Lehrhafte Literatur als Quelle
für mittelalterliche Realienkunde:
„Der Jüngling“ des Konrad von Haslau und der „Magezoge“
GERTRUD BLASCHITZ
Diese Arbeit ist gedacht als Beitrag zur mittelalterlichen „alltagsgeschichtlichen“
Auswertung der schriftlichen Überlieferung. Dazu werden zwei lehrhafte
Dichtungen, die der Gruppe der „Moral- und Verhaltenslehren“ 1 zugeordnet
werden können, herangezogen: „Der Jüngling“ des Konrad von Raslau
und der „Magezoge“ eines Anonymus, beide entstanden im Gebiet des
heutigen Österreich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Aufgezeigt
werden soll die Aussagekraft dieser didaktischen Werke für die Erforschung
des mittelalterlichen Alltags und der materiellen Kultur jener Epoche. Aus
der breiten Palette an Betrachtungsmöglichkeiten des Alltags ist der Bereich
„Geselligkeit“ in adeligen und bäuerlichen Kreisen herausgegriffen.
Die Gründe für die Auswahl dieser beiden Schriften seien kurz dargelegt:
Beide Werke können aufgrund ihrer Thematik dem ausklingenden
Hochmittelalter zugerechnet werden. Sie wenden sich an ein adeliges Publikum
und nehmen bezug auf ritterlich-höfisches Verhalten. Wenngleich die
Ergebnisse der Analyse didaktischer Literatur – wie jede sonstige Spezialuntersuchung
– nur „Bausteincharakter“ 2 haben können, sind sie in einer
quellenarmen Epoche letztlich doch eine Ergänzung für die Erforschung der
Alltagskultur. Vor allem deshalb, weil die Untersuchung dieser literarischen
Quellen bisher einigermaßen vernachlässigt wurde3• Ein Großteil der älteren
Werke zur „höfischen“ Kultur entstand durch unkritische Auswertung der
1 Bernhard Sowinski, Lehrhafte Dichtung des Mittelalters (Sammlung Metzler. Realien
zur Literatur 103) Stuttgart 1971, S. 75.
2 Gerhard Jaritz, Mittelalterliche Realienkunde: Quellenbefund und Quelleninterpretation.
In: Die Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters. Methode –
Ziel – Verwirklichung (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde
Österreichs 6 = Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Kl. 433) Wien 1984, S. 36 .
3 Eine Ausnahme bilden zahlreiche Arbeiten von Helga Schüppert, deren Forschung
Anregung und Basis dieses Arbeitsberichtes bildeten. Vgl. dazu bes. Helga Schüppert,
14
beiden dichterischen Hauptgattungen des Hochmittelalters, der höfischen
Epen und des Minnesangs. Diese Art der Quellenverwertung wirkt sich
„verhängnisvoll“ aus, wenn die daraus resultierenden „Kulturgeschichten“
des 19. und frühen 20. Jahrhunderts von Philologen und Historikern bei der
Interpretation ihrer Analysen neuerlich als Vergleichs- oder Beweismaterial
für den „Wahrheitsgehalt“ von Quellen herangezogen werden. Der Zirkelschluß
wurde in der Theorie schon relativ früh erkannt, in der Praxis jedoch
selten vermieden4 .
I. METHODISCHE ÜBERLEGUNGEN
1. „Realismus“ und „{Sprach-)Kunstwerk“
Die zentrale Frage lautet, ob Dichtung5 einen Beitrag zur Erforschung des
mittelalterlichen Alltags leisten kann. Diese Frage gehört zum Themenkreis
„Realität und Fiktion“6• Das Spannungsverhältnis von Fiktion und Realität
ist allen Kunstgattungen immanent. Das Werk ersetzt und kopiert nicht die
Realität, es stellt eine nach eigenen Gesetzen konstituierte Realität her: Es
ist Fiktion von „Realität“, dem Wortsinn nach quasi „künst“-liche Realität.
Besonders zutreffend ist dies für die Dichtung des Mittelalters. Die Fiktion
Spätmittelalterliche Didaktik als Quelle für mittelalterliches Alltagsleben? In: Adelige
Sachkultur des Spätmi ttelalters (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde
Österreichs 5 = Sb. Ak. Wien, phi!.-hist. Kl. 400) Wien 1982, S. 215-257.
4 Vg!. dazu die angeführte Literatur bei Gerhard Jaritz, Zur materiellen Kultur des
Hofes um 1200. In: Höfische Literatur, Hofgesellschaft, höfische Lebensformen um 1200,
hg. von Gert Kaiser und Jan-Dirk Müller. Düsseldorf 1986, S. 19-38; Schüppert, wie
Anm. 3.
5 Ohne auf clie in der Iiteraturwissenschaftlichen Forschung unterschiedlichen Definitionen
von „Literatur“ und „Dichtung“ einzugehen, meine ich (unter Anlehnung an Gero
von Wilpert, Sachwörterbuch der Literatur. 5. Aufl. Stuttgart 1969, S. 171f. und 440)
mit „Dichtung“ jenes Teilgebiet der Literatur, das von Poeten nach bestimmten Theorien
und Vorbildern geschaffen wurde; „Literatur“ dagegen ist der gesamte Bestand an
Schriftwerken jeder Art. – „Poet“ und „Dichter“ sind für das mittelalterliche Verständnis
adäquate Termini für diese Tätigkeiten, wobei die Wortbildung vom Verbum ausging.
Ahd. dikton im Sinne von „schriftlich abfassen“ und „ersinnen“ wurde später um den
Bedeutungsinhalt von dictare („zur Nachschrift vorsprechen“) erweitert. Das Nomen
erscheint erstmals um 1190 bei Herbort von Fritzlar als tihtere (vg!. dazu: Bruno Markwardt,
Dichter. In: RL 1. Berlin 1958, S. 255 ).
6 Vg!. dazu: Fritz Martini, „Realismus“. In: RL 3. Berlin-New York 1977, S. 343-365.
15
ist jedoch weder willkürlich noch Selbstzweck der Dichtung. Sie bezieht
Details aus der Wirklichkeit und wirkt in diese zurück. Die F iktion transportiert
also Ausschnitte aus der Realität und führt diese Realitätssplitter
einer vom Autor beabsichtigten Sinn- und Wertbestimmung zu. Die in der
Fiktion getroffene Auswahl aus der Realiät steht in engem Zusanunenhang
mit dem Schöpfer eines solchen „Kunstwerkes“:
– mit seiner Persönlichkeit, die geprägt ist von einer bestirrunten sozialen,
politischen und historischen Situation;
– mit ihm als „Künstler“, der abhängig ist von Mäzenen und Rezipienten;
– mit ihm als Autor, der eine bestimmte Absicht verfolgt.
Ein Aspekt, der im Problemkreis Realität – Fiktion in der mittelhochdeutschen
Dichtung eine wesentliche Rolle spielt, kommt aus der Philosophie der
Scholastik 7• Es ist die Lehre der „realistischen Schule“, die besagt, daß den
Allgemeinbegriffen bzw. der Welt der Ideen ein höherer W irklichkeitsgrad
zukomme als den Einzeldingen ( universalia sunt realia) . Im Universalienstreit
ging es nie um die Infragestellung dieses Grundsatzes, sondern nur um
seine Formulierung. Es gab drei aufeinander folgende Richtungen: Der zentrale
Gedanke des „extremen Realismus“ war: universalia sunt ante rem,
während der „gemäßigte Realismus“ die Wirklichkeit in den Dingen als
deren wahres Wesen enthalten sah ( universalia sunt in re) . Die „nominalistische
Schule“, die sich ab dem 14. Jahrhundert entwickelte und im Gegensatz
zur „realistischen Schule“ die Ideen als bloße Verstandesschöpfungen
bezeichnete, leitete das Ende des Realismus ein. Was wir heute unter „Realismus“
verstehen, nämlich, daß die „mit den Sinnen erfaßbare Umwelt“
wirklicher sei als die Ideen, setzte sich erst seit dem 18. Jahrhundert durch8.
Diese Weltsicht des mittelalterlichen „Künstlers“ muß bei der Beurteilung
eines „Kunstwerkes“ immer mitbedacht werden. Im Universalienstreit
ging es also – sehr vereinfacht ausgedrückt – um Dinge und Ideen. Da
nach Ansicht des „gemäßigten Realismus“, die res das eigentlich „Reale“
1 Vgl. dazu Herbert Herzma.nn, Zum „Realismus“ in der deutschen Literatur des Spätmittelalters.
In: Daphnis, Zeitschrift für Mittlere deutsche Literatur 5, 1976 (Heft
1} S. 1-36; Bernhard Waldmann, „Universalismusproblem“. In: Sachwörterbuch der
Mediävistik, hg. von Peter Dinzelbacher. Stuttgart 1992, S. 857. Egon Friedell, Kulturgeschichte
der Neuzeit 1, 9. Aufl. München 1991, S. 89.
8 Herzma.nn, wie Anm. 7, S. 7. Nicht zur Diskussion in diesem Zusammenhang steht die
poetische Richtung des „Realismus“.
16
in sich tragen, mußten die Dinge, obgleich sie nur als Hülle für die Wirklichkeit
angesehen wurden, für die philosophisch nicht Gebildeten bildlich
wiedergegeben werden. Die Dinge hatten die Funktion, auf das „Reale“ zu
verweisen: Alle res sind Metaphern für die realia, sind bezeichnen 1lnge für
Ungclchrte9. Diese Ansicht bezieht sich sowohl auf die bildliehe als auch
auf die dichterische Quelle. T homasin von Zerclaere, ein gebildeter Kleriker,
erläuterte den Standpunkt der Kirche über die Mittlerfunktion des
Malers und Dichters für ein Laienpublikum in dem um 1210 entstandenen
„Welschen Gast“ (V. 1705-1718):
swer schriben chan, der sol schriben.
swer malen chan. der sol beliben
ouch da mit. ein ieglicher sol
t 1ln, daz er chan t 1Ln wol.
von den gemalten bilden sint
der geboure unde daz chint
ge frewet ofte . swer niht enchan
versten, daz ein biderb man
an der schrift versten sol,
dem si mit den bilden wol.
der phaffe sehe die schrift an.
so sol der ungelerte man
die bilde sehen, sit im niht
die schrift zerchennen geschiht.
2. Der Wert der Dichtung für die historische Forschung
und im besonderen für die mittelalterliche Realienkunde
Dichterische Texte in deutscher Sprache bilden eine umfangreiche und wichtige
Quellengruppe des Hochmittelalters. Dazu zählen etwa höfische Epen,
Heldenepen, der Minnesang, Legenden, Verserzählungen, Lehrdichtungen,
aber auch das geistliche Drama. Diese Vertreter aller drei dichterischen
„Gattungen“ weisen ein äußerst unterschiedliches Verhältnis zur außerdichterischen
Realität auf. Die Bildquelle, eine umfangmäßig ebenfalls
beträchtliche Quellengruppe, ist im Hochmittelalter vor allem durch Buchund
Wandmalerei, Plastiken, Siegelbilder und Darstellungen auf Textilien
9 Thomasin von Zerclaere, Der welsche Gast 1 und 4, hg. von F. W. von Kries. Göppingen
1984, hier 1, V. 1736.
17
vertreten. Die Aussagekraft der Bildquellen für viele Alltagsbereiche ist
allerdings relativ gering, wenn sie durch Angehörige des geistlichen Standes
für kirchliche Institutionen geschaffen wurden 10. In Befolgung der
berühmten Stelle Papst Gregors des Großen: „Die Bilder sind für den ungebildeten
Betrachter das, was die Schrift für den Leser ist“, entstanden
Bildwerke zwar auch für Laien, aber fast ausschließlich zum Zwecke der religiösen
Belehrung11 . Die Einbeziehung der zeitgenössischen Umwelt in den
Bildinhalt religiöser Szenen ist in der vorgotischen Epoche noch ziemlich
selten 12.
Auf die Auswertung der dichterischen Texte für die Geschichtsforschung
und die mittelalterliche Realienkunde kann somit nicht verzichtet werden.
Denn auch Originalgegenstände sind aus dem Hochmittelalter nicht sehr
zahlreich überliefert. Daher ist in dichterischen Texten die Nennung und
schriftliche Darstellung von Dingen sowie die Beschreibung von Vorgängen,
Handlungen und Situationen in dieser Periode von besonderer Relevanz.
Bei quellenkritischer Interpretation können sie sowohl die philologische als
auch die historische Forschung, besonders aber die Realienkunde, vielfältig
bereichern13. So ist die Aussagekraft für die Geschichtswissenschaft als Datierungshilfe,
geographische Einordnung durch Dialektizismen, Schilderung
politischer Ereignisse aus einer „anderen“ Perspektive nicht unbeträchtlich.
Für die Sozialgeschichte läßt sich ihre Relevanz durch Verbalisierung von
Fragen zur Ständeabgrenzung oder zu Fragen von Randgruppen, der Außenseiter,
der Fremden (in den Liedern Neidharts, im „Helmbrecht“ des Wemher
der Gartenaere, im sog. „Seifried Helbling“) erweisen, da die Dichtung
„Auskunft“ gibt über das „Warum“ der Ausgrenzung. Ferner bieten Dichtungen
auch im Bereich der Umweltgeschichte eine ganze Reihe von Erkenntnismöglichkeiten.
Für die Realienkunde ist ihre Aussagefähigeit etwa
auch durch „erste Nennungen“ wesentlich: Auf dem Gebiet der Architektur
10 Vgl. dazu Joachim Bumke, Höfische Kultur: Literatur und Gesellschaft im hohen
Mittelalter 1, 6 . Auf!. München 1992, S. 17.
11 Harry Kühne!, Abbild und Sinnbild in der Malerei des Spätmittelalters. In: Europäische
Sachkultur des Mittelalters (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche
Realienkunde Österreichs 4 = Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Kl. 374) Wien 1980, S. 83-100,
bes. S. 83; Elisabeth Vavra, Kunstwerke als Quellenmaterial der Sachkulturforschung.
In: ebd. S. 195-232.
12 Jaritz, wie Anm. 4, S. 25.
13 Aus diesem Grunde stellt die folgende Aufzählung nur eine beliebige Auswahl dar.
18
sei die Erwähnung von Glasfenstern im städtischen Bereich nördlich der
Alpen im sog. „Seifried Helbling“ (um 1283) sowie die geheizte Stube bei
Bauern in den Liedern Neidbarts (1230-1246) hervorgehoben. Bezüglich
der Kleidung gibt es Berichte über „versuchte Abweichungen“ von der
Norm (z. B. bei Neidhart und im „Helmbrecht“, beim sog. „Seifried Helbling“),
Beschreibungen verschiedener Gewänder (in den Liedern Neidharts),
über die Herkunft und Rezeption mancher Modeerscheinugen (beim sog.
„Seifried Helbling“). Auch interessante Details zur Körper- und Schönheitspflege
lassen sich aus dichterischen Quellen gewinnen: Der sog. „Seifried
Helbling“ bringt in einer Attacke auf gefallsüchtige Frauen die Zusammensetzung
einer Schminke und ereifert sich gegen die Stützung des Busens.
In der „Warnung“, einer Reimpredigt aus dem 13. Jahrhundert, erfahren
wir im Zusammenhang mit Reflexionen über die Vergänglichkeit alles Irdischen,
daß manche Männer Blüten auf dem Körper trügen oder auf die
Kleidung legten, damit sie besser dufteten. Einen beträchtlichen Teil unseres
Wissens über das Badewesen verdanken wir „zufälligen“ Äußerungen der
Dichter, wie etwa dem Stricker und wieder dem Dichter des sog. „Seifried
Helbling“. Ähnlich ist es auf dem Gebiet der Ernährung: Hauptsächlich aus
dichterischen Werken erhalten wir Kunde über „Herren“- und „Bauernspeisen“,
über „Herren“- und „Bauerngetränke“, über die Exklusivität mancher
Gewürze. Besonders ergiebig aber ist die quellenkritische Auswertung von
Dichtwerken für die Vorstellungs- und Mentalitätsgeschichte sowie für die
Bedeutungsforschung.
3. Das Lehrhafte in der Dichtung – Lehrhafte Literatur14
Die Dichtung des Mittelalters ist in hohem Maße der antiken Poetik und
antiken Dichtungen verpflichtet. In der griechischen Antike gab es bereits
Strömungen, die als Aufgabe der Dichtung die Synthese zwischen Unterhaltung
und Belehrung sahen. Nachhaltig beeinfiußt wurde die mittelalterliche
Auffassung durch die Stelle bei Horaz in der „Epistola ad Pisones“:
aut prodesse volunt aut delectare poetae
aut simul et iucunda et idonea dicere vitae . . . ,
(Die Dichter wollen entweder nützen oder unterhalten
14 Vgl. dazu: Bruno Boesch, Lehrhafte Literatur: Lehre in der Dichtung und Lehrdichtung
im deutschen Mittelalter (Grundlagen der Germanistik 21) Berlin 1977; Sowinski,
wie Aum. 1 .
19
oder in beiden Fällen sowohl Angenehmes als auch
für das Leben Nützliches nennen … )
Zu dieser literarischen Tradition kam die alle Lebensbereiche beherrschende
Ideologie des Christentums, derzufolge sich die mittelalterlichen Autoren
der christlichen Lehr- und Erziehungsaufgabe verpflichtet fühlten. -Infolgedessen
sah der mittelalterliche Dichter Sinn und Funktion seiner Tätigkeit
und Werke darin, das Publikum im christlichen Sinne zu erziehen und zu
unterhalten.
Für meine Fragestellung unterteile ich die mhd. Dichtung nach Bruno
Boesch in zwei Gruppen: in jene, die mittelbar belehren will und jene, die
vorwiegend oder ausschließlich Lehre enthält 15. Zur ersten Gruppe zählen
höfische Epen, die Heldenepik, lyrische Dichtungen, das geistliche Spiel.
Möglichkeiten von Lehrvermittlung ergeben sich in diesen Dichtungen in
Pro- und Epilogen, in eingefügten Belehrungen, in scheinbaren Erkenntnissen
der handelnden Personen, aber auch mit Hilfe der Personen- und
Handlungsstruktur16.
Diesen poetischen Gattungen soll hier als zweite Gruppe die Lehrdichtung
im engeren Sinne gegenübergestellt werden. Wichtig erscheint die
Feststellung, daß die didaktische Dichtung in allen Gattungen vertreten ist:
Zu ihr gehören nach Inhalt und Form die unterschiedlichsten Werke wie
etwa Bibelepik, Mären, Fabeln, die Spruchdichtung, Minnelehren, zahlreiche
Beispiele aus der Dramatik, aber auch moralische Ermahnungen und
Verhaltensweisen. Auch diese Dichtungen sind der antiken und mittelalterlichen
Poetiktradition verbunden. In jener Gruppe befinden sich Werke,
die im großen Ausmaß poetische Darstellungsmittel verwenden, Fiktion und
formale Gestaltung nach den Regeln der Rhetorik spielen eine bedeutende
Rolle. Es gibt innerhalb der Lehrdichtung aber auch Werke, die sich durch
einen sehr geringen Grad an Poetisierung auszeichnen 17. Solche Werke
könnte man teilweise eher der Gebrauchsliteratur als der Dichtung zurechnen.
15 Boesch, wie Anm. 14, S. 7.
16 Sowinski, wie Anm. 1 , S. 1Q-13.
17 Schüppert, wie Anm. 3, S. 221 u. ö.
20
4. D er spezifische Quel lenwert der Di daktik für di e B achk ult urfor schung
Aus dem großen Spektrum der Lehrdichtung wurden für die vorliegende
Arbeit lediglich Werke betrachtet, die den „moralischen Ermahnungen und
Verhaltenslehren“ zuzurechnen sind. Eine Betrachtung derartiger Lehrdichtungen
nach sprachlichen, inhaltlichen und formalen Kriterien soll den
spezifischen Quellenwert dieser Gruppe für die Realienkunde aufzeigen.
Kennzeichnend für das Wesen der Didaktik ist, daß die Autoren an die
Möglichkeit der Belehrung glaubten. Die positive Motivation veranlaSte sie,
sich einer kunstlosen, zweckorientierten Ausdrucksweise zu bedienen. Die
Vermutung liegt nahe, daß diese Sprache der wirklich gesprochenen Sprache
der Gemeinschaft, der der Autor angehörte, zumindest sehr ähnlich ist, daß
sie also der „Alltagssprache“ ziemlich nahe kommt. Mittels der vom praktischen
Nutzen bestimmten Sprache griffen die Autoren Dinge und Themen
aus dem realen Leben ihrer Gegenwart auf.
Inhaltlich dominiert wie bei der höfischen Dichtung die Frage: Wie soll
der adelige Laie in dieser Welt sein Heil für das Jenseits erwirken? Auf
der Basis hoher ethischer Anforderung wurde das angestrebte Ziel meist
als allgemeine Lebenslehre oder in Form von Verhaltensempfehlungen für
bestimmte Lebensbereiche aufbereitet. Der Stoff stammt aus der Umwelt
des Autors. Die gezeichneten Personen sind keine großen historischen oder
sagenhaften Persönlichkeiten, sondern sie sind lebenden Vorbildern nachempfunden.
Auch ihr sozialer Status in diesen ritterlichen Moral- und Verhaltenslehren
entspricht den realen Verhältnissen.
Ebenso ist die äußere Form dieser lehrhaften Literatur denkbar einfach.
Sie ist meist lediglich durch Reimpaarverse gekennzeichnet. Die stilistische
Gestaltung18 hängt eng zusammen mit dem Bildungsgrad des Dichters:
Die Verfasser der Hauptwerke der höfischen Dichtung hatten durchwegs
eine gründliche, gelehrte Schulbildung, etwa auf dem Standard der
in den Klosterschulen unterrichteten “ artes li ber ales“. Die unterste Stufe,
das Trivium, vermittelte durch die Grammatik Sprachlehre und formte mit
Hilfe der Rhetorik den Stil. Die Stillehre schrieb der belehrenden Dichtung
„leichten“ Stil (genus t enue) und dementsprechend nur einfachen bis
18 Vgl. dazu: Werner Fechter, Lateinische Dichtkunst und deutsches Mittelalter. Forschungen
über Ausdrucksmittel, poetische Technik und Stil mittelhochdeutscher Dichtungen
(Philologische Studien und Quellen 23) Berlin 1964, bes. S. 10; Wilpert, wie
Anm. 5, S. 740; Sowinski, wie Anm. 1, S. 65.
21
mittleren Redeschmuck ( o rnatus ) vor. Es steht außer Zweifel, daß viele Verfasser
lehrhafter Dichtungen, wie etwa Thomasin von Zerclaere oder Hugo
von Ttimberg, ebenfalls eine gründliche gelehrte Ausbildung erfahren hatten.
Für manche Autoren didaktischer Werke trifft dies allerdings nicht zu:
Sie hatten keinen Unterricht in den sog. „redenden Künsten“ erhalten und
konnten sich somit dieses W issens bei der Ausformung ihrer Werke nicht
bedienen. Wir finden in diesen Werken daher auch nur die einfachsten,
leicht erkenn- und auflösbaren rhetorischen Figuren.
Ein anderes wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Dichtung
und Didaktik sind schließlich noch die Bedeutungsebenen:19 Die in der Dichtung
dargestellten Dinge besitzen das Wesen des Vordergründigen und haben
Verweischarakter. Aus den Dingen heraus und über sie hinweg erschließt
der Dichter einen Bedeutungszusammenhang, der auf der Zeit- und
Ortslosigkeit immer wiederkehrender, aber deshalb doch nie veralternder
„Phänomene“ beruht. Die dargestellte Umwelt ist symbolisch zu interpretieren.
Anders ist es m. E. mit der „Wirklichkeit“ in der zweckgerichteten,
„unpoetischen“ Didaktik: Die Bedeutungen verweisen ganz unmittelbar auf
Dinge und Taten im „Hier“ und „Jetzt“. Der Autor „greift“ nach den ihn
umgebenden Dingen, benennt sie, arbeitet mit ihnen, und vor allem meint
er unmittelbar sie selbst. Lehrhafte Literatur nimmt wegen ihrer Zweckbestimmung
direkt bezug auf außerliterarische Zustände.
Der spezielle Wert der didaktischen Literatur für die mittelalterliche
Realienkunde liegt zusammenfassend darin, daß die Belehrungen zum besseren
Verständnis der Zielgruppe in eine ihr bekannte Umgebung gesetzt
werden. Anband von vertrauten Vor- und Gegenbildern wird ermahnt, ermuntert,
gewarnt, gegenübergestellt20• Aus den angeführten Gründen kann
die Didaktik bei entsprechender Arbeitsweise eine wertvolle Quelle für die
Realienkunde darstellen. Kritisch beachtet werden müssen bei deren Auswertung
„Gattungsimplikationen“21, wie Darstellung des Negativen, Iaudatio
temporis acti, Verallgemeinerung und Typisierung, Übertreibung und
Kontrastbildung, Komik und Groteske.
19 Vgl. dazu Horst Oppel, Methodenlehre der Literaturwissenschaft. In: Deutsche
Philologie im Aufriß 1, 2. Aufl., hg. von Wolfgang Stammler. Berlin 1957, S. 44.
2° Fechter, wie Anm. 18, S. 7.
21 Schüppert, wie Anm. 3, S. 236.
22
Auch mhd. Dichter wie Thomasin von Zerclaere22, Wemher der Gartenaere23
sowie Hugo von Trimberg24 urteilten ähnlich über das Verhältnis
von Poesie und Didaktik. Thomasin bezeichnet die höfischen Epen als
Lügengeschichten, die jedoch für Laien und Kinder den Wert der bezeichnen11nge
besäßen ( significatio V. 1725-1750). Menschen aber, die über virtus
und ratio verfügen, sollten sich der Literatur zuwenden, die die Wahrheit
selbst darstelle (V. 1757-1763), wie etwa „Der welsche Gast“. Wemher
der Gartenaere, möglicherweise ein Zeitgenosse der beiden anschließend besprochenen
Autoren, kontrastiert in der Einleitung zum „Helmbrecht“ die
Dichtungen von minne und h ohem muote mit den Erzählungen von der
Wirklichkeit (V. 1-8).
li. „DER JÜNGLING“ DES KONRAD VON HASLAU
UND DER „MAGEZOGE“ ALS SPIEGEL FÜR GESELLIGKEIT
IM HOCHMITTELALTERLICHEN ÖSTERREICH25
Diese zwei Erziehungswerke für junge Adelige bieten einen gattungsimmanenten
Einblick in das Leben der Österreichischen Ministerialität in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Inhaltlich ergänzen die Texte einander:
Während der „Jüngling“ (1264 Verse) das lebhafte Hofleben mit seinen
vielfältigen Vergnügungen vor Augen führt, umreißt der „Magezoge“ ( 404
Verse) die Lebensgestaltung eines llitters gegenüber seinen eigenen Dienstleuten
und die sozialen Pflichten und Aufgaben eines Herren26.
Für die vorliegende Arbeit wurde von den vielfältigen Betrachtungsmöglichkeiten
des hochmittelalterlichen Alltags der Aspekt „Geselligkeit“
gewählt, weil er in seinem Alltagsbezug weit über das hinausgeht, was
22 T homasin von Zerclaere, wie Anm. 9.
23 Wernher der Gartenare, Helmbrecht, hg. von Friedrich Panzer, 9. neubearb. Auß. von
Kurt Ruh (Altdeutsche Textbibliothek 11) Tübingen 1974.
24 Sowinski, wie Anm. 1, S. 89.
25 „Österreich“ in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts entsprach jenem Raum, der im
jetzigen Bundesgebiet im wesentlichen das Bundesland Niederösterreich abdeckt.
26 Konrad von Haslau, Der Jüngling. Nach der Heidelberger Hs. Cpg. 341 mit den Lesarten
der Leipziger Hs. 946 und der Kalocsaer Hs. (Cod. Bodmer 72), hg. von Walter
Tauber (Altdeutsche Textbibliothek 97) Tübingen 1984 (J). Der Tugendspiegel oder der
Meizoge: Kleinere mittelhochdeutsche Erzählungen, Fab eln und Lehrgedichte, hg. von
Gustav Rosenhagen (Deutsche Texte des Mittelalters 17) Berlin 1909, S. 21-29 (MI) und
Moriz Haupt, Spiegel der Tugende. In: Altdeutsche Blätter 1 (1836) S. 88-105 (M2).
23
üblicherweise mit „Fest“ verbunden ‚vird. Darüberhinaus ist der Terminus
als mhd. Audruck für das gesellige Beisammensein mit Standesgenossen
üblich. Er erscheint auch in den beiden hier betrachteten Dichtungen in
diesem Sinne (vgl. J V. 501, 572, M1 V. 374). Mhd. geselle entstand zum
mhd. Wort sal (Saal), welches sich aus germ. *salaz, *saliz entwickelte;
das damit verwandte gotische saljan bedeutet u. a. auch „Herberge finden,
bleiben“27.
Die Herkunft Konrads von Raslau ist ungeklärt28• Seine Nennung im
kurz darauf entstandenen sog. „Seifried Helbling“ erlaubt aber eine zeitliche
und geographische Einordnung. Konrad von Haslau dürfte Erzieher
( „magezoge“ ) gewesen sein. Wahrscheinlich war dies ein von Hof zu Hof
Ziehender, ein Fahrender. Die Entstehung des Werkes wurde auf 1270/80
datiert29. Über den Verfasser des „Magezogen“ sind keine biographischen
Angaben überliefert. Nach Schröder30 ist das Werk um die Mitte des 13.
Jahrhunderts entstanden.
Der „Magezoge“ vermittelt Lebenslehre für Landherren, die in relativer
Abgeschiedenheit auf einer Burg oder einem anderen Adelssitz lebten.
Die Sichtung der Realien ergibt das Bild einer Grundherrschaft, deren Herr
selbst sein Land gemeinsam mit dem Gesinde bearbeitete31. Die Unterweisung
erfolgt in Form väterlicher Ratschläge für einen Sohn in schlichtem,
27 Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 21. unver. Aufl.
Berlin-New York 1975, S. 253, 617.
28 Vgl. Helmut Birkhan, Ständedidaxe und Laienmoral in der Österreichischen Literatur
des Spätmittelalters. In: Die Österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen
im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert ( 1050-1750) 1. Graz 1986, S. 367-397, hier S.
381, Anm. 49; ders., Ministerialenliteratur in Österreich. In: Die Kuenringer. Das
Werden des Landes Niederösterreich. Katalog zur Landesausstellung. Wien 1981, S. 20-
36 sowie S. 417-486; Werner Hofmeister, „Der Jüngling“ Konrads von Haslau. Versuch
einer Neubewertung. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft 15 (1984) S.
1-13; Hans Friedrich Rosenfeld, Konrad von Haslau. In: Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon 5, 2. Auft., hg. von Kurt Ruh. Berlin-New York 1978ff.,
Sp. 194-198.
29 Vgl. V. 25: het ich ein Iehen von den fursten.
30 Edward Schröder, Der Magezoge. Eine altösterreichische Spruchdichtung. In: Zeitschrift
für deutsche Altertum 62 (1925) S. 221-226.
31 Vgl. Arno Borst, Das ruttertum im Hochmittelalter. Idee und Wirklichkeit. In:
Das ruttertum im Mittelalter, hg. von Arno Borst (Wege der Forschung 349) Darmstadt
1976, S. 212-246, hier S. 231f.
24
ernstem Ton und dürfte individuelle und aktuelle Bedürfnisse angesprochen
haben. Dem Jüngling wird seine künftige Verantwortung als Dienstherr (M2
V. 240ff.) vor Augen geführt. Es geht um Menschlichkeit und Moral im
Verhältnis des Herrn zu Dienern, um gerechte Rechtssprechung (M1 V. 53,
M2 V. 41, 161) um die Gefahren des Müßigganges (M1 V. 315f/M2 V. 335,
M1 V. 389-392/M2 V. 101-104). Die ritterliche Tugendlehre wird von der
stark religiös geprägten Weltsicht des Autors dominiert.
Ein völlig anderes Bild vom ritterlichen Alltag bietet das Lehrgedicht
des Konrad von Haslau. „Der Jüngling“ ist eine Erziehungslehre für Höflinge,
die an größeren Herrenhöfen verkehrten, wo mitunter auch F ürsten
weilten (J V. 164). Dieser Text ist überwiegend eine Verhaltenslehre für
Knappen, mit starker Betonung der äußeren Erscheinung und der höfischen
Umgangsformen. Die Didaktik präsentiert sich als temperamentvolle Darstellung
jugendlichen Verhaltens. Der Autor bedient sich zur Abschreckung
vor „Untugenden“ der Parodie und Satire. Dementsprechend negativ wird
der Bauer gezeichnet.
Unmittelbare Vorlagen lassen sich bei diesen Lehrdichtungen nicht
nachweisen. Beide Autoren verfügten mit größter Wahrscheinlichkeit nicht
über Lateinkenntnisse. Die Morallehren des „Magezogen“ basieren auf der
Bibel, die Verhaltenslehren weisen teilweise Ähnlichkeit mit dem „Cato“
auf32. Konrad von Haslau dürfte die „Tischzuchtenliteratur“ bekannt gewesen
sein. Er zeigt jedoch große Selbständigkeit gegenüber diesen Didaxen33.
Auch in der Formgebung scheinen die Autoren keine unmittelbaren
Vorbilder nachgeahmt zu haben. Die Sprache ist schlicht, wenngleich Konrad
sein Anliegen mitunter höchst eindrucksvoll und beredt vorbringt. Der
Aufbau entspricht dem eines Entwurfes. Die Reimpaare werden kunstlos
aneinandergereiht. Obwohl der „Jüngling“ bei oberflächlicher Betrachtung
den Anschein einer Gliederung in Abschnitte (die mit der immer wiederkehrenden
Drohung wo daz niht tut ein jungelinc,/ der gebe mir einen pfenninc)
aufkommen läßt, dürften beide Werke eher als Konzepte zu Papier gebracht
worden sein. Vermutlich waren beide Schriften „Vortragsskizzen“. Häufig
32 Kurt Gärtner, „Der Magezoge“. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon
5, 2. Aufl., hg. von Kurt Ruh. Berlin-New York 1978ff., Sp. 1153ff., hier Sp.
1154.
33 Vgl. dazu Schüppert, wie Anm. 3, S. 229.
25
werden Themen nur aufgegriffen, kurz angerissen, wieder fallen gelassen
und später nochmals aufgenommen. Ein Grund für diesen „geringen Grad
an Poetisierung“ liegt in der Zweckorientiertheit: Es geht beiden Autoren
um Vermittlung bestimmter Anliegen, die sie in ihren Werken direkt, ohne
den Umweg künstlerischer Gestaltung ansprechen und behandeln. Ein anderer
Grund liegt in der Funktion jener Werke als Gebrauchsliteratur: Sie
wurden immer wieder von den fahrenden Dichtern einem adeligen Publikum
vorgetragen. Vereinzelt finden sich trotzdem Spuren von literarischen
Traditionen aus der antiken Mythologie, aus der Bibel [Figuren wie Samson
(M1 V. 167)], aus dem Physiologus. Hin und wieder treten ins Mittelalter
tradierte Ausdrucksmittel aus der griechischen und lateinischen Dichtung
auf: z. B. Allegorien im „Magezogen“ : burck zu Tugent berc {M1 V. 488).
Vor allem Konrad von Raslau bringt in seiner lebendigen Belehrung viele
bildhafte Vergleiche, nicht ohne Komik und Groteske. – Doch sprechen
diese Kenntnisse nicht für gelehrte Bildung, sondern nur für jenes Allgemeinwissen,
über das ein Dichter verfügen mußte, wenn er gehört werden
wollte.
Die Absicht beider Autoren war die Vermittlung ethischer Werte und
praktischer Verhaltenslehren. Es ging ihnen darum, der Jugend beizubringen,
daß nur ein von Gottesliebe und Gottesfurcht erfülltes Leben Hoffnung
auf die ewige Seligkeit zuläßt: Ein reicher Mann ist der, der der werlt lop,
der sele heile erringen kann (M1 V. 7; ähnlich in M1 V. 353-360, J V . 1094).
Diese Knappen wurden für das Leben als Landadelige erzogen: Ritterliche
Waffenübungen, Turniere, Heldentaten und Minnedienst kommen nicht
vor34•
Es ist denkbar, daß diese Lehrdichtung für jene Österreichischen Ministerialen
geschrieben wurde, denen ein sozialer Aufstieg während der letzten
Jahre der Babenbergerherrschaft und zur Regierungszeit Ottokars Il.
Pfemysl in Österreich gelungen war35• Sie bildeten nun gemeinsam mit dem
alten Österreichischen Adel, den Hochfreien, die neue Gruppe der Landherren.
Um sich im Landherrenstand behaupten zu können, bedurften
die „Aufsteiger“ dieser Erziehungswerke, sie brauchten praxisnahe Unter-
34 Boesch, wie Anm. 14, S. 72.
35 Max Weltin, Landesherr und Landherren. Zur Herrschaft Ottokars II. Pfemysl i n
Österreich. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, NF 44/45 ( 1 978/79) S.
159-225.
26
weisung für das gesellschaftliche Leben am Hofe und für ihre Aufgaben
als Lehensherren. Für die Anforderungen dieses neuartigen sozialen Kontexts
wurde die Dichtung des Hochmittelalters offenbar nicht mehr gerecht.
Das ritterliche Tugendsystem, das in den Epen und im Minnesang postuliert
worden war, erscheint in den hier betrachteten Tugendlehren dem Bedarf
der neuartigen Rezipienten angepaßt. Und diese Gruppe hatte ihrerseits
Abgrenzungsprobleme nach unten, zu den Bauern. Entsprechend tendenziös
ist deren Bild aufzufassen. Wie in anderen didaktischen Dichtungen
ist der Aufruf zur Wahrung der Standesdifferenzen ein zentrales Thema (M1
V. 27, 145f., 22f.), da die gesellschaftliche Ordnung als gottgewollt und der
menschlichen Natur entsprechend erachtet wird.
Wirkung und Verbreitung des „Magezogen“36 waren nicht unerheblich.
Zahlreiche Handschriften des gesamten Werkes, aber auch die Aufnahme
von Teilen in andere didaktische Werke bezeugen eine Verbreitung, die über
Österreich hinausreichte. Der „Jüngling“ ist dagegen nur in drei Handschriften
überliefert. Nach Meinung des Herausgebers der letzten Ausgabe
verhinderten die starken Dialektizismen eine größere Breitenwirkung37.
1. Geselligkeit am Hofe
1.1 Die Erziehung zum Ritter
Konrad beginnt sein Werk mit einer Iaudatio temporis acti, die (vereinfacht
wiedergegeben) besagt, daß die Adeligen früherer Zeiten sich der Wichtigkeit
der höfischen Erziehung für den Umgang unter Standesgenossen und
zur Abgrenzung gegenüber den Bauern bewußt gewesen wären (J V. 1 und
4). Der Topos hat die Funktion der Einleitung, läßt aber gleichzeitig auf
die Beweggründe von Konrads Auftraggeber schließen: nu sint die jungen
an zuhten laz. Der ritterlichen Jugend fehlt es an Erziehung, es besteht
Bedarf an Dichtungen dieser Art, die der Jugend die Nachteile unhöfischen
Verhaltens vor Augen führen und sie so nachdrücklich von der Wichtigkeit
der Erziehung überzeugt.
Voraussetzung für ein Verkehren bei Hofe ist gutes Benehmen. Von
großem Interesse ist Konrads ausführliche Darstellung der Kindererziehung,
konkret der Phase, bevor ein Knappe an einen fremden Hof geschickt wird
36 Vgl. Gärtner, wie Anm. 32, Sp. 1155.
37 Tauber, wie Anm. 26, Einleitung S. 13.
27
( J V. 1097-1228). Konrad stellt drei negative Erziehungsmodelle auf: Er
warnt vor den Folgen einer zu nachgiebigen, einer zu knausrigen Haltung
gegenüber den Kindern und schildert schließlich die Erziehungsmethoden
eines unbeherrschten, unüberlegten und unreifen Erziehers. Obwohl er
durchaus für den Einsatz des „Zuchtbesens“ (J V. 1106) eintritt, lehnt er
Mißhandlungen infolge von unmezige[rj zuht wie bluwen, umb die want, bi
dem har werfen und stozen ab (J V . 1 195, 1200f.). Diese Äußerungen zur
Kindererziehung, mit denen er sich an die gesamte Hofgesellschaft wendet,
findet sich vermutlich deshalb fast am Ende seines Werkes, weil er in
diesem Abschnitt nicht Jünglinge, sondern Eltern oder andere magezogen
anspricht. Schließlich behandelt er eine Zeit ihrer Entwicklung, da sie zur
Selbsterziehung noch nicht fähig sind. Für die Knappen am Hofe ist freilich
die Vorbildwirkung und die Autorität des Herren wichtig (J V . 204-207).
1.2 Äußere Erscheinung
Neben gutem Benehmen müssen Jünglinge, die bei Hof verkehren, auf ihr
Äußeres Bedacht nehmen. Mit Nachdruck wird auf gepflegte Nägel und
Haare (J V. 63) sowie korrekte Kleidung Wert gelegt (J V. 63f., 68-88,
91-99). In diesem Zusammenhang werden auch Kleider- und Haarmoden
erörtert (J V. 677-708). Konrad kritisiert etwa als männliche Kopfbedeckung
eine swebehouben (J V. 78-87), die ein Ohr frei und einen Haarschopf
an der Stirn herausragen lasse, so daß der Jüngling das Aussehen
eines eben vom Pferde Gestiegenen habe. Als bäuerische Kopfbedeckung
wird der Fuchsbalg bezeichnet (J V. 694).
Die höfischen Thgendideale werden v. a. im „Magezogen“ direkt und
konzentriert ausgesprochen: lerne tugent alle tage (Ml V. 30). Die höfischen
Thgenden sollen durch Selbsterziehung im Streben um ere , durch
Befolgung der Lehre des irdischen und des himmlischen Vaters (Ml V . 35)
erreicht werden (Ml V. 3). Im Zentrum der Ermahnung steht die Thgend
des Maßhaltenkönnens: elleu dinch tu mit maze (Ml V . 384). Aber auch
alle anderen Ritterideale, etwa die Ehrung der Geistlichkeit und der Frauen
(Ml V. 81), Schutz für Frauen, Arme, Waisen (Ml V. 47, 99), die Treue
gegenüber Herrn und Freunden (M1 V. 55, 195), das Gewähren von Almosen
und Mildtätigkeit (Ml V. 76f., 103), werden immer wiederholt. Denn „das
ist Ritterschaft, dafür segnet man dir das Schwert“ (Ml V. 43-46).
Ein aufschlußreiches Licht auf die Realität des Landadeligen werfen die
Verse wis vlizick diner arbeit,/ gibe din brot, trag ringe kleit (Ml V. 315f.,
28
M2 V. 335f.) bzw. ‚ du solt vlihen muzekeit,/ such der hende arbeit;/ der
laz machet die sele kranch,j un kunst zeuhet der m1!z ganch (M1 V. 389-
392/M2 V. 101-104). Diese Ratschläge scheinen nachzuweisen, daß kleine
Landadelige als Grundherren in der Landwirtschaft mitunter selbst Hand
anlegen mußten. Gleichzeitig sind sie frühe Belege für die Warnung vor den
Gefahren des Müßigganges38•
Die größtenteils aus der Erziehungspraxis resultierenden Gebote und
Verbote Konrads ergeben ein farbiges Bild vom Leben an einem Adelshof.
Wir erfahren von den Menschen, die am Hofe verkehren, von Spielleuten und
Hofnarren, die sich vor dem Tisch des Herrn drängen, die an der Tür sitzen
und unnütze Geschichten erzählen, von Possenreißern, die sich ungehörig
aufführen (J V. 142, 149, 643, 999). Interessant sind die Äußerungen über
Hofdiener. Konrad unterscheidet hier zwischen Gesinde ( J V. 85 7) und
Höflingen, Beratern des Herrn (J V. 900). Er klagt über Spötter, Jasager,
Intriganten (J V. 831-928), Verleumder (J V. 179-190), Schmeichler und
falsche Ratgeber (J V. 203-226). Ferner finden sich in dieser Verhaltenslehre
Details über den Aufgabenbereich der Edelknaben bei Hofe. Die wichtigste
Funktion der Edelknaben lag in der ständigen Dienstbereitschaft (J V. 159,
227-252), sei es nun beim Mahl, in der Unterhaltung des Herrn und seiner
Gäste oder beim Ausritt und bei der Jagd.
1.3 Das Mahl
In der höfischen Geselligkeit spielen das Mahl und das richtige Benehmen bei
Tisch eine vorherrschende Rolle. Die vordringlichste Aufgabe der Edelknaben
besteht in der kundigen Bedienung bei Tisch. Die Knaben sollen sich
dabei in ruhiger, vornehmer Zurückhaltung üben: Aufdringliches Verhalten
ist zu unterlassen (J V. 139-144, 153-162). Die Edelknaben reichen zum
Mahl auch den Wein. Konrad empfiehlt seinen Jünglingen, sich vor der Tafel
mit dem Getränk niederzuknien und den richtigen Zeitpunkt für dessen
Darreichen abzuwarten. Wird dem Knaben von Höhergestellten zugetrunken,
so soll er der Aufforderung Folge leisten. Das Zutrinken untereinander
ist den Edelknaben untersagt (J V. 627-642). Den Knaben fiel bei Hofe
auch die Funktion des Lichtträgers zu (J V. 122).
Auf dem Gebiet der Tischsitten konnte Konrad auf eine reiche Tradi-
38 Vgl. Schröder, wie Anm. 30, S. 224.
29
tion der Tischzuchtenliteratur zurückblicken39. Vergleicht man nun Konrads
Anleitungen zum rechten Benehmen bei Tische mit der literarischen
Tradition, so läßt sich seine überaus starke Eigenständigkeit in der Beobachtung
und Beschreibung der diesbezüglichen Realien feststellen. Einige
Realien, die sich hieraus für das mittelalterliche Alltagsleben ergeben, seien
erwähnt: Der Tisch bei Hofe wird mit einem Tischtuch bedeckt, bevor
Schüsseln und Becher darauf gestellt werden (J V. 549f.). Es wird aus einer
gemeinsamen Schüssel gegessen (J V. 570-573). Bisweilen greift man mit
der Hand in die Schüssel (J V. 570). Zum Essen wird Brot gereicht, dieses
darf jedoch nicht auseinandergebrochen und in den Wein getaucht werden
(J V. 619f.). Seltene Speisen – auch für adelige Jünglinge – sind nach Konrads
Aussagen Wildbret, Geflügel, Fisch (J V. 613f.). An Getränken werden
nur Wein und Bier angeführt.
1 .4 Tanz, Musik, Literatur
Tanz und Musik als wesentliche Elemente der höfischen Unterhaltung nehmen
in diesen adeligen Verhaltenslehren einen anderen Stellenwert ein.
Im „Jüngling“ wird der ritewanz – ein Tanz, den auch Neidharts Bauern
tanzen – als eine Untugend angeprangert. Gleichwertig mit „am Körper
kratzen“ und „in den Zähnen stochern“ (J V. 270) ist dieser Tanz eine
Untugend, die man schon in der Jugend bekämpfen müsse. Ein Adeliger,
der diesem Laster verfallen sei, ziehe das Vergnügen einer Taverne der
höfischen Geselligkeit vor. Über den Vortrag von Liedern und Geschichten
in der höfischen Gesellschaft findet man in beiden Dichtungen Belege. Beide
Dichter warnen an mehreren Stellen vor dem Singen schelcklicher Lieder
und vor der Rezitation schalkhafter Erzählungen (M1 V. 22f., J V. 146f.,
1247). Es ist denkbar, daß mit diesen „unhöfischen“ Liedern die Lieder
Neidharts gemeint sind, die die sog. niedere minne (die Liebe des Adeligen
zur Bauerndirne) besingen. Diese Lieder hatten in der zweiten Hälfte des 13.
Jahrhunderts im Raum um Wien schon Tradition. Beliebt waren auch die
Schwankmären, wie etwa die des Strickers, deren Inhalt allerdings für vornehme
Ohren mitunter wohl als unpassend empfunden wurde. Es könnten
allerdings auch derartige Aufführungen von Spielleuten gemeint sein, wie
39 Vgl. dazu Schüppert, wie Anm. 3, bes. S. 228.
30
sie auf Dorfplätzen, in Tavernen, am Hofe, sogar in Kirchen gehört werden
konntcn40 .
Die Darbietung eines Liedes oder einer Geschichte gehörte zur Erziehung
eines höfischen Jünglings: Er sollte in der Lage sein, auf Aufforderung
des Herrn zur Unterhaltung der Gesellschaft beizutragen (J V. 130f.).
Der Jüngling sollte sich jedoch mit derartigen Aktionen nicht in den Vordergrund
spielen wollen, sondern eine entsprechende Weisung des Herrn
abwarten.
1.5 Spiele
Von den zahlreichen Spielen, die in Adelskreisen gepflegt wurden, ist nur
das „Brettspiel“ erwähnt (J V. 373-379). Konrad empfiehlt es zur Kurzweil,
er sieht in diesem Spiel einen erzieherischen Wert. Erheblich ausführlicher
widmet sich Konrad den „unhöfischen“ Spielen, die in Abschnitt „2. Geselligkeit
in der Taverne“ angeführt werden.
1.6 Jagd
Die Jagd zählte zu den bevorzugten Vergnügungen des Adels. Eine eindeutige
Aussage des Erziehers zur Jagd oder über richtiges Benehmen bei der
Jagd findet sich in keiner der beiden Dichtungen. Im „Jüngling“ ist die Jagd
als adeliger Zeitvertreib durch Gleichnisse und Bilder ständig präsent (z. B.
J V. lOff.). Auffallend sind zahlreiche Vergleiche aus der Falkenbeize (J V.
921-926). Dies ist nicht verwunderlich, bietet doch die Dressur des Falken
dem Erzieher die Möglichkeit, seinen Zöglingen mit Analogien aus einem
Gebiet, das ihnen bestens vertraut ist, den Wert ihrer eigenen Erziehung
zu veranschaulichen.
1 . 7 Kirchgang
Der sonntägliche Kirchgang war mehr als eine religiöse Übung, er war für
alle Stände ein gesellschaftliches Ereignis41 . Konrad klagt, manche Zeitgenossen
würden den Gottesdienst zur Selbstdarstellung mißbrauchen: Sie
40 Wolfgang Hartung, Die Spielleute. Eine Randgruppe in der Gesellschaft des Mittelalters
(Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft 72) Wiesbaden
1982, s. 9.
41 Karl Brunner – Gerhard Jaritz, Landherr, Bauer, Ackerknecht. Wien-Köln-Graz
1985, s. 111.
31
führten im bethus Gespäche wie anderswo, spotteten, lachten und störten
den Gottesdienst durch Lärm und Herumgehen, um gesehen oder gehört zu
werden (J V. 931-966). Ordentliche Kleidung für den Besuch des Gottesdienstes
fordern beide Dichter.
1.8 Gastung
Ein weiterer Aspekt mittelalterlicher Geselligkeit ist die Gastung. Allerdings
erwähnt nur der Dichter des „Magezogen“ die Gastfreundschaft. Die
Heidelberger Handschrift enthält nur eine allgemeine Aufforderung zur Gastlichkeit:
er zeige gemeine geselleschaft,/ enpfahe die geste (MI V. 374f.); dagegen
findet sich in der von Haupt edierten Handschrift U2 eine ausführliche
und eindringliche Mahnung zur Gastfreundschaft: swenne dir kumme ichein
gast,/ s o gib ime vrrelichen daz du hast:/ erzeige ime dinen guoten muot:/
ist er vrum, er nimet ez verguot (M2 V. 135-138). Diese Stelle ist deshalb
von Interesse, da in der historischen Forschung zur mittelalterlichen Gastlichkeit
die „Herrschergastung“ und die karitative Gastlichkeit der Kirche
gut belegt wird, für die wahrscheinlich „weitverbreitete Gastung von Grundund
Lehensherren sowie sonstigen großen und kleinen Mächtigen durch ihre
Leute“ jedoch wenig Quellen bis zum Ende des 13. Jahrhunderts vorhanden
sind43. Der Dichter des „Magezogen“ definiert den Gast nicht. Er gibt
auch keine Hinweise darauf, ob seine Aufforderung zur Gastfreundschaft
allen Ständen inklusive der Randgruppen und Pilger zunutze kommen soll.
Möglicherweise war dem Rezipienten jedoch klar, daß nur Standesgenossen
aufgenommen werden sollten. Aber die Klärung dieser Stelle ist von
eminentem Interesse, weil die traditionelle „umfassende Gastfreundschaft
mit Heberbergung und Gastmahl“ als „eine verbreitete, aber mehr auf
hohe Würdenträger, Adel, große Bauern und enge Beziehungen beschränkte
Besonderheit“ angesehen wird, wobei bis ins 13. Jahrhundert als Normalfall
der privaten Gastung die unentgeltliche Gastlichkeit ohne Verpflegung
gilt44. Demgegenüber ist hier zu erwägen, ob die Stelle nicht grundsätzlich
jenes christliche Ideal anspricht, das als Werk der Barmherzigkeit dem Chri-
42 Wie Anm. 26.
43 Hans Conrad Peyer, Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit
im Mittelalter (Monumenta Germaniae Historica, Schriften 31) Hannover 1987, S.
18.
44 Ebd. S. 51.
32
sten auferlegt ist. Und aus der einleitend besprochenen Anlage des Werkes
würde es sich dann um ein Spiegelbild der Realität handeln.
2. Geselligkeit in der Ta verne
Der Geselligkeit und Unterhaltung am Hof, die dem jungen Mann Selbstzucht
und „Künste“ abverlangte, wird die Geselligkeit in der Taverne ( taberne
in M2 V. 27, J V. 286 oder lithus M1 V. 31, leithus J V. 453, 475 u. ö.)
gegenübergestellt. Zahlreich sind in beiden Werken die Stellen, die vor dem
Tavernenbesuch warnen: Der Dichter des „Magezogen“ vergleicht den Weg
ins lithus mit der Höllenstraße (M1 V. 31ff.). Die Taverne wird beschrieben
als der Bereich, wo Alkohol im Übermaß getrunken (vgl. im sog. „Seifried
Helbling“ I, 309-432)45, wo Glücksspiel getrieben wird, wo üble Sitten herrschen,
wo nichtadelige, unzüchtige, unehrenhafte Frauen und Männer verkehren.
Hugo von Triruherg (um 1230- nach 1313) definiert im „Renner“
die Taverne als den Ort, wo sich der Teufel gerne aufhält, da ihm dort viele
Seelen gewiß wären (V. 19613)46.
Der schlechte Ruf der Taverne47 ist ein Topos, der jedoch kaum eines
Realitätsgehaltes entbehren kann: Den Geistlichen wurde seit dem Konzil
von Laodicae 363 in zahlreichen Verordnungen der Tavernenbesuch immer
wieder untersagt . Das Verbot ging schließlich im 12. Jahrhundert ins Kirchenrecht
ein, wo es über Jahrhunderte erhalten blieb. Auch in höfischen
Kreisen und bei Kaufleuten galt der Tavernenbesuch als unstandesgemäß.
Lithuswirte (litcofare ) wurden in einer Urkunde Herzog Leopolds V. von
Österreich ( 1 1 77-1194) im Gegensatz zu den ehrbaren Gastwirten ( honesti
viri qui appelantur hospites id est wirte ) nicht als Zeugen anerkannt. Noch
im Spätmittelalter galten vielerorts die Tavernenwirte als unehrlich. Den
Wirten entsprach das Publikum: Es rekrutierte sich aus Bauern, kleinen
Handwerkern und Rechtlosen.
Während der Verfasser des „Magezogen“ immer wieder eindringlichst
vor den verderblichen Folgen des Tavernenbesuches warnt: gehovete vröude
45 Seifried Helbling, hg. und erklärt von Joseph Seemüller. Halle 1886.
46 Hugo von Trimberg, Der Renner, hg. von Gustav Ehrismann (Deutsche Neudrucke,
Reihe: Texte des Mittelalters) Tübingen 1908, Ndr. Berlin 1970, ähnlich V. 1331ff.
47 S. zum Folgenden: Peyer, wie Anm. 43, S. 79f., sowie Winsbeckische Gedichte nebst
Tirol und Fridebant, hg. von Albert Leitzmann, 3. neu bearb. Aufl. von lngo Reiftenstein
(Altdeutsche Textbibliothek 9) Tübingen 1962, S. 68, Str 1 2/4; Str. 14/9.
33
soltu han/ und alle boese vuore lan (bei Hofe sollst du Freude haben und
sollst jede unadelige Lebensweise meiden) (M2 V. 89f.), widmet die Lehrdichtung
des Konrad von Raslau dem angeblichen Verhalten mancher Edelleute
in Tavernen beinahe 300 Verse. Die Taverne ist für den Höfling, der
sich den Verhaltensregeln des Hofes rucht unterordnen will, eine Art Gegenwelt:
rehte sin paradis (J V. 287). In der Gesellschaft unhöfischer ( boser)
Menschen ( J V. 470) läßt er sich gehen, befolgt er keine der höfischen ‚fugenden:
Er vergißt auf die maze (trinkt also z. B. unmäßig Alkohol), er
achtet nicht auf die ere und frönt dem Spiel oder er benimmt sich schlecht
– indem er etwa den Tisch zum Sitzen mißbraucht oder in die Tischplatte
Figuren ritzt (J V. 536-546). Konrad, dem Fahrenden, waren Tavernen
sicher nicht unbekannt. Die zehn Gründe, die er anführt, die Menschen
ins lithus ziehen und zum Alkoholtrinken verleiten, sind nicht spezifisch auf
Adelige bezogen. Sie dürften tatsächlich das Resultat von Beobachtungen
verschiedener Bevölkerungsgruppen in Tavernen sein (J V. 475-506).
Die Taverne wird auch geschildert als der Ort des verachtenswerten
Glücksspieles ( spi0. Diesem Thema widmet Konrad etwa 160 Verse, was
ungefähr der Versanzahl entspricht, die er dem „Verhalten bei Hofe“ zumißt.
Der Wirt stellt den Tisch und das Licht zur Verfügung, der spielfreudige
Edelmann trifft dort seine Gesellen; sie alle müssen, wenn sie den Wirt nicht
verärgern wollen, den Wein des Wirtes konsumieren (J V. 368ff.).
Konrad nennt zwei Arten von Spielen, die nach seinen Aussagen in Tavernen
gespielt werden: trictrac oder wurfzabel (J V. 533f.) und Würfelspiel
oder topelspil ( J V. 286-290, 295-449). Das wurfzabel nimmt eine Mittelsteilung
zwischen dem höfischen Spiel Schach und dem unhöfischen Würfeln ein.
Denn obwohl es mit Würfeln gespielt wird, setzt es strategisches Denken
voraus, wie etwa der Österreichische Spruchdichter Bruder Wemher (1217-
1246) in einem Gedicht darlegt48. Wurfzabel hatte, obwohl es teilweise als
Herrenspiel galt, einen schlechten Ruf, da um Einsatz gespielt wurde. Im
„Welschen Gast“ des Thomasin von Zerclaere49 ist ein Spielbrett ( zabel =
Tafel) mit drei Würfeln wiedergegeben. Nach Hugo von Triruherg hatten die
48 Anton E. Schönbach, Beiträge zur Erklärung altdeutscher Dichtwerke 4: Die Sprüche
des Bruder Wernher li. (Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Kl. 150) Wien 1904, S. 80fi.; vgl. Birkhan,
Ministerialienliteratur, wie Anm. 28, S. 431.
49 Thomasin von Zerclaere, wie Anm. 9, 4, Abb. 16.
34
Würfel sechs Augen, deren Fachausdrücke er aufzählt (V. 1 1447-11453)50.
Er bezeichnet das Wurfzabelspiel als vom Teufel ersonnen (V. 1 1 462f.), da
viele Herren durch Spielschulden ins Elend gestürzt würden.
Als unhöfisch und bäurisch galt das topelspil (J V. 286-290), da diese
Art des Würfeins ein reines Glückspiel ist. Die Verurteilung beider Spiele
in der Lehrdichtung und Predigt ist offensichtlich. Sie erfolgt hauptsächlich
aus moralischen, sozialen und ökonomischen Erwägungen. Thomasin von
Zerclaere ordnet dem Spiel die Sünden Geiz, Haß, Zorn, Habgier und Bosheit
zu (V. 1299-1322). Im dazugehörigen Bild Nr. 16 hat der Spieler einen
Teil seiner Kleidung eingesetzt51. Freidank setzt in der „Bescheidenheit“
(um 1220/1230) den Spieler dem Dieb gleich (48/12)52, Hugo von Trimberg
(V. 1 1 237, 11439-11484)53 wettert folgendermaßen gegen das Spiel:
Während des Spieles werde geflucht, nach dem Spiel herrsche Zorn und
Streit, Spielschulden stürzen die Spieler und ihre Familien ins Unglück.
Und Sebastian Brant (1458-1521) führt aus, daß bei Gewinn wie bei Verlust
gleichermaßen Groll, Neid und Haß sich regen 54•
Konrad von Raslau und der Verfasser des „Magezogen“ (Ml V. 31f.)
stehen in der Verurteilung der Spiele also in einer literarischen Tradition,
die zumindest bis ins Spätmittelalter zurück reicht. Diesen Quellen hat der
„Jüngling“ aber eine überaus interessante Schilderung der Verehrung des
Würfels und des Spielerelends voraus. Der Würfel, den Konrad beschreibt,
wurde aus Bein bzw. Ochsenbein geschnitzt (J V. 436, 292). Der Spieler
trägt den Würfel ( „seinen eigenen Feind“) mit sich herum (J V. 381),
er steckt ihn in einen Beutel (J V. 392), oder er versteckt ihn in seinem
Kleidungsstück (in sinen geren) (J V. 402). – Der Würfel wird bei Spielerglück
(oder in Erwartung dessen) gegrüßt, geküßt, geherzt, gelobt, wie ein
Wettläufer gepflegt. Man läßt ihn im Scherz wie einen Fisch über den Tisch
schnellen oder wie einen Hasen hüpfen. Der Verlierer aber rächt sich an dem
Würfel, indem er ihn mit den Füßen tritt, mit der bloßen Hand schlägt, die
50 Hugo von Trimberg, wie Anm. 46.
51 Thomasin von Zerclaere, wie Anm. 9, 1 und 4.
52 Fridankes Bescheidenheit, hg. von H. E. Bezzenberger. Halle 1872.
53 Hugo von Trimberg, wie Anm. 46.
54 Sebastian Brant, Das Narrenschiff, hg. von Manfred Lemmer. Nach der Erstausgabe
(Basel 1494) mit Zusätzen von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen
Originalausgaben (Neudrucke deutscher Literaturwerke, NF 5) 3. erw. Aufl. Tübingen
1986, s. 199-202 .
35
Augen aussticht, oder versucht, ihn zu zerbeißen. Gespielt wurde um Einsatz
(J V. 404). Ein Würfler muß, egal ob er gewinnt oder verliert, noch
vier Menschen Geld oder Gut zuwenden (J V. 364-372), nämlich dem, der
ihm einen Würfel borgt (falls er nicht selbst im Besitze eines Würfels ist),
dem Schiedsrichter, dem Wirt und dem pfantner. Aus der Freidankstelle
48/17f.55 erhellt sich die Bedeutung des pfantners: Die Spieler setzten vor
Spielbeginn ein Pfand; dem pfantner fiel die Aufgabe zu, das Pfand in Geld
zu tauschen oder dieses selbst dem Gewinner auszuhändigen. Im Wiener
Stadtrechtsbuch (wahrscheinlich zwischen 1276 und 1296 entstanden) finden
sich mehrere Artikel zum Spiel und zur Rolle des pfantners:56 Demnach
durfte ein Spieler nur bis auf das Hemd gepfändet werden. Es war streng
verboten, ohne oder mit Beiziehung eines pfantners um Gliedmaßen oder
um Augen und Nase zu spielen. Falschspieler sollten dennoch von Rechts
wegen verstümmelt werden, wenn nämlich die Geldsumme, die sie als Strafe
zu zahlen hatten, nicht aufzutreiben war.
Um den Jünglingen die Folgen dieser unzuht vor Augen zu führen,
bedient sich Konrad ebenfalls moralischer, sozialer und ökonomischer Argumente.
Er umschreibt das sündhafte Verhalten der Spieler mit Worten
wie: nit, haz, rumen, zorn, swern, strit, liegen und vluchen (J V. 315-329).
Das schlimmste aber: das spil leret der untugende minne (J V. 295-329).
Ein Spieler, der viel oder ständig verliert, verarmt schließlich, bringt Vater
und Mutter ins Verderben, und wenn er Frau und Kinder hat, nimmt er,
was diesen zustünde; er leidet Scham, erntet Spott, wenn er betteln gehen
muß. Er kann sogar zum Mörder werden (J V. 342). Konrad schildert
den Spieler als einen Verdorbenen, der sich und seine Nächsten ins Unglück
stürzt, der lieber „dem Würfel gibt“, anstatt die Werke der Barmherzigkeiten
gegenüber Armen zu üben. Er zeichnet ihn als Verlorenen, da er gegen
jedes Ideal der höfischen Ethik verstößt, von der höfischen Gesellschaft ausgestoßen
ist, und auch gotes hulde verloren hat. Er beschreibt den Spieler
als einen, der nicht nur gegen zuht, also gute Erziehung, sondern gegen das
gesamte ritterliche Thgendsystem verstoßen hat.
Die Taverne wird aber auch als ein Ort geschildert, wo für einen Jüng-
55 Freidank, wie Anm. 52 und Anmerkungen S. 331.
56 Das Wiener Stadtrechts- oder Weichbildbuch, hg. von Heinrich Maria Schuster. Wien
1873, S. 36, 65-68; vgl. dazu Birkhan, Ministerialienliteratur, wie Anm. 28, S. 432.
36
ling andere Gefahren lauern: moralische Gefährdungen, die von „untugendhaften“
Frauen ausgingen.
Kennzeichnendes Stilmittel dieser intensiven Schilderung des Spielerelendes
mit den Folgen für einen Adeligen ist die beschwörende Drastik der
karikierenden Übertreibung. Die Spielleidenschaft war (und ist) sicher ein
psychosoziales Problem. Dies demonstrieren nicht nur die angeführten Literaturstellen,
sondern auch die Tatsache, daß allein dieser Abschnitt (J V.
295-448) vor 1349 unter dem Titel der spiler in eine Sammelbandschrift
aufgenommen wurde, die neben anderen didaktischen Werken den „Sachsenspiegel“
(Leipzig, Universitätsbibliothek, Ms. 946) enthält57.
III. ZUSAMMENFASSUNG
Die zahlreichen Mahnungen vor „unhöfischen“ Vergnügungen werfen ein
interessantes Schlaglicht auf die Lebensrealität des Landadeligen. Es entsprach
sicherlich der Wirklichkeit, daß mancher Landadelige häufiger geselligen
Umgang mit seinen Bauern als mit seinen Standesgenossen hatte. Die
Gefahr „der Verbäuerlichung“ war für viele dieser kleinen Landherren, für
die der „Magezoge“ geschrieben wurde, sehr groß. Es ist auch denkbar, daß
so mancher Landadelige die Feste der Bauern der Geselligkeit am Hofe vorzog.
Daß die Taverne mit ihren Vergnügungen auf Ritter und Edelknechte
einen großen Reiz ausübte, wissen wir auch aus anderen Quellen. Wie groß
die Anziehungskraft der Taverne mit ihrem zwielichtigen Publikum für einen
Adeligen gewesen sein muß, läßt sich erst durch deren anschauliches
Zerrbild bei Konrad von Raslau ermessen. Beide Werke spiegeln die Angst
der Auftraggeber vor dem Abstieg der adeligen Jugend in Bauernkreise und
in die verächtliche Gesellschaft der Spielleute, Jongleure oder Gaukler. Die
Analyse dieser beiden Erziehungswerke erbrachte durchaus brauchbare Ergebnisse
für den Bereich Geselligkeit am Hofe und in der Taverne. Dabei
kam zutage, daß in der Erziehungsarbeit im Österreichischen Raum in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Thrniere und Minnedienst keine große
Rolle mehr spielten. Den Jugendlichen sollte vielmehr das richtige Verhalten
gegenüber Gott und den Mitmenschen beigebracht werden. Neben der
57 Tauber, wie Anm. 26, Einleitung S. 15f.; vgl. Barbara Pönitz, Beiträge zur Realienforschung
in mittelhochdeutscher Didaktik (Konrad von Haslau, „Der Jüngling“ und
Ulrich von Lichtenstein, „Frauenbuch“), maschinschr. Examensarbeit. Stuttgart 1986,
S. 36. Das Manuskript wurde mir freundlicherweise von Helga Schüppert zur Verfügung
gestellt.
37
Vermittlung allgemein ethischer Werte für ein maßvolles Leben werden den
Jünglingen Verhaltensregeln für ein anständiges Auftreten in der Gesellschaft,
für korrekte Kleidung, für Körperpflege gegeben. Besonders häufig
und eindringlich wird in beiden Dichtungen vor Tavernenbesuch, vor Trunksucht,
vor Würfelspiel und vor dem Umgang mit „üblen Weibern“ gewarnt.
Die Gewichtung dieser Punkte in den beiden Lehrdichtungen ist mit Sicherheit
als ein Indiz für den Anreiz zu werten, den die Taverne, der Alkohol
und die Spielleidenschaft auf den jungen Adeligen ausübten. Bestätigt wird
diese Aussage der didaktischen Literatur durch andere schriftliche Quellen,
aber auch durch Bildquellen. Da gerade diese Laster von den Moralisten aller
Epochen angeprangert wurden, kann angenommen werden, daß sie auch
auf Österreichische Adelige des ausgehenden 13. Jahrhunderts zugetroffen
haben.
Um ein abgerundetes Bild vom Leben der Österreichischen Landadeligen
und Bauern am Ende des Hochmittelalters zu gewinnen, sind zweifellos
mehr als nur zwei Lehrdichtungen zu analysieren. Die Untersuchung weiterer
didaktischer Werke aus dem Österreichischen Raum wird daher fortzuführen
sein.
Abkürzungen:
M I = „Magezoge“ nach Ausgabe von G. Rosenhagen (s. Anm. 26).
M2 = „Magezoge“ nach Ausgabe von M. Haupt (ebd.).
J = „Jüngling“ nach Ausgabe von W. Tauber (ebd.).
RL = Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte 1-3. hg. von Werner Kohlschmidt
und Wolfgang Mohr, 4. hg. von Klaus Kanzog und Achim Masser,. 2. Auß.. Berlin/New
York 1958-1984.
38
MEDIUM AEVUM
QUOTIDIANUM
28
KREMS 1994
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramer
Satz und Korrektur: Birgit Karl und Gundi Tarcsay
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für den
Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher
Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: KOPITU Ges. m. b. H.,
Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
JOHANNES DIETHART, „Man wird dich aufsteigen lassen auf
den Nacken einer alten Sau“ . Ein ägyptisches Pendant zur
7
„Judensau“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
GERTRUD BLASCHITZ, Lehrhafte Literatur als Quelle für
mittelalterliche Realienkunde: „Der Jüngling“ des Konrad
von Raslau und der „Magezoge“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
ADEL L. JASTREBIZKAJA und ELENA A . KAPUSTINA, Auswahlbibliographie
zu Alltag und materieller Kultur des Mittelalters
und der frühen Neuzeit in der sowjetischen bzw.
russischen historischen Forschung (Erster Teil) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
EDMUND KIZIK, Polnische Forschungen zum Alltagsleben
des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Supplement . . . . . . . . . . . . . . 46
Rezensionen:
Peter Dinzelbacher (Hg.), Sachwörterbuch der Mediävistik
(Helga Schüppert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Gerald Beyreuther, Barbara Pätzold und Erika Uitz (Hg.),
Fürstinnen und Städterinnen. Frauen im Mittelalter (Käthe
Sonnleitner) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Stadtluft, Hirsebrei und Bettelmönch – Die Stadt um 1300
(Helga Schüppert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Gewirkt und Gold (Helga Schüppert)
Meisterwerke massenhaft. Die Bildhauerwerkstatt des Niklaus
Weckmann und die Malerei in Ulm um 1500 (Helga
69
Schüppert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Die Gärten des Islam (Helga Schüppert) 71
Ankündigungen und Mitteilungen 73
5
Vorwort
Das vorliegende Heft von Medium A evu m Qu otidianu m stellt einerseits eine
Überleitung zwischen zwei Sonderbänden der Reihe dar: zwischen Sandor
Pet!nyis „Games and Toys in Medieval and Early Modern Hungary“ (Sonderband
III, 1994) und Elke Schlenkrichs „Der Alltag von Lehrlingen in
Sachsen (15. bis 18. Jahrhundert)“ (Sonderband IV, 1994; in Vorbereitung).
Andererseits leiten wir damit wieder einen Jahrgang ein, welcher durch
die Veranstaltung eines Kongresses ( „Die Vielfalt der Dinge“ ) durch M edium
Aevum Quotidianu m und durch das Institut für Realienkunde des Mittel
al ters und der fr-ühen N euzeit gekennzeichnet sein wird. Das im Herbst
erscheinende Heft 29 wird neuerlich die Kurzfassungen der Kongreßreferate
enthalten.
Der vorliegende Band konzentriert sich zum einen auf die bibliographische
Seite des Faches. Die sowjetische bzw. russische Forschung wird
dadurch abgedeckt und der Beitrag der polnischen Forschung wird ergänzt.
Zum anderen widmen sich wissenschaftliche Beiträge von Mitgliedern unserer
Gesellschaft zwei Problemkreisen, welche von besonderer Bedeutung
für die Erforschung der Geschichte von Alltag und materieller Kultur erscheinen:
der Fragestellung der Kontinuität, die im Beitrag von Johannes
Diethart angeschnitten wird; sowie der Frage nach der Rolle des Quellenwertes
von didaktischer Literatur, der im Aufsatz von Gertrud Blasehitz
nachgegangen wird.
Gerhard Jaritz
7