:MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1 996)
OTIVM 3/ 1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
UDC: 929.52 (4) „14/16“
„NU IST SIE JUNK, SO IST ER ALT“.
Zur sozialen und kulturellen Bedeutung des Motives des
„Ungleichen Paares“ vom 15.- 1 7.Jh.
Dr. Erhard Chvojka
Universität des Saarlandes
Historisches Institut Saarbrücken
Na primjeru pojave motiva „Nejednakog para “ (braka medu partnerima znatno
razliCite iivotne dobi) , autor upozorava na poloiaj starijih ljudi u kasnosrednjovjekovnoj
i ranonovovjekovnoj obitelji i razloge njihova nastojanja da nakon smrti
prvog partnera ponovo sklope brak.
U/ m 1 52 0 stellt Hans Baidung Grien auf einem
Gemälde mit dem Titel „Ungleiches Liebespaar“
eine Szene dar, die sich zwischen zwei extrem
gegensätzlich erscheinenden Gestalten abspielt:
Ein alter Mann mit faltigem Gesicht, weißem Haar
und Bart, umarmt eine ihm gegenüber sitzende
junge Frau. Diese läßt eine größere Menge von
Münzen, die sie aus der Hand des Alten entgegengenommen
hat, in ihre Schürze fallen. 1 ) Um 1 5 1 5
fertigt Niklaus Manuel eine Federzeichnung an,
auf der ein junger Mann von einer sehr alten,
zahnlosen Frau eine Handvoll Münzen aus ihrem
Geldbeutel entgegennimmt. Hinter der alten Frau
sitzt ein Dämon, der einen Blasebalg auf sie richtet
und sie damit auf symbolische Art als „Närrin“
erscheinen läßt.2)
Während der letzten Jahrzehnte des 15. Jh. setzt
in der bildenden Kunst die Darstellung von Beziehungen
zwischen Männern und Frauen mit
großem Altersunterschied ein. Im mitteleuropäischen
Raum tritt das Motiv insbesondere in der 1 . Hans Baidung Grien: Ungleiches Liebespaar
Nejednaki ljubavni par
1 Hans Baidung Grien, Ungleiches Liebespaar; Bildarchiv Foto Marburg, Nr. 2.24.104.
2 Niklaus Manuel, Alte Frau, Junger Mann und Dämon, um 1 5 1 5, Federzeichnung; Basel, Kupferstichkabinett, Kunstmuseum.
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:MEDIUM AEVUM QUOIIDIANUM 35 (Krems 1996)
OTIVM 3/1-2 (1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
2. Nikolaus Manuel: Alte Frau, junger Mann und ein Dernon – Stara iena, rnladi rnuskarac i dernon
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1996)
OTIVM 3 / 1 -2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
Zeit zwi s chen etwa 1 4 70 und 1 5 3 5 besonders
häufig auf.J) Bis in die erste Hälfte des 1 7. Jh.
werden „Ungleiche Paare“ aber nicht nur auf
zahlreichen Bildern dargestellt. Auch in vielen
zeitgenössischen moralischen Schriften, in Gedichten,
Schwänken und Fastnachtsspielen wird
die Verbindung zwischen Alt und Jung thematisiert.
4) In s äm t lichen Medien werden Beziehungen
zwischen Partnern ungleichen Alters
ganz allgemein als „lächerlich“, bzw. oft auch als
moralisch verwerflich bewertet.
Im Verlauf des 1 7. Jh. verschwindet das Motiv des
ungleichen Paares im deutschsprachigen Raum
langsam wieder. In anderen Gegenden Wes t europas
bleibt es allerdings noch eine zeitlang sehr
populär, so z.B. in der niederländischen Bildkunst
oder in englischen „Restoration Plays“ des späten
1 7.Jh., wie etwa in den We rken von William
Wycherley und William Congreve.5)
Wie ist das relativ plötzliche Auftreten des Motives
und seine beinahe zwei Jahrhunderte währende
Popularität zu erklären? Handelt es s i ch tatsächlich
„nur“ um eine moralische Kritik an Verbindungen
zwischen Alt und Jung? Oder lassen
sich b e i genauerer B e trachtung noch andere
soziale und kulturelle Hintergründe für eine Kritik
an dieser Konstellation erkennen? Verschaffen wir
uns zuerst einen Überblick über die verschiedenen
Varianten des Motives in der bildenden Kunst und
in der Literatur, um eine Grundlage für weitere
Interpretationen zu besitzen.
Im der normativen Literatur treffen wir bereits
1 494 in Sebastian Brants „Narrenschiff“ auf eine
unmißverständliche Kritik an Heiraten zwischen
Jung und Alt. Einer der zahlreichen Holzschnitte
des Werkes trägt den Titel „Ums Geld freien“.
Darauf ist ein junger, als Narr gekleideter Mann
zu s ehen, der m i t seiner rechten Hand den
Schwanz eines Esels in die Höhe hebt, und mit der
Linken einen prall gefüllten Geldsack aus der
Hand einer alten Frau empfängt. Im Text, der die
Darstellung umgibt, wird verurteilt, „Wer durch
keyn ander ursach me/Dann durch guts willen
grifft zur ee.“6) Brants „Narrenschiff “ wurde im
Lauf der nachfolgenden etwa zwanzig Jahre über
zehn mal neu aufgelegt und war in Übersetzungen
außer im deutschsprachigen Raum auch in den
Niederlanden, England und Frankreich weit verbreitet.
Ab er n icht nur in morali s ch – normativen
Elementarwerken der Zeit um 1 500 treffen wir auf
Verurteilungen des „Ungleichen Paares“. Auch in
literarischen Werken, die wohl einem etwas
größeren Kreis speziell städtischer Bevölkerungen
bekannt waren, begegnet man dem Motiv. 1 53 3
verfaßte Hans Sachs das Gedicht „Zweierlei Ungleiche
Ehen“. Es handelt von einem jungen Mann,
der eine alte, reiche Frau heiratet, sowie von einer
jungen Frau, die einen reichen alten Mann zur
Heirat überreden kann.7) Der Stoff des Gedichtes
scheint noch längere Zeit bekannt und populär
gewesen zu sein. I m Jahr 1570 fertige der Nürnberger
Zeichner Virgil Solis ( 1 5 1 4 – 1 562) einen
Holzschnitt unter dem Titel „Wie ein altes Weyb/
bulet umb eins Jünglings Leyb“ an,8) dessen
unterlegter Text mit den letzten dreißig Zeilen des
Gedichtes von Hans Sachs identisch ist. Auf der
Darstellung ist eine alte, auffallend häßliche Frau
zu sehen, die einen j u n gen wohlhabend gekleideten
Mann umarmt, und einen voll gefüllten
Geldsack vor ihn hält. Unterhalb des Bildes findet
sich der dem Gedicht von Hans Sachs e n t nommene
Text, i n d e m vorerst a u f d e n junge n
Mann Bezug genommen wird:
3 }utta Held, Norbert Schneider, Sozialgeschichte der Malerei vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Köln 1993, 8 1 .
‚ W A. Coupe, Ungleiche Liebe a Sixteenth-Century-Topos, in: The Modern Language Review 62 ( 1 967), 661-671.
s Alison G. Stewart, Unequal Lovers. A Study of Unequal Lovers in Northern Art, New York 1977, 1 1 .
• Sebastian Brant, Ums Geld freien. Holzschnitt in: Das Narrcnschiff, Basel 1 494, nach: Eugen Diederichs, Deutsches Leben
in der Vergangenheit in Bildern, Bd. 1, Jena 1908, 195.
7 Goetze Edmund (Hg.), Sämtliche Fabeln und Schwänke von Hans Sachs, Halle/Saale 1 893, 1 92f.
8 Anonym, Wie ein altes Wcyb/ bulet umb eins Jünglings Leyb, Holzschnitt, 1570, aus: Diederichs, Deutsches Leben, 1 4 1 .
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NIEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1996)
OTIVM 3/1-2 (1995.), str. 35-52, E. Chwoyk a, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
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IHc.lldt!uTilircn6rrglcO“Wofff.lang 6tralll6/89!mfd:ncvbcr. M. Q. f.X:{, e::l!:leco 3. Virgil Solis: Wie ein altes Wey b bulet vmb eins
Jünglings Leyb
Kako se jedna stara iena priljubljuje uz
tijelo mladica
„Ein junger Gesell grad von Leyb
der bulet umb ein altes Weyb
Geruntzelt/dürr/was ihr die Haut
Allein er auf die Gülden schaut
Nach denselben er schnappen thet Un süsser wort er mit ihr redt
Verhieß gar vil der guten alten
Er wolt sie schön und redlich halten“.
In den nächsten Zeilen meint der „junge Gesell“
zu sich selbst, er werde die alte Frau schon zu
hintergehen wissen und sich nebenbei „ein junge
halten“. Dennoch scheint ihm die alte Frau nach
erstem Zögern seine gute Absichten zu glauben
und meint deshalb:
„Ich will euch zu eim Herren machen
Mein Gut euch machen unterthan
Was vor erspart mein alter Man
So ihr euch halt wie ich euch bitt
Die Heyrat ward beschlossen mit
Nicht weyß ich wie die Ehe gerieth.“9)
Die bisher vorgestellten Quellen verweisen darauf,
daß die Kritik an ungleichen Paaren als Topos vor
allem im Bereich der Mittelund Oberschichten
frühneuzeitlicher Städte verbreitet und populär
war. Auch außerhalb dieser Schichten scheint aber
das Thema durchaus bekannt gewesen zu sein. So
kommt es etwa auch im Rahmen von Fastnachtspielen
des 15. und 16.Jh. oft zu einer derben
Ve rhöhnung ungleicher Paare. 10) Im Vordergrund
der Darstellung steht vor allem der Aspekt der
sexuellen Unvereinbarkeit beider Seiten. In einem
süddeutschen Fastnachtsspiel aus der Zeit um
1480, das den Titel „Vom Heiraten Spil“ trägt,
bezieht sich folgender Vers auf eine Ehe zwischen
einem alten Mann und einer jungen Frau:
„Nu ist sie junk, so ist er alt,
Und ist auch schwach und ungestalt
Und ist ain abgeritner gaul
Und ist des nachts im pett faul.“1 1 )
Alte Männer, die junge Frauen begehren, erscheinen
in vielen Te xten als bedauernswerte
„Narren“, die nicht zuletzt der „Natur“ zuwiderhandeln
würden. Ein Tiroler Faschingsspiel mit
dem Titel „Die Ehescheidung“ aus dem Jahr 1529
handelt von einem Ehepaar, das aus einem alten
Mann und einer jungen Frau besteht. Auch in
diesem Fall wird die Inkompatibilität der Sexualtät
von Alt undJung als wichtigstes Kriterium für die
Ablehung derartiger Ve rbindungen angeführt. Die
junge Frau wünscht infolge sexueller Vernach-
9 zit.n. Peter Borscheid, Geschichte des Alters. Vom Spätmittelalter zum 18. Jahrhundert, München 1989, 117.
10 Stewart, Unequal Lovers, 24.
11 zit.n. Adelbert von Keller, Fastnachtsspiele ais dem fünfzehnten Jahrhundert, Stutegart 1853, 700.
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OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
lässigung durch den alten Mann eine
Scheidung, welche letztlich auch zustande
kommt.12)
In den literarischen Texten des 15. und
1 6 .Jh. , in denen das Motiv des
ungleichen Paares thematisiert wird,
erscheinen ältere Personen angesichts
ihrer Wahl eines u m so viele Jahre
jüngeren Partners in der Regel als überaus
“ n ärrisch“ und “ töricht“. Diese
Charakterisierung geht vor allem vom
naiven Glauben der Alten aus, die
deutlich jüngeren Partner würden ihnen
treu bleiben. Beso nders alte Frauen
werden i n der Regel als körperlich
extrem abstoßende Personen, die von
ihrer m a teriellen Macht schamlos
Gebrauch machen, dargestellt. Ebenso
berechnend und betrügerisch werden
junge Männer und Frauen gezeichnet.
Ihnen wird unterstellt, sie hätten niemals
erns thaft daran gedacht, den älteren
Partnern auch treu z u bleiben.
Tendenziell erscheinen junge Frauen
bezüglich der „Defizite“ älterer Männer
etwas „nachsichtiger“, als etwa junge
4. Albrecht Dürer: Alter Mann und junge Frau
Stari muskarac i mlada iena
Männer gegenüber der meist besonders
hervo rgehobenen Häßlichkeit alter
Frauen.13)
Betrach ten wir nun einige Beispiele der zahlreichen
Bildquellen, auf denen ungleiche Paare
erscheinen. Ab etwa 1 470 häufen sich explizite
Darstellungen dieses Motives. Albrecht Dürer
fertigte um 1 495 einen Stich mit einer Darstellung
eines alten Mannes und einer jungen Frau an, die
in einer Landschaft vor einer Stadt sitzen. Der alte
Mann legt den Arm um die junge Frau. Nach ihrer
Kleidung zu schließen, entstammen beide Personen
der städtischen Oberschicht. Die Darstellung
des ungleichen Paares enthält auffallend
wenig diskriminatorische Elemente.
Schon deutlicher erscheint die Verurteilung der
Verbindung zwi- sehenJung und Alt auf Quinten
Massays ( 1 466-1 530) um 1 520 ent-standenem Bild
„Ungleiches Paar mit einem Narren“. Eine junge
Frau streicht mit ihrer Hand über das Gesicht
eines alten Mannes, der zwei schwere Geldbeutel
vor sich auf dem Tisch liegen hat. Daneben ist ein
Narr mit Kappe dargestellt, der die Szene mit den
Worten „Alter schützt vor Torheit nicht“ kommentiert.
14) J acob Cornelisz van A m s t erdam
( 1 470- 1 533) stellte 1 5 1 1 auf einem Gemälde beide
möglichen Konstellationen des Motives dar. Im
Vordergrund des Bildes verkauft eine junge Frau
12 Eduard Fuchs, Illustrierte Sittengeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Bd.t, München 1909, 28f.
ll Stewart, Unequal Lovers, 34.
14 Nach Quinten Massays, Ungleiches Paar mit einem Narren, Gemälde Öl auf Leinwand; Wien, Kunsthistorisches Museum,
IN 3564.
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1996)
OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
5. Lucas Cranach: Alter Mann und junge Frau
Stari muskarac i mlada iena
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OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
Brillengläser an einen alten Mann. Im Hintergrund
umarmt ein junger Mann eine alte, weißhaarige
Frau, während er von ihr unbemerkt in ihren
vollen Geldsack greift. Hinter den beiden Paaren
ist ein Narr mit Kappe zu sehenY)
Lucas Cranach malt schließlich um 1 5 3 0 eine der
bekanntesten Darst ellungen eines ungleichen
Paares. Auf seinem Gemälde „Alter Mann und
junge Frau“ ist das Paar i n einem Innenraum zu
sehen. Der alte Mann blickt naiv-siegessicher, mit
einiger Phantasie kann man auch „Lüsternheit“ in
seinen Augen erkennen. Der Gesichtsausdruck
der j ungen Frau hingegen kann durchaus als
„hinterhältig“ gedeutet werden. 16)
Auch noch im Lauf des späteren 1 6 . und des
früheren 1 7.Jh. finden sich zahlreiche ungleiche
Paare auf Bildern. Der sächsische Maler Cyriacus
Reder ( 1 5 6 0 – 1 5 9 8 ) etwa schuf in den letzten
Jahren des 1 6. Jh. ein wahrscheinlich auf Vorbilder
von Cranach zurückgehendes Gemälde.17) Ein
alter, glatzköpfiger Mann mit weißem Bart umarmt
mit einer Hand eine junge, ausgesprochen
wohlhabend gekleidete Frau. Mit der anderen
Hand faßt er ihr an den Busen. Der Alte bemerkt
infolge seiner Leidenschaft nicht, daß die junge
Frau ihm seinen Geldbeutel entwendet.18)
Eine etwas andere Variante der Anbahnung einer
Beziehung zwischen „Alt und Jung“ präsentiert
Hans von Aachens Bild „Kuppelei-Szene“ aus dem
Jahr 1 605.19) Die Darstellung zeigt drei Figuren:
Einen ältlichen, wohlhabenden Mann, eine junge
Frau, sowie eine alte Frau, die als „Kupplerin“
fungiert. Letztere hält ein prächtiges Halsgeschmeide
vor die j unge Frau, die bereits eine
wertvolle Taschenuhr in der Hand hat. Als Lohn
für ihre Arbeit hat die Kupplerin ein paar Münzen
vor ihrer offenen Börse liegen. Die junge Frau
lehnt sich, ihre Rechte ans Herz gelegt, schmachtenden
Blickes an den älteren Mann, der sich
soeben seines Glückes mithilfe von Spielkarten
versichert hat. Im Bildhintergrund ist ein üppiges
Gastmahl dargestellt, das maßlose Eßsucht und
wollüstiges Begehren als gleichermaßen verwerflich
symbolisiert.20) ·
An der Wende vom 1 6. zum 1 7.Jh. tritt das Bildmotiv
des ungleichen Paares vor allem im niederländischen
Raum etwas häufiger auf, während es
im mittel europäischdeuts chen Bereich zunehmend
seltener erscheint. 2 1) Der Holländer
Hendrick Goltzius fertigt u m 1 600 einen Stich
unter dem Titel „Die verliebte Alte“ an. In einer
S tube sitzt eine alte, körperlich s ehr häßlich
dargestellte Frau, auf deren Schoß sich zahlreiche
Münzen befinden. Sie berührt den Oberschenkel
eines jungen, wohlhabend gekleideten Mannes,
der neben ihr sitzt und seine Hände auf ihre
Schulter legt, s einen Blick allerdings von ihr
abwendet. 22)
Eine 1 6 1 8 vom niederländischen Künstler J acob
Matham ( 1 5 7 1 – 1 6 3 1 ) geschaffene Federzeichnung
mit dem Titel „Junger Mann und alte Frau“23)
rückt vor allem auf die Unmoral der Verbindung
in der Vordergrund: In einer Stube befindet sich
ein junger Mann, der von einer alten Frau mit
1 5 ]acob Cornelisz van Amsterdam, Zwei ungleiche Paare, 1 5 1 1 ,Gemälde auf Holz; Groningen, Museum van Oudheden.
16 Lucas Cranach, Alter Mann und junge Frau, um 1 530, Gemälde Öl auf Holz; Nürnberg, Germanisches Nationalsmuseum.
17 Cyriacus Reder, Ungleiches Paar, um 1595, Gemälde Öl auf Holz;Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum, IN G 2350.
18 Lebenswelten – Alltagsbilder. Katalog zur Ausstcl Jung im Schloßmuseum Linz von 26.5. bis 26.9. 1993, Linz 1 993, 1 88 f.
19 Hans von Aachen, Kuppelei-Szene, um 1605 Gemälde Öl auf Holz; Wien Kunsthistorisches Museum, IN 1 129.
20 Lebenswelten – Alltagsbilder (Katalog), 190.
21 Bilder vom alten Menschen in der niederländischen und deutschen Kunst 1 550-1 750. Katalog zu einer Ausstellung im Herzog
Anton Ulrich-Museum Braunschweig vom 1 4. 1 2. 1993 bis 20.2.1994, Braunschweig 1 993, 228f.
22 Eduard Fuchs, Illustrierte Sittengeschichte in sechs Bänden. Ausgewählt und eingeleitet von Thomas Huonker, Bd. 1 ,
Frankfurt/Main 1 988, 1 1 3.
lJ ]acob Matham, Junger Mann und alte Frau, 1 6 1 8, Federzeichnung; Braunschweig, Herzog Anton Ulrich-Museum,
Kupferstichkabinett, IN Z 490.
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1996)
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gesetzter Figur, faltigem Gesicht und ein gefallenen
Mundwinkeln einen im oberen Teil phallisch
geformten, p rallen Geldsack erhält. D i e
moralische Verwerflichkeit der gezeigten Szene
wird durch ein an der Rückwand des Raumes
24 Bilder vom alten Menschen (Katalog), 229.
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hängendes Bild vom Sündefall Adam und Evas
bekräftigt. 24)
Welche allgemeinen Tendenzen der Darstellung
lassen sich anhand der Betrachtung der vorgestellten
Auswahl einschlägiger Werke erkennen?
:MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1996)
OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
7. Jacob Matham: Junger Mann und alte Frau
Mladic i starica
Besonders auffällig i s t der Umstand, daß auf
praktisch sämtlichen Bildern anband der Kleidung
der Männer und Frauen zum Ausdruck gebracht
wird, daß beide aus derselben sozialen Schicht
stammen. Die meisten Personen erscheinen als
Angehörige der wohlhabenden Schichten des
Stadtbürge rtums. Eine u m fassende kunsthistorische
Untersuchung des Bildmotives fand
für die Z e i t zwis chen 1 4 70 und 1 5 40 unter
mehreren hundert Bildern lediglich sieben Fälle,
in denen Männer ärmlicher gekleidet waren als
Frauen, sowie nur zwei Fälle, in denen junge
Frauen etwas weniger wohlhabend erschienen als
ältere Männer.25) In der Regel werden die Beziehungen
zwischen Personen ungleichen Alters
also innerhalb desselben Milieus angesiedelt. Eine
25 Stewart, Unequal Lovers, 83.
implizite Kritik an der “ u m des G u t s willen“
heiratenden jüngeren Person, durch ihr Verhalten
auch noch in eine höhere Schicht aufsteigen zu
wollen, wird also im allgemeinen nicht sichtbar.
Hinsichtlich der konkreten Qualität der Verhältnisses
zwischen Mann und Frau s t ellt sich
nicht zuletzt auch noch folgende Frage: Zeigen
alle Abbildungen Ehepaare, oder sind manchmal
etwa auch alte Männer mit jungen Kurtisanen oder
mit Prostituierten darge-stellt? In praktisch sämtlichen
Fällen, in denen das Motiv in der Literatur
behandelt wird, geht aus der Schilderung eindeutig
hervor, daß es sich um bereits verheiratete Paare
oder zumindest um die Anbahnung einer Heirat
zwischen Alt und Jung handelt.
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Auch auf den meisten Bildquellen, auf denen
zumindest bei der Konstellation alter Mann – junge
Frau letztere theoretisch eine Kurtisane oder eine
Prostituierte sein könnte, gibt es zahlreiche klare
Hinwei s e auf ein Eheverhältnis. Entweder i s t
dieser Hinweis bereits i m überlieferten Titel des
Bildes selbst enthalten, oder er ist aus der Darstellung
symbolisch abzulesen. So sind z.B. die
nicht s elten begegnenden Girlanden, Bänder oder
Kränze über den Köpfen der beiden Personen ein
ikonographisches Symbol für Verlobung.26) Das
Motiv des ungleichen Paares hat mit Sicherheit im
allgemeinen keine Kritik am Kurtisanenwesen
oder an der Prostitution zum Ziel. Auch die als als
Äquivalente der Konstellation alter Mann – junge
Frau zu betrachtenden Darstellungen junger
Männer, die von alten Frauen Geld erhalten oder
stehlen, sprechen gegen eine solche Interpretation.
Anband der Bilder lassen sich außerdem noch
einige Aussagen über die ikonographische
Symbolik treffen, mithilfe derer die Verwerflichkeit
der gezeigten Szenen unmißverständlich
vermittelt wird. Auf Bildern, die eine Beziehung
zwischem einem alten Mann und einer jungen Frau
darstelllen, wird oft das weitverbreitete Stereotyp
vom hohen Verführungspotential junger Frauen in
Szene gesetzt. Gemäß der traditionellchristlichen
Bewertung erscheinen Frauen generell als „sündige
Töchter Evas“. Die Anfälligkeit alter Männer für
die Verführung durch junge Frauen wird auf diese
Weise zumindest teilweise entschuldigt.
Viele Künstler setzten außerdem die prinzipiell
negative Konnotation der Sexualität alter
Menschen zum Illustration der Verwerflichkeit der
dargestellten Beziehung ein. Die Sexualität alter
Personen wurde von der frühneuzeitlichen Gesellschaft
generell als „abstoßend“ betrachtet. Auf
zahlreichen bildliehen Darstellungen speziell des
1 6 . Jh. sind alte, aber altersgleiche Paare dargestellt,
deren evidente sexuelle B e gi e rde s tark
diskriminierend als abstoßende „Altersgeilheit“
erscheint. 27)
26 Stewart, Unequal Lovers, 90.
27 Stewart, Unequal Lovers, 96f. soff.
Für die weitere Interpretation des gesellschaftlichen
Stellenwerts der Darstellungen ungleicher
Paare ist es nicht unwesentlich, auch einen Blick
auf die Verbreitung des Motives in verschiedenen
Milieus zu werfen. Prinzipiell kann davon ausgegangen
werden, daß nur ein relativ kleiner Teil der
spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bevölkerung
j e mals diejenigen B i l dmedien zu
Gesicht bekam, a u f denen u n gleiche Paare erschienen.
Gemälde waren wohl nur für das wohlhabende
Stadtbürgertum erschwinglich. Dasselbe
gilt etwa für Abzüge von Stichen, sowie vor allem
für moralische Schriften in Buchform, wie z.B. das
„N arrenschiff „.
In anderen städtischen Schichten und vielleicht
auch teilweise im ländlichen Bereich mögen aber
zumindest Abzüge von Holzschnitten kursiert
haben. Nicht zu vergessen ist außerdem das Auftreten
des Motives in Fastnachtsspielen. Anband
ihrer Aufführungen mögen u n gleich mehr
Personen mit der Thematik konfrontiert worden
sein als durch Bilder oder gar Texte. Die Tatsache,
daß sich ungleiche Paare in einem breiten medialen
Spektrum von teuren Wandgemälden bis hin zu
Fastnachtsspielen finden, deutet auf eine über
mehrere Schichten hinwegreichende Bekanntheit
des Topos hin.
Richten wir unsere Aufmerksamkeit nun auf
einige gesellschaftliche Bedingungen des Spätmittelalters
und der Frühneuzeit, die eventuell
zum besseren Verständnis der sozialen Funktion
des Motives des ungleichen Paares beitragen
können. Betrachten wir in dieser Hin-sicht vorerst
einige demograp h is ch e Grundlagen. Im allgemeinen
war der Altersunterschied zwischen
Ehegatten in „westlichen“ Gesellschaften der
Frühneuzeit gering. Dennoch stellten Ehepaare,
bei denen ein Tei l ein deutlich höheres Alter
aufweist als der andere, in Mitteleuropa vom 15.
bis zum 1 7.Jh. keine ungewöhnliche Erscheinung
dar. Fälle, in denen ein Partner um etwa 1 5 bis 20
Jahre älter war als der andere, kommen in verschiedenen
sozialen Schichten vor.28)
28 Peter Laslett, Family Life and Illicit Love in Earlier Generations, Cambridge 1977, 13.
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OTIVM 3/ 1 -2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
Die durchschnittliche Ehedauer war infolge der
hohen Wahrscheinlichkeit des Todes eines Ehepartners
nach einigen Jahren sehr kurz. I m
England des späten 1 6. Jh. etwa hatten Ehepaare
nach 1 6 Jahren eine mehr als 50%ige Chance, daß
einer der Ehegatten bereits wieder verstorben war.
In manchen Regionen Mitteleuropas betrug die
durchschnittliche Ehedauer gar nur acht bis zwölf
Jahre. D ementsprechend hoch war der Anteil
derjenigen Personen an der Bevölkerung, die
bereits mehr als einmal verheiratet waren. Im
England des späten 1 6 .Jh. hatten 25% der Bevölkerung
bereits zum zweiten Mal geheiratet,·.
etwas über 5 % bereits dreimal oder häufige r. ·
Demzufolge war in England um etwa 1 600 die
Wiederverheiratungsrate infolge des Todes eines
Ehepartners beinahe genauso hoch, wie in den
1 980er Jahren in folge von Scheidungen. 29)
Eine Wiederverehelichung im fortgeschrittenen
Alter wurde von der Mehrzahl der verwitweten
Personen aus sozialen und materiellen Gründen
angestrebt. Die Chancen dafür waren im fortgeschrittenen
Alter allerdings für Männer deutlich
höher als für Frauen. Im Vergleich zur Wiederverheiratung
von Männern war die erneute Heirat
älterer, verwitweter Frauen schärferer sozialer
Ablehnung ausgesetzt. Frauen hatten bei ihren
Bemühungen um eine Wiederverheiratung außerdem
m i t ungünstigen demographischen Bedingungen
zu kämpfen. In den höheren Altersgruppen
überstieg ihre Zahl die der Männer beträch
dich.
In spätmittelalterlichen Städten war das Verhältnis
zwischen Männern und Frauen im Bereich der
Stadtbürger meist generell sehr ungleich. In Nürnberg
kamen 1 449 auf 1 000 Männer 1 1 68 Frauen,
in Basel 1 45 4 auf 1 000 Männer 1 246 Frauen. Je
höher die Altersstufe, desto krasser wurde der
Frauenüberhang. Ab einem Lebensalter von etwa
50 bis 5 5 Jahren konnten in manchen spätmittelalterlichen
und ftiihneuzeitlichen Städten auf 1 000
Männer bis zu 2000 Frauen kommen.30) \'{fenn
verwitwete Frauen dieser A ltersgruppe eine
Wiederverheiratung anstrebten, mußten sie daher
meist nach einem j üngeren Partner Ausschau
halten. Ein derartiges Verhalten war allerdings
seitens ihrer Umgebung noch stärker diskriminiert
als weibliche Wiederverheiratung ganz allgemein.
Die Chancen auf eine Wiederverehelichung fielen
daher insbesondere für Frauen mit zunehmendem
Alter drastisch. Französische Studien für die Zeit
um 1 660 ergaben, daß im Alter zwischen 40 und
60 Jahren rund jeder zweite Witwer die Chance zur
Wiederverheiratung fand, in der A l ters gruppe
über 60 immerhin noch jeder vierte. Bei Frauen
ging die Rate der Wiederverhelichung schon ab
dem 40. Lebensjahr b eträchtlich zurück und
erlosch mit 60 beinahe ganz. Eine Verwitwung in
diesem Alter blieb dann meist bis zum Tod bestehen.
In einer Reihe mitteleuropäischer Städte
waren 1 63 7 Männer zwischen 50 und 59 Jahren zu
76%, zwischen 60 und 69 Jahren zu 74%, und über
70 Jahre immerhin noch zu 5 1 % verheiratet. Bei
Frauen betraf dies bei den 50 bis 59jährigen 52%,
bei den 60 bis 69jährigen 43%, und bei den über
70jährigen nur mehr 2 2 % . Vo n den über
70jährigen Männern waren lediglich 1 7%, bei
Frauen über 70 allerdings bereits 5 1 % verwitwet.
31)
Trotz der j e nach Geschlecht unterschiedlichen,
bzw. mit steigendem Alter generell abnehmenden
Wiederverheiratungschancen war zumindest der
Wunsch von Witwern und Witwen nach erneuter
Heirat allgemein verbreitet. Der Tod des Ehepartners
war schließlich nicht nur ein radikaler
Einschnitt im Leben eines alternden Menschen. Er
veränderte darüber hinaus auch seine Stellung in
Familie, Haushalt, Verwandtschaft und im gesamten
System sozialer Beziehungen. Die Aufrechterhaltung
der bisherigen sozialen Position
konnte in der Regel nur über eine Wiederverheiratung
bewerkstelligt werden. Mit den meisten
Formen hauswirtschaftlicher Produktion war ein
„Zwang zur Rollenergänzung“ verbunden. Ein
29 Lawrence Stone, The Family, Sex and Marriage in England 1 500-1800, New York 1 979, 48-50.
30 David Herlihy, Life Expectancies for Women in Medieval Sociery, in: Rasmarie T Morewedge (Hg.), The Role of Woman
in the Middle Ages, Albany 1 975, 1 2.
31 josef Ehmer, Sozialgeschichte des Alters, Frankfurt/Main 1 990, 1 60-163.
4 5
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 3 5 (Krems 1996)
OTIVM 3/1-2 ( 1995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
Bauernhof oder ein Gewerbebetrieb ließen sich
auf Dauer kaum ohne Probleme führen, wenn
nicht sowohl die Position des Hausvaters als auch
der Hausmutter besetzt waren.
Verwitwete Besitzerinnen von Handwerkstätten,
aber etwa auch von Bauernhöfen verfügten immerhin
ü b e r einen materiellen Trumpf zur Absicherung
ihres bisherigen sozialen Status‘, sowie
ihres Lebensstandards auch im fortgeschrittenen
Alter. Da aber dieses „Vermögen“, sollte es nicht
an Wert verlieren, eine möglichst schnelle Wiederverehelichung
erfoderte, gerieten alte Frauen nicht
zuletzt auch mit der Kirche in Konflikt, welche
meist eine mindestens einjährige Trauerzeit vorschrieb.
Infolge ihrer materiellen und sozialen
Lage sahen sich viele Witwen gezwungen, gegen
die kirchlichen Vorschriften bezüglich der Länge
der Trauerzeit zu verstoßen.
Die Literatur der Frühneuzeit ist voll von meist
geistlichen Anklagen gegen die „Treulosigkeit der
Witwen“. Mitte des 1 7. Jh. beschwerte sich der
anglikanische Geis tliche Thomas Becon über
Witwen, die m i t „achtzig Jahren Knaben von
achtzehn heirateten.“32) Ein katholischer Bischof
lobte mit überschwenglichen Worten eine Witwe,
die bereits seit vier Jahren zurückgezogen und in
ständigem Gebet ihren toten Gemahl betrauerte
und für sein Seelenheil Fürbitten erbrachte:
„Ein solche Fraw ist Ehren werd,
V nd vber alles Gold auff Erd,
Die auch ihrs todten Mans gedenckt,
Und den in kein vergessen senckt.
Wie viel seind deren hin vnd wider,
Da noch nit kalt des rodten Glider,
Sie nach eim annern Heurat trachten,
V nd den Ehestand sogar ring achten,
Ihr wird aber gemeinlieh der Lohn,
Daß sie bald gerahten in Spott vnd Hohn.“33)
Derselbe Maßstab wurde allerdings aus der Sicht
der Kirche kaum jemals auf Männer angewandt.
Im Jahr 1 69 7 heiratete im mecklenburgischen
Gnoien die Tochter des verstorbenen Pfarrers
dessen Nachfolger, der s elbst nach vorhergehender
zwölfjähriger Ehe gerade verwitwet war.
Der Witwer war 47, die Braut noch nicht ganz 1 6
Jahre alt. 34)
Wenn verwitwete Frauen die Moral ihrer Umgebung
akzeptieren und auf eine Wiederverheiratung
verzichten wollten, bedeutete dies für
sie in der Regel den Verlust ihrer sozialen Stellung
und demzufolge die materielle Abhängigkeit von
Familienmitgliedern. Als Witwen konnten alte
Frauen ihren bis herigen Erwerb kaum j emals
aufrechterhalten. Lediglich eine gewisse Anzahl
von Kaufmannswitwen war nach dem Tod ihrer
Gatten in der Lage, die Geschäfte allein weiterzuführen.
Nur in den seltensten Fällen erlaubten aber etwa
städtische Zünfte verwitweten Frauen die unbefristete
alleinige Fortführung des Handwerks, wie
dies etwa bei den Barbieren in Greifswald im Jahr
1 493 geschah. In Lübeck erhielt 1 5 08 bei den
Kistenmachern und den Radmachern eine
Meisterswitwe, die krank oder zur Wiederheirat zu
alt war, die Erlaubnis, das Handwerk mit Unterstützung
eines Gesellen bis zu ihrem Tod weiterzuführen.
Derartige Konstellationen waren allerdings
eher selten, zu häufig riefen sie bei den
Zeitgenossen moralische Bedenken hervor. In den
meisten Zünften wurde der Witwe zur Auflage
gemacht, sich im Lauf eines Jahres innerhalb
desselben Handwerks wiederzuverheiraten. Nur
selten kam es vor, daß die Zunft Rücksicht auf eine
Meisterswitwe nahm, die sich aus Liebe zu ihrem
verstorbenen Mann nicht wiederverheiraten
wollte.35)
Die Folge des sowohl ökonomischen wie auch
zunftre chtlichen Zwanges zur Wiederverehelichung
war eine verhältnismäßig hohe Anzahl
ungleicher Paare im städtischen Zunfthandwerk
Diese kam aufgrund des folgendenidealtypischen
32 Thomas ßecon, 366, 372. The Catechism of Thomas Becon, hg. v. ]. Ayre, Cambridge 1 844; 366, 372.
H zit. n. Borscheid, Geschichte des Alters, 109.
34 Borscheid, Geschichte des Alters, 1 1 9.
35 Borscheid, Geschichte des Alters, 1 05-107.
46
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1 996)
OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
– Zyklus‘ zus tande: Eine ältere Meis terswitwe
heiratet einen deutlich jüngeren Gesellen, der auf
diese Weise die Meisterwürde erlangt. Die alte
Meisterin s tirbt allerdings infolge ihres Alters
recht bald. D e r verwitwete Meister, der nun
seinerseits bereits etwas älter ist, heiratet eine
deutlich j ü ngere Frau. Er stirbt demzufolge
wiederum lange vor ihr. Die Witwe, die sich in der
Zwi s c henzeit eh e n h l l s wieder im fortgeschrittenen
Alter befindet, heiratet nun einen
jüngeren Gesellen, usw.
Einerseits begünstigen die rechtlichen Bestimmungen
des Zunfthandwerks eindeutig Heiraten
zwischen Partnern mit großem Altersunterschied.
Andererseits war die Wiederverheiratung älterer
Witwen speziell in den Städten extrem
diskriminiert. Lediglich eine geringe Anzahl von
Zünften “ halfen“ ältere n Witwen aus diese
Zwickmühle, indem sie die Wiederverheiratung
nur für Witwen unter 45 Jahren als verpflichtend
festset zten, fü r ältere Frauen allerdings ausschlossen.
Dies z o g allerdings auch den
automatischen Verlust der Position als Meisterin
für diese älteren Witwen nach s ich.36) In den
meisten Zünften hatte sich eine Witwe jedoch
unabhängig von ihrem Alter innerhalb einer
gewissen Zeit wiederzuverheiraten, um i h re
Stellung als „Meisterin“ behalten zu können.
Im bäuerlichen Bereich waren Paare mit großem
Altersunterschied oft aus ähnlichen Gründen
zustande gekommen, wie im städtischen Zunfthandwerk.
Die Heirat relativ junger Männer mit
deutlich älteren, verwitweten Frauen war meist
dadurch bedingt, daß der Mann dadurch in die
Position eines hofführenden Bauern gelangen
konnte. Die alte Witwe war auf diese Art in der
Lage, i h re Position als Ehegattin und „Hausmutter“
aufrecht zu erhalten. In manchen derartigen
Fällen wurde seitens der Männer wohl mit
einer baldigen Verwitwung und der Möglichkeit
H Borscheid, Geschichte des Alters, 105.
zur Wiederverheiratung spekuliert. D e r j u n ge
Engländer Henry Kingston etwa meinte Ende des
1 6. Jh., als er vom Tod eines Mannes erfuhr, der
eine wohlhabende Witwe mittleren Alters hinterließ:
„Beim Leib unseres Herrn, ich werde diese
alte Witwe heiraten und meine Schulden bezahlen.
Und hab‘ ich sie dann zu Grabe getragen, nehm‘
ich mir eine junge Bauernmaid zur Frau und
bekomme Kinder.“37) Daß sich Hoffnungen dieser
Art nicht immer erfüllten, zeigen zwei Beispiele
aus ländlichen Gemeinden in Salzburg um die
Mitte des 1 7. Jh. Im Jahr 1 649 war in der Pfarre
Berndorf ein 50 jähriger Mann mit einer 95jährigen
Frau verheiratet, im Ort Vorau lebte ein 42jähriger
Mann mit einer 73jährigen Gattin.38)
Welche Erklärungsansätze ergeben sich nun
angesichts der Betrachtung der skizzierten gesellschaftlichen
Bedingungen hinsichtlich der sozialen
Funktion der normativen Darstellung ungleicher
Paare? Die Kunsthistorikerin Alison Stewart etwa
interpretiert die Darstellung ungleicher Paare im
Lauf des späten 1 5 . Jh. aufgrund d e r auch i n
anderen medialen Bereichen anzutreffenden Verhöhnung
von Männern, die Frauen übermäßig
verehren, als Veru rteilung der Ideale und Rituale
höfischer Liebe seitens des aufsteigenden Stadtbürgertu
ms.39) Fest steht j edenfalls, daß das
Motiv des ungleichen Paares in der Bildkunst des
1 5 . Jh. eines der frühesten Themen säkularen
Charakters war, und in erster Linie für das Stadtbürgerturn
produziert wurde.
Auf einen Aspekt, der für weitere Interpretationen
wesentlich sein könnte, treffen wir bei der Betrachtung
eines 1 532 von Lucas Cranach unter
dem Titel „Die Bezahlung“ angefertigten Gemäldes.
In einer Stube sitzen ein alter Mann und
eine junge Frau, die von ersterem einige Münzen
aus seinem Geldbeutel erhält. D e r alte Mann
blickt, während er der Frau das Geld überreicht,
auf eine über ihm hängende, geöffnete Taschen-
17 G. Hol/es, Memorials of the Holles Family, 1493-1656, hg. v. A.C. Wood, London 1937, 2 1 5.
18 Michael Mitterauer, Zur Familienstruktur in ländlichen Gebieten Österreichs im 1 7. Jahrhundert, in: ders., Familie und
Arbeitsteilung. Historisch-vergleichende Studien, Wien-Köln-Weimar 1992, 1 75.
19 Stewart, Unequal Lovers, 1 0 1 .
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OTIVM 3/ 1 -2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
8. Hendrick Goltzius: Der verliebte Greis
Zaljubljeni starac
uhr.40) Diese ist ein typisches ikonographisches
Symbol der „vanitas“ bzw. des „memento mori“.
Vergänglichkeit und Todesnähe waren in der
Frühneuzeit zentrale Elemente der bildliehen
Altersdarstellung. Auf Bildnissen einzelner alter
Menschen, im Rahmen des M otives der s og.
Lebenstreppe, oder auch an läßlich von schematisierten
Darstellungen des Lebenslaufes anhand der
vier Jahreszeiten wird in erster Linie die Nähe des
hohen Alters zum Tod betont. Auch auf vielen
Darstellungen ungleicher Paare sind neben dem
älteren Partner Totenkopf, Knochen, Stundenglass,
und teilweise auch Uhren zu sehen.41)
Ein Beispiel für die Verknüpfung des Motives der
vanitas mit der Darstellung ungleicher Paare findet
sich auch auf einem um 1 600 vom Niederländer
Hendrick Goltzius angefertigten Stich unter dem
Titel „Der verliebte G reis „. 42) In einer Stube ist ein
junges, wohlhabend gekleidetes Paar Arm in Arm
zu sehen. Hinter den beiden, die sich anschicken,
den Raum zu verlassen, steht ein alter, gebückter,
auffallend teuer gekleideter Mann. Er blickt die
junge Frau verzückt an und versucht sie an der
Schulter zurückzuhalten, während er mit der
anderen Hand in eine Kiste voller Münzen greift.
Neben ihm steht allerdings bereits der Tod mit
einer Sanduhr, und berührt seinerseits den Alten
an der Schulter. Die Darstellung enthält durch die
Integration des Vanitas-Motives die deutliche
Botschaft an alte Menschen, sich doch angesichts
ihrer Todesnähe nicht törichterweise weiterhin im
Bereich diesseitiger Belange zu engagieren. Stattdessen
sollten sie s.!ch eher auf „würdige“ Weise
auf den baldigen Ubertritt i n s Jenseits vorzubereiten.
Im Lauf des 1 5 . und 1 6 . Jh. beschränkten sich die
Darstellungen ungleicher Paare zumeist noch auf
die bloße Kritik einer Verbindung zwischen Alt
und Jung. Seit dem späteren 1 6. Jh. werden den
älteren Partnern in ungleichen Paaren immer öfter
40 Lucas Cranach, Die Bezahlung, 1532, Gemälde auf Holz; Stockholm, National Museum.
41 Stewart, Unequal Lovers, 100.
42 Fuchs, Sittengeschichte Bd. I, 1 1 4.
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OTIVM 3/1-2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
9. Deutscher Kupferstich ( 1 7. Jahrhundert): Die vernünftige Jungfrau
Njemacki bakrorez ( 1 7. stoljece): Razborita djevica
Vanitas-Symbole beigestellt. Ab etwa 1 600 konkretisiert
sich die Botschaft der Bilder weiter. Nun
häufen sich Darstellungen, auf denen alte
Menschen, die eine Verbindung mit jüngeren
anst reben, mit ihren Bemühungen kläglich
scheitern. Stattdessen entscheiden sich die von
alten Personen umworbenen jungen Frauen und
Männer explizit für einen Partner ihres Alters.
Auf einem deutschen Kupferstich aus der Mitte
des 1 7.Jh. mit dem Titel „Die vernünftige Jungfrau“
ist folgende Szene zu sehen: In einer Landschaft
stehen eine junge, wohlhabend gekleidete
Frau, flankiert von einem alten Mann links und
einem j u ngen rechts. Alle drei Personen entstammen
gemäß ihrer Kleidung der städtischen
Oberschicht. Die junge Frau reicht ihre Hand dem
jungen Mann, und wendet sich von dem alten, am
Stock gehenden, der in einer Hand mehrere Geldbeutel
hält, ab. 43)
Die vorrangige Botschaft derartiger Darstellungen
erinnert auffallend an die zentrale Aussage sog.
Lebenstreppendarstellungen. Dieses Bildmotiv
entsteht in der ersten Hälfte des 1 6. Jh . . Josef
Ehmer argumentierte neulich sehr schlüssig, daß
Lebenstreppen in erster Linie eine Aufforderung
an die Angehörigen der älteren Generation darstellen,
zu akzeptieren, daß Menschen ab einem
bestimmten Alter von der Bühne der Macht „abzutre
t en“, und die Autoritätsposition an die
nächste Generation zu übergeben hätten.44)
Ist auch das Motiv des ungleichen Paares in diesem
Kontext zu sehen? Eine Art Indiz für diese Inter-
43 Eduard Fuchs, Illustrierte Sittengeschichte in sechs Bänden. Ausgewählt und eingeleitet von Thomas Huonker, Bd. 2,
Frankfun/Main 1 988, 128.
44 josef Ehmer, The „Life Stairs“. Aging, Generational Relations and Small Commodity Production in Central Europe, in:
Tarnara Hareven (Hg.), Aging and Generational Relations over the Life Course. A Hisrorical and Cross Cultural Perspective,
Berlin 1 995.
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OTIVM 3 / 1 -2 ( 1 995.), str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
pretation könnte die Tatsache sein, daß die überwiegende
Mehrzahl der Künstler, die Darstellungen
ungleicher Paare anfertigten, selbst kaum
jemals über 40 oder 45 Jahre alt waren. Die Aussagekraft
dieses Aspektes wird allerdings wieder
etwas relativiert, wenn man bedenkt, daß es sich
bei vielen Werken um Auftragsarbeiten handelte.
Im Sinne einer Überprüfung der These wäre also
eher das Alter der Auftraggeber relevant. U nbestreitbar
ist j edenfalls, daß sich seit dem Beginn
der Frühneuzeit vor allem im Bereich des aufgestiegenen,
wohlhabenden Stadtbürgertums auf
der Ebene des kulturellen Diskurses ein schwelender
Generationenkonflikt verfolgen läßt.
Wird nun anband der diskriminierenden Darstellung
ungleicher Paare ein konkretes Verhalten
älterer Menschen kritisiert, das aus der Sicht der
Jungen eine Weigerung der Machtübergabe repräsentieren
könnte? Wie bereits weiter oben angeführt,
war im Lauf des 1 5 ., 1 6 . und 1 7 . Jh. die
Wiederverheiratung älterer Menschen noch verhältnismäßig
häufig anzutreffen. Die entsprechende
Rate sollte schließlich erst im Lauf des 1 8 . und
vor allem des 1 9 .Jh . drastisch absinken. Eine
Wiederverehelichung älterer, verwitweter Menschen
brachte ganz allgemein ihren Wunsch nach
Beibehaltung der bisherigen sozialen Stellung zum
Ausdruck. Ein derartiges Verhalten erfolgte nicht
selten zum Nachteil der nächsten Generation. Die
„Wartefrist“ für potentielle Erben und Nachfolger
konnte sich erheblich verlängern. Bei Ehen
zwischen alten Männern und j ungen Frauen
mußte sogar noch mit neuen Bewerbern u m das
Erbe gerechnet werden. Die Wiederverheiratung
alter Menschen konnte also den Angehörigen der
jungen Generation gleich aus mehreren Gründen
ein Dorn im Auge sein.
Aus der Sicht jüngerer Menschen konnten im Lauf
der Frühneuzeit in erster Linie die relativ große
Anzahl von ungleichen Paaren als Ausdruck der
hohen Wiederverheiratungsraten alter Menschen
ers c h e i n e n . Konsequenterweise mußten diese
Verbindungen als Symptome für die Weigerung
alter Menschen, abzutreten, betrachtet werden. Es
45 Ehmer, Sozialgeschichte, 208.
ist demnach kaum verwunderlich, wenn ungleiche
Paare starker Kritik ausgesetzt waren. Schließlich
stellten jüngere Menschen in frühneuzeitlichen
Bevölkerungen die große Mehrheit. In der Regel
machten etwa Menschen über 60 Jahre kaum
jemals mehr als 8 oder 9% der Bevölkerung aus.45)
Speziell in den städtis chen Mittel- und Oberschichten
wird der latente Generationenkonflikt
noch durch einen weiteren Aspekt verschärft. An
der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit entwikkelte
sich im Bewußtsein dieser Gruppen der
Wunsch, den Tod so lange wie möglich hinauszuzögern.
Dies sollte vor allem mithilfe der Medizin
und einer methodischen Lebensführung erreicht
werden.46) Natürlich wollten insbesondere
diejenigen Angehörigen der s t ädtischen Oberschichten,
die erfolgreich um ein längeres Leben
gekämpft hatten, so lange wie möglich in ihren
sozialen Positionen verbleiben, um die Alterslebensphase
ebenso abgesichert verbringen zu
können, wie die vorhergehenden Lebensabschnitte.
Im Rahmen bildlicher Darstellungen ungleicher
Paare gerieten nun genau diese führenden
Schichten frühneuzeitlicher Städte ins Schußfeld
der Kritik. Auf der Mehrzahl der Bilder sind die
alten Männer und Frauen, deren Verhalten gegenüber
jüngeren Menschen kritisiert wird, an ihrer
Kleidung als gealterte Kaufleute oder als alte
\Vitwen reicher Bürger erkennen.
Auch außerhalb des städtischen Bürgertums
konnte jedoch die Verurteilung ungleicher Paare
als Kritik an alten Menschen, die zu lange an der
Macht festhielten, verstanden werden. Im Lauf der
Frühneuzeit hatte sich etwa im ländlich-bäuerlichen
Bereich in mehreren Regionen Mitteteuropas
erstmals die Institution des Ausgedinges
als wichtiger Faktor der Generationenbeziehungen
etabliert. Auch das bäuerliche Publikum
von Fastnachtspielen fand daher in der Kritik
an der Wiederverehelichung älterer Menschen
unmittelbare Anknüpfungspunkte für die Probleme
im Bereich der eigenen Lebenswelt.
46 Marianne Gronemeyer, Das Leben als letzte Gelegenheit. Sicherheitsbedürfnisse und Zeitknappheit, Darmstadt 1993. Christop
Lumme, Höllenfleisch und Heiligtum. Der menschliche Körper im Spiegel autobiographischer Texte des 16. Jahrhunens,
Frankfun/Main 1 996, 1 08.
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MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM 35 (Krems 1 996)
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Obwohl selbstverständlich auch andere Interpretationen
möglich und durchaus schlüssig sind,
erscheint das Motiv des ungleichen Paares nicht
zuletzt als früher kultureller Indikator für einen
wichtigen Aspekt des sog. „europäischen Sonderweges“.
Die im interkulturellen Vergleich eher
gering entwickelte Machtposition alter Menschen
im Bereich von Haushalt und Familie gilt als eines
der wesentlichen Spezifika der historischen Sozialstrukturen
Mittelund Westeuropas. Die gesellschaftliehe
Verbreitung, sowie die lange Popularität
des Motives des ungleichen Paares deuten auf
eine weit zurückreichende Tradition der Bestrebungen
zu einer relativen Entmachtung älterer
Menschen hin. Bereits am Ende des Mittelalters
waren offenbar erste Formen der Kritik an der
Wiederverheiratung alter Menschen aufgetaucht,
die in vers chiedenen Milieus der s t ändischen
Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fielen.
„I tako, ona j e mlada, a on je star“
0 socijalnom i kulturnom znacenju motiva „nejednakog para“ od 15.
do 1 7. stoljeca
S a z e t a k
Prikazivanje odnosa muskaraca i iena jako razliCite iivotne dobi zapoCinje u likovnoj umjetnosti tijekom
posljednjih desetljeea 1 5. st. U srednjoeuropskom se prostoru neka vrst »konjunkture« ovog motiva moie
utvrditi izmedu oko 1470. i 1 535. Do u prvu polovicu 1 7. st. pojavljuju se nejednaki parovi ne samo na
brojnim slikama, nego i u mnogim moralizirajuCim tekstovima, pjesmama, veselim igrama i pokladnim
igrokazima. U tekstovima, kao i na slikama, ocjenjuje se veza mladosti i starosti kao »smijesna«, odnosno
kao moralno neprihvatljiva. Cinjenica da se tema susreee u sirokom medijskom spektru od skupih zidnih
slikarija do pokladnih igrokaza, upucuje na njezino sirenje kroz razne drustvene slojeve.
U knjiievnim tekstovima 1 5. i 1 6. st., u kojima se obraduje motiv nejednakog para, prikazuju se stariji
partneri u pravilu kao »Iude<< s obzirom na njihov izbor mnogo mladegpartnera. Napose se kao izraz njihovog
ludog opredijeljenja ocjenjuje njihovo uvjerenje da ce im mladi partneri ostati vjemi. Ponajvise se u pravilu
kao tjelesno izrazito odbojne prikazuju starije iene, koje se besramno koriste svojim materijalnim poloiajem.
Kao proracunati i prevrtljivi prikazuju se mladi muskarci i iene. Njima se najcesce predbacuje da nikada
nisu ozbiljno niti pomisljali ostati vjerni starijim partnerima. Mlade iene nastupaju kao ponesto »obazrivije<<
S ubLirum na »nedustatke<< starijih muskaraca, rtU stU je tU sfu(aj S mfaJiCima kojima Se suprotstavfja ugfavnom
vrlo izraiena ruinoca starijih iena.
Od oko 1 470. sve je vise slikovnih prikaza motiva. ] os i tijekom kasnog 16. i ranog 1 7. st. nastaju brojne
reprodukcije. Na razmedi 16. i 17. st. javlja se motiv nesto cesce ponajprije u nizozemskom prostoru, dok u
njemacko-srednjoeuropskom polako nestaje. Gotovo na svim slikama prikazani su muskarci i iene istog
drustvenog poloiaja. Najcesce se prikazuju osobe koje pripadaju dobrostojeeem sloju gradanstva.
5 1
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OTIVM 3/1-2 (1 995.) , str. 35-52, E. Chwoyka, „Nu ist sie junk, so ist er alt“
Sto se tice stvarnosti koja bi mogla leiati u pozadini motiva, u prvom redu treba uzeti u obzir demografske
Cinitelje. Opcenito je mala dobna razlika bracnih partnera znacajka »zapadnih« drustava ranog novovjekovlja.
Bracni parovi u kojima je jedan supruinik znatno stariji od drugoga nisu u ranome novom vijeku u Srednjoj
Europi neobicna pojava. To je u vezi s prosjeeno razmjerno kratkim trajanjem braka sto je posljedica
vjerojatnosti smrti jednoga partnera nakon nekoliko godina zajednickog iivota. VeCina udovaca i udovica teiila
je iz socijalnih i materijalnih razloga ponovnom sklapanju braka u starijoj dobi. Sanse za ponovno vjencavanje
u starijoj dobi bile su za iene znatno manj e nego za muskarce. Tomej e uzrok prije svega u opcenito negativnijem
odnosu prema ponovnoj udaji starijih, obudovjelih iena u usporedbi s odnosom prema ponovnoj ienidbi
muskaraca. iene su u svojim pokusajima da se ponovno udaju morale racunati i s nepovoljnim demografskim
faktorima. U starijim dobnim skupinama njihov je broj znatno premasivao broj muskaraca.
Usprkos tome sto su mogucnosti ponovnog ulaska u brak bile sve slabije sto je dobna skupina bila starija,
ielja je za ponovnim vjencanjem kod udovica i udovaca bila vrlo rasirena. Smrt bracnog druga mijenjala
bi poloiaj osobe u obitelji, kucanstvu, rodbini i Citavom sustavu socijalnih veza. S odredenim oblicima
proizvodnje u kucnoj privredi bila je povezana i »prisila na nadopunjavanje uloga« (»Zwang zur
Rollenergänzung«) . Seosko gospodarstvo ili obrt nisu se mogli voditi dulje vrijeme, ako nisu bile popunjene
uloge kako muske, tako i ienske glave obitelji. Pa cak kada je to moida i bilo moguce, nastupala su brojna
drustvena i pravna ogranicenja.
Obudovjele vlasnice seoskih imanja i obrtnickih radionica imale su materijalnu osnovicu za osiguravanje
svojeg dotadasnjeg drustvenog poloiaja i iivotnog standarda i u starijoj dobi. Mlade je muskarce na brak sa
starijim udovicama mogla navesti ielja za visim drustvenim poloiajem i materijalnom sigurnoscu. Na selu
su parovi s ekstremnim dobnim razlikama nastajali cesto iz istih razloga kao i u obrtnickim gradskim
sredinama.
Kao hipoteza za drustvenu funkciju motiva nejednakih parova javlja se kritika ponovnog sklapanja braka
starijih osoba. Ponovno vjencavanje starijih, obudovjelih osoba s jedne je strane izraiavalo njihovo nastojanje
da zadrie dotadasnji poloiaj. S druge se strane vrlo konkretno produiavao „rok“ za potencijalne nasljednike.
U brakovima starijih muskaraca s mladim ienama moralo se racunati i s moguCim novim pretendentima na
nasljedstvo. Nejednaki su parovi zbog toga smatrani simptomima neekanja starijih ljudi da odstupe sa svojih
drustvenih poloiaja, te su zato bili izloieni najostrijoj kritici.
Kritika ponovnog vjencavanja starijih ljudi moie sluiiti kao dokaz duge tradicije, interkulturalno gledajuci,
razmjerno slabo razvijene moCi starijih osoba u srednjo- i zapadnoeuropskim drustvima.
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(Krems 1996)
OTIVM 3/1-2
(1995.)
V O RWO RT
Alltagsgeschichte ist ein Forschungsbereich, der nicht nur in starkem Maße interdisziplinären
Ansätzen und Methoden verbunden ist, sondern auch im besonderen von wissenschaftlicher
Kooperation bestimmt wird. Aus diesem Grunde freut es uns umso mehr,
daß wir Ihnen mit diesem Heft das Ergebnis einer solchen Zusammenarbeit präsentieren
zu können, die sich im Rahmen der Lehrtätigkeit der Herausgeber an der Central European
University in Budapest entwickelt hat. Otium, die kroatische Zeitschrift fiir Alltagsgeschichte,
und Medium Aevum Quotidianum, die in Österreich erscheinende internationale
Zeitschrift für Alltagsgeschichte und Geschichte der Sachkultur des Mittelalters,
bieten Ihnen hiermit eine gemeinsame Ausgabe, die vor allem Beiträge von Historikern aus
dem mitteleuropäischen Raum – aus Deutschland, Kroatien, Österreich, Slowenien und
Ungarn- enthält.
Das Generalthema des Heftes bezieht sich auf die Problemkreise „Familie und Alltag“ mit
besonderem Bezug auf „Familie und Tod“. Es werden dabei Fragestellungen angesprochen,
die für eine allgemeine Alltagsgeschichte ausgesprochene Relevanz besitzen.
Dies trifft besonders auf verschiedene Verbindungen zwischen ‚privatem‘ und ‚öffentlichem‘
Raum zu. Dusan Kos (Ljubljana) setzt sich mit adeligen Begräbnisritualen in Kärnten,
Zdenka Janekovüe-Römer (Zagreb) mit denen des Adels von Dubrovnik auseinander.
Erhard Chwoyka (Saarbrücken) behandelt das Motiv des „Ungleichen Paares“ vom 15.
bis zum 17 .Jahrhundert. Michael Mitterauer (Wien) konzentriert sich auf das Problem der
Schwagerehe. Elisabeth Vavra (Krems) untersucht die Reflexionen aufTodesf Quellen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, während sich Dusan
Mlacovüe (Ljubljana), Katalin Szende (Sopron) und Brigitte Pohl-Resl (Wien) Familienaspekten
in der testamentarischen Überlieferung widmen.
Wir hoffenmit dieser Ausgabe Anstoß und Amegung zu weiterer und verstärkter wissenschaftlicher
Zusammenarbeit im Bereich der Alltagsgeschichtsforschung gegeben zu haben.
Neven Budak und Gerhard Jaritz
PREDGOVOR
Povijest je svakodnevice podrucje istrazivanja koje ne zahtijeva samo u velikoj mjeri interdisciplinamost,
nego je napose odredeno medusobnom suradnjom znanstvenika. Iz tog
razloga posebno nas veseli da ovim sveskom mozemo predstaviti plod takve suradnje, a
koji je nastao kao rezultat nastavnicke djelatnosti izdavaca na Central European University
u Budimpesti. Otium, hrvatski casopis za povijest svakodnevice, i Medium Aevum Quotidian
um, medunarodni casopis za povijest svakodnevice i materijalne kulture srednjeg
vijeka, koji izlazi u Austriji, odlucili su izdati zajednicki broj koji sadrZi priloge povjesnicara/
ki iz srednjoeuropskog prostora: Njemacke, Hrvatske, Austrije, Slovenije i Madarske.
Sredisnja se tema broja odnosi na „Obitelj i svakodnevicu“, s posenim osvrtom na „Obitelj
i smrt“. Pri tom se obraduju pitanja od izrazite vaznosti za opcu povijest svakodnevice.
To se odnosi pogotovo na razlicite veze izmedu „privatnih“ i „javnih“ sfera zivota.
Dusan Kos (Ljubljana) bavi se pogrebnim ritualima koruskog plemstva, a Zdenka Janekovic
(Zagreb) obraduje istu problematiku u vezi s dubrovackim patricijatom. Erhard Chvojka
(Saarbrücken) obraduje motiv „nejednakog para“ od 15. do 17. stoljeca, a Michael
Mitterauer (Bec) problern Ieviratskog braka. Elisabeth Vavra (Krems) proucava promisljanja
smrtnih slucajeva u autobiografskim izvorima kasnog srednjeg i ranoga novog vijeka,
dok se Dusan Mlacovic (Ljubljana), Katalin G. Szende (Sopron) i Brigitte Pohl-Resl
(Bec) posvecuju obiteljskoj problematici u oporukama.
Nadamo se da smo ovim izdanjem dali nov poticaj daljnjem intenziviranju znanstvene
suradnje na polju historije svakodnevice.
Neven Budak i Gerhard Jaritz
INHALT
Du5an Kos- WILLIAM’S LAST TEMPTATION ………………………………………………………. ……………………………………… 1-24
Zdenka Janekovic-Römer – „PRO ANIMA MEA ET PREDECESSORUM MEORUM“ ……. …. ….. 25-34
Erhard Chvojka- „NU IST SIE JUNK, SO IST ER ALT“ . . . . ………………………………………………………………………… 35-52
Michael Mitterauer-DIE WITWE DES BRUDERS ………………………………………………………………………………………… 53-70
Elisabeth Vavra – “ …W ANN ER NIT GOT WERE, AUCH SO HOCH DOBEN
IM HIMEL SEßE, WELLT ICH SEIN FEINDT WERDEN … “ ………………… 7 1 -8 4
Dusan Mlacovic – THE WORLD DOMINCHIELLUS MEC::IGNA …………… ………………….. . . . . ………….. 8 5 – 1 0 6
Katalin G . Szende- FAMILIES IN TESTAMENTS ……… ………………………………………………………… .. . . . . . . . . . . . . . … 1 0 7- 1 2 4
Brigitte Pohl-Resl – FAMILY, MEMORY AND CHARITY IN
LATE MEDIEVAL VIENNA ……….. . . . . . . . . . . . . . ……………………. . . . . . . . . . ………………. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 1 2 5 – 1 3 2
SADRZAJ
Dusan Kos – VILHELMOVO POSLJEDNJE ISKUSENJE … .. .. . . . …. .. …. .. .. .. .. ….. …. ….. .. .. .. ….. .. …. ……………… . …. .. .. .. 1-24
Zdenka Janekovic-Römer – „ZA DUSU SVOJU I SVOJIH PREDAKA“ . . ……………. . . . . ……………………… . . . . 25-34
Erhard Chvojka – „I TAKO, ONA JE MLADA, A ON JE STAR“ ……………………………………….. …………………. 35-52
Michael Mitteraue r – BRATOVA UDOVICA ………………………………………………………. …………………….. …………………….. 53-70
Elisabeth Vavra – “ … KADA NE BI BIO BOG I SJEDIO TAKO VISOKO NA NEBU,
POSTAO BIH NJEGOVIM NEPRIJATELJEM .. . “ ……………………………………………….. 71-84
Dusan Mlacovic -SVIJET DOMINCHIELLA MEC::IGNE ……. ………………………………………………………………… 85-106
Katalin G. Szende- OBITELJI U OPORUKAMA . ……………………………. . … ……….. …….. . .. ……… ……. … …. . . . . . . . . . . . . . . . . 107-124
Brigitte Pohl-Resl – OBITELJ, MEMORIJA I DOBROTVORNOST U
KASNOSREDNJOVJEKOVNOM BECU ……………… .. .. ……………….. ……………. …………. 125-132