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Qualitätsvorschriften in Handwerksordnungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit (dargestellt an österreichischen Beispielen) 

Qualitätsvorschriften in Handwerksordnungen
des Mittelalters und der frühen Neuzeit
(dargestellt an Österreichischen Beispielen)
Herber! Knittler
Grundsätzlieb erscheint es naheliegend, dass sich der Mittelalterarchäologe in
der Auseinandersetzung mit Fragen wie Mangelhaftigkeit und Fehlproduktion,
die sich aus dem Fundmaterial ergeben, vom Historiker Unterstützung erhoffi.
Nach Durchsicht eines umfangreichen Pakets normativer Schriftquellen, das von
der Mitte des 13. bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts reicht1, muss diese
Erwartung freilich relativiert werden. Abgesehen von der insgesamt spärlichen
Überlieferung von Qualitätsvorschriften, bleiben diese in der Regel allgemein
und formelhaft; sie betreffen darüber hinaus vorab Gewerbe wie jene des Nahrungsmittel-
und des Textilsektors, deren Produkte sich nur ausnahmsweise im
Fundgut erhalten haben. Nur in Einzelbereichen – wie etwa bei einigen metallverarbeitenden
Handwerken – lässt sich ansatzweise ein Konnex von Normierung
und überprüfbarer Produktqualität erkennen. Im Vordergrund der folgenden
Darstellung werden somit die Voraussetzungen für die Formulierung von
Qualitätsbestimmungen sowie die Entwicklung von Instanzen und Mechanismen
fiir deren Kontrolle zu stehen haben. Produktbezogene Aussagen sollten hingegen
die Ausnahme bilden.
In einer 1599 von Kaiser Rudolf II. auf Betreiben der Stadt Wien fiir
Österreich unter der Enns erlassenen Landesgewerbeordnung findet sich die
Aufforderung an die bürgerlichen Bäcker, das Gebäck künftig nicht so schlecht,
schwarz und geschmacklos zu backen, zurnal in denen nechstgelegen flecken,
märckten und dörffern schöner, besser und wolgeschmacher brodt als a/lhie in
der statt gefunden wird? Mit dem Hinweis auf vorangegangene Beschwerden
und mit der Nennung der Gründe für den Übelstand, die man im Fürkauf des
1 Herangezogen wurde – über die im einzelnen genannten Editionen und Regestenwerke
hinaus – eine in den 1 980er Jahren unter der Leihmg von Univ.Prof. Dr. Gustav ÜTRUBA
(t) angelegte Sammlung von Abschriften niederösterreichischer, dazu auch Wiener
Handwerksordnungen vor 1600. Derselben folgt auch die Schreibweise bei bisher nicht
veröffentlichten Quellen.
2 Niederösterreichisches Landesarchiv, Ständisches Archiv (NÖLA, StA), Ständische Akten
B I, Nr. 6, fol. 328-33 1 . Vgl. dazu J6zsef Bart6cz, Die Regelung der Qualität bei den
ungarländischen Zünften. In: lf. Internationales Handwerksgeschichtliches Symposium
Veszprem 20.-24. II. 1 978. Veszprem 1979, 143-158.
7
Weizens und in der daraus folgenden Teuerung der Rohstoffe Grieß und Semmelmehl
zu erkennen glaubte, werden auch zentrale Bestimmungsmerkmale des
Begriffes Qualität angesprochen3•
Qualität lässt sich vereinfacht als Beschaffenheit einer Ware nach ihren
Unterscheidungsmerkmalen gegenüber anderen Waren, ihren Vorzügen oder
Mängeln, definieren4• Diese Beschaffenheit ist zum einen objektiv auf messbare
Eigenschaften bezogen, wobei etwa bei Lebensmitteln eine gesundheitsgefährdende
oder -schädigende Wirkung, resultierend aus Verderb oder Verfälschung,
die Grenze zum strafbaren Tatbestand im Sinne des Verbraucherschutzes markiert.
Subjektiv bringt der Begriff die Abstufung des Eignungswertes gleichartiger
Güter für die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse zum Ausdruck. Diese
wiederum können schichtspezifisch im Sinne von Angemessenheit verstanden
werden5, wie aus dem Hinweis auf das übliche Qualitätsgefälle zwischen Stadt
und Land zu erkennen ist, oder aber unter Einbeziehung von Kategorien wie
Dauerhaftigkeit, Funktionalität, Gefälligkeit usw. Rohstoffe und Verarbeitungsweisen
bilden hier ein Bewertungsgeflecht mit Traditionen und Erfahrungswerten,
zu dem sich der Konsument über Beschwerden an die Obrigkeit äußern
kann. Jedenfalls kommt dem Preis eine entscheidende Funktion zu, wobei eine
Anpassung zwischen den vom Verbraucher gebildeten Qualitätsstufen und den
vom Anbieter gebildeten Preisstufen stattfindet6• Hilfsmittel auch zum Zwecke
eines Preis-Leistungsvergleichs können Güte- und Warenzeichen darstellen, die
gleichzeitig bestimmte Herkunftsorte und/oder Fertigungsmethoden garantieren
sollen7•
Eine angemessene Qualität war nur durch entsprechende Kontrolle sicherzustellen.
Da die gewerbliche Herstellung von Gütern in der Regel mit dem
Ziele der Transformation derselben zu Waren betrieben wurde, die Marktverwaltung
und -gerichtsbarkeit in den Städten des Österreichischen Raumes zumeist
dem Stadtherrn zustand, fiel die Warenprüfung zunächst in die Kompetenz
des Stadtrichters, wie noch Ordnungen des frühen 14. Jahrhunderts erkennen
3 V gl. dazu J6zsef BARTÖCZ, Die Regelung der Qualität bei den ungarländischen Zünften. In:
li. Internationales Handwerksgeschichtliches Symposium Veszpn&m 20.-24. 11. 1978.
Veszprem 1979, 143-158.
4 Art. Qualität. In: Brockhaus. Die Enzyklopädie 17, Mannheim 201998,657.
5 Vgl. Gerhard JARITZ, Mittelalterliche Realienkunde: Quellenbefund und Quelleninterpretation.
In: Die Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters (Veröffentlichungen
des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 6) Wien 1984, 36 f.; Ders.,
Handwerkliche Produktion und Qualität im Spätmittelalter. In: Handwerk und Sachkultur
im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Instituts fiir Realienkunde des Mittelalters und
der fiühen Neuzeit II) Wien 1988,36.
6 Zum Zusammenhang von Preis- und Qualitätswettbewerb Reinald ENNEN, Zünfte und
Wettbewerb (Neue Wirtschaftsgeschichte 3), Köln-Wien 1971, 53-65.
7 Zuletzt etwa Hans C. PEYER u. a., Beschauzeichen. In: Lexikon des Mittelalters 1, StuttgartWeimar
21999, 2056-2058.
8
lassen8. Diesem fehlten aber zumeist die für die Warenkontrolle notwendigen
technischen Kenntnisse, so dass eigene Beschaumeister eingesetzt wurden. Zumeist
kamen diese aus dem jeweils zu kontrollierenden Gewerbe, mitunter wurden
aber auch Meister aus anderen Gewerben oder sonstige Bürger in dieser
Funktion herangezogen. Letzteres gilt besonders für kleine Städte und Märkte
mit einer beschränkten Zahl von Handwerkern und für die versorgungspolitisch
besonders wichtige Fleisch- und Brotbeschau. Andererseits hatte im Falle der
Wiener Weber die Beschau 1379 zusammen mit dem Hansgrafen und dessen
Anwalt, jene der Köche 1486 durch zwei aus den Genannten und zwei weitere
Bürger zu erfolgen9• Mit wachsendem Autonomiegewinn der zün.ftischen
Organisation gingen auch die Agenden der Warenkontrolle zunehmend in deren
Kompetenz über, wenngleich die Beschaumeister den Charakter öffentlicher,
beeideter Organe („geschworene Meister“) behielten. Ihre Zahl betrug meist
zwei oder vier, ihre Amtsperiode dürfte höchstens ein Jahr gedauert haben, mitunter
war ein quatemberlieber oder monatlicher Wechsel vorgesehen10•
Minderwertige Waren, die in der Beschau als „ungerecht“ erkannt und für
wandelbar erklärt wurden, verfielen der Beschlagnahme zugunsten der Stadt,
deren karitativen Einrichtungen (Spital etc.) oder zu Randen von Bürgermeister
oder Stadtrichter11• Vereinzelt beinhalten Ordnungen die Möglichkeit einer
Berufung bei negativen Entscheidungen, wobei in solchen Fällen die Bewertung
der Gesamtheit der Meister übertragen werden konnte; selbst das Tolerieren der
Unkenntnis geltender Qualitätsansprüche (umb die recht und aufsetz) beim
fremden Gast war möglich (Kürschner Krems 1534)12• Die Bestimmung, wie oft
die Beschaumeister ihres Amtes walten sollten, variierte nach Zeit und Handwerk,
ohne dass klare Grundlinien erkennbar wären. Teils finden sich exakt
formulierte Zeitabstände, wie etwa wöchentlich oder alle 14 Tage, was eine Beschau
in den Werkstätten und eine Kontrolle der Lager von Fertig- und Halbfertigprodukten
impliziert, teils erfolgte dieselbe zu Marktzeiten, darüber hinaus
kommt auch eine Verquickung beider Varianten vor. Sofern die Termine mit
den Wochen- und Jahrmärkten zusammenfielen, wurde auch die Handelsware
auswärtiger Anbieter, von Kaufleuten und Gewerbetreibenden, begutachtet. Mitunter
bleiben die diesbezüglichen Formulierungenjedoch unscharf und beliebig,
wenn etwa 1492 hinsichtlich der Beschau des Schmiedehandwerks von Eggen-
Hans LENTZE, Die rechtliche Struktur des mittelalterlichen Zunftwesens in Wien und den
Österreichischen Städten. In: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 15
( 1 935) 16 f.
Hei02 ZATSCHEK, Handwerk und Gewerbe in Wien. Von den Anfängen bis zur Erteilung
der Gewerbefreiheit im Jahre 1859. Wien 1949, 80.
10 Ebd., 78.
11 Harry KÜHNEL, Normen und Sanktionen. In: ders. (Hg.), Alltag im Spätrnittelalter, GrazWien-
Köln 31 986, 37 f.
11 Otto BRUNNER (Hg.), Die Rechtsquellen der Städte Krems und Stein (Fantes rerum Austriacarum
IIJII) Wien 1953,213 f., Nr. 338.
9
burg bestimmt wird: [sie] so/ beschehen zu rechter weil und zeit und mit gueter
vernunft13•
Grundsätzlich diente die Beschau dem Schutz des Konsumenten, dem
man eben den Erwerb von Qualitätsware zu einem angemessenen Preis gewährleisten
wollte. Die häufig nachweisbare Formulierung, dass der Käufer nicht
Schaden erleiden solle, geht wohl über einen Topos hinaus. Aber auch den Interessen
des Handwerks selbst wurde Rechnung getragen: Dabei sollte der Ruf der
gewerblichen Produzenten gesichert werden, dies auch in Auseinandersetzung
mit außerstädtischen oder auswärtigen Anbietem, wobei hier oftmals schwer die
Zielsetzungen Qualitätssicherung oder Wettbewerbsbeschränkung auseinander
zu halten sind. Darüber hinaus stand im Falle minderwertiger Ware sogar der
Ruf der Stadt und ihrer Marktveranstaltungen auf dem Spiel, so dass die Beschau
auch als Element der Systemsicherung und Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen
Ordnung verstanden worden ise4. Freilich kann kein Zweifel darüber
bestehen, dass die Objektivität der Beschauer oftmals in Frage gestellt
wurde, diese auf Behinderungen oder offenen Widerstand gestoßen sind und
manche Aktionen im Sand verliefen15• 1527 formuliert die ferdinandeische
Generalhandwerksordnung hinsichtlieb der Beschau: Darnach soll diese von
geschwornen meistern und gesellen gemeinsam mit einem ratsverordneten erfolgen,
wobei diese unbestechlich ohne ansehen der person überprüfen su/len.
Sie dürfen keine bestechungsgeider annehmen und sind aus der lade zu entschädigen.
Wegen dieser tätigkeit dürfe niemand gehaßt oder gescholten werden16•
Es ist eingangs darauf verwiesen worden, dass konkrete Qualitätsbestimmungen
– geht man vom österreichisch-steirischen Material aus – sich auf drei
Sektoren konzentrieren: die Lebensmittelgewerbe, jene, die Textilien herstellen
oder veredeln, sowie die gerade im angesprochenen Raum stark vertretene,
spartenmäßig differenzierte und mehrheitlich fiir den Export produzierenden
Metallgewerbe. Dabei gehen die Bestimmungen fiir Fleischhauer, Bäcker, Müller
und andere nicht nur zeitlich voran17, sondern sie weisen auch eine beachtliche
Streuung und Kontinuität auf, deren Relevanz sich auch mit der Tatsache
trifft, dass hier in der frühen Neuzeit zuerst der Schritt zur Bestellung besoldeter
und permanent agierender Organe gesetzt worden ist.
Bereits in der Tullner Fleischerordnung von 1267 wird der grundlegenden
gesundheitspolitischen Norm Ausdruck verliehen, dass ein Fleischer, der unreines
Fleisch (inmundas carnes) verkauft, bis zur Ankunft des Richters festgehal-
13 Archiv Gars, Urk. VlVI, inseriert in Hufscluniedeordnung von I 599.
14 JARITZ I 988 (zit. Anm. 5) 38.
15 ZATSCHEK I949 (zit. Anm. 9) 81.
16 Nach Gustav 0TRUBA, Gewerbe und Zünfte in Niederösterreich (Wissenschaftliche Schriftenreihe
Niederösterreich 88-90), St. Pölten-Wien I989, 77. Den Vorrang der gerechtikeit
gegenüber neyd noch gever/ikeit bei der Beschau betont eine Ordnung fiir die Wiener
Neustädter Huf- und Scherenschmiede aus 1505: Martin SCHEUTZ u. a. (Hg.), Wiener
Neustädter Handwerksordnungen: I432 bis Mitte des 16. Jahrhunderts (Fontes rerurn
1
7 Austriacarum III/13) Wien-Köln-Weimar 1997, I2I-126, Nr. 36.
LENTZE 1935 (zit. Anm. 8) 16 f.
10
ten und dann von diesem bestraft werden sol118• Wenn ebendort verboten wird,
Fleisch geschlachteter Tiere noch am selben Tag warm zu verkaufen, ents􀁊richt
dies der „Unzeitigkeit“ einer 1460-63 für Oberwölz erlassenen Ordnung 9 und
korrespondiert mit Kategorien wie Verarbeitungsfähigkeit und Geschmac􀃞0• In
die Nähe von Fälschung und Irreführung stellt sich die Deklarierung von
Kastraunen als Kalbfleisch, die ents􀁉rechend einer Ordnung für Walkersdorf
und andere Orte 1570 zu bestrafen ist 1• In Eferding wird 1607 das gleichzeitige
Angebot von Ochsen- und Kuhfleisch verboten, augenscheinlich um zu verhindern,
dass minderes Kuhfleisch im Preis des qualitativ höherwertigen Ochsenfleisches
angeboten würde22.
Insgesamt überwiegen innerhalb des Bündels städtischer Vorschriften zur
Sicherung von Qualität und Angebotsmenge bei Fleisch die letzteren, zumal
wiederholt Engpässe bei der Versorgung angesprochen werden, die zu einer
zeitweiligen, oftmals periodischen Öffnung des städtischen Markts für Fleischhacker
aus dem Gäu führten. Dass eingeführtes Fleisch ebenso der Beschau unterlag
wie jenes, das auf den städtischen Fleischtischen (nach der Waage –
Aussee 1424) angeboten wurde23, versteht sich von selbst.
Wiederholen sich auch binsichtlieb des Angebots von Brot und sonstigen
Mehlprodukten einzelne der soeben angesprochenen Charakteristika, insbesondere
eine immer wiederkehrende Mangelsituation24, so spielte hier doch der
Preiswettbewerb eine erheblichere Rolle. Bereits 1376 lässt das Pettauer Stadtrecht
Praktiken der Bäcker erkennen, trotz vorhandenen Mehlvorrats die
Ausbackung einzuschränken oder eben mindergewichtiges Brot zu produzieren25.
Da der Bäcker hinsichtlieb des Mehls als Mahlprodukt des Müllers, dem
das Backen für den Markt untersagt war (Krems 1533)26, sowohl von diesem als
auch von der oszillierenden Preisentwicklung abhängig war, verbinden sich
zahlreiche Bäckerordnungen nicht nur mit solchen für die Müller sondern auch
mit Preissatzungen.
18 Anton EGGENDORFER, Die Tullner Fleischhauerordnung von 1267. In: Mitteilungen aus
dem Niederösterreichischen Landesarchiv 4 (1980) 23.
19 Fritz POPELKA, Schriftdenkmäler des steirischen Gewerbes. Graz 1950, 131-133, Nr. 100.
20 Vgl. vor allem die wegweisenden Stellungnahmen Bertholds von Regensburg im 13. Jahrhundert;
dazu Eberhard SCHMAUDERER, Studien zur Geschichte der Lebensmittelwissenschaft
(Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Seih. 62). Wiesbaden 1975,
175-177.
21 NÖLA, Gemeinde- und Zunftarchivalien, Kart. 38, Wolkersdorf- Fleischhauer Nr. 1 1.
22 Otto WUTZEL (Hg.), Die Rechtsquellen der Stadt Eferding (Fontes rerum Austriacarum
UI/2) Graz-Köln 1 954, 107-110, Nr. 57.
23 POPELKA 1950 (zit. Arun. 19) 86, Nr. 60.
24 Vgl. etwa die Bäckerordnung für Melk aus 1277, deutsche Übersetzung: das si [die Bäcker]
ze aller zeyt unsern marcht bewarn mit pachen und dass das prot sein rechte gestalt und
sein größ haben soll .. . Ignaz KEmLINGER, Geschichte des Benediktiner-Stiftes Melk in
Niederösterreich, seiner Besitzungen und Umgehungen I. Melk 1851, 1 1 42 f.
25 POPELKA 1950 (zit. Anm. 19) 55 f., Nr. 28.
26 BRUNNER 1953 (zit. Arun. 12) 212, Nr. 334.
I I
Bestimmungen einer Beschauordnung für St. Pölten aus 1463, die auszugsweise
zitiert werden soll, finden sich so und in ähnlicher Form mehrfach:
Wir ordnen und seczen auch, das albeg zwen aus unserm gesworen rat hie und
zwen aus den maistern der pekhen wochenlieh ains oder mer, so offt sy das verlangt,
das prat, sem/eins und anders mit vleiss beschauen, das das recht gepachen,
auch an der gröss oder wag gegen dem gemaynen kauff des getrayds, wie
dann das da zezeiten seinn gankh hat, zu pfennberten [und] helleberlen also
gemasst sey, das der pekh und die, so es kauffen, nach geleichen dingen damit
abkomen mugen21. Über den Zusammenhang zwischen Preis und Gewicht, wie
er exakt auch in einer Weitraer Satzung von 1568 zum Ausdruck kommt28, hinaus
wird hier die ebenfalls häufig belegbare Zielsetzung reflektiert, mittels der
genannten Parameter zu einer Harrnonisierung der Interessen von Anbietern und
Konsumenten (auch von Arm und Reich) beizutragen.
Wie angedeutet, war der Bäcker von der Belieferung durch die Müller abhängig,
und diese wurden häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, sie würden den
Stadtbäckern nur das schlechte (pös) Mehl zukommen lassen, das gute aber nach
außen (aus der Herrschaft, auf dem freien Markt) verkaufen (Waidhofen an der
Ybbs 1549)29• Diesem Tatbestand trägt auch die bereits eingangs zitierte
Landesordnung für Bäcker und Müller von 1599 Rechnung. Freilich war auch
der Müller hinsichtlich seines Mahlguts von der Qualität des angelieferten Getreides
abhängig, so dass es vorkommen konnte, dass er, wenn ihm „geringes
oder bößes Getreide“ vorgelegt wurde, daraus nicht die „recht Maß“ zu erbringen
vermochte. Eine Ordnung der Müller an der Traisen von 1570 sieht in diesem
Fall vor, dass der Müller dem Einbringer ein Achtel als Probe versiegelt
zulassen kommen sollte, und bestimmt die Grundobrigkeit als Schiedsperson in
Streitfällen30• Auch hier wird die Tendenz erkennbar, exakte Relationen zwischen
Getreidemenge und Mahlprodukt zu ermitteln und schriftlich festzuhalten.
Im Rahmen der Kontrolle gewerblich produzierter Lebensmittel erfordert
letztlich noch das Bier eine kurze Erwähnung. Im Gegensatz zum medial überstrapazierten
sogen. bayerischen Reinheitsgebot von 1516 finden sich Qualitätsvorschriften
vor 1600 nur ausnahmsweise und in allgemeiner Form. So wird um
1549 für Weitra sowohl die Beschaupflicht verbindlich gemacht, als auch die
Zuständigkeit der Zunft, wo einer falsch brauet, betrug oder wider handwerks
brauch meltzet oder brauth, festgehalten. Im Falle der Strafverweigerung sollte
die Angelegenheit an den Stadtrichter gebracht werden, wäre aber der betrug
und falsch so hoch und groß, dass .filr malefilz geacht möcht werden, sollte man
27 Adalbert HORA wrrz, Zur Geschichte des Zunftwesens in Niederösterreich. In: Blätter des
Vereines fiir Landeskunde von Niederösterreich N. F. 9 (1875) 201-204.
28 Herbert I III/4), Wien-Köln-Graz 1975, 159 f. Nr. 112.
29 Ordnung der Müller zu Waidhofen an der Ybbs aus 1549: Stadtarchiv Waidhofen an der
Ybbs, Zunftarchiv Kart. 25, Nr. 1/1.
30 NÖLA, StA, Ständische Akten B I, Nr. 6, fol. 91-96.
12
dies an die hocher obrigkeit lassen gelangen31• Die Kriterien fiir den Schritt vom
Vergehen zum Verbrechen bleiben allerdings unerwähnt32•
Korrespondierte die Lebensmittelkontrolle in erster Linie mit dem Kundenkreis
der lokalen Gemeinschaft, so reichte dieser im Falle der Textilproduktion
oftmals erheblich über die einzelne Stadt hinaus. Handwerklich produzierte
Textilien aus Wolle, Leinen und Barchent gelangten in unterschiedlichen Mengen
in den Handel, wobei das Produkt meist nicht mit dem eigentlichen Produzenten,
sondern mit dem Herkunftsort identifiziert wurde. Daraus resultiert, dass
gerade im exportorientierten Textilhandwerk den Qualitätsvorschriften und der
Qualitätskontrolle ein besonderer Stellenwert zukam. Einer strengen Normierung
von Rohmaterial, Produktionsverfahren und Dimensionierung entsprach
häufig die Garantie von Qualität und Quantität durch die stadt-oder zunftseitige
Anbringung von Beschauzeichen, die gleichermaßen als Herkunfts-, Haftungsund
Prüfungszeichen fungierten. Durch Variation boten sie die Möglichkeit,
Qualitätsabstufungen auszudrücken33•
Sieht man vom Eggenburger Banntaiding des frühen 14. Jahrhunderts(?)
ab, so ist die Anbringung von Beschauzeichen am frühesten nachweisbar im
Falle der Wiener Walker 1 39934 sowie der Barchentweber des hochstiftlieh bambergischen
Marktes Kirchdorf an der Krems. Für letztere sah eine Ordnung von
1401 vor, dass die Barchente wöchentlich zweimal, am Mittwoch und Samstag,
durch die Beschaumeister des Handwerks geprüft werden sollten. Entsprach das
Produkt hinsichtlich Breite, Länge und Ausführung den geforderten Standards,
erfolgte die Auszeichnung mittels eines Bleisiegels mit dem Bild eines Löwen.
Barchente minderer Qualität hatten zerschnitten zu werden. In Wien musste das
Tuch in nassem Zustand auf einen Rahmen gespannt werden (Ramhof). Die
Kontrolle hinsichtlich Dimension (15 Ellen lang, 5 Viertel breit) und Fadenanzahl
geschah nach erfolgter Trocknung. Die Beschaumeister brachten sodann
31 KNmLER 1975 (zit. Anm. 28) 140-142, Nr. 98; hier mit 1531-1552 datiert. Die wahrscheinliche
Einengung auf das Jahr 1549 ergibt sich aus Ausgaben fiir den Stadtschreiber in
der Bürgermeisteramtsrechnung des genannten Jahres (Stadtarchiv Weitra, Bücher 4/9), der
in Wien der preuer handlungbetreiben sollte.
32 1347 gestattete Herzog Albrecht II. fiir Bruck an der Mur die Zulassung von drei, für Leoben
von zwei Bierbrauem, deren monatlicher Haferverbrauch durch die jeweilige Stadt
kontrolliert werden sollte: POPELKA 1950 (zit. Anm. 19), 41 f., Nr. 15, 16.
33 Walter ENDREI, Das Siegeln von Tüchern. In: Il. Internationales Handwerksgeschichtliches
Symposium Veszprem 21.-26. 8. 1982. Veszprem 1983, 105-109; JARITZ 1988 (zit. Anm.
5) 39 f., mit weiteren Literaturhinweisen. Siehe zuletzt fiir den Untersuchungsraum: Thomas
KÜHTREIBER u. Günter MARIAN, Zwei Tuchplomben von der Burgruine Schrattenstein
– Ein Beitrag zum niederösterreichischen Tuchmachergewerbe im Mittelalter unter
besonderer Berücksichtigung der landesfiirstlichen Stadt Tulln. in: Unsere Heimat 71/3
(2000) 198-217.
34 Ludwig BRUNNER, Eggenburg. Geschichte einer niederösterreichischen Stadt I, Eggenburg
1932, 99; KÜHNEL 1986 (zit. Anm. II) 37 f.
13
ihre Siegel an, worauf die Tuche zusammengelegt und mit Blei bulliert wurden35.
Das Wiener Privileg bildete das Muster für die 1513 von Maximilian I. für
den steirischen Markt Pöllau erlassene Tuchmacherordnung, die ebenfalls die
Anbringung eines bleiernen Beschauzeichens (Wappen Pöllau – P) vorsah, davon
allerdings die Tuche, die aus ungarischer Wolle erzeugt worden waren, ausnahm36.
Da deren Verarbeitung grundsätzlich gestattet wurde, wie dies auch
1492 in einer Neustädter Ordnun􀃤 festgestellt wird (lodentücher von lötiger
gutter ungrischer oder lanndtwoli , lässt sich der Ausschluss von der Markierung
eher mit der Gefahr abweichender Standards als mit Argumenten des
Wettbewerbs erklären. Eine Unterscheidung zwischen Qualitätsware und Bauerntuch,
wobei nur „gerechtes“ innerhalb des Burgfrieds in den Verkauf gelangen
durfte, kennt auch die Zwettler Tuchmacherordnung von 150238. Sie fordert
-wie eine etwa gleichzeitige Leinenweberordnung für St. Pölten (1501)39- das
Vorhandensein „gerechter“ Waagen, Gewichte und Ellen und verfügt den Einzug
mangelhafter Ware sowie die Bestrafung des Meisters, der solche in den
Handel bringt40• Eine Horner Ordnung von 1571 sieht schließlich die Anbringung
unterschiedlicher Zeichen für abnehmende, insgesamt jedoch noch im
Toleranzbereich liegende Qualität vor. Nach erfolgter Schau an der ramb (am
Tuchrahmen) sollen die Tuche mit einem Kleeblatt bezeichnet und dann bulliert
werden: das beste Vordertuch mit drei großen und zwei kleinen Bleistücken, das
Kerntuch mit zwei großen und zwei kleinen, das Gemeine Tuch mit einem
großen und einem kleinen und das Fürdertuch mit einem kleinen Blei41•
Da die vorliegenden Ordnungen der Schneider über allgemeine Qualitätsvorschriften
hinaus eher Abgrenzungen gegenüber benachbarten Handwerken
(,,K.euffel“ in Bruck an der Leitha 1530}42 vornehmen oder den Produktionsrahmen
ständisch und wertmäßig nach oben beschneiden (Schneider St. Pölten
1589- Tuche über 1/2 Gulden, keine Wamse aus Graffgarn und anderem seidelS
Vgl. auch Wolfgang von STROMER, Die Griindung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa
(Monographien zur Geschichte des Mittelalters 17) Stuttgart 1978, passim.
36 POPELKA 1950 (zit. Anm. 19), 228 f., Nr. 160.
37 SCHEtrrz u. a. 1997 (zit. Arun. 16) 112-114, Nr. 34.
38 Inseriert in einer Bestätigung durch Maximilian II. aus 1573: Österreichisches Staatsarchiv,
Haus-, Hof- und Staatsarchiv (ÖStA, HHStA), Reichsregisterbuch Maxirnilians II. Bd. 19,
fol. 435r-438v.
39 Gustav ÜTRUBA, Berufsstruktur und Berufslaufbahn vor der industriellen Revolution (in
Niederösterreich) Wien 1952, 308 f., Nr. 80.
40 Die Zwettler Tuchmacherordnung bestimmt etwa im Anschluß an Bestimmungen über
richtige Länge, Breite und Struktur (ltem es soll ein jeglicher maister hinder fün.ffunddreissig
geng nit wiirchen … ) für zu kurze Tuche: Item ob ein thuech zu khurz wehre, so soll
man das pettschajji an die recht statt legen, da die ellen hinzaigt. Und ob ain thuech an das
pettschajji nicht pracht wurde, das gevehrlichen beschehe, und ob ain solches thuech
verkhaufft wurde, das steet in der straff deß handtwerckhs.
41 Stadtarchiv Horn, HS Nr. 10/3, fol. 48-49.
42 Stadtarchiv Bruck an der Leitha, Akten Kart. 37, Schneider Nr. I.
14
nen Zeug etc.)43, sei innerhalb der Bekleidungsgewerbe lediglich ein Blick auf
Kürschner und Schuster geworfen.
1471 benennt eine Schusterordnung fur Melk jene Mängel des auf Wochen-
oder Jahrmärkten angebotenen Schuhwerks, die eine Beschlagnahme sowie
die Bestrafung des Meisters zur Folge haben sollten: Schuhe die nicht genugsamc/
ich gesmirt, es weren solln oder ubergeschuch, oder weih schuch nicht
gepreisledert sein zu zwain oder drein kneujlein [Schnürschuhe, zum Zuknüpfen
mit Bändern gerichtet], auch ob erfunden wurde in aim rynderein schuch ein
kalberein gern oder in aim kelberein schuch ain schäffeinr gern, das alles ist
wandlvellil4. Nur am Rande verwiesen sei auf eine Eferdinger Ordnung mit
angeschlossener differenzierter Preisliste von 1542, die ebenfalls das Schmieren
der Schuhe mit Fett fordert45.
Erscheint im Melker Beispiel die Materialreinheit als eine den Qualitätsbegriff
bestimmende Kategorie, so wird das Verbot der Verfälschung des Produkts
und damit der Irrefuhrung des Käufers noch deutlicher in Kürschnerordnungen
des 16. Jahrhunderts, die aufWiener Vorlagen des 15. Jahrhunderts zurückgehen.
In Waidhofen an der Ybbs wurde 1563 generell verboten, Felle von
Zobel, Marder, Nerz, (Fisch)Otter und Wolf zu färben, weiters verfälschte Hasenwampen
als Luchs zu verkaufen, in Fuchsfelle Fuchsschwänze oder -kehlen
und in Fuchskehlenfutter Hase und (zu viel) Eichhorn einzuarbeiten46• Die
Kremser Beschauordnung von 1534 wiederum hält fest, dass kein Marderfell,
gef werden dürfe47• Da diese Waren wohl überwiegend von fremden Gästen angeboten
wurden, verbindet sich diese Norm vorrangig mit einer Ausdehnung der
Qualitätskontrolle auf die von außen auf den lokalen oder regionalen Markt gebrachtenW
aren.
Die hinsichtlich der Textilgewerbe angesprochene Anbringung von Marken
als Probier- und Gütezeichen wurde seit dem ausgehenden Mittelalter vor
allem in verschiedenen, zumeist exportorientierten Metallgewerben gehandhabt48.
Zufolge der vertikalen Zerlegung der Produktion, d. h. des Nacheinanders
der von unterschiedlichen Gewerben monopolisierten Arbeitsschritte,
konnte der Vorgang der Qualitätskontrolle mehrmals stattfinden; beispielsweise
im Falle der Erzeugung von Messern zunächst bei der Übergabe der rohen oder
43 Stadtarchiv St. Pölten, Urk. Schneider 1589.
44 Diözesanarchiv St. Pölten, Melker Urbar, fol. 243r-244v.
45 WUTZEL 1954 (zit. Anrn. 22) 25 f., Nr. 20.
46 Stadtarchiv Waidhafen an der Ybbs, Zunftarchiv Kart. 33, Nr. I/la.
47 Josef KINZL, Chronik der Städte Krems, Stein und deren nächster Umgegend. Mit den Freiheitsbriefen
beider Städte und den Schriftstücken ihrer gewerblichen Innungen vom Jahre
985-1869. Krems 1869, 587, Nr. Ill.
48 Differenzierte Qualitätsanforderungen an den Stahl werden formuliert in der Innerherger
Hammerschmiedzunftordnung von 1575: Gerhard PFERSCHY, Die Innerherger Hammerschmiedzunftordnung
1575. In: Mitteilungen des Steiermärkischen Landesarchivs 33
(1983) 41-68, bes. 56-59.
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geschliffenen Ware von den Klingenschmieden an die Messerer und dann am
fertigen Produkt.
Im Oberösterreichischen Steyr (1553) mussten die Klingen zweimal in der
Woche, am Donnerstag und Samstag, in das Beschauhaus in Steyrdorf gebracht
werden. Dort erfolgte die Materialkontrolle durch die von der staatlichen Obrigkeit
(Eisenobmann) nominierten und entlehnten Beschauleute in drei Schritten:
zunächst durch Probe auf dem „Schinderstein“, dann auf dem ,,Abrichtstein“,
zuletzt fallweise auf dem ,,Leuterstein“. Schlechte (unguettige) Ware galt als
Ausschuß und musste vom Klingenschmied gegen ordentliche ausgetauscht
werden49• Für die Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs wurde 1567 dem Meister
die Möglichkeit einer Nachbesserung des Produkts vor neuerlicher Vorlage vor
den Beschauern eingeräumt, worauf diese gegen derselben arbait, ob sie kauff­
mans guet [sei] oder nit, zu entscheiden hatten. Zudem galten standardisierte
Klingenformen, und auch das technische Gerät (Schleifstein) hatte gewissen
Normen hinsichtlich Dimension und Inbetriebnahme zu entsprechen50.
Für die fertigen Steyrer Messer wurde bereits 1428 das Recht zur Anbringung
des Meisterzeichens ausgesprochen. In späteren Privilegien (1441, 1459,
1468) erfolgte eine Ergänzung in der Form, dass zu den lebenslang zu führenden
individuellen Marken der Schlag des Österreichischen (Binden)Schilds treten
sollte, allerdings nur für einzelgefertigte Qualitätsware (stukhwerch) und nicht
für Massenware (hauffenwerch); gleichzeitig garantierte der Landesfürst den
(exklusiven) Markenschutz und stellte die Nachahmung des Zeichens unter
schwere Strafe (niederlegen und verbieten lassen). Ob das messerwerch …
werchperlech gerecht wer und gut sey in aller weys und maynunl‘. sollte durch
Beschauleute aus dem Kingenschmiede- und dem Schleiferhandwerk, die sowohl
aus dem Burgfriedsbezirk als auch aus der Herrschaft Steyr stammen sollten,
festgestellt werden. Hier war somit in einer frühen Phase der ,Jndustrialisierung“
die traditionelle gewerbliche Trennung zwischen Stadt und Umland überwunden
geworden.
Auf weitere Etappen in der Entwicklung des Qualitäts- und Markenschutzes
kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Der Gebrauch des Markenschiagens
fand seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zunehmende Verbreitung.
So gewährten sowohl der Stadtherr, Bischof Sixtus, wie auch der Landesfürst,
Friedrich III., 1491193 den Hammerschmieden von Waidhafen an der Ybbs das
Recht, auf die von ihnen hergestellten segensknittl und schrött-, messer-,
schwer!- und tilizklingen [Tilitz = langes Messer] das Freisinger Zeichen zu
49 Irmgard HACK, Eisenhandel und Messererhandwerk der Stadt Steyr bis zum Ende des 1 7 .
Jahrhunderts. phil. Diss. Graz 1949, 90.
50 Stadtarchiv Waidhofen an der Ybbs, Zunftarchiv Kart. 22, Nr. i/3.
51 HACK 1949 (zit. Anm. 49) Anh. 9.
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schlagen, damit man diese von anderer arbeit, so auf sollich mainung [Art] und
doch auf solchen werdt nit gemacht werden, unterscheiden möge52.
Bei Exportware tangierten Qualitätsgarantien zunehmend das Verhältnis
von Produzenten und Kaufleute-Verlegern. Entsprechend einer Scheibbser
Hammer-, Nagel- und Hufschmiedeordnung von 1536 sollte sich der Kaufmann
beim Verdacht des Vorliegens schlechter Arbeit an die vier Beschaumeister
wenden, welche des Produkt zu prüfen und im Falle einer berechtigten Reklamation
Ersatz zu fordern hatten. Sofern ein Schmied das ibm vom Kaufmann
vorgelegte Eisen verthet, sollte ibm das Handwerk bis zur Gutmacbung niedergelegt
werden53. Eine Eggenburger Hufschmiedeordnung von 1492 unterscheidet
zwischen mangelhaften Produkten angesessener Handwerker, die lediglich
zerschlagen werden sollten, wogegen bei zugeffihrter Ware die „Trümmer“ dem
Bürgermeister zu übergeben waren54.
Damit stellt sich auch die Frage nach dem weiteren Schicksal nicht den
Qualitätsanforderungen entsprechender Objekte. Zum einen war die Zerstörung
endfiltig, etwa bei zerschnittenen Tueben und 9ürteln oder verbrannten SeiIen5
, zum anderen bestand die Möglichkeit der Uberarbeitung, bei Gegenständen
aus Eisen, Buntmetall oder Glas zudem der Wiederverwertung als Rohstoff
(Puscheisen, Glasscherben), und nur ausnahmsweise landete die „ungerechte“
oder „pöse“ Ware im Abfall. Hierzu zählen insbesondere die Produkte des Hafnerhandwerks,
wenngleich fallweise die Wiederherstellung zumindest des Gebrauchswerts
überliefert ist (von ainem newen kachl zuflickn, al/tsjligkhwerch HafnerGraz
1521)56.
Neben allgemeinen Formulierungen, nach denen das hafnberch guet und
gerecht sein [soll], damit di leut behaltn werdn und die arbeit dester pas auf
nemen an erem läb und guet (1516 St. Pölten)57, finden sich vereinzelt auch
Hinweise auf Qualitätsabstufungen in der Produktion. Wenn Kaiser Friedricb
III. 1450 einen Streit zwischen den Hafnern in Kindberg und Kapfenberg dahingehend
entscheidet, dass erstere fortan das Recht des Verfertigens von weißen
(weißglasierten) Töpfen allein genießen sollten, wogegen die Kapfenberfer auf
die Produktion schwarzer, grauer und roter Ware beschränkt werden5 , liegt
zweifellos ein Hinweis auf Praktiken eines Wettbewerbs vor, bei dem man sich
bessere Marktchancen durch eine gefälligere Gestaltung erwartet batte59.
52 Das Privileg Bischof Sixtus‘ wurde 1569 durch den Stiftsadministrator Ernst, die Urkunde
Friedrichs III. 1541 von Ferdinand I. bestätigt: Stadtarchiv Waidhofen an der Ybbs, Urk.
Nr. 132, 94a.
53 NÖLA, Herrschaft Scheibbs, HS 3, fol. 155.
54 Wie Anm. 13.
55 JARITZ 1988 (zit. Anm. 5) 40.
56 POPELKA 1 950 (zit. Anm. 19) 244-253, bes. 247, 􀇋r. 169.
57 ÜTRUBA 1952 (zit. Anm. 39) 88 f., Nr. 23.
58 POPELKA 1 950 (zit. Anm. 19) 1 1 1 f., Nr. 83.
59 Zum Qualitätswettbewerb ENNEN 1971 (zit. Arun. 6), 64 f.; vgl. auch Hagen HOF, Wettbewerb
im Zunftrecht Zur Verhaltensgeschichte der Wettbewerbsregelung durch Zunft und
1 7
Anders ist die Situation zu bewerten, die 1585 zur Herausgabe einer Ordnung
fiir die Hafner in Stockerau geführt hat60. Hier signalisiert die Beschwerde
von Bürgern und Hafnermeistem, dass Markenzeichen auf die gemainen häfef n
sowol als auf die eisen dachen [aus Graphit mit Eisenocker] geschlagen würden,
eher den Tatbestand der Fälschung. Hochwertige und Durchschnittsware waren
gleichermaßen mit dem Österreichischen (Binden)Schild versehen worden, darüber
hinaus gefirnist und glasiert, so dass der Qualitätsunterschied nicht zu erkennen
war, darauss denn leuthen großer schaden gieng. Mit der Beschränkung
der Stempelung auf die Graphitware sollte der überkommenen Tradition Rechnung
getragen werden. Ohne optische Verbesserungen etwa durch die Glasur
bewerten zu wollen, hatte der Grundsatz „alt ist gut“ obsiegt, der anderswo bereits
obsolet geworden war. Schon 1481 war in der Bognerordnung von Wiener
Neustadt die nach alter Gewohnheit gefertigte Armbrust als valsehe zugunsten
eines neuen Geräts verrufen worden61•
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Qualitätsvorschriften finden sich
in Handwerksordnungen der Österreichischen Länder seit dem späteren 13. Jahrhundert.
Sie bleiben allerdings innerhalb der zunächst recht kurz gefassten und
formelhaften Statuten gegenüber kultisch-religiösen, sozialen und organisatorischen
Bestimmungen im Hintergrund und erschöpfen sich vielfach in allgemeinen
Forderungen nach Herstellung guter und gerechter Ware. Dem Schutz von
Konsumenten und Händlern wie auch der Erhaltung des guten Rufs des jeweiligen
Handwerks und dessen städtischen Standorts soll auf dem Wege der Beschau
durch Handwerksgenossen und Bürger Rechnung getragen werden. Hingegen
erscheint die ebenfalls von den Beschaumeistem kontrollierte Fertigung
komplizierter werdender Meisterstücke weitgehend losgelöst von den Bedürfnissen
des Marktes62•
Für drei Sektoren wurden die Qualitätsvorschriften seit dem ausgehenden
Mittelalter stärker spezifiziert, zunehmend im Zusammenhang mit ganz konkreten
Situationen. Es sind dies zum einen die Lebensmittelgewerbe, wo Qualität
vor allem von Brot und anderen Mehlprodukten in Anbetracht der steigenden
Preise seit dem 16. Jahrhundert tendenziell der Gefahr der Minderung ausgesetzt
war. Innerhalb einzelner Textilgewerbe wurde seit dem 15. Jahrhundert versucht,
durch die Einführung der Qualitätskennzeichnung mit Marken und Siegeln
die Marktchancen zu bessern, was freilich mangels ausreichenden Kapitaleinsatzes
nur beschränkt gelang. Grundsätzlich anders verlief die Entwicklung
bei zahlreichen auf dem Rohstoff Eisen basierenden Schrniedegewerben. Hier
Stadt, Reich und Landesherr bis zu den Hardenbergsehen Reformen (Dissertationen zur
Rechtsgeschichte I) Köln 1983.
60 Albert STARZER, Geschlchte der Stadt Stockerau. Stockerau 1 9 1 1 , 386 f.
61 SCHEUTZ u. a. 1997 (zit. Anm. 16) 102-104, Nr. 3 1 ; dazu auch ]ARITZ 1988 (zit. Arun. 5)
46.
62 Josef SCHWARZLMÜLLER, Die Berufslautbahn Lehrling – Geselle – Meister in den Handwerkszünften
Oberösterreichs (Dissertationen der Johannes-Kepler-Universität Linz 15)
Wien 1979, 165.
18
verhalf ein hoher Qualitätsstandard in Verbindung mit technischen Innovationen,
besonders in der Sensenherstellung63, dem österreichisch-steirischen Produzenten
zur Beherrschung mittel- und mittelosteuropäischer Märkte.
Die Überprüfung der Auswirkung der in Zunftordnungen formulierten
Qualitätsvorschriften auf konkrete Produkte, sofern sich diese nicht der eben
angesprochenen Exportware zuordnen, bleibt hingegen weitgehend außerhalb
der Möglichkeiten. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass Zunftstatuten in
der Regel nur den organisatorischen Rahmen fiir das Funktionieren einer Institution,
eben des Handwerks, der Zunft oder Zeche, umrissen haben. Für diese
war der technische Prozess ein auf der mündlichen Weitergabe von Erfahrungen
basierendes handwerkliches Verfahren, das wohl auch hinsichtlich der Kategorie
Qualität eine gewisse Bandbreite akzeptierte. Man denke etwa an das Formglas
der Waldglashütten, von denen bis ins 19. Jahrhundert herauf kaum zwei identische
Stücke geliefert wurden64• Entscheidend war bei den nach der Gattung
gebandelten Gütern eine Qualität von mittlerer Art und Güte65• Erst wenn erheblich
von der Norm abweichende Erzeugnisse entstanden, die sich fiir den
Kunden in einem Missverhältnis zum Preis und zum Gebrauchswert darstellten,
darf mit Reaktionen von Konsumentenseite gerechnet werden. Wie weit diese
einen schriftlichen Niederschlag gefunden haben, wäre auf breiter Ebene zu untersuchen.
Bis zum 16., vielleicht noch 17. Jahrhundert ist jedenfalls Optimismus
kaum angebracht.
63 U. a. Franz FISCHER, Die blauen Sensen. Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Sensenschmiedezunft
zu Kirchdorf-Micheldorf bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts (Forschungen
zur Geschichte Oberösterreichs 9) Linz-Köln-Graz 1966.
64 Zum Formengut der Glasproduktion zuletzt Kinga TARCSA Y, Mittelalterliche und neuzeitliche
Glasfunde aus Wien (Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Beih. 4) Wien
1999.
65 Wie Anm. 4.
19
MEDIUM AEVUM
QUOTIDIANUM
45
KREMS2002

HERAUSGEGEBEN
VON GERHARD JARITZ
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Oiederösterreich kultur
Redaktion: Thomas Kühtreiber
Titelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der
materiellen Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, 3500 Krems, Österreich.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdrückliche
Zustimmung jeglicher Nachdruck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. –
Druck: Grafisches Zentrum an der Technischen Universität Wien, Wiedner
Hauptstraße 8-10, 1040 Wien.
Inhalt
Fehl-, Halbfertigprodukte sowie umgearbeitete Stücke
und ihre Rolle bei der Erforschung des mittelalterlichen Handwerks
Ralph Röber, Vorwort . . . . . . . . …………………………………………………………………… 5
Herbert Knittler, Qualitätsvorschriften in Handwerksordnungen
des Mittelalters und der frühen Neuzeit
(dargestellt an Österreichischen Beispielen) ……………… ……………….. . . . . . . . 7
Doris Mührenberg, Recycelt, repariert oder wiederverwendet
Fehl- und Halbfertigprodukte im archäologischen Fundgut
der Hansestadt Lübeck . . . . . ….. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Ulrich Müller, Ein Fund vom Rugard, Ldkr. Rügen ……….. ………………………… 38
Monika Doll und Andreas König, Produktionsabfälle
einer knochen- und hornverarbeitenden Werkstatt
des späten I I . Jahrhunderts aus Höxter an der Weser …………………. ….. 61
Stefan Krabath, Untersuchungen zur mittelalterlichen und neuzeitlichen
Ringbrünnenproduktion in Mitteleuropa
unter besonderer Berücksichtigung Westfalens . . …….. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 96
Bertram Jenisch, Die ,,Bohrer und Balierer“ in Freiburg
und Waldkirch im Breisgau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Birgit Bühl er, Der Nachweis der Treibziseliertechnik
an goldenem Gürtelschmuck der Früh-, Mittel- und Spätawarenzeit … 147
Anschriften der Autoren ………………….. ………………………………………………….. 166
Vorwort
Das vierte Treffen des ,,Archäologischen Arbeitskreises zur Erforschung des
mittelalterlichen Handwerks“ fand vom 23. bis 25. März 2000 in Krems statt. Es
folgte einer Einladung des ,,Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der
frühen Neuzeit“ der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die Organisation
hatte Thomas Kühtreiber übernommen, von ihm stammten auch die
Vorschläge zu den beiden Tagungsthemen. Die Vorträge des Themas ,,Zur
Erforschung des mittelalterlichen Handwerks in Österreich“ sind bereits in Band
43 von Medium Aevum Quotidianum erschienen, die Vorträge des zweiten
Bereichs ,,Fehl-, Halbfertigprodukte sowie umgearbeitete Stücke“ werden hier
vorgelegt. Die insgesamt acht Beiträge umspannen einen großen geographischen
Rahmen, der vom Norden Deutschlands bis in den Osten Österreichs reicht. Die
interdisziplinäre Ausrichtung spiegelt sich in den beteiligten Wissenschaftsrichtungen
wider, bei der neben Archäologen auch Historiker, Kunsthistoriker
und Naturwissenschaftler vertreten sind.
Produktionsabfalle bieten ebenso wie umgearbeitete Stücke ein weites
Feld von Erkenntnismöglichkeiten zum Handwerk. An ihnen lassen sich Auswahl
und Verwendung von Rohstoffen studieren, sie erlauben darüber hinaus
aber auch weit besser als fertige Produkte, die auf Grund von Überarbeitungen
der Oberfläche in dieser Hinsicht oft nur sehr eingeschränkt auswertbar sind,
detaillierte Einblicke in Techniken und Prozesse der Herstellung. So lassen sich
Traditionen und Innovationen im Handwerk ebenso erkennen wie der Grad der
Spezialisierung und die Produktpalette einzelner Handwerker.
Aber noch in einem weiteren Bereich sind diese Objekte von hoher Aussagekraft,
da durch ihre Aussonderung durch den Produzenten unmittelbar individuelle
oder berufsspezifische Qualitätsnormen sichtbar werden. Damit werden
im Abgleich mit den in den Verkauf gelangten Produkten Aussagen zum Qualitätsmanagement
einzelner Handwerker und Berufsstände möglich. Auch zur
Quantität der Produktion sowie zur Normierung bestimmter Erzeugnisse lassen
sieb Aussagen erzielen. Dies sind Themen, zu denen Schriftquellen nur eingeschränkt
Auskunft geben, da Qualitätsbestimmungen zum Beispiel in Zunftoder
Gewerbeordnungen in der Regel allgemein oder formelhaft verfasst wurden.
Diese gelten zudem nur für einzelne Handwerkssektoren, wie das Nahrungs-,
Textil- oder Metallgewerbe. Hier bilden die archäologischen Quellen
nicht nur Ergänzung und Korrektiv, sondern sie erlauben einen Zugriff auf
Erkenntnisse, die dem Historiker verwehrt bleiben.
5
Mein Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die Ihre Beiträge zur Verfügung
gestellt haben, sowie Medium Aevum Quotidianum für die Aufuahme derselben
in sein Publikationsorgan. Es ist erfreulich, dass neben den Vorträgen
von zwei Treffen des Arbeitskreises1 nun die Ergebnisse einer weiteren Tagung
publiziert werden konnten. Es bleibt zu hoffen, dass damit die erst in Ansätzen
greifbaren archäologischen Erkenntnisse zum mittelalterlichen Handwerk
vertieft und ausgebaut werden können.
Konstanz,
im Juni 2002
Ralph Röber
Leiter des ,,Archäologischen Arbeitskreises
zur Erforschung des mittelalterlichen Handwerks“
1 Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.), Von Schmieden, Würflern und
Schreinern – Städtisches Handwerk im Mittelalter (ALManach 4) Stuttgart 1999; Ralph
Röber (Hg.), Mittelalterliche Öfen und Feuerungsanlagen. Beiträge des 3. Kolloquiums des
Arbeitskreises zur archäologischen Erforschung des mittelalterlichen Handwerks (Materialhefte
zur Archäologie in Baden-Württemberg 62) Stuttgart 2002.
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