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Mittelalterliche und frühneuzeitliche Tierdarstellungen in den nördlichen Kalkalpen Österreichs und Bayerns

Mittelalterliche und frühneuzeitliche
Tierdarstellungen in den nördlichen Kalkalpen
Österreichs und Bayerns
Franz Mandl (Gröbming)
Felsritzbilder weisen in die schriftlose Kultur einfacher Menschen
Allgemein bezeichnet man in den Fels punzierte oder geritzte bzw. auf
den Fels gemalte Darstellungen als Felsbilder und zählt sie zu den
Bodendenkmälern. Um aber der regionalen Besonderheit der
mitteleuropäischen Felsbilder gerecht zu werden, wurde der Begriff
Felsritzbild als Unterbegriff eingefiihrt. Diese Bezeichnung sagt über die
Technik der Erzeugung des Bildes bereits so viel aus, daß sich auch der
Laie etwas darunter vorstellen kann. Auch soll durch diese Definition
eine Verwechslung mit den paläolithischen Höhlenmalereien, wie wir sie
aus dem frankokantabrischen Raum kennen, vermieden werden.
Die Felsritzbildforschung ist eine sehr komplexe Disziplin der
Geschichtswissenschaft, in die gerade bei Fragen der Interpretation und
Datierung häufig außerwissenschaftliche Elemente einfließen. Sie ist
deshalb anfechtbar. Da sich vielfach Laien mit Felsritzbildern
beschäftigten bzw. beschäftigen, konnte sich die Österreichische Felsbildforschung
an Universitäten gar nicht oder nur am Rande einschlägiger
Disziplinen etablieren. Felsritzbilder, die es in den nördlichen Kalkalpen
tausendfach gibt, können aber nicht ignoriert werden. Sie sind
Bestandteil der alpinen Kultur. Ihre Dokumentation ist nicht zuletzt
besonders dringlich, da sie von der Zerstörung ·durch unverständige
Zeitgenossen und sauren Regen besonders bedroht sind.
Die Darstellungen wurden mit scharfen Gegenständen in den Fels
geritzt bzw. graviert. Dies ist deshalb möglich, da sich auf den in Frage
kommenden Oberflächen des Kalkgesteins über Jahrtausende hinweg
eine weiche, leicht bearbeitbare Verwitterungsrinde gebildet hat. Der
Großteil der Österreichischen Felsritzbilder ist rezent bzw. stammt aus
7
historischer Zeit, nur sehr wenige Felsritzbilder können möglicherweise
in die Urgeschichte datiert werden•. Sie stellen dennoch geschichtliche
Dokumente von hohem Rang dar, die es zu erforschen lohnt, da sie
Zeugnisse einer schriftlosen Volkskultur sind. Die ostalpine Felsritzbildweit
weist ebenso wie die weltberühmten urgeschichtlichen Felsbilder
Südwesteuropas und der restlichen Welt Zeichen, Symbole,
anthropomorphe und zoomorphe Darstellungen auf, denen man durchaus
das Prädikat künstlerisch zuordnen kann.
Die größten Felsritzbildstationen der nördlichen Kalkalpen sind:
Kienbachklamm (Oberösterreich): 950 Einzeldarstellungen, davon ca.
80% durch den Felsbildtourismus zerstört, 10% Verwitterungsschäden.
Maushendlloch (Steiermark): 730 Einzeldarstellungen, davon ca. 5%
durch den Felsbildtourismus zerstört, 5% Verwitterungsschäden.
Notgasse (Steiermark): 700 Einzeldarstellungen, davon ca. 60% durch
den Felsbildtourismus zerstört, 20% Verwitterungsschäden.
Höll (Oberösterreich): 500 Einzeldarstellungen, davon 80% durch den
Felsbildtourismus zerstört, 15% Verwitterungsschäden.
Lenzenklamm (Salzburg): 500 Einzeldarstellungen, davon 20% durch
den Felsbildtourismus zerstört, 10% Verwitterungsschäden.
Bärenstein (Salzburg): 450 Einzeldarstellungen, davon ca. 15% durch
Wanderer und Almleute zerstört, 10% Verwitterungsschäden.
Expeditionsstein (Salzburg): 270 Einzeldarstellungen, davon 5% durch
Wanderer zerstört, 20% Verwitterungsschäden.
In den bayerischen Voralpen sind ebenfalls wichtige Felsritzbildstationen
bekannt. Eine Dokumentation dieser Orte ist geplant.
Wo geeigneter bearbeitbarer Fels für ein Felsritzbild vorhanden ist und in
der Nähe Siedlungen (Almen) oder Wege liegen, sind in der Regel viele
Felsbilder zu finden. Wo wenig oder kein geeigneter Fels vorhanden ist
und die Begehungsfrequenz gering war, sind dementsprechend weniger
oder keine Felsbilder vorhanden. Das Material und der Mensch sind die
entscheidenden Faktoren in der Felsbildkunst In einem Zeitraum von
vielen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden reicht die Herstellung
‚ Robert G. Bednarik, Nicht-paläolithische „paläolithische“ Felskunst In: Mitteilungen
der ANISA 1 9/20, H. 1/2 ( 1 999), 7 ff.; Franz Mandl, Felsritzbilder auf dem
Dachsteingebirge. Beiträge zur Datierung ostalpiner Felsritzbilder. In: G. Cerwinka
und F. Mandl (Hrsg.), Dachstein. Vier Jahrtausende Almen im Hochgebirge, Bd. l :
Das östliche Dachsteinplateau. 4000 Jahre Geschichte der hochalpinen Weide und
Almwirtschaft (Mitteilungen der ANISA 17, H. 2/3) Gröbming 1996, 136 ff.
8
weniger Darstellungen in einem Jahrzehnt aus, um ganze Bilderwände zu
füllen.
Die Felsritzbilder befinden sich häufig an Orten, die als Rastplätze
und Jagdstände Schutz vor Wind und Regen boten, wo Feuerstellen auf
Mahlzeiten und Wärme deuten2• Es wird uns ein Bild von Einfachheit
und Entbehrungen gezeigt, die für den Betroffenen Alltag bedeuteten.
Die betroffenen Menschen waren Jäger, Almleute, Hirten, Säumer,
Holzarbeiter und schließlich Bergwanderer. Sie sind die Urheber und
Künstler der Felsritzbilder.
Tierdarstellungen
Mit Tieren war die bäuerliche Bevölkerung immer konfrontiert. Sie
wurden auch deshalb von Jägern und Hirten in den Fels geritzt. Die Jäger
und Treiber ritzten Jagdtiere wie Reh, Hirsch und Gemse oder auch ihre
Reitpferde in unwegsamen Wäldern in den Fels1• Die Hirten und
Sennerinnen ritzten wiederum ihre Weidetiere wie Rind, Schaf und
Schwein im Bereich ihrer Weiden und Steige zu den Almen in die
Sturzblöcke oder Felswände. Bisher konnten knapp 100 Tierdarstellungen
dokumentiert werden. Exemplarisch soll eine Auswahl aus diesem
Tierreich gezeigt werden.
Jagddarstellungen
Jagd wurde auch als mystische Betätigung betrachtet. Jagdmagie findet
sich häufig in Märchen, Mythen und Sagen. Die Jäger bzw. Wilderer
versuchten, sich mit magischen Kräften zu umgeben, die ihnen sowohl
Jagdglück als auch die Macht verleihen sollten, anderen das Jagdglück
zu verderben. Auch als Wunderheiler wurden sie geschätzt. So wurde der
Steinbock bis zu seiner Ausrottung stark verfolgt, da seinem Gehörn,
seinem Schweiß (Blut) und seinem Herzkreuzel (Teil des Herzens)
Heilkräfte zugeschrieben wurden. Die mittelalterliche Apotheke verwendete
das getrocknete, pulverisierte Blut als Beigabe zu vielen Arzneien•.
Zur Mitte des 17. Jahrhunderts wurde unter Erzbischof Cuidobald von
Thun in Salzburg eine Steinwildapotheke gegründet.
2 Franz Mandl und Herta Mandl-Neumann, The State ofthe Art. Rock Art in Austria.
In: International Newsletter on Rock Art 5 (1993) 17-23.
1 Bemd E. Ergert, Die Jagd im Wandel der Zeit. In: Kurt G. Bluchel (Hrsg.), Die Jagd
I. Köln 1996, 72 ff.; Ilse Haseder und Gerhard Stinglwagner, Knaurs Großes
Jagdlexikon. München 1984.
• Liselotte Hansmann und Lenz Kriss-Rettenbeck, Amulett und Talisman. Erscheinungsform
und Geschichte. München 1977, 127 f. u. 148.
9
Der Jagdzauber als solcher umfaßt aber vor allem die Bannung des
Wildes fiir das Erlegen mit bestimmten magischen Operationen, sei es
nun mit der Heranziehung des Bildzaubers oder mit rituellen Handlungen
zur Beschwörung von Heiligen oder Dämonen. Unterstützend wurden im
Hochgebirge gegen Schwindel sowie gegen Wald- und Hochgebirgsgeister
Amulette bzw. Talismane verwendet. Als Felsritzbild von
Bedeutung sind vor allem die Darstellungen von Jagdszenen, die auf
solche magische Praktiken hindeuten. Auch die Jagdwaffen (Armbrust,
Hirschfanger, Saufeder, Jagdspieß, Gamsspieß, Falle, Steinschloßgewehr)
wurden immer wieder, oft neben den Tierdarstellungen, auf dem
Fels abgebildet. Diese Kompositionen erlangen in zusammengehörenden
Jagdszenen ihre Blüte.
Reh, Hirsch und Gemse sind die am häufigsten dargestellten Tiere.
Seltener finden sich auch Steinbock, Braunbär, Adler, Vögel, Fisch,
Schlange und Wildkatze. In einem Fall läßt sich auch der Tatzelwurm,
ein alpines Fabelwesen zur Abschreckung der Wilderei nachweisen.
Über die Bedeutung dieser Darstellungen läßt sich nur
eingeschränkt sagen, daß sich wohl meist der Urheber des Bildes von
seinen Wünschen beeinflussen ließ, um schließlich das ,Objekt seiner
Begierde‘ darzustellen. Der Spieltrieb zur Anfertigung der Bilder sollte
aber ebenso Berücksichtigung finden. Der Jäger hatte auf seiner Pirsch
Zeit nachzudenken und Bilder zu ritzen, er mußte warten, bis sich das
Wild zeigte. Oft hatte ein Jäger einen Jagdstand in einem regengeschützten
Abri, in dem er seine Bilder ritzte.
Das Hagengebirge war Jagdrevier der Erzbischöfe von Salzburg.
Das Blühnbachtal z. B., ehemals Wildbahn genannt, wurde in diesem
Zusammenhang bereits im 14. Jahrhundert erwähnt5• Steinböcke waren
bereits im Spätmittelalter selten und wurden um das Ende des 15.
Jahrhunderts unter Kaiser Maximilian schon gehegt. Ihr Bestand wurde
immer gefahrdeter. Man versuchte durch Einsetzung in Reviere dem
Aussterben dieses edlen Steinwildes entgegenzuwirken6• Südlich des
Blühnbachtals liegt das Bluntautal, in dem die einzige Jagdszene mit
einem Steinbock in den Fels geritzt wurde (siehe Abb. 4). Gekrönte
Häupter und ein reitender Jäger die ebenfalls in diese Station geritzt
wurden, weisen auf die herrschaftliche Jagd.
‚ Klaus Haserodt, Das Hagengebirge. Eine geographisch-landeskundliehe Einfiihrung.
In: Alpenvereinsjahrbuch 1972, 20; Kurt Worliczek, Die Entwicklung des
fiirstlichen und adeligen Jagdgebietes in Blühnbach von den ältesten Zeiten bis auf
unsere Tage. In: Salzburger Höhlenbuch 3. Salzburg 1979, 99 ff.
6 Wilhelm Nerl, Das Steinwild im Hagengebirge. In: Alpenvereinsjahrbuch 1972, 32.
10
1 58 8 wurde der Jäger Martin Strasser Pfleger des Gerichtes
Golling. Ihm oblag auch die Jagdaufsicht‘. 1 590 übernahm er unter
Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau das Amt des obersten
Salzburgischen Jägermeisters und behielt es bis 159 1 . Dieser M. Strasser
widmet sich in seinem 1624 begonnenen Puech von allerlei
Waidmannschaften verschiedenen Jagdtechniken bzw. Praktiken8. Auch
über das Wild um Golling weiß Strasser zu berichten. Für diese Arbeit
von besonderem Interesse ist jedoch sein Kapitel über das Einjagen,
AussaUen und Ausstöchern des Gämbswilt, sind doch diese Jagdmethoden
mit der Steinbockjagd höchstwahrscheinlich gleichzusetzen.
Das Ausstöchern und Auswerfen des Gamswildes erfolgte zu Zeiten
Strassers kaum noch. Er berichtet darüber abwertend und setzt diese
Methode in frühere Zeiten zurück. Dies ist anscheinend mit der
allgemein verwendeten und technisch ausgereiften Büchse abgekommen.
Dagegen findet man das Ausstöchern und Auswerfen mit langen Stangen
zu Beginn des 1 6. Jahrhunderts, also zu Zeiten Kaiser Maximilians, noch
häufig, obwohl das Gewehr bereits Verwendung fand. Das berühmte
Jagdbuch des Gaston Phebus aus dem späten 14. Jahrhundert wurde zu
Beginn des 15. Jahrhunderts mit einzigartigen Malereien versehen, die
eindrucksvoll über die damaligen Jagdmethoden berichten. Der
Jagdspieß, der Jagdschaft, die Armbrust und die Jagdhunde fanden
allgemeine Verwendung. Bei den Treibjagden bzw. Hetzjagden wurden
auch Absperrungen für das Wild errichtet. Solche Absperrungen
bestanden auch aus zusammengeknüpften Seilen von netzartigem
Aussehen.9 Das Wild wurde in die Enge getrieben und dann mit
Jagdspießen oder anderen Jagdwaffen erlegt oder ausgestochen. Gaston
Phebus beschreibt diese Jagdmethode folgend: „Um den Steinbock oder
die Gams zu jagen muß man eine Woche lang mit Hilfe künstlicher
Hindernisse oder mit Netzen alle möglichen Fluchtwege des gehetzten
Wildes verlegen.“10 Den an Engstellen vorzufindenden netzartigen
Felsbildern könnte eine solche symbolische Funktion zugeschrieben
werden.
7 Friederike Zaisberger und Erich Urbanek, Golling und seine Burg. Golling 1984, 92
f.
1 Kurt Lindner (Hrsg.), Das Jagdbuch des Martin Strasser von Kollnitz (Das Kärntner
Landesarchiv 3) Klagenfurt 1976.
9 Marcel Thomas, Das höfische Jagdbuch des Gaston Phebus. Graz 1979, Taf. XXXV.
10Ebd.IOO.
11
Bildteil
Abb. I: Hirsch und Hirschkuh; Zeitstellung: ftühe Neuzeit.
Tiergruppe, wovon die zwei mittleren Hirsch und Hirschkuh darstellen.
Der Hirsch ist mit seinem weit gefacherten Geweih leicht bestimmbar.
Das linke und rechte, etwas stärker verwitterte Tier, dürften ebenfalls als
Hirschkuh oder Reh interpretiert werden.
Höhe: 18 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
10cm
Abb. 2: Gemse; Zeitstellung: fiühe Neuzeit.
Die Gemse steht auf symbolisiertem Berggipfel in Form eines Dreieckes.
Daneben wurden zweimal die Initialen „WB“ eingeritzt.
Höhe: II cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
1 2
\ \
\
Abb. 3: Jagdszene, Zeitstellung: Spätmittelalter oder frühe Neuzeit.
Jagdszenen sind in der ostalpinen Felsritzbildwelt selten anzutreffen.
Eine solche Jagdszene setzt sich aus dem Jäger mit seiner Jagdwaffe und
dem zu jagenden Tier zusammen. Neben Hirschjagden wurden eine Gemsenjagd,
eine Steinbockjagd und eine Bärenjagd in den Fels geritzt.
Bildbeschreibung: Der Jäger hält in der rechten Hand eine Jagdwaffe, die
linke Hand stemmt er in die Hüfte. Er zeigt damit seinen Mut und seine
Kraft. Imponiergehabe sollte die nächsten Besucher beeindrucken. Sein
Körper sowie die Hirschdarstellung, die diesen überschneidet, sind mit
einem Rautenmuster verziert. Auffallend ist die naive Lösung perspektivischer
Probleme durch Übereinanderritzen der Figuren. Ein Kreuzzeichen
neben dem Jäger könnte als Glückssymbol gewertet werden. Das
Bild wurde zusätzlich von einer ovalen Linie umrahmt“.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
11 Franz Mandl, Zeichen auf dem Fels- Spuren alpiner Volkskultur. Felsritzbilder im
unteren SaalachtaL In: Kniepass-Schriften 18/19 (1991) (=Mitteilungen der ANISA
12, H. 2/3) 232.
13
Abb. 4: Jagdszene mit Steinbock; Zeitstellung: Hoch- oder Spätmittelalter.
Zu dieser Darstellung gibt es in den nördlichen Kalkalpen mehrfach
Parallelen. Typisch für diese Darstellungen aus dem Spätmittelalter sind
der Jäger mit seiner Waffe (Jagdspieß) und das zu erlegende Wild. Ein
Jagdhund hetzt das Wild. Das Dreieck zwischen Steinbock und Jäger
wurde in späterer Zeit darübergeritzt und könnte höchstwahrscheinlich
eine Vulva symbolisieren, die mit der Jagdszene nicht in Verbindung
stehen dürfte“.
Länge: 6 1 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
‚2 Ders., Bemerkungen zur spätmittelalterlichen Jagdszene und zur Reiterfigur bei
Golling (Bluntautal). In: Mitteilungen der ANISA 8, H. 2/3 (1987) 96 ff.
14
lOcm
Abb. 5: Jagdszene mit Bären; Zeitstellung: Spätmittelalter oder frühe
Neuzeit.
Diese einzige bisher bekannte Braunbärenjagdszene in der ostalpinen
Felsritzbildwelt ist sowohl aus künstlerischer Sicht als auch in ihrer
historischen Bedeutung der Jagdszene (Steinbock) aus dem Bluntautal
bei Golling und der Jagdszene (Hirsch) bei Lofer gleichzusetzenu.
Der Jäger, dessen Augen und Mund zu erkennen sind (Darstellung = 9
cm groß) ist mit einer Schlagwaffe (wohl Holzknüppel), die er gegen den
unteren Bären (Braunbär Ursus arctos) gerichtet hat, bewaffnet. Dieser
Braunbär wurde bereits mit dem Jagdspieß, der in seinen Fang
eingedrungen ist, verletzt. Sowohl der untere als auch der obere Bär
weisen an ihren Körpern durch Kerbeneinschläge symbolisierte
Verletzungen auf. Die Darstellung der Bären und des Jägers ist schlicht
und doch aussagekräftig genug, um zu vermitteln,. um welch wichtiges
Erlebnis und Ereignis es sich handeln soll. Die gesamte Szene wirkt auf
den Betrachter gefahrvoll, kämpft der Jäger doch immerhin gegen zwei
Bären.
u Ders., Die Felsritzbilder des Bärensteines, WolfgangtaL In: Mitteilungen der
ANISA 13, H. 1/2 (1992) 87 ff; ders., Felsritzbilder. Spuren alpiner Volkskultur. In:
Mitteilungen der ANISA 14, H. 1/2 (1993) 169 ff.
15
Rings um die Jagdszene sind sowohl Kerben als auch Kerbenreste,
Kerbenausschläge und Ausbohrungen (Schälchen) erkennbar. So
scheinen vor allem im linken Teil der Abbildung eine vertikale Kerbe mit
Schälchen und im rechten Teil eine Anordnung von vier tatzenartigen
Schälchen auf geglättetem Untergrund und drei Linien, die im oberen
Bereich von weißen Algen bewachsen sind, erwähnenswert. Man kann
von großem Glück sprechen, daß dieses einmalige Bild aus dem
Mittelalter oder der Frühen Neuzeit so gut erhalten geblieben ist. Die
Witterungsbeeinflussung ist wegen des dichten Baumbewuchses und der
geschützten Lage gering.
Länge: 30 cm.
Fundort: Wolfgangtal, Land Salzburg.
10 cm
Abb. 6: Wildkatze; Zeitstellung: Mittelalter oder älter?
Springendes, wildkatzenähnliches Tier. Die niveauvolle Ausführung dieser
Ritzung zeugt von einer geübten Hand.
Länge: 35 cm.
Fundort: Bayern.
16
Abb. 7: Schlange; Zeitstellung: Spätmittelalter/truhe Neuzeit.
Mit Querstrichen und kleinen Näpfchen verzierte eingeringelte Schlange.
Der Kopfbereich der Schlange wurde in den 50er Jahren durch eine
Inschrift zerstört.
Maximaler äußerer Durchmesser: 24 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
8a Sb (Detail)
Abb. 8: Tatzelwurm, Fabelwesen; Zeitstellung: Spätmittelalter/frühe
Neuzeit.
1 7
Bei dieser wurmartigen (eidechsenartigen) Tierdarstellung könnte es sich
möglicherweise um den sagenumwobenen Tatzelwurm, ein alpines
Fabelwesen handeln. Dieses schlangenartige Fabelwesen war in der
alpinen bäuerlichen Welt stark verankert. Der Tatzelwurm war ein
gefürchtetes, von den Jägern als Abschreckung gegen Wilderer verwendetes
Tier mit vier Füßen, das den Wilderem nach dem Leben trachten
sollte. Die Darstellung des Wurmes weist im Kopfbereich zwei winzige
Augen und eine fein ausgeschabte Fortsetzung (Zunge?) auf, hat vier
Füße und an dem hinteren, wurmartigen Körper eine wieder seichter
werdende Ausschabung, die möglicherweise eine Schleifspur andeuten
soll“.
Länge: 60 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
10cm
Abb. 9: Fisch; Zeitstellung: Spätmittelaller/frühe Neuzeit.
Fischdarstellungen sind selten in der ostalpinen Felsbilderwelt Beide
schon stark verwitterten Fische sind mit Kerben verziert.
Länge des größeren Fisches: 22 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
“ Ders., Dokumentation Felsritzbildstationen der Region Golling, Land Salzburg.
Felsritzbilder: Hiefler. In: Mitteilungen der ANISA 15, H. 112 ( 1 994) 92 f.
18
Abb. 10: Adler oder Vogel? Zeitstellung: friihe Neuzeit.
Darstellung eines Vogels, der über zwei Berggipfel mit Kreuzen fliegt.
Darüber wurde ein „M“ eingeritzt.
Höhe: 9cm.
Fundort: Region Lofer, Land Salzburg.
Weide- und Haustiere:
Viel seltener als Jagd- und Wildtiere lassen sich in der ostalpinen
Felsritzbilderwelt Haustiere nachweisen. Das Rind, das Pferd, der Hund
und das Huhn sind vertreten. Diese Tierdarstellungen finden sich meist
auf den Felsen in der Nähe von Bauernhöfen und Almen.
19
+
Abb. l l : Rind; Zeitstellung: Neuzeit.
Ungeübte Ritzung eines rindartigen Tieres“.
Länge: 15 cm.
Fundort: Region Lofer, Land Salzburg.
Abb. 1 2: Pferd; Zeitstellung: Spätmittelalter/frühe Neuzeit.
Länge: 14 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
“ Ders., Zeichen auf dem Fels 228.
20
Abb. 13: Hahn und Huhn; Zeitstellung: Spätmittelalter/frühe Neuzeit.
Hahn mit auffallend großen Schwanzfedern. In der becherartigen
Darstellung wurde zeitgleich ein Huhn oder ein Vogel eingeritzt. Welche
Symbolik diese Tiere vermitteln sollten, kann nicht gesagt werden.
Größe: 8 und 6 cm.
Fundort: Region Golling, Land Salzburg.
Zusammenfassung
In Österreich konnten bisher I 00 Tierdarstellungen dokumentiert werden,
die in das Mittelalter und die frühe Neuzeit datiert werden können.
Diese wurden von Jägern und Hirten in den Fels geritzt. Die Jäger und
Treiber ritzten Jagdtiere oder auch ihre Reitpferde in unwegsamen
Wäldern in den Fels. Die Hirten und Sennerinnen wiederum ritzten ihre
Weidetiere, immer im Bereich ihrer Weiden und Steige zu den Almen, in
die Sturzblöcke oder Felswände.
Über die Bedeutung dieser Darstellungen läßt sich nur
eingeschränkt sagen, daß sich der Urheber des Bildes wohl meist von
seinen Wünschen beeinflussen ließ, um schließlich das für ihn und seine
Tätigkeit wichtige Bezugsobjekt darzustellen. Solche Kompositionen
erlangen in den erhaltenen ihre Blüte und detaillierteste Veranschaulichung.
All diese Darstellungen berichten uns von spätmittelalterlichen
und frühneuzeitlichen Tätigkeiten, Praktiken und Techniken sowie von
Aspekten der Mentalität ihrer Produzenten und sind als wichtige Realien
für die Geschichtsforschung zu betrachten.
21
MEDIUM AEVUM
QUOTIDIANUM
41
KREMS 1999
HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Titelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung
der materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, A-3500
Krems, Österreich. Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren,
ohne deren ausdrückliche Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in
Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: KOPITU Ges. m. b. H., Wiedner
Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhalt
Vorwort ……………………………………………………………………………………….. 5
Franz Mandl, Mittelalterliche und frühneuzeitliche Tierdarstellungen
in den nördlichen Kalkalpen Österreichs und Bayerns ……………….. 7
Verena Winiwarter, Landscape Elements in the Late Medieval Village:
Can Information on Land-Use Be Derived
from Normative Sources? ……………………………………………………….. 22
Anu Mänd, Festive Food in Medieval Riga and Reval ………………. . . . . . . . 43
3
Vorwort
Die Beiträge des vorliegenden Heftes von Medium Aevum Quotidianum
beschäftigen sich mit Problemkreisen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher
Alltagsgeschichte, die diesmal den Bereich der Aussage bildlicher
Quellen, j enen der ‚Umweltbewältigung‘ und manche Aspekte des
Nahrungswesens im Zeitrahmen festlicher Anlässe betreffen. Sie
beziehen sich damit alle auf Perzeption, Praxis und Praktiken im
Spannungsfeld bzw. Einklang zu Normen, Wünschen und/oder Idealen.
Die folgenden Hefte von MAQ werden sich einerseits neuerlich
verschiedenen alltagshistorischen Einzelstudien von eingeladenen Beiträgem
und von Mitgliedern und Freunden unserer Gesellschaft widmen,
welche die Bandbreite der Inhalte und der angewandten Methoden in der
Forschung, sowie neuer Zugänge zur Alltagsgeschichte des Mittelalters
vermitteln sollen. Andererseits werden im Jahre 2000 die bereits
angekündigte Bibliographie zu den Graffiti des Mittelalters und der
frühen Neuzeit, sowie die Arbeit von Lothar Späth zu Raum,
Raumverständnis und Raumfunktionen in frühen englischen Zisterzen als
Sonderbände unserer Publikation erscheinen. Die Planungen fiir einen
Band zu alltagsrelevanten Bereichen der „Neithard-Rezeption in Wort
und Bild“ sind ebenfalls schon recht weit fortgeschritten. Die stark
erweiterte und überarbeitete Neuauflage der ,,Bibliographie zu Alltag und
Sachkultur des Mittelalters“ (vgl. Medium Aevum Quotidianum 718,
1986) ist ebenfalls in den Planungen für die nähere Zukunft enthalten
und befindet sich bereits in Erarbeitung.
Gerhard Jaritz, Herausgeber
5

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