(Erzkanzler) nach deutschem Vorbild.
Als Vorsteher der alltäglichen Tätigkeit in der königlichen Kanzlei ernannte
der König einen Beamten mit dem Titel Kanzler. Dieser war der
tatsächliche Leiter der Kanzlei, während der Bischof von Roskilde nur mehr
den Namen des Leiters trug und höchstens in einzelnen, kürzeren Perioden
eine effektive Aufsicht ausübte. Vizekanzler sind erwähnt zwischen 1299 und
1341; welche Funktion diesen zugeteilt war, läßt sich aber nicht mit Sicherheit
feststellen. König Valdemar Atterdag erließ 1341 einen Brief an seinen Kanzler
und seine Vizekanzler, es ist jedoch zweifelhaft , ob der letztere Begriff auf feste
Ämter als Stellvertreter des Kanzlers hindeutet, oder ob sie nur als untergeordnete
Beamte in der Kanzlei gedacht waren, die ab und zu an seiner Stelle
fungierten.
Das Amt des tatsächlichen Kanzlers rangierte im 15. Jahrhundert noch
nicht besonders hoch, jedoch konnte er Mitglied des Reichsrates werden. Das
Ansehen des Amtes stieg kurz vor der Reformation. Im Rahmen der Reformation
verschwand nicht nur der katholische Episkopat, sondern damit auch die
16 De Aeldste Danske Archivregistraturer vol. 1-5; A. D. J!llrgensen 1884, p. 7-12; Will. Chrjstensen
1903, p. 136 ff.; H. Bruun 1962, p. 521-72; Schück 1976, p. 21; Oiesen 1981, p. 27-34.
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Würde des Bischofs von Roskilde als oberster Kanzler. Dies hatte zur Folge,
daß das tatsächliche Kanzleramt in seinem Ansehen stieg. Es war nun das
zweithöchste Reichsamt, und wenn das Amt des Hofmeisters des Reiches nicht
besetzt war, war der Kanzler – der ab jetzt immer adelig war – der erste Mann
im Lande nach dem König.
Im Mittelalter war es Aufgabe des Kanzlers, die Urkunden des Königs auszufertigen
und dessen Siegel aufzubewahren. Daneben wurde er auch auf andere
Weise in der Verwaltung und bei diplomatischen Verhandlungen herangezogen,
ohne daß sich feste Regeln darüber entwickelten oder bestimmte Verwaltungsfunktionen
sozusagen zum Amt gehörten .
Im Laufe der Regierungszeit des Valdemar Atterdag wurde zum königlichen
Gericht , „Retterting,“ ein besonderer Beamter ernannt. Dieser hatte die
VeranLwortung für die Königsbriefe in Zusammenhang mit der Gerichtstätigkeit
und für die Aufbewahrung des Siegels, das für diese Angelegenheiten benutzt
wurde. Jener Beamte, anfangs justttiarius genannt, wurde im 15. Jahrhundert
als ‚Kanzler des Reiches‘ bezeichnet ( „Rigens Kansler“ ) . Dagegen wurde der
Kanzler, der die Leitung der allgemeinen Kanzlei innehatte, als ‚Kanzler des
Königs‘ bezeichnet. Der Reichskanzler war schon im Mittelalter fast immer ein
weltlicher Adeliger, der Kenntnis des weltlichen dänischen Rechts besaßH
Die Entlohnung des Kanzlers im 12.-13. Jahrhundert ist nicht bekannt,
aber es ist naheliegend, daß die dänische Kanzlei ähnlich wie die römische, wo
die Briefempfänger für die Ausfertigung bezahlen mußten, agierte18.
Aus der Zeit des Königs Oluf ( 1376-1387) sind Aufzeichnungen über die
„Reichsamten“ mit einer Reihe von Auskünften über die Entlohnung des Kanzlers
erhalten. Diese bestand aus Folgendem: Krongut in Bröndbyöster (bei
Kopenhagen), der ganze Bezirk Smörum Herred (die Harde von Smörum), die
Einkünfte der Fährstellen, 100 Mark von jeder neuen Münze und 100 Mark
(Schonisch) von den Bürgern in Lund.
Daß die Kanzler im 15. J ahrhundert einen festen Lohn erhielten, wird
nirgends bemerkt, obwohl die Möglichkeit, daß dies so war, nicht ausgeschlossen
werden kann.
Honorare (Sporteln) , die von alter Zeit her existierten, spielten eine besonders
große Rolle für die Kanzlei des 15. Jahrhunderts. 1445 mußten die
Hansestädte für die Ausfertigung ihrer norwegischen und schwedischen Handelsprivilegien
100 rheinische Gulden an den Kanzler bezahlen und 2 „leichte“
17 Will. Christensen l 903, p. 82 ff.; P. Johs. J!6rgensen 1971, p. 342-43.
18 N. Skyum-Nielsen 1971, p. 273.
51
Gulden für die. untergeordneten Schreiber in der Kanzlei19 .
Über die Tätigkeit des Kanzlers, über die Ordnung der Kanzlei und die
Geschäftsführung existiert eine Kanzlei-Vorschrift aus der Regierungszeit Christians
II. (1513-1523). Nach dieser Vorschrift mußte der Kanzler täglich zu
bestimmten Zeiten die anfallende Akten dem König vorlegen und seine Befehle
ausführen. Außerdem hatte der Kanzler die ausgehenden Königsbriefe zu besiegeln.
Er besaß weiterhin das Recht, die Schreiber anzustellen und zu entlassen.
Diese schworen dem Kanzler einen Eid im Namen des Königs, und sie mußten
sich verpflichten alles geheim zu halten, was in der Kanzlei geschah.
Die Schreiber hatten sich zu bestimmten Zeiten in der Kanzlei einzufinden
und dort die Briefe schreiben, und nicht in ihrem eigenen Haus. Die Kanzleibeamten
sollten im übrigen kundig in Gerichtsfragen sein und gute Kennnis der
Bibel besitzen, und man sollte sie auch als Gesandte des Königs ins In- und
Ausland benutzen können.
Die Schreiber konnten sowohl Dänen als auch Deutsche sein. Jeder mußte
für die Aufbewahrung der Briefe und Register einen eigenen Briefkasten oder
einen Schrank mit Schlüssel besitzen. Die Akten und Bücher der einzelnen
Jahre sollten in Säcken gesammelt und in einer Kammer in einem der königlichen
Schlösser aufbewahrt werden.
Der Kanzler hatte scheinbar die besondere Pflicht, wichtige Briefe aus dem
Ausland aufzubewahren. Im übrigen wird in der Vorschrift eine Verantwortung
der Schreiber für einzelne Landesteile und die diesbezügliche Korrespondenz
festgesetzt. Ein deutscher Schreiber mußte alle ankommenden deutschen Briefe
und alle Briefe aus Holstein oder Südjütland, falls diese in Deutsch waren, aufbewahren,
und sogleich die entsprechenden ausgehenden Briefe schreiben und
registrieren. In gleicher Weise hatte ein anderer Schreiber die Verantwortung
betreffend Fünen, Aerö, Südjütland (falls die betreffenden Briefe in Dänisch
waren) und auch Norwegen und Schweden. Ein dritter Schreiber konzentrierte
sich auf Nordjütland, ein vierter auf Seeland, Falster, Lolland und Möen und
ein fünfter auf Schonen, Hailand und Blekinge. – Bei der Registrierung der
Briefe sollten diese in Volltext eingetragen werden.
Was die Sporteln anbelangt, verordnete die Vorschrift , daß der Kanzler all
das Geld, das für Pergamentsbriefe bezahlt wurde, einnehmen sollte; wollten
jedoch die Bauern Urteilsbriefe auf Pergament, sollte das Geld zwischen dem
Kanzler und den Schreibern geteilt werden. Die Schreiber sollten das Geld
bekommen, das für Briefe auf Papier bezahlt wurde, allerdings mußten sie zwei
bis drei J ahre angestellt sein, bevor sie ihren Anteil davon erhalten konnten.
19 E. Kroman (Hrsg.), Den danske Rigslovgivning indtil 1400 (1971), p. 334; A. D. Jll!rgensen
1884, p. 4; Will. Christensen 1903, p. 83, 130, 132; Oiesen 1980, p. 269.
52
Das Personal der Kanzlei durfte weiters die Untertanen des Königs nicht mit
Ausreden hinhalten, sonders es sollte ihnen die Briefe geben, sobald Befehl
dazu erl.assen war20.
Der Arbeitsgang in der Kanzlei im 15. Jahrhundert läßt sich nicht näher
beschreiben. Zur Praxis geben jedoch zum Beispiel der Aufbau der Dokumente,
die Verwendung von Pergament und Papier und die Besiegelungsverfahren
Auskunft. Vermerke auf den Dokumenten werden nach der Zeit des
Erich von Pommern immer üblicher. Unter Christoph von Bayern ( 1440-1448)
wurde die Archivführung weiter entwickelt und die Kanzlei nach Vorbild der
pfälzischen und kaiserlichen Kanzlei straffer organisiert. Zu seiner Zeit wurde
auch eine Kanzleiregistratur betreffend Bayern und sein bayrisches Stammherzogtum
geführt, das der König nach dem Tod seines Vaters Herzog J ohann
im März 1443 übernommen hatte. Auch der Schriftverkehr mit dem Ausland
wurde in der königlichen Kanzlei registriert, besonders Schuldbriefe, Lehensbriefe
oder andere Dokumente, welche die Finanzverwaltung des Königs betrafen.
Alle diese Briefe sind in deutsch geschrieben und stehen in Gegensatz zu
den lateinischen Briefbüchern unter Christian I. (1448-1481 ) und König Hans
(1481-1513).
König Christoph benutzte bayrische Schreiber in seiner Kanzlei in Kopenhagen,
besonders um die Korrespondenz und Angelegenheiten in bezug auf
sein Stammherzogtum Bayern wahrzunehmen . Auch sein Nachfolger Christian
I. stellte sowohl dänische als auch deutsche Schreiber in der Kanzlei an. Seit
Kopenhagen im Jahre 1440 als Regierungssitz anerkannt wurde, wurde auch
die Kanzlei auf Dauer dort eingerichtet21 .
Sowohl die Heranziehung mehrerer Schreiber im 15. Jahrhundert als auch
die vorgenannte Kanzleivorschrift vom Anfang des 16. Jahrhunderts geben
deutliches Zeugnis über die stattgefundene Ausweitung der Kanzlei und ihrer
Aufgaben. Besonders Christian I. begann, mehr und mehr Schreiber in Dienst
zu nehmen, Dänen und Deutsche. Sie mußten für die allmählich wachsende
Korrespondenz und die gewöhnliche, einfache Buchführung sorgen . Die Stellung
der Schreiber war nicht besonders angesehen und verlockte damit auch
rticht den dänischen Adel, selbst nicht deren jüngere Söhne. Professionelle
Schreiber aus dem Ausland wurden gerufen, manchmal für kürzere Zeiträume,
wobei sie in letzterem Falle keine tatsächliche Anstellung oder den Titel eines
Schreibers erhielten . Marcellus de N erviis ist ein solches Beispiel. Mit
20 A. D . Jrgensen 1884, p . 1 2 , 200-05; Will. Christensen 1903, p . 100 f.; Hvidtfeldt 1939,
p. 228 f.
2 1 Secher 1886, p. 67 ff.; Will. Christensen 1903, p. 102 ff.; Jexlev 1966/67, p. 87 ff.; 1978,
p. 209 ff.; Olesen 1980, p. 268 f.; Olesen (Hrsg. ), Die Briefe Christoffers von Bayem 1440-1448
(1986) p. 25-46.
53
Daniel Kepken de Nulant ging man einen Schritt weiter; er trägt umfassende
Kanzlertitel , und er ist der Hauptbeteiligte in einer Reihe von Verhandlungen
mit ausländischen Mächten. Auch Schreiber aus norddeutschen Städten wurden
vom König angestellt, oft um weniger bedeutende Verhandlungen mit den
Hansestädten wahrzunehmen22.
Unter Christian I. verbreitete sich die Kanzleitätigkeit auf Kosten anderer
Ämter. Das Amt des Kammermeisters wurde nach 1469 nicht mehr besetzt,
wahrscheinlich weil die Kanzlei die Geschäfte der Kammer und die Aufsicht
über die Finanzverwaltung übernahm. Zwei Männer, die unter König Hans
1492 und 1501 als K ammermeister bezeichnet wurden, waren nur königliche
Schreiber.
Die Kanzlei bekam nach und nach eine größere Kontrollfunktion und übernahm
die Einforderungen der außerordentlichen Steuern. Mit dieser sich immer
stärker entwickelnden finanziellen Steuerung und mit der vermehrten Ausfertigung
von inländischen Schreiben folgte zugleich eine ständig stärkere Aufsicht
gemeinsam mit den Lehensherren .
Die Kanzlei scheint unter Christian I . mehrere untergeordnete Schreiber
gehabt zu haben, später auch viele untergeordnete Kanzler. Großartige Titel
kommen zur Anwendung, und die Kanzlei beginnt, dänische Geistliche anzulokken,
auch weil nun mit Sekretärsstellungen gute Präbenden verbunden waren,
oder sogar Bistümer! Selbst Geistliche von adeliger Geburt gingen jetzt diesen
Weg – vielleicht nicht der vornehmste Adel, aber Männer aus Familien, die sich
mit der Gunst des Königs hocharbeiteten.
Die Kanzlei gehörte dem König und war ein Mittel allmählicher monarchischer
Machterweiterung, als die Männer, die an ihrer Spitze standen, ihre Verwaltungstätigkeit
ausweiteten oder andere Gebiete einzogen. Die Entwicklung
der Kanzlei und ihre wachsende Aufgabe machte nach und nach den Reichsbeamten
überflüssig. Der Reichsra und der Adel wollten jedoch diese Entwicklung
nicht akzeptieren, und die Amter mußten 1513, bei der Thronbesteigung
von König Hans, wieder besetzt werden23.
Während Angehörige des untergeordneten Personals in der Kanzlei in
älteren Zeiten als Kapellane oder Kleriker bezeichnet wurden, war die häufige
Bezeichnung der Kanzleiangestellten im 15. Jahrhundert gewöhnlicherweise
Schreiber, aber nebenbei verbreitete sich auch der vornehmere lateinische Ausdruck
secretarius – als ein anderer Name für dasselbe Amt. Diese Schreiber
22 Will. Christensen 1903, p. 106 ff., 117 ff.; E. Arup in (Dan.sk) Historisk Tidsskrift 7:4
(1902-Q4), p. 548 ff.
23 Will. Christensen 1903 p. 67 ff., 98, 107-QS; E. Arup in (Dansk) Historisk Tidsskrift 7:4
(1902-Q4) p. 551 ff.
54
waren oft in Besitz von nicht geringem Einfluß. Außer außenpolitische Angelegenheiten,
waren es besonders finanzielle Agenden, auf die man im Rahmen
der Tätigkeit des Schreibers trifft .
Einzelne treue Schreiber erhielten königliche Gunstbeweise, zum Beispiel
als Gutsbesitz, und sie konnten sogar in den Adel erhoben werden, wie es der
Fall mit Hans Tidekessen im Jahre 1456 war.
Die Kanzlei beförderte übrigens Schreiber auch häufig zu anderen Ämtern.
Erzbischof Birger Gunnersen hatte eine untergeordnetere Stellung in der Kanzlei
Christians I . , bevor er der Kanzler der Königin Dorothea wurde; Hans Reff,
der Kanzler der Königin Christine, war zuvor auch königlicher Schreiber. Viele
Schreiber besaßen Kanonikate, so wie viele von ihnen auch Prälaturen in den
Domkapiteln erlangten24 .
Die Quellen des 15. Jahrhunderts erlauben nur selten, Privatangelegenheiten
des Kanzleipersonals zu beleuchten, meist nur in Verbindung mit Kauf
von Eigentum und im Rahmen gerichtlicher Verfahren25.
Die Schreiber stifteten in der Regierungszeit König Christians I. eine eigene
Gilde, und auch mehrere der Diener am königlichen Hof hatten eine Gilde in
Kopenhagen gestiftet, welche die königliche Bestätigung im Februar 1464 empfing.
Der früher genannte Birger Gunnersen, der Kanzler Königin Dorotheas,
war 1485 Mitglied der geistlichen St. Lucie Gilde in Roskilde26.
24 Will. Christensen 1903, p. 103 ff., 109-10, 142-43; J. Hvidtfeldt 1939, p. 226-28; 1945,
p. 3G-43.
25 Zwn Beispiel: Kjj2jbenhavns Diplomatarium Vol. 2, Nr. 100, 115, betreffend den Kanzleischreiber
Peder Unger.
26 Danske Gilde- og Lavsskraaer fra Middelalderen I (hrsg. v. C . Nyrop), p. 215-16, 368.
55
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Kopenhagen 1938 ff.
Die Briefe Christoffers von Bayern 1440-1448 über sein bayrisches Stammherzogtum
(Christoffer af Bayerns breve 1440-1448 vedrrende hans bayerske
stamhertugdmme), mit deutscher Einleitung und Übersicht. Hrsg. von Jens
E. Olesen, Kopenhagen 1986: Selskabet for Udgivelse af Kilder til Dansk Historie.
Hanse-Recesse. Die Recesse und andere Akten der Hansetage:
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11. Abt. 1-7, 1431-1476. Hrsg. von G . von der Ropp (Leipzig 1876-1892) .
III. Abt. 1-9, 1477-1530. Hrsg. von D . Schäfer (Leipzig 1881-1913).
IV. Abt. 1-2, 1531-1537. Hrsg. von G . Wentz und K. Friedland (Weimar,
Köln 1941-1970)
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1:1-4, 1350-1450. Hrsg. von K. Erslev, Kopenhagen 1898-1912.
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59
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
NEWSLETTER 15
QUOTIDIAN UM
SEPTENTRIONALE
ASPECTS OF DAILY LIFE IN MEDIEVAL DENMARK
Edited by
GRETHE JACOBSEN
and
JENS CHR. V. JOHANSEN
KREMS 1988
Herausgeber: Mediwn Aevum Quotid.ianwn. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Kömermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für den Inhalt verantwortlich
zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruck,
auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: HTU-Wirtschaftsbetrieb Ges. m. b. H.,
Wiedner Haupstraße 8-10, A-1050 Wien.
2
Inhaltsverzeichnis/ C ontents
Introduction 4
N anna Damsholt:
The Legencis of Danish Saints as Sources to Daily Life 7
Brian Patrick McGuire:
D aily Life in Danish Medieval Monasteries 14
Ebbe Nyborg:
Kirchliche Kunst und mittelalterliche Wirklichkeit 23
M arianne Jobansen – Ingrid Nielsen:
The Danish Medieval Town . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Jens E. Olesen:
In der Kanzlei des Königs.
Die Kanzlei im mittelalterlichen Dänemark 43
Jens E. Olesen:
Tolls and Toll Collectors in Medieval Denmark 60
Bj!llrn Poulsen:
Possibilites et limitations du paysan danois
dans le bas moyen age . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Helle Reinholdt – Bodil M!llller Knudsen:
„Women’s Rosegarden“ and „Women’s Herbgarden“ :
Two Symposia on the Sexuality of Medieval Warnen 84
Biographies of the authors 87
Berichte – Besprechungen – Mitteilungen 92
3
Introduction
The articles in this issue all deal with current research on life in medieval Denmark.
Though comprehensive within their respective fields, they represent only
a part of the multi-faceted research currently being undertaken in Denmark, in
spite of the adverse work and job situation of many younger scholars. Due to
a very short deadline for articles, many scholars were unable to comply with
our request for a contribution but expressed interest in participating in international
communication of current research. We hope to bring more articles
on research on medieval Danish life at a later date.
In Denmark, no particular stress is laid on the topic: medieval daily life .
Yet, the by now established social and economic history as well as the renewed
interest in political history, has made historians focus on daily life and on its
material as well as mental aspects. The articles by N anna Damsholt and Brian
Patrick McGuire concern the religion and the Church of medieval Denmark
and their fusion with secular life.
With the development of the discipline of medieval archaeology, our understanding
of the material aspects as well as the physical frames for medieval life
has been greatly expanded. In contrast to the finite number of written documents,
the quantity of archaeological sources keeps increasing, adding valuable
information to our knowledge of medieval society. The challenge to historians
and archaeologists has been to combine and interpret written, artistic and material
sources as Ebbe Nyborg discusses in his article while Marianne Johansen
and Ingrid Nielsen present a project combining achaeology and written sources.
All three authors are historians as well as archaeologists. In this connection, one
might mention the periodical hikuin (published by Forlaget Hikuin, Moesgä.rd,
DK-8270 H95jberg, Denmark) which began in 1974 and appears at irregular
intervals, the latest volume being number 14 (1988). The periodical brings
articles on medieval archaeology primarily in Danish but also in Swedish and
Norwegian with resumes in English. Special issues have been devoted to church
archaeology, urban archaeology, coins and pottery. We should also like to mention
the research tool Nordic Archaeological Abstract (NAA) which indexes all
articles on medieval archaeology (see p. 95).
4
c.n
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Katlegat \
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The Bellic See …,,…-;:;:, Bor!
— _J
50 km
The Julland peninsular and the Danish islands. The borders of the core of the Medieval kingdom are mark ed with dotted
lines and the modern boundaries with broken lines. The areas in present-day Sweden were the medicval province of Skäne
(Scania), Hailand and Blekinge.
Ingrid Nielsen has also produced the map, accompanying the introduction,
which shows the medieval as weil as the present boundaries of Denmark. As
she and Marianne Jobansen point out in their article, the latter boundary also
determines the boundaries of much archaeological and historical research. In
part to make up for this, meetings have been held between Danish and Swedish
historians and archaeologists (the latter primarily from Skane) dealing with
aspects of the town-country relationship. The publications of these meetings
are mentioned in the article by Bjrn Poulsen.
The article by Jens E. Oiesen on tolls and toll collection deals with a topic,
hitherto seen as part of political or financial history; but this was, in fact, of
great importance to the common people, especially the many men and women
engaged in trade or commerce whether on international, inter-regional or lo
cal Ievel. Similarly, his other article, describing the development of the royal
chancellery, rerninds us that bureaucracy and bureaucrats, whether viewed negatively
or positively by contemporaries, are neither modern phenomena nor
ones, appearing during Absolutism.
Bjrn Poulsen’s article makes us aware that medieval people did not live
and produce in isolation but were integrated into the European economy,
though the extent of involvement and the awareness of international connections
would vary according to time and place. Poulsen also stresses that town
and country, so often seen as mutually exclusive, were both part of the daily
life of many medieval women and men.
The contribution by Helle Reinholdt and Bodil Mller Knudsen points to
the gender aspect, so often overlooked in traditional history which has concerned
itself mainly with the action of men. We have chosen not to have an
article on “ Women and Daily Life“ which would make women merely one ingredient
in the daily life of men but have urged the authors to include the
gender aspects, making the reader aware that history, whether of daily life or
of extraordinary events, is made by women as weil as men.
September 1988 Grethe Jacobsen, Jens Christian V. Jobansen
6