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Über das Alltagsleben im spätmittelalterlichen Ungarn

Über das Alltagsleben im spätmittelalterlichen Ungarn 1
ANDRAS KUBINYI
Die Erforschung des Alltagslebens in Ungarn geht auf eine lange Tradition
zurück. Das monumentale Werk von Bela R.advanszky erschien bereits
im 19. Jahrhundert. Es beschäftigt sich zwar mit der frühen Neuzeit, hat
aber auch spätmittelalterliche Quellen benützt. R.advanszky wollte Familienleben
und Haushaltssitten beschreiben. Er benützte Inventare und
Testamente von Adeligen des 16. und 17. Jahrhunderts, die er im II. und
III. Band seines Werkes auch edierte2.
Am Beginn des 20. Jahrhunderts gab Remig Bekefi die Reihe „Kulturgeschichtliche
Dissertationen“ heraus. Er ließ von seinen Doktoranden
je eine Quelle „kulturgeschichtlich“ bearbeiten. So wurden die im weitesten
Sinn kulturgeschichtlichen und damit das Alltagsleben betreffenden
Angaben eines mittelalterlichen Geschichtswerkes oder eines Rechnungsbuches
systematisch untersucht und zusammengestellt3. Es kam reichhaltiges
Material zustande, das nie zusammenfassend behandelt wurde, da Remig
Bekefi 1911 nach seiner Wahl zum Abt des Zisterzienserklosters Zirc von
seinem Lehrstuhl zurücktrat. So blieb sein Werk ein Torso. Obwohl die
1 Diese Abhandlung wurde an der im Dezember 1988 vom Lehrstuhl für Mittelalterarchäologie
der Universität Budapest organisierten Tagung über die materielle Kultur
Ungarns im Spätmittelalter vorgetragen. Die im Vortrag präsentierte Zusammenfassung
der ausländischen Ergebnisse wurde nicht aufgenommen.
2 Bela Radvanszky, Magyar csalade!et es haztartäs a XVI. es XVII. szäzadban [Familienleben
und Haushalt in Ungarn im 16. und 17. Jahrhundert] 1-111. Budapest 1879-1896
(Neudruck Budapest 1986).
3 Müvelödestörteneti Ertekezesek 1-60. Budapest 1901-191 1 . Es erschienen also 60
Dissertationen! Sie sind aufgelistet in: Bekefi Emlekkönyv [Bekefi-Festschrift]. Budapest
1912, 35-37.
9
Nachwelt deu Wert dieser Dissertationsreihe geringschätzte4 , können wir
uns aus heutiger Sicht dieser Meinung nicht anschließen5 .
Eine umfassende ungarische Kulturgeschichte hat dann der Nachfolger
Bekefis, Sandor Domanovszky, während des Zweiten Weltkriegs in fünf
Banden herausgegeben. Die zwei ersten Bände dieses noch heute sehr
nützlichen Werkes behandeln das Mittelalter6 . Die besten damaligen Historiker
haben die einzelnen Kapitel verfaßt. Eigentlich ist es keine Kulturgeschichte,
sondern der Großteil der Abhandlungen befaßt sich mit sozialund
wirtschaftsgeschichtliche Fragen; es wird jedoch auch die Literatur-,
die Kunst- sowie die Musikgeschichte berücksichtigt. Ferner findet man
Beiträge zur Geschichte des Schulwesens und der Bekleidung. Auch kann
man Elemente der Alltagsgeschichte in diesem monumentalen Werk finden,
sie ist allerdings nicht umfassend behandelt. Für unsere Anliegen sind die
Abbildungen von größter Bedeutung. Mit der Auswahl zeitgenössischer
Illustrationen wurde der hervorragende Museumsfachmann Elemer Varju
betraut. Die Bilder beziehen sich zwar auf den Text des Werkes nur in
geringem Maße, bieten aber eine zusammenhängende Darstellung des mittelalterlichen
Lebens aus Bildquellen.
Zur Entfaltung der ungarischen realienkundliehen Forschung trugen
diese von Varju zusammengestellten Illustrationen, die jeweils auch mit
einer wissenschaftlichen Beschreibung versehen sind, in besonderer Weise
bei. Er hat in geringerem Maße auch archäologisches Material verwendet.
Erst die neue Disziplin der Mittelalterarchäologie erkannte aber schließlich
selbst die Wichtigkeit der Archäologie für die Alltagsforschung. Epochale
Bedeutung hatte das von Kaiman Szab6 1938 zweisprachig (ungarisch
und deutsch) veröffentlichte Buch „Kulturgeschichtliche Denkmäler
der ungarischen Tiefebene“7. Er behandelte die in der Umgebung der
Stadt Keeskernet durchgeführten Ausgrabungen und publizierte die Ergebnisse
unter Berücksichtigung der kulturgeschichtlichen Aspekte. Die
4 Vgl. Emma Lederer, A magyar polgari törtenetiras rövid törtenete !Kurze Geschichte
der ungarischen bürgerlichen Geschichtsschreibung]. Budapest 1969, 72-74.
5 Derartige Interpretationen einzelner Quellen kann man auch in der modernen Geschichtsschreibung
finden, vgl. z. B. Die Funktion der schriftlichen Quelle in der Sachkulturforschung
(Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterli 1 = Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Klasse 304/4) Wien 1976.
6 Magyar Müvelödestörtenet I-V, hg. von Sandor Domanovszky. Budapest o. J.
1 Kaiman Szabo, Az alföldi magyar nep müvelödestörteneti emlekei. Budapest 1938.
10
Beschreibungen der Sachgüter des mittelalterlichen ungarischen Dorfes,
bei denen er Resultate der ethnographischen Forschung mit einbezog, sind
auch heute noch relevant. 1943 wurde das Ergebnis der Ausgrabung des
spätmittelalterlichen Friedhofs von Csut durch Laszl6 Gerevieh veröffentlicht.
Es gelang ihm unter Berücksichtigung kunsthistorischer Parallelen,
die spätmittelalterliche dörfliche Tracht zu rekonstruieren8 . Den wichtigsten
Beitrag der Archäologie zur Alltagsforschung lieferte vor 1945 Gyula
Laszl6, der das Leben der landnehmenden Ungarn in einem umfangreichen
Band analysierte9. Die drei erwähnten archäologischen Werke sind besonders
methodologisch sehr wichtig, da sie bewiesen, daß die Archäologie unentbehrliche
Mittel zur Erforschung des Alltagsleben liefern kann. Dafür
ist jedoch interdisziplinäre Arbeit erforderlich, und die drei Archäologen
bezogen auch ethnographische und kunstgeschichtliche Forschungen in ihre
Arbeit mit ein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg machte die Erforschung des Alltagsleben
und der materiellen Kultur zuerst große Fortschritte. Wichtiges neues
Material brachten die Ausgrabungen und Forschungen von Istvan Meri
für die Geschichte der Dorfkultur10. Die Ausgrabungen von Laszl6 Gerevich11
und die Arbeiten seiner Mitarbeiter12 bereicherten unser Wissen
8 Laszlo Gerevich, A csuti közepkori sirmezö [Das mittelalterli In: Budapest Regisegei 13 (1943) 103-166.
9 Gyula Laszlo, A honfoglalo magyar nep elete [Das Leben des landnehmenden ungarischen
Volkes). Budapest 1944 (Neudruck 1988).
10 Von den vielen wichtigen Arbeiten Meris seien hier aus Platzgründen nur zwei
erwähnt, nämlich Istvan Meri, Beszamolo a Tiszalök-razompusztai es Turkeve-morici
asatasok eredmenyeröl [Bericht über die Ausgrabungen von Tiszalök-Razom und Turkeve-
Moric). In: Archaeologiai Ertesitö 79 (1952) 49-67; ebd. 81 (1954) 138-154; ders.,
Arpad-kori nepi epitkezesünk feltart emlekei Oroshaza hataraban [Die ausgegrabenen
Denkmäler unserer Volksarchitektur der Arpadenzeit in der Umgebung von Oroshaza).
Budapest 1964.
11 Wichtig sind seine Forschungen in der Innenstadt von Buda und im Königspalast:
Laszlo Gerevich, Gotikus hazak Budan [Gotische Häuser in Buda). In: Budapest
Regisegei 15 (1950) 1 21-238; ders., A budai var feltarasa [Die Erforschung der Budaer
Burg]. Budapest 1966.
12 Schon 1952 veröffentlichten Gerevieh und seine Mitarbeiter wichtige Vorberichte zu
den Ausgrabungen in der Budaer Burg. Vgl. Archaeologiai Ertesitö 79 (1952) 150-
190 (Abhandlungen von Gerevich, Korne! Seit!, Imre Holl, Herta Bertalan). Besonders
wichtig sind die Arbeiten von Imre Holl, der sich nicht nur mit der Hauptstadt, sondern
11
über die materielle Kultur des Königshofes und der Städte. Da die Mittelalterarchäologie
gerade in den letzten Jahrzehnten eine breite Entwicklung
durchmachte, ist es uns hier nicht möglich alle Ergebnisse aufzuzählen13 .
Auch die Geschichtswissenschaft begann sich stärker für die Geschichte
der materiellen Kultur zu interessieren. Die seit 1958 erscheinende Zeitschrift
Törtenelmi Szemle [Historische Zeitschrift] hat anfangs jährlich auf
Grund der Initiative von Laszlo Makkai ein Heft zu Forschungen über
die materielle Kultur herausgegeben. Somit bestand die Möglichkeit, daß
Vertreter verschiedener Wissenschaftszweige Studien zum gleichen Thema
veröffentlichten und dadurch erste Schritte zur interdisziplinären Zusammenarbeit
machen konnten 14. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht weiter
fortgesetzt.
Auch die Ethnographie beschäftigte sich natürlich sehr intensiv mit
der materiellen Kultur und mit dem Alltagsleben, ihr Interesse galt aber
hauptsächlich rezentem Material, obzwar es einige Ethnographen gibt, die
das Mittelalter nicht unberücksichtigt lassen15. So konnte 1952 Marta
auch mit der Stadt Sopron [Ödenburgj und mit verschiedenen Dörfern beschäftigt. Er ist
ferner der beste Kenner der ungarischen Keramik. Aus Platzmangel kann ich nur zwei
Arbeiten von ihm erwähnen: Imre Roll, Sopron im Mittelalter. In: Acta Archaeologica
Academiae Scientiarum Hungaricae 31 (1979) !05-145; Imre Roll- Nandor Paradi, Das
mittelalterlime Dorf Sarvaly. Budapest 1982.
13 Siehe den Sammelbericht: Imre Holl, Mittelalterarmäologie in Ungarn 1946-1964.
In: Acta Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 22 ( 1970) 365-411. – Die
Ergebnisse sind ferner in zwei Tagungsbänden zusammengefaßt: Közepkori regeszeti
tudomanyos ülesszak [Wissenschaftliche Tagung der Mittelalterarmäologiej, hg. von
Emese Nagy (Regeszeti füzetek II/14) Budapest 1971; Közepkori regeszetünk ujabb
eredmenyei es idöszerü feladatai [Neuere Ergebnisse und aktuelle Fragen der Mittelalterarchäologie
in Ungarn], hg. von Istvan Fodor und Laszlo Selmeczi. Budapest 1985.
14 Es handelt sich um folgende Hefte: Törtenelmi Szemle 1/3-4 (1958); ebd. 3/1 (1960);
ebd. 4/1 ( 1961 ). Die meisten darin veröffentlichten Abhandlungen behandeln zwar die
Neuzeit, es sind aber auch mittelalterlime Themen berücksichtigt. – Später wurde auch
eine eigene technikgeschichtliche Rundschau herausgegeben (Technikatörteneti Szemle ) .
15 Ich kann nur einige Bücher erwähnen: Tamas Hoffmann, Neprajz es feudalizmus
[Ethnographie und Feudalismus]. Budapest 1975; Istvan Talasi, Neprajzi tanulmanyok,
irasok [Ethnographische Abhandlungen, Schriften]. Budapest 1979 f.; Klara K. Csillery,
A magyar nepi lakaskultura kialakuhisanak kezdetei [Anfänge der ungarischen volkstümlichen
Wohnkultur]. Budapest 1982; Ivan M. Balassa, A paraszthaz evszazadai. A
magyar lakohaz közepkori fejlödesenek vazlata [Jahrhunderte des Bauernhauses. Eine
Skizze der mittelalterlimen Entwicklung des ungarischen Wohnhauses]. Bekescsaba
12
Belenyesy die Arbeitsgemeinschaft „Unsere materielle Kultur im 15. Jahrhundert“
gründen. Es war an eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gedacht.
Die meisten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft waren in den Fünfzigerjahren
stellungslose Forscher, hauptsächlich wissenschaftlich hochqualifizierte
Mitglieder aufgehobener Mönchsorden. Sie forschten in den Archiven
nach für die Geschichte der materiellen Kultur wichtigen Quellen
(z. B. Inventare, Rechnungen usw.) und kopierten sie für die Arbeitsgemeinschaft.
Es entstand eine sehr umfangreiche Materialsammlung. Wir
wissen darüber, weil Belenyesy einige dieser Quellen durch ihre Erforscher
publizieren ließ; sie selbst schrieb eine Studie, in der sie die Quellen auswertete16.
Belenyesy war eine hervorragende Historikerin17• Es ist zu bedauern,
daß sie sich von der wissenschaftlichen ·Arbeit zurückgezogen hat.
1985; Jenö Barabas- Nandor Gilyen, Magyar nepi epiteszet [Ungarische Volksarchitektur].
Budapest 1987. – Wichtig ist auch für den Mittelalterforscher das neue ungarische
ethnographische Lexikon: Magyar Neprajzi Lexikon 1-V. Budapest 1977-1982.
16 Marta Belenyesy, Anyagi kulturank a XV. szazadban: A munkaközösseg öt eve
[Unsere materielle Kultur im 15. Jahrhundert: fünf Jahre der Arbeitsgemeinschaft].
In: Agrartörteneti Szemle 1 (1957) 73 f. Ein Beispiel ihrer Methode: Drei Mitarbeiter
der Arbeitsgemeinschaft veröffentlichten je eine Quelle und sie führte dazu eine
Interpretation durch – Ferenc Oszvald, Jenei Ferenc gazdasagi hagyateka 1480-1500
[Der wirtschaftliche Nachlaß von Ferenc Jenei 148Q-1500]. In: Agrartörteneti Szemle
1 (1957) 15 ff.; Ja.nos Vidor Pataki, Vasmegyericsei karbecsles 1520 [Schadenschätzung
von Vasmegyericse 1520]. In: ebd. 17-26; Antal Fekete Nagy, A szenyeri uradalom
urbariuma 1524 [Urbar der Herrschaft Szenyer 1524]. In: ebd. 26-36; Marta Belenyesy,
Harom XV.-XVI. szazadi irat mezögazdasagi vonatkozasai lAgrargeschichtliche Beziehungen
aus drei Akten aus dem 15.-16. Jahrhundert]. In: ebd. 36 f. Ein anderes
Beispiel: Marta Belenyesy, A XV.-XVI. szazadi jobbagy-összeirasokr61 mint a paraszti
gazdasag es haztartas egyes formainak statisztikai ertekü forrasair61 [Über die HörigenKonskriptionen
des 15.-16. Jahrhunderts als Quellen mit statistischem Wert für die
bäuerliche Wirtschaft und den bäuerlichen Haushalt]. In: Ethnographia 74 (1963) 493;
Ferenc Oszvald, Adatok a paraszti gazdalkodas termelesi szervezetehez – a munkaerö
igenybevetelevel- egy nagy uradalomban, 1525-ben [Angaben zur Produktionsorganisation
der bäuerlichen Wirtschaft – mit Inanspruchnahme der Arbeitskraft – in einer
großen Herrschaft im Jahr 1525]. In: ebd. 494-500. (Oszvald edierte die Quelle, die
von Belenyesy interpretiert wurde.)
1 7 Einige der wichtigsten Arbeiten: Marta Belenyesy, A földmüveles fejlödesenek alapvetö
kerdesei a XIV. szazadban [Die grundlegenden Fragen der Entwicklung der Landwirtschaft
im 14. Jahrhundert]. In: Ethnographia 65 (1954) 387-415, 57-98; dies.,
A földmüveles Magyarorszagon a XIV. szazadban [Die Landwirtschaft in Ungarn im
14. Jahrhundert]. In: Szazadok 90 (1956) 517-555 (die beiden Studien geben zusammen
13
Hinzu kommt, daß wir nicht wissen, wo sich das umfangreiche gesammelte
Material der Arbeitsgemeinschaft heute befindet.
·
Wir können zwar nicht behaupten, daß es in den letzten zwanzig Jahren
im ungarischen Raum kein Interesse für die Geschichte der mittelalterlichen
materiellen Kultur und für die Alltagsgeschichte dieser Zeit gegeben
hat18, solche Ansätze zu interdisziplinärer Zusammenarbeit wie nach dem
Zweiten Weltkrieg sehen wir heute jedoch nicht. Es gibt einige Historiker,
Archäologen, Ethnographen usw., die die Ergebnisse einer Nachbarwissenschaft
benützen19, eine institutionelle Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen
wissenschaftlichen Disziplinen existiert gegenwärtig aber nicht.
Es gibt keinen Zweifel darüber, daß die Quellen zur Geschichte der
materiellen Kultur des Mittelalters aus drei Gruppen bestehen. Schriftliche
Quellen, zeitgenössische Abbildungen und schließlich die noch erhaltenen
Sachgüter geben nur zusammen ein einheitliches Bild der Alltagsgeschichte20.
Das bedeutet, daß man ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit
nur zu Teilergebnissen kommen kann21. Die vom Institut für miteine
umfassende Monographie der Landwirtschaft und des Lebens der Bauern in Ungarn
im 14. Jahrhundert); dies., Közepkori mezögazdasagtörtenetünk kutatasi modszereiröl
[Über die Forschungsmethoden der mittelalterli 1957.
1 8 Vgl. z. B. Laszl6 Zolnay, Kincses Magyarorszag. Közepkori müvelödesünk törteneteböl
[Schätzereiches Ungarn. Aus der Geschichte unserer mittelalterli 1977; Hogyan eltek elödeink? Fejezetek a magyar müvelödes törteneteböl. [Wie
haben unsere Vorfahren gelebt? Kapitel aus der Geschichte unserer Kultur), hg. von
Peter Hanak. Budapest 1980; Andras Kubinyi, Die Rolle der Archäologie und der
Urkunden bei der Erforschung des Alltagslebens im Spätmittelalter. In: Etudes historiques
hongroises publiees a l’occasion du XVI• Congres International des Seiences
Historiques par Je Comite National des Historiens Hongrois I. Budapest 1985, 615-
644; Müvelödestörteneti tanulmanyok a magya.r közepkorr61 [Kulturgeschichtliche Abhandlungen
über das ungarische Mittelalter), hg. von Erik F ügedi. Budapest 1986;
Magyar reneszansz udvari kultura [Ungarische höfische Renaissance-Kultur), hg. von
Agnes R. Varkonyi. Budapest 1987.
19 Vgl. die in den vorgehenden Anmerkungen erwähnten Werke.
20 Vgl. z. B. Harry Kühnel, Vorwort. In: Das Leben in der Stadt des Spätmittelalters
(Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterli Ak. Wien, phil.-hist. Klasse 325) Wien 1977, 5 f.
21 Andras Kubinyi, Die Rolle interdisziplinärer Forschung für die mittelalterliche Realienkunde.
In: Die Erforschung von Alltag und Sachkultur des Mittelalters (Veröffentlichungen
des Instituts für mittelalterli 14
telalterliehe Realienkunde Osterreichs in Krems organisierten Kongresse
bzw. Round-Table-Gespräche beweisen die Nützlichkeit dieser interdisziplinären
Zusammenarbeit22.
Die Geschichte des mittelalterlichen Alltags beschäftigt mich seit ungefahr
25 Jahren. 1964 publizierte ich die Bearbeitung des Haushaltsrechnungsbuches
eines reichen Bürgers von Buda aus dem Jahr 152523•
Bei meiner Arbeit im Budapester Historischen Museum ist mir besonders
aufgefallen, daß das bei den städtischen Ausgrabungen gefundene
archäologische Material über die mittelalterliche Sachkultur nicht dasselbe
Bild zeigt, wie das erwähnte Rechnungsbuch und andere Quellen. Mein Interesse
für die Geschichte der materiellen Kultur führte mich dazu, an der
Universität von Budapest, wo ich seit 1978 Mittelalterarchäologie lehre, regelmäßig
zwei Semester lang Vorlesungen über die materielle Kultur zu halten,
um das Interesse der Studenten für jenes Forschungsgebiet zu wecken.
So konnte ich im Rahmen dieses Themenbereiches mehrere Diplomarbeiten
bzw. Dissertationen vergeben24.
Ich hoffe, daß ich imstande sein werde, meinen Lehrstuhl für Mittelalterarchäologie
zur zentralen Stelle der mittelalterlichen Alltagsforschung
in Ungarn auszubauen. Dazu können zum einen meine Mitarbeiter und
Studenten viel beitragen, zum anderen müssen wissenschaftliche Tagungen
stattfinden. Der vorliegende Beitrag war der Eröffnungsvortrag der ersten
von uns organisierten interdisziplinären Konferenz. Innerhalb derselben
haben Archäologen, Ethnographen und Kunsthistoriker Beiträge zur Alltagsforschung
geliefert. Ich selbst habe mich einigen Fragen hinsichtlich
schriftlicher Quellen gewidmet.
phil.-hist. Klasse 433) Wien 1984, 45-52. Siehe auch die anderen Abhandlungen im
erwähnten Band.
22 Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterlidte Realienkunde Österreichs 1-13.
Wien 1976-1990.
23 Andras Kubinyi, A mezögazdasäg törtenetehez a Mohäcs elötti Budan. Gallinczer
Lenart szämadäskönyve 1525-böl (Zur Geschichte der Landwirtschaft in Buda vor der
Schlacht von Mohacs. Das Rechnungsbuch von Leonard Gallinczer von 1525]. In:
Agrartörteneti Szemle 6 (1964) 371–404.
24 Ich erwähne nur zwei: Sändor Petenyi schrieb eine Diplomarbeit über mittelalterliches
Spielzeug, und Katalin Szende, A soproni polgarsag anyagi kulturaja a kesö
közepkorban (Die materielle Kultur der Bürgerschaft von Sopron im Spätmittelalter].
Diese Arbeiten liegen in der Archäologischen Bibliothek der Universität Budapest auf.
Beide ehemaligen Studenten erweitern jetzt diese Abhandlungen zu Dissertationen.
15
In den archivalischen Quellen finden wir viele Angaben zu materieller
Kultur und Alltagsleben. In großer Zahl sind besitzrechtliche Urkunden
erhalten, die von großer Bedeutung für die Erforschung der Siedlungsgeschichte
sind25. Die Teilung einer Burg oder eines Schlosses gibt
uns Anhaltspunkte zur Erforschung der Wohnverhältnisse26, und wenn
das Schloß archäologisch erforscht wurde, kann man die beiden Quellengattungen
gemeinsam interpretieren, wie z. B. im Falle der am Ende des
15. Jahrhunderts verfaßten Teilungsurkunde des Schlosses ( castellum) der
Familie V aradi in Batmonostor27.
Für uns sind auch gerade Untersuchungen über Fälle von Gewalttätigkeiten
sehr wichtig. Dabei kann man das tägliche Leben plastisch kennenlernen:
z. B. wenn Hanf und Flachs waschende Frauen angegriffen wurden28
, oder wenn in einem Wirtshaus Raufereien entstanden29 . Natürlich
ist hier quellenkritisch anzumerken, daß der Wert der Gegenstände wohl
meist überhöht angegeben wird.
Die wichtigsten Quellen sind Testamente, Inventare und Rechnungen,
deren Anzahl für den mittelalterlichen ungarischen Raum jedoch sehr klein
ist. Wie ich bereits einleitend erwähnte, dürfen wir allerdings nicht davon
ausgehen, daß die erwähnten Quellen ein umfassendes Bild über die Sachkultur
jener Personen geben, deren Besitz sie anführen. Horst Löbert, der
1980 den Befund einer Göttinger Abfallgrube publizierte, konnte nachwei-
25 Vgl. Laszl6 Solymosi, A helytörtenet fontosabb közepkori forrasainak kutatasa es
hasznositasa [Die Erforschung und Benützung der wichtigsten Quellen der mittelalterlichen
Lokalgeschichte). In: Törtenelmi Szemle 18 (1976) 123-155.
26 Vgl. Erik Fügedi, Castle and Society in Medieval Hungary {1000-1437) (Studia
Historica Academiae Scientiarum Hungaricae 187) Budapest 1986, 82, 116 ff.
27 Die Teilungsurkunde stammt aus dem Jahr 1498: Ung. Staatsarchiv, Collectio Antemohacsiana
(in der Folge : Dl.) 88825; Piroska Bicz6, R.egeszeti kutatasok a közepkori
Batmonostar területen [Archäologische Forschungen auf dem Gebiet der mittelalterlichen
Ortschaft Batmonostor). In: Müemlekvedelem 25 {1981) 104-108; siehe auch
Kubinyi (wie Anm. 18) 621 f.
28 Dl. 20121 {1493).
29 Andras Kubinyi, Bäuerlicher Alltag im spätmittelalterlidlen Ungarn. In: Bäuerliche
Sachkultur des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterlid!.e
Realienkunde Österreichs 7 = Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Klasse 439) Wien 1984, 261
f. – Eine weitere Angabe über eine Dorfschenke: Dl. 15953 {1464). Seltener sind
solche Schadensschätzungen erhalten, in welchen die einzelnen, von Bauern geraubten
Gegenstände mit ihrem Wert angeführt sind. Vgl. z. B. Kubinyi (wie Anm. 18) 636 ff.
16
sen, daß die in den schriftlichen Quellen angeführten Sachgüter und das
Ergebnis der Ausgrabungen nicht konform sind30. Meine Untersuchungen
bewiesen vor einigen Jahren dasselbe Phänomen31 . Die schriftlichen Quellen
erwähnen nur die Sachgüter über einer gewissen Wertgrenze, wobei
sich diese entsprechend der sozialen Stellung der Besitzer verändert. Dies
zeigt sich insbesonders in den Testamenten und Inventaren. Gefäße aus
Holz und sogar solche aus Zinn oder Blei werden z. B. bei Adeligen nicht
oder selten angeführt, in bürgerlichen Inventaren kommen sie häufiger vor.
Tontöpfe treten dagegen auch in den letzteren sehr selten auf. Archäologen
finden gerade solche Gegenstände aus den genannten Materialien, obwohl
sie in den schriftlichen Quellen fehlen32.
Wie bereits erwähnt, kann man die mittelalterliche Sachkultur nur mit
Hilfe interdisziplinärer Zusammenarbeit rekonstruieren. Dazu kommt aber
eine Schwierigkeit: die bei der Beschreibung der Gegenstände verwendete
Terminologie. Der Archäologe muß den meist fragmentarisch ausgegrabenen
Gegenstand bestimmen. Er soll also wissen, wofür man diesen benutzt
und wie man ihn benannt hat. Da kann die ethnographische Forschung –
besonders bei Metallgegenständen- helfen. Der Vergleich des Gegenstandes
mit den in den schriftlichen Quellen erwähnten Sachgütern erweist sich
allerdings als schwierig. Natürlich stellt sich dieses Problem ebenso für
den Historiker, der schriftliche Quellen behandelt. Es kann nämlich nicht
davon ausgegangen werden, daß die lateinische Terminologie der Quellen
mit der klassischen Bedeutung übereinstimmt. Weiters wird die Lage dadurch
kompliziert, daß die wirkliche Bedeutung des Wortes oft auch dem
Verfasser der Quelle n􀇃_cht bekannt war, weswegen er etwa im lateinischen
Text eine ungarische Ubersetzung des Wortes angab oder neben dem lateinischen
Wort auch das ungarische nannte. Aus solchen Angaben haben
Szamota und Zolnai das Wörterbuch der in den Urkunden vorkommenden
ungarischen Wörter zusammengestellt33. Das genannte Phänomen ist
30 Horst Löbert, Das keramische Inventar einer Abfallgrube des 16. Jahrhundert aus
Göttingen. Studien zum Handel, zur Funktion und zur sozialgeschichtlichen Interpretation
frühneuzeitlicher Keramik. In: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters 8 (1980)
7-45.
31 Kubinyi (wie Anm. 18) 617.
32 Ebd. 627-643. – Die in Anm. 24 zitierte Diplomarbeit meiner Schülerin Szende
verglich die bürgerlichen Testamente der Stadt Sopron mit dem dortigen archäologischen
Material und kam zum gleichen Ergebnis.
33 Magyar oklevel-sz6tar. Regi oklevelekben es egyeb iratokban elö!ordul6 magyar sz6k
17
vielleicht das wichtigste Hilfsmittel für die Rekonstruktion der Bedeutung
ungarischer Wörter. Man muß dennoch vorsichtig sein, denn es ist möglich,
daß der Schreiber auf Grund seiner Verständnisprobleme von lateinischen
Begriffen die „vulgo“ -Form nicht wirklich sicher wußte. Damit können
auch falsche Interpretationen gemeingültig werden.
Mit Hilfe der mittelalterlichen Wörterverzeichnisse und Glossare können
wir etwas exaktere Ergebnisse erhalten. Aus diesen Quellen haben
vor einigen Jahren J . Bemir und S. Karoly ein mittelalterliches ungarisches
Wörterbuch zusammengestellt34• Jenes sehr nützliche Hilfsmittel
gibt aber leider nur die Bedeutung der altungarischen Wörter an; es fehlen
die lateinischen und – besonders wichtig für die Städte – die deutschen
Wörter. Vom Lexicon Latinitatis Medii Aevi Hungariae ist bisher nur der
erste Band erschienen35 , so daß wir noch immer das veraltete ungarische
mittellateinische Wörterbuch von Bartal benützen müssen36•
Die Interpretationen von Begriffen, wie sie in den heute vorliegenden
Nachschlagewerken auftreten, entsprechen nicht immer der mittelalterlichen
Bedeutung. Ich kann hierfür zwei Beispiele anführen. Das Wort horreum
bedeutete im ungarischen Mittelalter meist nicht die Scheuer, sondern
die Tenne, den Schoberhof, wie es T. Hoffman nachgewiesen hat37•
Nach dem Kontext der Urkunden kann man die bicellus genannte Waffe
sehr schwer bestimmen. Nach der Meinung einiger Forscher soll es ein
Schlachtbeil, nach anderen ein Dolch gewesen sein. Mit Hilfe zeitgenössischer
Abbildungen und des archäologischen Materials konnte man den
bicellus als Dolch identifizieren38•
Mit terminologischen Schwierigkeiten sind jedoch natürlich nicht nur
gyüjtemenye. Lexicon vocabulorum Hungaricorum in diplomatibus aliisque scriptis
quae reperiri possunt vetustorum, ed. Istvan Szamota und Gyula Zolnai. Budapest
1902-1906 (Neudruck 1984).
34 Regi magyar glosszarium. Szotarak, szojegyzekek es glosszak egyesitett szotara [Altungarisches
Glossar. Vereinigtes Wörterbuch der Wörterbücher, Wörterverzeichnisse
und Glossen], hg. von Jolan Berrar und Sandor Karoly. Budapest 1984.
35 Lexicon Latinitatis Medii Aevi Hungariae. A magyarorszagi közepkori latinsag
szotara, Vol. I. Fase. 1-2. Budapest 1987 f.
36 Antonius Bartal, Glossarium mediae et infimae latinitatis regni Hungariae. LeipzigBudapest
1901 (Neudruck 1983).
37 Tamas Hoffman, Horreum – szerü – csür? ]Horreum – Tenne – Scheuer?] In: Ethnographia
70 (1959) 171-206.
38 Andras Kubinyi, Bicellus- Adatok egy közepkori fegyverfajta meghatarozasahoz [Bi-
18
die ungarischen Forscher konfrontiert39• Es wäre daher sehr nützlich, eine
internationale Terminologie der mittelalterlichen Sachgüter in interdisziplinärer
Kooperation zu erarbeiten.
Im Folgenden behandle ich einige Aspekte des mittelalterlichen Alltagslebens
hauptsächlich auf der Grundlage schriftlicher Quellen. Ich beginne
mit der Ernährung. Die Ergebnisse der archäologischen Forschung
können in dieser Hinsicht sehr aufschlußreich sein, da die bei den Ausgrabungen
gefundenen Tierknochen40 bzw. Körner41 Anhaltspunkte zur Rekonstruktion
der mittelalterlichen Speisegewohnheiten geben. Für frühere
Perioden sind solche archäologisc􀁴en Funde fast die einzige Quelle zur
Geschichte der Ernährung. Eine Anderung der Essensgewohnheiten ungefähr
an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert kann mit Hilfe der
Archäologie festgestellt werden. Die seit dem 10. Jahrhundert in Ungarn
stark verbreiteten Tonkessel verschwinden in dieser Zeit. Solche Kessel
wurden zum Kochen entweder über dem Feuer aufgehängt oder auf einen
eisernen Dreifuß gestellt42.
Größer ist die Zahl der erhaltenen spätmittelalterlichen Rechnungen,
die genaue Anmerkungen über die für die Ernährung verwendeten Ausgaben
liefern. Abgesehen von den Eigenprodukten, die in den Rechnungen
nicht genannt werden, können viele Speisen rekonstruiert werden. Leider
sind jene Angaben im Gegensatz zur Neuzeit in den Quellen meist sehr
summarisch abgefaßt. Kochbücher aus dieser Zeit sind nicht erhalten. Die
Rechnungen der Grundherrschaften sind nur teilweise verwendbar, da die
cellus – Angaben zur Bestimmung einer mittelalterli Regisegei 23 (1973) 189-193.
39 Vgl. die Diskussionen beim Internationalen Round-Table-Gespräch in Krems 1982:
Die Erforschung von Alltag und Sachkultur (wie Anm. 21).
40 Das in Ungarn gefundene Material ist zusammengestellt und interpretiert bei Sandor
Bökönyi, History of Domestic Mammals in Central and Eastern Europe. Budapest
21988; Janos Matolcsi, Alattartas öseink koraban [Viehhaltung in der Zeit unserer Vorfahren).
Budapest 1982. Im Anhang archäologischer Veröffentlichungen werden auch
oft die dabei gefundenen Tierknochen analysiert, vgl. z. B. Janos Matolcsi, Tierknochenfunde
von Sarvaly aus dem 15.-16. Jahrhundert. In: Holl – Paradi (wie Anm. 12)
229-253.
41 Sehr interessante Ergebnisse brachte z. B. G. Facsar, Agricultural-Botanical Analysis
of the Medieval Grape Seeds from Buda Castle Hili. In: Mitteilungen des Archäologischen
Instituts der Ungarischen Akademie der Wissenschaften 4 (1973) 157-173.
42 Miklos Takacs, Die arpadenzeitlichen Tonkessel im Karpatenbecken. Budapest 1986.
19
herrschaftliche Küche hauptsächlich mit Lebensmitteln aus eigener Produktion
versorgt wurde.
Wir können dennoch feststellen, daß der spätmittelalterliche Mensch
in Ungarn unabhängig von seiner sozialen Stellung täglich zwei Mahlzeiten
zu sich nahm: am Vormittag das prandium, abends die cena. In Quantität
und Qualität gab es keinen Unterschied zwischen den beiden Mahlzeiten43.
In seltenen Fällen gab es offenbar noch weitere Mahlzeiten, da
mittelalterliche Wortverzeichnisse auch das Frühstück nennen44 – das ungarische
Wort dafür war das aus dem Deutschen übernommene Fölöstököm (Frühstück)45 – und das Vesperbrot. Letzteres nennen die Glossare meist
antecenium und – wie das Gyöngyöser Wörterbuchfragment erläutert –
cibus: qui ante cenam simitur46• Es war also ein Nachmittagsessen. In
den Rechnungen kommen diese beiden Mahlzeiten fast nie vor, sie müssen
also sehr selten gewesen sein. Man findet höchstens eine prelibatio, die
anscheinend auch ein Frühstück war und wofür nur wenig Geld ausgege-
43 Eszter Kisban, Az etkezesek napi rendjenek ujkori atalakuhi.sa, az ebed [Die neuzeitliche
Veränderung der Tagesordnung des Essens, das Mittagessen]. In: Magyar Nyelv
71 (1975) 177-185; vgl. auch Kubinyi (wie Anm. 23) 389.
44 Berrar-Käroly (wie Anm. 34) 252.
45 Die Wortverzeichnisse geben es lateinisch mit den Begriffen cenaculum, gentaculum,
ientaculum, parandiculum, prandiolum wieder.
46 Ebd. 731. – Das ungarische Wort war damals und ist noch heute Uz$onna. Neben
antecenium kommen noch die Benennungen ob.tenium und merenda vor. Merenda ist
auch deswegen interessant, weil es in den mittelalterlidlen Wörterbüchern auch bei
einem anderen Begriff auftritt. Beim Wort Etek [Speise] kann man nämlich miue.tnek
valo etek lesen, das lateinisch merenda bedeutet. Ins Deutsche sind die erwähnten drei
ungarischen Wörter als „Speise für die Handwerker“ zu übersetzen (ebd. 207). Diese
Übersetzung des Wortes merenda kann man zweifach erklären: 1) Das Meistermahl,
das ein neuer Meister seinen Kollegen geben mußte, war nicht immer ein prandium oder
eine cena (siehe Anm. 64). Es ist kein Zufall, wenn z. B. der deutsche Zunftbrief der
Preßburger Schneider vom neuen Meister den Brudern 1 virtel wein vnd ain vntarn nach
.teinem vermugen geben läßt. (Janos Kiraly, Pozsony varos joga a közepkorban [Das
Recht der Stadt Preßburg im Mittelalter]. Budapest 1894, 430); 2) Die Handwerker aßen
in einigen Fällen viermal täglich. Das ist zwar sehr selten belegt – fast alle Rechnungen
und anderen Quellen erwähnen nur die zwei Mahlzeiten -, die Stadt Sopron [Ödenburg]
zahlte aber z. B. einem Ziegelmeister im Jahr 1504 elfTage lang viermall zu eHen (Jenö
Hazi, Sopron szabad kiralyi väros törtenete 11/5 [Geschichte der königlichen Freistadt
Sopron]. Sopron 1938, 159).
20
ben wurde47. Mit prelibatio kann schließlich vielleicht auch die Nachricht
über zwei Preßburger Chorherren in Zusammenhang gebracht werden, die
während einer Reise im Sommer vor der Prandiumszeit Bier getrunken
haben48• Gäste erhielten- wenn sie nicht zum Essen gekommen warenmeist
nur Wein und etwas Brot oder Semmeln49• Es gibt Belege dafür, daß
vor dem Schlaf – und nach der cena – ad bonam noctem Wein getrunken
wurde50•
Auffallend ist, daß kein Unterschied der Essensgewohnheiten zwischen
Stadt- und Dorfbewohnern, zwischen Deutschen und Ungarn nachweisbar
ist. Da unsere ausführlichsten Quellen zum einen über einen deutschen
47 Meist trinkt man Wein zur prelibatio; vgl. z. B. Dl. 26363 {1459) und Dl. 104125
(1502). Es finden sich aber auch Angaben, daß dabei gespeist wurde: So bekam z. B. der
Woiwode Sehestyen Rozgonyi im Jahr 1459 einmal ante prandium ad prelibationem
Eier, Salat mit Öl, Brot und Semmeln, ferner zwei Pinten Wein (Dl. 26363). Es scheint
sich damit also um ein Frühstück zu handeln. Aber auch das Meistermahl konnte eine
prelibatio sein (siehe Anm. 64).
48 [Nador Knauz,) Közepkori olcs6sag [Mittelalterli (1863) 222. -In deren Rechnung kommen auch gelegentlich andere Mahlzeiten, eigentlich
Imbisse, vor. Als sie in der Früh aufbrachen, machten die Chorherren z. B. einmal
eine collatio, bei der sie Rettich und Brot aßen und Wein tranken (ebd. 222 f.). Beim
zweiten Mal nannten sie es gentaculum; wir wissen aber nicht, was sie dabei gegessen
haben (ebd. 223). Weiters nahmen sie einmal morgens -vor dem prandium- propter
repellere Malum aerem Rettich, gedörrte Feigen, Wein und Nüsse zu sich (ebd. 226).
Seltener finden wir in der Rechnung Angaben, die sich auf Speisen zwischen prandium
und cena beziehen. Genannt wird: Obst mit Wein (ebd. 222), Obst mit Bier und Wein
(ebd. 223), nochmals Obst mit Wein (ebd. 224) usw. Es scheint also, daß man ein eigentliches
Frühstück nur dann gegessen hat, wenn man sehr früh aufgestanden ist. Sonst
erfolgte das Mittagessen (das prandium) um 10 Uhr [vgl. Kisban (wie Anm. 43} 181 f.].
Zwischen Mittag- und Abendessen speisten die erwähnten Preßburger Chorherren nur
selten und dann nur Obst, dazu tranken sie Wein und manchmal Bier.
49 Vgl. z. B. aus dem Jahr 1520: Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt in Siebenbürgen
I. Kronstadt 1886, 258, 270, 271, 274, 276, 277; aus dem Jahr 1466: Hazi
(wie Anm. 46) 11/4, 267. -Es scheint aber, daß einzelne Gäste – wenn sie kein Mittagbzw.
Abendessen erhielten – oft neben Brot (Semmeln) und Wein auch Fisch vorgesetzt
bekamen, und zwar nicht nur am Freitag und Samstag [vgl. z. B. Hazi (wie
Anm. 46) 11/5, 91 (1491); 130 (1503); 156 (1504); 162 {1505); Quellen zur Geschichte
Siebenbürgens aus sächsischen Archiven I. Hermannstadt 1880, 439 (1506); Quellen zur
Geschichte der Stadt Kronstadt I, 275 (1520)].
50 Dl. 26363 (1459). -Auch in der Rechnung der Preßburger Chorherren kommt einmal
die Ausgabe pernoctando pro vino vor [Knauz (wie Anm. 48) 225).
2 1
bürgerlichen Haushalt in Buda berichten, in dem meist nur die Dienerschaft
zu Hause war5 1 , zum anderen die Reiserechnungen des Verwalters
eines mittelmäßigen Adeligen darstellen, der zusammen mit den Knechten
speiste52, sind diese Speisenfolgen auch für die niederen sozialen Schichten
bezeichnend. Von Montag bis Donnerstag aß man Fleisch und zwar – wahrscheinlich
gekochtes – Rindßeisch und/oder Braten. Letzterer konnte auch
aus Rindßeisch bestanden haben 53 . Die exakte Bedeutung von Braten kennen
wir nicht 54• Das Wort assatura wird nämlich fast immer gemeinsam
mit einem Zahlwort (meist: assaturam unam) verwendet, was bei der Angabe
von Rindßeisch nie auftritt. Zum Fleisch aß man Brot und trank
Wein. Die Weinausgaben variieren zwischen einem Drittel und zwei Drittel
aller für das Essen verwendeten Ausgaben. Am Freitag, am Samstag
und an allen Fasttagen ersetzten Fisch und Krebs das Fleisch. Außer dem
regelmäßig vorkommenden Fleisch bzw. Fisch und Krebs werden häufig
andere Speisen, wie Ei, Kraut, Erbsen und Linsen, genannt. Als Fette
verwendete man Butter und Öl, zum Würzen der Speisen Salz, Pfeffer,
Safran, Kren bzw. Zwiebeln. Milch hat man verhältnismäßig selten benutzt.
Hühner kaufte man im Budaer Haushalt sehr selten und zwar meist
dann, wenn jemand aus der Familie des Hausbesitzers in der Hauptstadt
weilte oder wenn man einen Gast bewirten mußte. (Der Hausbesitzer –
Leonhard Gallintzer – war zur Zeit der Rechnungslegung Burgraf von
Di6s􀇄.yör55 .)
Ahnliehe Kost haben die oben schon erwähnten Preßburger Chorherren
während ihrer Reise gegessen, unabhängig davon, ob sie in den Städten
Buda bzw. Esztergom oder in den Dörfern Solymar bzw. Nyergesujfalu gespeist
haben. Diese Angabe ist wichtig, da wir in ihrem Fall wissen, daß in
51 Ich habe diese Rechnung ausgewertet: Kubinyi (wie Anm. 23) 371-404.
52 Dl. 104125 (1502).
53 Ebd. Es kommt öfters die O$$atura bovina vor. Meist erwähnen die Speiseausgaben
carne$ bovina$ ( bovinale$) und O$$aturam unam zusammen. Ob es etwas zu bedeuten
hat, daß, wenn Rindsbraten gegessen wurde, keine weitere Ausgaben für Rindfleisch in
der Rechnung vorkommen, wissen wir nicht.
54 Die Wörterbücher geben nur den Begriff an. Vgl. Mittellateinis München 1967, Sp. 1050; Lexicon Latinitatis Medii Aevi (wie Anm. 35) I/2, 257.
55 Kubinyi (wie Anm. 23) 372; ders., Die Pemffiinger in Wien und Buda. Ein Beitrag
zu wirtschaftlichen und familiären Verbindungen der Bürgerschaft in den beiden
Hauptstädten am Ausgang des Mittelalters. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte
der Stadt Wien 34 {1978) 81 f.
22
der Rechnung die Ausgaben von zwei Personen verzeichnet wurden. Bei
den Angaben aus anderen Rechnungen ist nicht klar, wie viele Knechte
mitgespeist haben. Durch die Preßburger Chorherrenrechnung ist uns bekannt,
daß in Buda im Jahr 1508 ein Mann für die beiden Mahlzeiten ohne
Wein täglich 5 Denare zahlen mußte56• Dabei handelt es sich anscheinend
um Wirtshauskost. Natürlich war die Kost im eigenen Haushalt viel billiger.
In der Stadt Sopron ist aus den Jahren 1483 bis 1495 etwa eine
Vormundschaftsrechnung erhalten. Der Vormund rechnete für die beiden
Mündel und den als Hauslehrer beschäftigten Studenten pro essen vnd
trynken täglich für eine Person 4 Wiener Denare57. Umgerechnet auf ungarische
Denare sind dies 1,3 Denare. (Zu bedenken ist jedoch, daß es sich
dabei teilweise um Kinderkost handelte.)
Bei den Magnaten war anscheinend die Speiseordnung viel reichhaltiger.
Auch kam es vor, daß die Fastenregel nicht strikt eingehalten wurde
bzw. daß man Fisch nicht nur an Fasttagen aß. Das gleiche Phänomen
ist bei Aristokraten58 und reicheren Adeligen zu beobachten. Gegen Ende
56 Knauz (wie Anm. 48) 223. – Für Wein gaben sie täglich 3 Denare aus (ebd).
57 Hazi (wie Anm. 46) 11/4, 392. – Diese Vormundschaftsrechnung wurde in einer
vorbildlichen Abhandlung analysiert: Karoly Mollay, Soproni elet a 15. szazad masodik
feleben. A Haberleiter-csal:id törtenete [Bürgerliches Leben der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts in Sopron. Geschichte der Familie Haberleiter). In: Soproni szemle
5 (1941) 109-122, 153-172. – Aus dem Jahr 1504 haben wir eine zweite Angabe: die
bereits erwähnte Rechnung der Stadt Sopron, die einem Ziegelmeister viermal täglich
ein Essen bezahlte (siehe Anm. 46). Für die Speisen gab die Stadt täglich 9, für den
Wein 8 Wiener Denare aus. Umgerechnet aufungarische Denare bedeutet dies 3 Denare
für die Speisen und 2,7 Denare für den Wein. Diese Angabe ähnelt also doch mehr den
Budaer Preisen. – Einige Jahre später, 1510, haben wir eine andere Angabe, die sich
auf von der Stadt Sopron bezahltes Essen und Trinken für Arbeiter bezieht. In diesem
Beleg betragen die Kosten für tägliches e$$en vnd trinken 4 Kreuzer. Da ein Kreuzer
4 Wiener Denare wert war, können wir die täglichen Speisen und Getränke zusammen
auf 5,3 ungarische Denare bewerten [Hazi (wie Anm. 46) 11/5, 182). Dies entspricht den
Angaben aus dem Jahr 1504. (Die Geldumrechnungen wurden nach Dezsö Danyi – Vera
Zimanyi, Soproni arak es berek a közepkort61 1750-ig [Preise und Löhne in Ödenburg
vom Mittelalter bis 1750). Budapest 1989, 43-48, durchgeführt.)
58 Siehe z. B. Dl. 26363 (1459). – Die Städte gaben solchen Gästen zum Mittag- oder
Abendessen neben Fleisch oft auch Fische. So erhielt z. B. 1503 der Beauftragte des
Königs, der Edelmann Pal Tomori, von der Stadt Hermannstadt am Montag und am
Dienstag wein, brot, fi$ch, huner, genu, fte$ch, haber und ander notdurft [Quellen zur
Geschichte Siebenbürgens (wie Anm. 49) I, 382).
23
des 15. Jahrhundert kaufte z. B. der Adelige Imre Himfi an einem Freitag
– jedoch einem Marientag – Salzfisch, Hasen, Kraut, Zwiebeln, Butter
und Eier, am folgenden Samstag Hasen, Krebs und Pfeffer59. Meist
erwähnen die Rechnungen nicht, welche Art von Fisch man gekauft hat,
die Küche scheint aber doch sehr abwechslungsreich gewesen sein. Als sich
der Woiwode von Siebenbürgen, Sehestyen Rozgonyi, im Frühjahr 1459
in der Hauptstadt aufhielt, kaufte man für seine Küche u. a. eingesalzte
Karpfen, Karauschen und Quappen60• Für die Küche der Familie Vardai
in Batmonostor besorgte man 1526 Störe, Welse und Pfuhlfische. Für
die letzteren zahlte man am Markt von Baja 20 Denare – der Preis eines
Welses variierte zwischen 3 und 14 Denaren -, und da man die Pfuhlfische
nach Hause bringen mußte, kaufte der Verwalter einen Krug ( amphom) für
einen Denar61 . Der Krug muß sehr groß gewesen sein, war aber dennoch
billig. Es ist dadurch kein Wunder, wenn die Töpfe in den Inventaren nicht
vorkommen. Die Rechnungen geben auch fast nie die Zahl der gekauften
Töpfe an.
Für die Speiseordnung der Aristokraten erwähne ich zwei Beispiele.
Als bei der Belagerung von Belgrad 1521 eine allgemeine Mobilmachung
verordnet wurde (die aber den Fall der Burg nicht verhinderte), hat sich
ein Magnat, wahrscheinlich Laszlo Kanizsai, zehn Tage lang im Kriegslager
von Mobacs aufgehalten. Für seine Küche ließ er am dortigen Markt
einkaufen. Es folgen zwei „Speisekarten“ aus dieser Zeit: Man kaufte am
Sonntag, dem 22. September, für das prandium Rindßeisch, Speck, Kapaun,
Käse, Butter, Kraut, Zwiebeln, Brot, ferner Äpfel und Birnen. Das
Abendessen bestand aus Rindfleisch, Speck, Linsen, Butter und Birnen.
Am Freitag, dem 27. September, aß man Fische, Hausenlaich, Linsen und
Brot. Fast jeden Tag kau!te man Wein und Essig. Es gab sowohl weißes
als auch schwarzes Brot. Ofters nahm der Magnat Hühner bz,w. auch Eier
zu sich. Die Speisen wurden mit Salz, Pfeffer, Safran, Zimt und Honig
gewürzt. Außer Äpfel und Birnen aß der Herr einmal Pfirsiche62 • So
speiste also ein ungarischer Magnat „felddienstmäßig“ .
Das „Menu“ des Woiwoden – und späteren Königs – Johann Szapolyai
war schon viel vornehmer. Er befand sich vom 14. bis zum 17. Novem-
59 Dl. 104614.
60 Dl. 26363.
61 Dl. 89228.
62 Dl. 35017.
24
her 1522 in Kronstadt in Siebenbürgen. Seine Küche wurde vom Stadtrat
beliefert. Ein prandium am Samstag, also eine Fastenspeise, bestand aus
frischen Fischen, eingesalztem Karpfen, Hausen, es gab Semmeln, Gerstenbrot,
Hirse, Schleh, Rosinen, Honig, Oliven- und Leinöl, Eier, Butter und
Kraut. Man backte für ihn auch eine Mehlspeise aus Mehl, Butter, Rosinen,
Zucker und Eiern. Am folgenden Sonntag aß der Woiwode zum prandium
Rindfleisch, dann Sulz aus Schweinskopf, -keule und -zunge. Es folgten
Reh, Hasen, Rebhuhn, Kalb, Hammel, Schafe, Trappe, Gänse, Hühner,
Wein, Rosinen, Butter und Brot. Während des Aufenthalts des Woiwoden
verwendete man als Gewürze Safran, Pfeffer, Ingwer und Gewürznelken63•
Natürlich diente diese „Speisekarte“ der Verpflegung der gesamten Gefolgschaft
des hohen Herren – dies ist an der großen Menge der verbrauchten
Speisen zu erkennen -, wir müssen aber auch berücksichtigen, daß die Stadt
ihren vornehmen Gast zu Dank verpflichten wollte. Es scheint nichtsdestoweniger
gewiß, daß die Führungsschicht des Landes reichlich und mit
viel Abwechslung gespeist hat: Geflügel und Wild waren für sie charakteristisch.
Anderswo waren dies höchstens Festspeisen: so z. B. beim Essen,
das ein neuer Meister64 nach der Aufnahme in die Zunft den anderen Mei-
63 Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt (wie Anm. 49} I, 455 ff.
64 Man kann die Meistermahle der verschiedenen Zünfte besonders gut in der Stadt
Pest vergleichen. Mehrere Zunfturkunden der Stadt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts
wurden nämlich in ein vom Stadtschreiber von Pest, Janos Magyi, am Ende des 15. Jahrhundert
verfaßtes Formelbuch geschrieben. Siehe darüber: György B6nis, Magyi H.nos
formuhiskönyve es a gyakorlati jogtanltas [Das Formelbuch von Janos Magyi und der
praktische Rechtsunterricht] (Jubileumi Tanulmanyok I. A pecsi egyetem törteneteböl
[Jubiläumsstudien I. Aus der Geschichte der Pecser Universität]) Pecs 1967, 225-260.
– In sechs Zunftbriefen finden wir Verordnungen über das MeistermahL Der neue Meister
mußte bei den Schwertfegern unum prandium cum 􀂴ez ferculi􀂴 bene di􀂴po􀂴iti􀂴 und
einen Eimer ( cubulu􀂴 = 8,484 Liter) Wein besorgen (sechziger Jahre des 15. Jahrhunderts:
Martinus Georgius Kovachich, Formulae solennes styli. Pest 1799, Nr. 471, 434}.
– In der Schuhmacherzunft mußte derjenige, der Meister sein wollte, zuerst unam praelibationem
cum tribu􀂴 ferculi$ et cum 4$$atura und einen Eimer Wein, später unum
prandium cum ferculü congruü et bene di􀂴po􀂴iti􀂴 juzta ezigentiam $Uae pO$$ibilitati􀂴
geben (1444, ebd. Nr. 474, 438 f.). – Bei den Gerbern war es komplizierter. Erst
sollte man unam collationem cum duobu􀂴 convenientibu$ ferculi􀂴 ac auaturi􀂴 und zwei
Pinten Wein (1,7 Liter), dann unam praelibationem 􀂴ez ferculi􀂴 et a􀂴􀂴aturi3 und einen
Eimer Wein für alle Meister, endlich unum prandium cum ferculi3 convenientibu3
und zwei Eimer Wein den Meistern und ihren Familien anrichten ( sechziger Jahre des
15. Jahrhunderts, ebd. Nr. 475, 443). – Gewisse Ähnlichkeiten kann man im Zunftbrief
25
stern geben mußte. Interessant ist aber, daß das allgemein verbreitete
llindfieisch auch am Tisch der Magnaten nicht fehlen durfte.
In der Folge beschäftige ich mich mit fünf Inventaren von Familien
aus dem Mitteladel, möchte aber dabei den auftretenden Schmuck, die
Kleidung, die Waffen, das Bettzeug und die Tiere vernachlässigen65. Das
erste Inventar stammt aus dem Jahr 1491 und beinhaltet die Sachgüter des
Adeligen Ja.nos Fahidi von Siebenbürgen66. Es folgt die Bestandsaufnahme
der Güter eines Mitgliedes der Familie Vardai (1 505)67. Vom Edelhof der
der Kürschner lesen. Da sollte der novelltl.$ zuerst eine collatio geben, quae aput eos
juzta eorum modum veterem vocatur Collatio Sa/utationis cum tribus ferculis et una
auatura convenienti et honorifice dispositis ac duas Pinthas vini. In den nächsten Tagen
mußte er aliam collationem, quae aput magistros praelibatio vocatur, veluti debitum
prandum nur für die Meister anrichten und dazu vier Pinten besten Wein (3,4 Liter)
reichen. Schließlich kommt unum so/emne prandium cum fercu/is optime conditis et
honorifice dispositis atque vino sufficienti, wo alle Meister mit Gattinnen und Kindern
erscheinen sollten. Das konnte sich der neue Meister aber ersparen, wenn er 4 Gulden
in die Kasse der Zunft bezahlte (1466, ebd. Nr. 479, 451). – In der gemeinsamen Zunft
der Schneider und Gewandschneider sollte der novellus nur unam praelibationem tribus
cum ferculis [ .. . ] et una assatura bona und einen Eimer Wein den Meistern geben {1447,
ebd. Nr. 480, 454). – Die Art des Essens erwähnt die Urkunde der gemeinsamen Zunft
der Bogner, Pfeilmacb.er, Köchermacher, Schildmacher und Sattler nicht. Der neue Meister
soll tria fercula cum assatura und einen Eimer Wein den anderen Meistern reichen
{1446, ebd. Nr. 478, 449). – Es scheint also, daß es verschiedene Zwischenmahlzeiten
mit mehreren Gängen gab, die einfachste war die collatio, für etwas ausgiebiger kann
man die praelibatio halten. Zu diesen Mahlzeiten waren nur die Meister eingeladen. Die
reichlichste Mahlzeit war aber das Mittagessen, an dem auch die Familien teilnahmen.
Interessanterweise kommt die Collatio Salutationis beim Meistermahl in der ungarischen
Sprache auch in der Neuzeit vor: tartozzek be köszönö Pohti.rt adni, ugjmint ket
tti.l Etket minden Asztalra es egy Pecsenyet, kit tisztesseges kenyerrel, ket veder Borral [ … ] (Erdelyi Magyar Sz6törteneti Tar III (Historisches Wörterbuch des SiebenbürgischUngarischen
Wortschatzes]. Bukarest 1982, 489. Wer in die Zunft eintreten will, „soll
einen Begrüßungsbecher geben, d. h. auf jedem Tisch je zwei Gänge von Speisen und
einen Braten, mit zwei anständigen Broten und zwei Eimern Wein“).
65 Abgesehen von den Tieren habe ich schon die meisten Inventare an anderer Stelle
untersucht: Kubinyi (wie Anm. 18). – Die Anzahl der Tiere werde ich in den folgenden
Anmerkungen erwähnen.
66 Dl. 36326. Es werden 14 Stück Vieh (pecora), 17 Ochsen, 8 Kühe mit Kälbern, 72
Pferde in der Herde ( equi equaciales absque poledris), 150 Schweine, 225 Schafe, etwas
weniger als 100 Lämmer und 32 Gänse genannt.
67 Dl. 82259. Das Inventar gibt zusammen 123 Pferde in der Herde an (48 pecora
26
Familie Batthyany in Battyan sind zwei Inventare erhalten. Das erste
stammt aus dem Jahr 152168, das zweite ist undatiert69 , stammt aber
offenbar aus der Zeit vor 1526. Schließlich ist noch das fünfte Inventar zu
nennen, in dem der Besitz der Familie Mar6ti aufgezählt ist 70.
Zunächst wenden wir uns den Verkehrsmitteln zu. Fahidi besaß zwei
eisenbeschlagene Wagen. Es gab 1521 in Battyan drei Wagen, einen Wagenkasten,
Ketten zu zwei Wagen und zwei Schlitten. Im anderen Batthyany-
lnventar nannte man nur zwei eisenbeschlagene Wagen und die
erwähnten Ketten. Mar6ti besaß eine eisenbeschlagene Kutsche, zwei
ebensolche Wagen, einen Leiterwagen, einen – ungarisch kolya genannten
– Wagen, ferner Ketten, aber auch 60 Hufeisen. Das ist darum interessant,
weil der Hufbeschlag nach dem Zeugnis der Rechnungen ziemlich
teuer war7 1 , wohl vor allem dann, wenn die Hufeisen vom Schmied selbst
stammten. Man kann ferner bemerken, daß besonders die eisenbeschlaequina
und 75 equace1), dann 58 Stück Vieh (pecora) , 48 Ochsen, 9 Auerochsen ( uro1),
60 Schweine, 657 Schafe und Lämmer.
68 Dl. 47433. Hier lesen wir von 8 Stieren, 33 Ochsen, 41 Kühen mit Kälbern, 13
Kälbern, 272 Pferden in der Herde, 90 jungen Pferden, 35 Schweinen, 63 Gänsen, 50
großen Hühnern (pulli magni), 600 Böcken, 650 Schafen und 509 Lämmern.
69 Dl. 104647. – Es ist nicht ganz gewiß, ob das Inventar die Besitztümer des Edelhofs
Battyan wiedergibt. Es soll nämlich das enthalten, was ad manu1 Mathei l1pan in
Ennyngh übergeben wurde (l1pan bedeutet hier den Verwalter), und kann damit sehr
wohl das Inventar des Hofes in Enying gewesen sein. Da die beiden Inventare allerdings
sehr ähnlich sind, und da letzteres solche Objekte enthält, die in der Regel nur in der
Hauptresidenz des Herren zu finden waren – z. B. das versilberte Schwert des Gutsherren
Ferenc Batthyany usw. – vermute ich, daß wir es doch mit dem Inventar von Battyan
zu tun haben, zu jenem Zeitpunkt, als die Verwaltung des Hofes dem früheren Verwalter
von Enying übergeben wurde. Vielleicht wird man diese Unklarheit mit Hilfe anderer
Quellen besser beleuchten können. – Folgende Tiere werden hier genannt: 55 Ochsen,
19 Kühe, ihre 19 Kälber, 43 Stück junges Vieh (iuvenco1), 310 Pferde in der Herde, 60
Fohlen, 110 Schweine, 50 Ferkel, 857 Schafe und 403 Lämmer.
70 Dl. 95177. – Die Zahl der Tiere war hier viel kleiner als in den vier anderen Inventaren.
Es gab nur ein Reitpferd, 12 große Ochsen, 2 andere Ochsen, 16 Kühe und 40
Schweine.
71 Man könnte dazu aus allen Rechnungen Beispiele zitieren. Ich erwähne nur eines:
Dem Woiwoden Rozgonyi kaufte sein Verwalter in Buda zwei Paar Hufeisen um 20
ung. Denare, dazu zahlte er noch 4 Denare für die Nägel (Dl. 26363). Die Beschlagung
eines Pferdes – ohne den Lohn des Schmiedes – kostete also genau soviel, wie wenn ein
erwachsener Mensch drei Tage lang in der Hauptstadt gespeist und getrunken hätte.
27
genen Wagen registriert wurden. Dabei klingt es unwahrscheinlich, daß
der ärmere Mar6ti mehr Wagen besaß als der reichere Batthyany.
Landwirtschaftliche Geräte kommen im Vardai-Inventar, das hauptsächlich
Schmuck und Bekleidung nennt, nicht vor. Fahidi besaß zwei
Pflüge mit gesamtem Zubehör und eine Presse. Ausführlicher ist das Batthyany-
lnventar aus dem Jahr 1521: die Rede ist hier von drei Pflügen, vier
Pflugscharen, zwei Pflugkarren und zwei Pflugmessern. Anscheinend gab
es auch eine Schmiede, da ein Schmiedehammer, eine Schmiedezange und
ein Schmiedebalg vorkommen. Ferner hat man 12 eiserne Schaufeln, zwei
eiserne Stangen, acht eiserne Reifen, zwei Bohrer, zwei eiserne Keile, eine
kupferne Rolle, eine Säge, vier Beile und eine Spitzhacke inventarisiert. Die
Beile müssen als Zimmermannswerkzeuge gedient haben, denn unter den
Küchengeräten kommen weitere Beile vor. Interessanterweise ist das zweite
Battyaner Inventar ganz anders. Sieben Pflugscharen sind für den Ackerbau
bestimmt. Ferner kommen drei Sensen (falx) vor, mit der Bemerkung,
daß damit das Stroh für die Pferden geschnitten wird. Neben drei Spitzhacken
gibt es sechs größere und fünf kleinere Bohrer, vier Hacken, zwei
Böttchermesser und ein Schnitzmesser, ferner sechs große Beile, drei kleine
und sechs für die Knechte sowie zwei Gewichte. Bei Mar6ti registrierte
man drei Pflüge mit allem Zubehör, sieben Bootshacken, fünf Hacken, drei
Keilhauen, vier Schwanenhalshacken, drei Kalkkrücken, zwei Meißel, ein
Zimmermannsbeil, acht große Bohrer, vier Böttchermesser, drei mittlere
Sägen, fünf Hobel und vier Fußeisen für Pferde. Diese Inventare zeigen,
daß die Herren wahrscheinlich keine große Meierei besaßen. Der größte Teil
der Werkzeuge gehörte eigentlich nicht zur Landwirtschaft, sondern zum
Handwerk. Nach anderen vergleichbaren Angaben waren diese Werkzeuge
nicht billig. Der Verwalter von Batmonostor kaufte z. B. für einen Gulden
zwei Beile und für sechs Denare ein Schnitzmesser72• Interessant wird es,
wenn wir diese Angaben · mit dem Inventar eines Großgrundbesitzers vergleichen.
In der Meierei von Sag gab es 1489 zwei Wägen, fünf Pflüge, drei
Pflugkarren, drei Pflugscharen mit Zubehör, zwei Beile, zwei Spaten und
einen Bohrer73. Der Unterschied ist also gar nicht so groß.
Vom Küchen- und Tischgeschirr nenne ich jenes nicht, das aus Edel-
72 Dl. 89228 {1526).
73 Karoly Giay, Solym6 varanak 1498. marcz. 12-im kelt leltari töredeke [Inventarfragment
der Burg von Solym6 vom 12. März 1498]. In: Törtenelmi Tar (1901) 108 f. –
Ich nenne zum Vergleich auch die Zahl der in der Meierei befindlichen Tiere: es gab 22
28
metall verfertigt wurde. Fahidi besaß drei eiserne und drei kupferne Töpfe,
ferner einen Kupferkessel, eine Pfanne und einen Rost. Wir wissen noch
von sieben Zinnschüsseln, vier eisernen Löffeln, zwei kupfernen Waschbecken.
Außerdem besaß er zwei große capisteria. Diese könnten sowohl
Tröge, Becken als auch Wurfschaufeln gewesen sein. Schließlich hatte er
einen Spieß und eine Kette, die über der Feuerstelle hing und an der vermutlich
der Kessel befestigt wurde. Vardai besaß sieben große, 13 mittlere,
sieben kleine und sieben sehr kleine bleierne Schüsseln sowie 18 bleierne
Teller. (In den Quellen sind Blei- und Zinngefaße oft miteinander verwechselt
worden, da. Zinngegenstände einen großen Bleianteil ha.tten74 .)
Ferner erwähnt das Inventar neun große Kannen, zwei Waschbecken mit
den dazugehörigen Krügen und eine Flasche. Wahrscheinlich waren diese
Gegenstände aus Kupfer oder Zinn gefertigt. Schließlich sind noch vier bocaliones
aus Italien genannt. Das Batthyany-Inventar aus dem Jahr 1521
erwähnt vier Kristallgläser, acht bleierne Schüsseln und zwei kleine bleierne
Schüsseln, 15 bleierne Teller, sieben Holzschüsseln und 25 Holzteller,
zwei verschiedenartige Waschbecken aus Kupfer, ein zerbrochenes Waschbecken
aus Kupfer, einen kupfernen Krug, der eine Pinte faßte, eine Pfanne
und einen Rost aus Eisen, ein Beil, vier Hackmesser und eine Ziehklinge
für die Küche. Im anderen Ba.tthyany-Inventa.r kann man wieder nur teilweise
Übereinstimmungen finden. Die Zahl der Kristallgläser beträgt nur
drei. Es gibt 1 1 große und 12 kleine bleierne Schüsselti sowie nur 12 bleierne
Teller. Holzgegenstände schrieb man hier nicht auf. Es kommen aber
verschiedene Kannen ( cantharus) vor, die mit ihrem Hohlmaß angegeben
sind. Zwei hatten drei, zwei hatten zwei, eine hatte eineinhalb Pinten,
drei hatten eine Halbe, vier ein Viertel Hohlmaß. Ferner gab es noch
drei Pfannen, zwei kupferne fessoria (?), ein kupfernes Sieb, fünf eiserne
Löffel, fünf Hackmesser, sieben eiserne Töpfe und acht kleinere, zwei Kessel,
drei kleine Roste, zwei Beile, ein Fischmesser und eine bleierne Karaffe
für Weihwasser. Im Ma.roti-Inventar sind an Bleiobjekten erwähnt: neun
Kannen, 16 Schüsseln und 1 2 Teller, ferner fünf Flaschen. Weiters folgen
noch kupferne Gegenstände: ein Mörser und zwei Waschbecken.
Ochsen, 17 Kühe, vier zweijährige, acht einjährige und acht heurige Kälber, 23 Schweine
und 37 heurige Ferkel.
74 Kubinyi (wie Anm. 18) 639. – Vgl. über die Zinngegenstände auch lmre Holl, Zinn
im spä.tmittelalterli Archaeologica Academiae Scientiarum Hungaricae 39 {1987) 313-335.
29
Von den Haushaltsgegenständen hat man in erster Linie die Metallwaren
angeführt, jedoch bestimmt auch nicht alle. Es kann nämlich kein
Zufall sein, daß bei den beiden Batthyany-lnventaren Holzobjekte nur in
dem einen, eiserne Töpfe nur in dem anderen Inventar registriert wurden.
Es scheint, daß unterhalb einer gewissen Wertgrenze derjenige, der
den Bestand aufnahm, entschied, was zu inventarisieren war. Außerdem
entsteht der Eindruck, daß man zwei Arten von Gegenständen in jedem
Fall in das Inventar aufnehmen mußte: das bleierne bzw. aus Zinn verfertigte
Tischgeschirr und die Kupfergegenstände. Diese kommen in allen
fünf Bestandsaufnahmen vor. Dabei ist vielleicht nicht uninteressant, daß
die vornehmen, zur Oberschicht des Gemeinadels gehörenden Familien, die
Vardai und die Batthyany, keine größere Anzahl dieser Objekte besaßen
als die unbedeutenden Mar6ti. Fahidi hatte zwar tatsächlich weniger Zinngeschirr
als die anderen, kupferne Kessel bzw. Waschbecken besaß er aber
ebenso viele. Wenn wir aus solchen wenigen Angaben Schlüsse ziehen
dürfen, kann dies nur bedeuten, daß die Menge der einzelnen Dinge vom
Bedarf abhing. (Bei Schmuck und bei anderen, aus Edelmetall gefertigten
Gegenständen besteht natürlich ein Unterschied, da diese als Statussymbole
zu betrachten sind 75.)
Unterschiede zeigen sich in den Wohnungseinrichtungen, die nur durch
verschiedene lnventarisierungsmethoden zu erklären sind. Wenn wir von
dem hier nicht behandelten Schmuck und der Kleidung absehen, ist das
Yardai-Inventar auch in dieser Hinsicht das einsilbigste. Es erwähnt nur
zwei Baldachine, die man über die Betten zu spannen pflegte. Die Betten
selbst kommen nicht vor. Es ist unwahrscheinlich, daß Fahidi nur drei
Tische, zwei Bänke und drei Betten hatte. Zu den Tischen wären ja auch
mehrere Sitzgelegenheiten nötig gewesen. Das Mar6ti-lnventar erwähnt
gleichfalls nur vier Tische, wenn wir Teppiche und andere Textilien nicht
beachten. Die beiden Batthyany-lnventare sind wieder ganz verschieden.
In jenem aus dem Jahr 1521 kommen vier Betten vor, im anderen keine.
Dagegen werden 1521 drei, im anderen aber 12 Tische erwähnt. Das erste
nimmt vier Stühle und einen Lehnstuhl auf – diese sind auch zu wenig für
die drei Tische -, das zweite dagegen einen ledernen und zwei hölzerne
Lehnstühle, sechs Armstühle und elf gewöhnliche Bänke. Kasten- bzw.
Truhenmöbel kommen nur im Batthyany-lnventar von 1521 vor. Es sind
75 Dazu ist noch zu bemerken, daß man diese Gegenstände auch, falls nötig, verpfänden
konnte [Kubinyi (wie Anm. 18) 629).
30
ein großes armarium, vier Bakonyer scrtma (die also aus dem BakonyGebirge
stammen) und zwei andere Stücke.
Wir haben fünf Inventare miteinander verglichen. Es ist klar, daß
diese – auch abgesehen von der Keramik – kein lückenloses Bild der in den
Edelhöfen befindlichen Gegenstände geben. Sie lassen uns aber doch vermuten,
was dort zu suchen ist. Ein Teil davon – die eisernen Gegenstände
– kommen auch bei Ausgrabungen zu Tage, die kupfernen und die bleiernen
Objekte kann man aber nur durch Zufall finden. Meist wurden diese
wiederverwendet und eingeschmolzen. (Es ist kein Zufall, daß ein zerbrochenes
kupfernes Waschbecken inventarisiert wurde.) In einigen Fällen ist
die Identifizierung der Gegenstände nicht leicht. Wegen der oben festgestellten
Inventarisierungsmethoden ist es auch schwer, die Sachkultur
des spätmittelalterlichen ungarischen Adels mit jener ihrer ausländischen
Standesgenossen zu vergleichen 76.
Auf den Wert der behandelten Gegenstände habe ich hier keinen Bezug
genommen. Ich wollte vielmehr eine Quellengattung an sich kritisch
beleuchten. Dabei hat sich ergeben: Die adeligen Inventare spiegeln nicht
die gesamte Sachkultur ihrer Besitzer wider. Es fehlen nicht nur die Keramikobjekte,
die man mit Hilfe archäologischer Forschung nachweisen kann,
sondern auch andere Gegenstände. Vielleicht war der Vergleich der beiden
Batthyany-Inventare am interessantesten. Da sich der Bestand des
Edelhofes in wenigen Jahren nicht so gründlich verändern konnte – bei
den wertvollen Gegenständen war der Unterschied nicht so groß – , ist es
ganz offensichtlich, daß nicht alle Gegenstände inventarisiert wurden. Es
wird eine spätere Aufgabe sein, die Sachkultur des spätmittelalterlichen
ungarischen Adels in einer umfassenden Monographie zu behandeln.
76 Interessant wäre es z. B. die Lebensformen mit denen des fränkischen Adels zu
vergleichen. Gewisse Ähnlichkeiten kann man finden; die dortigen Quellen betreffen
ungefähr die gleiche soziale Schicht. Die Zahl der Sachgüter scheint dort zwar etwas
höher gewesen zu sein, wegen der Art der ungarischen Inventarisierungsmethoden
ist dies aber nicht gewiß. Weitere Forschungen sind erforderlich. Vgl. Rudolf Endres,
Adelige Lebensformen in Franken im Spätrnittelalter. In: Adelige Sachkultur
des Spätmittelalters (Veröffentlichungen des Instituts für rnittelalterlidle Realienkunde
Österreichs 5 = Sb. Ak. Wien, phil.-hist. Klasse 400) Wien 1982, 73-104.
31
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
22
Alltag und materielle Kultur
im mittelalterlichen Ungarn
HERAUSGEGEBEN VON
A N D RAS K U BINYI
UND
JOZSEF L A SZLOVSZ KY
K REMS 199 1
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZU!\’G DER KULTURABTEILUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
Umschlagbild: Die sieben Fürsten der Ungarn. Holzschnitt aus J. Thur6czi,
Chronica Hungarorum. Brünn 1486.
Alle Rechte vorbehalten
– ISBN 3-90 1094 02 4
Herausgeber: Medium Acvum Quotidianum. Gesellschaft zur Erforschung der materiellen
Kultur des Mittelalters, Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich – Druck:
CopyTU Gcs. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
ANDRAS KUBINYI, Über das Alltagsleben im spätmittelalterlichen
Ungarn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
J OZSEF LASZLOVSZKY, Social Stratification and Material
Culture in 10’h-14’h Century Hungary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
IMRE HüLL, Die materielle Kultur im Mittelalter – die ungarische
Mittelalterarchäologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
ERNÖ MAROSI, Zur Frage des Quellenwertes mittelalterlicher
Darstellungen. „Orientalismus“ in der Ungarischen
Bilderchronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4
KATALIN SZENDE, “ … es sey vil oder wenig, groß oder
kchlain.“ Besonderheiten und Unterschiede in der materiellen
Kultur der Einwohnerschaft der königlichen Freistädte
Preßburg und Ödenburg {1450-1490) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
Adressen der Verfasser 119
Vorwort
Der Lehrstuhl für mittelalterliche und frühneuzeitliche Archäologie an der
Philosophischen Fakultät der Eötvös Lorand-Universität Budapest hat sich
zum Ziel gesetzt, die Erforschung der materiellen Kultur Ungarns im Mittelalter
und in der frühen Neuzeit zu fördern. Da eine große Anzahl von
Sachgütern nur mit Hilfe der Archäologie erforscht werden können, gehört
diese zu den wichtigsten Disziplinen, die sich mit der Untersuchung materieller
Kultur beschäftigen. Im Sinne einer Interdisziplinarität sollen dabei
auch Schriftzeugnisse und Bildquellen berücksichtigt werden.
Finanzielle Unterstützung zur systematischen Durchführung der geplanten
Arbeiten erhalten wir vom ungarischen Wissenschaftlichen Landesforschungsfonds
(OTKA). Diese ermöglicht uns, Tagungen zu organisieren,
Ausgrabungen durchzuführen und das erforschte wissenschaftliche
Material mit Hilfe von EDV zu verarbeiten. Im Sommer 1990 begannen
wir mit der Ausgrabung der mittelalterlichen Dorfwüstung Sap und
der Marktwüstung Tiszavarsany. Daneben vergaben wir Themen zur Erforschung
der materiellen Kultur als Diplomarbeiten und Dissertationen.
Katalin Szende z. B. verglich die Soproner Bürgertestamente mit dem dortigen
Ausgrabungsmaterial, Sandor Petenyi bearbeitete mittelalterliches
Spielzeug und stellte einen Katalog der bei Ausgrabungen gefundenen diesbezüglichen
Objekte zusammen. Bisher wurde eine Tagung veranstaltet,
für Herbst 1991 ist eine weitere zur materiellen Kultur der frühen Neuzeit
geplant.
Dieser Band enthält die Vorträge der am 13. Dezember 1988 in Budapest
abgehaltenen Tagung „Mittelalterliche materielle Kultur in Ungarn“ .
Leider können nicht alle Manuskripte der Vorträge veröffentlicht werden,
da zum Zeitpunkt der Drucklegung des vorliegenden Bandes drei Beiträge
nicht eingelangt waren. Wir bedauern diesen Umstand sehr, da jene Abhandlungen
wichtige Informationen zu unserem Thema sowohl in ethnographischer
als auch archäologischer Hinsicht lieferten. Folgende Vorträge
fehlen: Tarncis Hofer, Die Erforschung der ungarischen mittelalterlichen
7
materiellen Kultur und die Ethnographie. – Istvan Fodor: Unsere materielle
Kultur in der Landnahmezeit. – Laszlo Selme·czi: Das Problem der
materiellen Kultur und des Ethnikums im mittelalterlichen Ungarn.
Ich habe eine Studie meiner Schülerin Katalin Szende hinzugefügt,
die sie an der Internationalen Konferenz zum 500. Todestag des Königs
Matthias Corvinus im Oktober 1990 vorgestellt hat.
Schließlich möchte ich mich bei der Schriftleitung von Medium Aevum
Quotidianum und besonders bei Gerhard Jaritz für die Publikation des
Tagungsbandes bedanken.
Dank gebührt auch meinem Oberassistenten Jozsef Laszlovszky, der
bei der Organisation der Tagung und der Einrichtung der Manuskripte
wichtige Arbeit geleistet hat.
Andras Kubinyi
8

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