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Volkskultur und Elitekultur im frühen Mittelalter

Volkskultur und Elitekultur im frühen Mittelalter:
eine Forschungsaufgabe und ihre Problematik
Hans-Werner Goetz
Wurde „Kultur“ von geschichtswissenschaftlicher Seite her traditionell (aber
unausgesprochen) mit den geistigen Erzeugnissen von „Eliten“ verknüpft und
eine Kultur des „Volkes“ fast ausschließlich der in früheren Jahrzehnten noch
wenig historisch arbeitenden Volkskunde überlassen, so brachten die
Umwertung des nun weit allgemeiner gefaßten Kulturbegriffs unter Einschluß
der materiellen und der Alltagskultur einerseits‘ und die gewandelten, an den
„kleinen Leuten“ ebenso wie am Alltäglichen interessierten Paradigmen der
modernen Geschichtswissenschaft andererseits hier eine radikale Änderung: Die
„Entdeckung“ des „Volkes“ erschloß neue Perspektiven. „Volk“ und „Elite“
wurden dabei zunächst zu kontrastgeprägten Schlüsselbegriffen moderner
Geschichtsanschauung, „Volkskultur“ und „Eiitekultur“ als gegensätzliche
Grundphänomene kulturgeschichtlicher Betrachtungsweisen verstanden. In der
Geschichtswissenschaft ist die (Wieder-)Entdeckung einer „Volkskultur“ seit
dem Ende der 70er Jahre dieses Jahrhunderts vor allem der französischen, der
Schule der „Annales“ nahestehenden Forschung zu verdanken, die ihr Interesse
in dieser Hinsicht zunächst auf die Frühe Neuzeit richtete. Das die weitere Forschung
anregende Standardwerk von Robert Muchembled2 hatte sich allerdings
die eng begrenzte und gezielte Aufgabe gestellt, die (angebliche) Zerstörung der
vorhandenen Volkskultur durch die Eliten Frankreichs im Verlauf der
1 Vgl. dazu Jean-Marie PESEZ, L’histoire de Ia culture materielle, in: La nouvelle histoire, hg. v.
Jacques Le Goff, Paris 1978, S. 98-130; Maria Serena MAZZI, Civi1isation, culture populaire,
vie materielle, vie quotidienne. Confusion et concepts, in: Mensch und Objekt im Mittelalter
und in der fiiihen Neuzeit. Leben – Alltag – Kultur (SB Wien 568 = Veröffentlichungen des
Instituts für Realienkunde 13) Wien 1990, S. 5-21; Andrzej KLONDER, Geschichte der
materiellen Kultur des Mittelalters und der Frühneuzeit Theorie – Methoden –
Forschungsbilanz, ebd. S. 23-35. Vgl. zuletzt Klaus GUTH, Über die Alltäglichkeit von
Kultur. Annäherungen an eine ganzheitliche Kategorie in gegenwärtiger Kulturforschung, in:
Ganzheitliches Denken. Festschtift Amulf Rieber, Frankfurt 1996, S. 315-326.
‚ Robert MUCHEMBLED, Culture populaire et culture des elites dans Ia France moderne
(XV- XVIII‘ siecles), Paris 1978 (dt. Kultur des Volks – Kultur der Elite. Die Geschichte
einer erfolgreichen Verdrängung, Stuttgart 1982).
9
frühneuzeitlichen JahrhWlderte zu belegen. Das „Volk“ hatte Muchembled
zufolge ein eigenes Weltbild, das von Elementen wie physischem Elend,
psychischer Angst Wld imaginären Gefahren geprägt war. Die gleichzeitig
erschienene, noch mehrfach zu zitierende Arbeit des englischen Friihneuzeithistorikers
Peter Burke ging hier weit differenzierter vor.3 Schon wenig
später richtete sich das Augenmerk solcher Fragestellungen auch auf das späte
Mittelalter: Die fiühe Diskussion war aber auch von einer Reihe von
Mißverständnissen zwischen den verschiedenen Disziplinen geprägt.s
Hatten die fiühen Forschungen die Unterschiedlichkeit und
Abgrenzungsfähigkeit von Volks- und Elitekultur gleichsam vorausgesetzt, so ist
die anfängliche Euphorie in dieser Hinsicht längst einer wachsenden Skepsis und
einer Betonung der in der Thematik angelegten Schwierigkeiten gewichen.
I. Sehr bald wurde die Problematik der keineswegs eindeutig defmierbaren
Begriffe sowohl der „Kultur“ wie auch der Träger, „Volk“ und „Elite(n)“, und
damit auch der beides kombinierenden Konzepte einer „Volks-“ und
„Elitekultur“ bewußt.6 „Volk“ erwies sich als ein wissenschaftliches Konstrukt,‘
das zudem ideologisch belastet war.‘ Offene Definitionen wie diejenigen Peter
1 Vgl. Peter BURK.E, Popular Culture in Early Modem Europe, London 1978 (dt. Helden,
Schurken und Narren. Europäische Volkskulturin der fiühen Neuzeit, München 1985).
• Vgl. den Sammelband La culture populaire au Moyen Age. Etudes presentees au Quatrieme
colloque de !’Institut d’etudes medievales de 1’Universite de Montreal 2-3 avril 1977, hg. V.
Pierre BOGLIONI, Montreal 1979. Zur Forschungsgeschichte vgl. Peter DINZELBACHER,
Mittelalterliche Volkskultur. Skizze ihrer Forschungsproblematik und bibliographische
Einführung, in: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein-Gesellschaft 3, 1984/85, S. 313-360
(mit ausfiihrlicher Bibliographie); DERS., Volkskultur und Hochkultur im Spätrnittelalter, in:
Volkskultur des europäischen Spätrnittelalters, hg. v. Peter Dinzelbacher und Hans-Dieter
Mück (Böblinger FolUm 1), Stuttgart 1987, S. 1-14.
‚ Kritisch zu den Unzulänglichkeiten der fiühen Volkskulturforschung: Michel LAUWERS,
„Religion populaire“, culture folklorique, mentalites. Notes pour une anthropologie culturelle
du moyen äge, in: Revue d’histoire ecclesiastique 82, 1987, S. 221-258, bes. S. 252ff.
‚Zum Problem einer Definition vgl. etwa Peter BUR.KE, Popular Culture between History and
Ethnology, in: Ethnologia Ew·opaea 14, 1984, S. 5-13; Kari-S. KRAMER, Volkskultur. Ein
Beitrag zur Diskussion des Begriffes und seines Inhaltes, in: Volkskultur – Geschichte –
Region. Festschrift Wolfgang Btückner (Quellen und Forschungen zur europäischen
Ethnologie 7) Würzburg 1990, S. 13-29.
‚ Vgl. Wolfgang BRÜCKNER, Popular culture. Konstrukt, Interpretament, Realität, in:
Ethnologia Europaea 14, 1984, S. 14-24.
‚ Vgl. Norbert SCH1NDLER, Spuren in die Geschichte der „anderen“ Zivilisation. Probleme
und Perspektiven einer historischen Vo1ksku1turforschung, in: Volkskultur. Zur
Wiederentdeckung des vergessenen Alltags ( 16.-20. Jahrhundert), hg. v. Richard van Dülmen
und Norbert Schindle􀆋, FrankfurtiM. 1984, S. 13-77, bes. S. 13-47. Das ideologische Element
zeigt sich beispielsweise bereits, wenn „Volkskultur“ als ein „gegenkulturelles System“ charak-
1 0
Dinzelbachers, der unter dem „Volk“ die „kleinen Leute“ und unter „Kultur“ „die
Sunune der materiellen und geistigen Hervorbringungen einer Gesellschaft
während einer bestimmten Epoche ihrer Geschichte“ versteht,9 oder von Michel
Lauwers, der „Kultur“ als Summe der sozialen und ökonomischen, mentalen und
geistigen Äußerungen, die eine Gesellschaft charakterisieren, das heißt die Art
und Weise des Seins, Denkens und Handeins der Individuen als Glieder der
Gesellschaft begreift,10 sind als Ausgangspunkt der Volkskulturforschung
umfassend genug, bedürfen zu einer praktischen Umsetzung jedoch im Einzelfall
weiterer Differenzierungen. Eine Berufung auf die – ebenfalls wenig eindeutige
und anders gelagerte – mittelalterliche Begriffiichkeit11 aber hilft in dieser Frage
kaum weiter, da die moderne Themenstellung darin keine Entsprechung findet.’2
2. Ein nicht minder großes Problem bildet die eindeutige Abgrenzung einer
„Volks“- von einer „Elitekultur“.13 Das macht eine Diskussion um die Abgrenzungskriterien
unabdingbar, von denen eine konkrete Zuordnung einzelner
Gruppen abhängt. „Elite“ und „Volk“ können sich politisch nach dem Anteil an
der Herrschaft (Herrschende- Beherrschte), sozial nach Status und Besitz (Oberund
Unterschichten), kultisch nach der Weihe (Kleriker – Laien) oder kulturell
nach der Bildung (litterati – illiterati) unterscheiden; letzteres heißt im frühen
Mittelalter zugleich: nach der Schriftlichkeit, oder, als einem wichtigen Aspekt
mittelalterlicher Bildung, der Latinität. Das sind nur die wichtigsten (und keineswegs
einzigen), auf das Mittelalter anwendbaren Kriterien, die zudem jeweils nur
Anhaltspunkte bieten und das „Volk“ keineswegs eindeutig abgrenzen.“ Solche
Kriterien sind daher auf ihre grundsätzliche Haltbarkeit ebenso zu überpti.ifen
wie auf ihre Mittelaltergernäßheit, denn es dürfen weder ein fester Volksbegriff
terisien wird (so Wolfgang KASCHUBA, Volkskulturen – Themen, Publikationen,
Perspektiven. Ein Forschungsüberblick aus volkskundlicher Sicht, in: Archiv fiir
Sozialgeschichte 26, 1986, S. 361-398, hier S. 374).
9 DINZELBACHER, Volkskultur (wie Anm. 4) S. lff.
‚0 LAUWERS (wie Anm. 5) S. 222.
“ Zum Beispiel, indem „Volk“ auf die in den Quellen als vtllgtiS bezeichnete Schicht begrenzt
wird; vgl. Pien·e BOGLJONI, La culture populaire au Moyen Age: themes et problemes, in: La
culture populaire (wie Anm. 4) S. 11-37, hier S. 14. Zum Volksbegriff als Masse, Unterschicht
vgl. Karl Ferdinand WERNER, Artikel „Volk, Nation, Nationalismus, Masse“ (Mittelalter), in:
Geschichtliche Gmndbegiiffe 7, 1992, S. 245ff.
„Nach BOGLIONI, ebd. S. 15, sind sämtliche (dort referierten) modemen Ansätzenicht ohne
weiteres auf das Mittelalter anwendbar.
u Vgl. DINZELBACHER, Volkskultur (wie Anm. 4) S. 7.
“ Vgl. etwa Roger CHARTIER, Volkskultur und Gelehnenkultur. Überprüfung einer
Zweiteilung und einer Periodisiemng, in: Epochenschwellen und Epochenstmkturen im
Diskurs der Literatur- und Sprachtheorie, hg. v. Hans Ulrich Gumbrecht und Ursula LinkHeer,
Frankfurt/M. 1985, S. 376-388, hier S. 376.
1 1
noch allgemeingültige Abgrenzungskriterien unterstellt werden, zwnal mit dem
Nachweis einer Laienbildung bereits in karolingischer Zeit nicht einmal Herbert
Grundmanns lange Zeit weithin akzeptierte Gleichsetzung von clerici und Iitterati
einer strikten Überprüfung standhält.’5 Darüber hinaus gab es mit „Adel“ oder
„Oberschicht“ natürlich auch eine Iaikaie Elite, 16 differenzierten sich die c/erici
andererseits aber in monastische und klerikale Kreise und diese wiederwn in
Hoch- und Niederklerus aus (und das ließe sich zwanglos noch weiter
untergliedern).
3. „Volkskultur“ und „Elitekultur“ sind keine feststehenden Tatsachen,
sondern als historische Größen selbstverständlich zeitlichen Wandlungen und
räumlichen ebenso wie sozialen Differenzierungen (auch zwischen Stadt und
Land) unterworfen, die zu berücksichtigen sind:17 „Volk“ und „Elite“ bedeuten in
unterschiedlichen Epochen, Kulturen und Räwnen durchaus nicht dasselbe.
4. Sie sind sodann nur relativ und nie absolut voneinander abgrenzbar, da
zwischen beiden stets eine Durchlässigkeit und Kommunikation, also ein
„Kulturaustausch“, stattfand.’8 Sie stehen folglich in einer Wechselbeziehung,’9
die keineswegs stets einseitig von der Elitekultur ausgehen muß, sondern
tatsächlich zu einer innigen Verschränkung fuhren kann.20 Erzeugnisse wie
geistliche Spiele entpuppen sich bei näherer Untersuchung beispielsweise als
eine gemeinsame Kulturleistung mehrerer Stände.21 Gerhard Jaritz bezweifelt
“ Herbert GRUNDMANN, Litteratus – illitteratus. Der Wandel einer Bildungsnorm vom
Altertum zum Mittelalter, in: Archiv fur Kulturgeschichte 40, 1958, S. l-65. Die Existenz
einer Laienbildung betont Rosamond McKITTERICK, The Carolingians and the wtitten word,
Cambridge 1 989, bes. S. 2 l lff.
“ LAUWERS (wie Anm. 5) S. 226f. sieht das Zwei-Schichten-Modell (Klerus – Laien) daher
durch ein Drei-Schichten-Modell (Klerus/Mönche – Alistokratie – Massen) verdrängt und
möchte lieber von „culture ecclesiastique – culture folklorique“ als von „culture savante –
culture populaire“ sprechen.
“ Vgl. DINZELBACHER, Volkskultur (wie Anm. 4) S. 5. Daß bislang eher
universalgeschichtliche als zeitspezifische Theorien entwickelt wurden, bemängelt auch
LAUWERS (wie Anm. 5) S. 252ff.
11 Vgl. DINZELBACHER, Volkskultur (wie Anm. 4) S. 7; Hans-Jörg GILOMEN,
Volkskultur und Exempla-Forschung, in: Modemes Mittelalter. Neue Bilder einer populären
Epoche, hg. v. Joachim HEINZLE, Frankfun!M.-Leipzig 1994, S. 1 65-208, hier S. 1 76fT.
19 Vgl. BURKE, Helden (wie Anm. 3) S. 7 lff. 20 Vgl. SCHINDLER (wie Anm. 8) S. 48fT.
„So Wemer MEZGER, „Quem quretitis – wen sucht ihr hier?“. Zur Dynamik der Volkskultur
im Mittelalter am Beispiel des liturgischen Dramas, in: Modemes Mittelalter (wie Anm. 18) S.
209-243, hier S. 233. ·
12
daher, daß „Volkskultur“ und „Elitekultur“ eindeutig zu trennen sind.22 Hat sich,
so fragt auch Hans-Jörg Gilomen kritisch, das „Volk“ überhaupt eine eigene
Kultur geschaffen, die als Gegenkultur gedeutet werden kann?23
5. Darüber hinaus sind „Volks-“ und „Elitekultur“ aber auch in sich
keineswegs einheitlich, sondern zwischen verschiedenen Schichten und Gruppen
differenziert.24 Aus diesem Grund hat man die gängige Zweiteilw1g (das „ZweiSchichten-
Modell“) gänzlich in Frage gestellt.25
6. Schließlich sind Aussagen über die Volkskultur in weiten Bereichen nur
indirekt, über Berichte der schreibenden Eliten, und damit verzerrt und einseitig
überliefert und inhaltlich in der Regel auf solche Berührungen zwischen beiden
Gruppen beschränkt, die auf Gegensätze und Spannungen abzielen.26 Das
schränkt den Blickwinkel des Betrachters entscheidend ein. In diesem Zusammenhang
ist auch das Mißverhältnis von “Konzept“ und „Realität“ zu berücksichtigen.
27
Eine solche Ausgangslage hat Folgerungen fur jede Beschäftigung mit dem
Thema und verlangt ein äußerst behutsames methodisches .Vorgehen:
a) Die Unterscheidung einer „Volks-“ und „Eiitekultur“ kann heute nur noch
als vorsichtige Frage (oder muß sogar infrage-) gestellt, darf auf keinen Fall aber
als gegeben vorausgesetzt werden: Lassen sich in einer bestimmten Epoche wie
dem fruhen Mittelalter Volks- und Elitekultur überhaupt unterscheidbar
feststellen?
b) Sie läßt sich stinunig nur dann behandeln, wenn zuvor die
Abgrenzungskriterien offengelegt, diskutiert und überpruft worden sind.
c) Dabei ist zwischen heutigen und zeitgenössischen (hier also
fiühmittelalterlichen) Kriterien zu unterscheiden, sind unbedingt auch letztere,
und zwar quellenspezifisch, zu eruieren.
22 So Gerhard JARlTZ, Gemeinsamkeit und Widerspruch: Spätmittelalterliche Volkskultur aus
der Sicht von Eliten, in: Volkskultur (wie Anm. 4) S. 15-33, hier S. 15; DERS., Zwischen
Augenblick und Ewigkeit. Einführung in die Alltagsgeschichte des Mittelalters, Wien-Köln
1989, S. 128fT.
„GILOMEN (wie Anm. 18) S. 178.
“ Vgl. BUR.KE, Helden (wie Anm. 3) S. 42ff.
„So CHARTIER (wie Anm. 14) S. 376; zuletzt dezidiert GILOMEN (wie Anm. 18) S. 170fT.
“ Vgl. SCHINDLER (wie Anm. 8) S. 74; BUR.KE, Helden (wie Anm. 3) S. 77ff.; JARlTZ,
Augenblick (wie Anm. 22) S. 128fT; Jean-Ciaude SCHMITT, Der Mediävist und die
Volkskultur, in: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hg. v. Peter Dinzelbacher und
Dieter R. Bauer (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte, n. F. 13)
Paderbom u. a. 1990, S. 29-40, hier S. 29. Vgl. GILOMEN (wie Anm. 18) S. 184: Kein
Schlifttum ist fi·ei von geleh11en Einflüssen.
“ Vgl. LAUWERS (wie Anm. 5) S. 252fT.
13
d) Die Frage nach einer „Volkskultur“ setzt die Beschäftigung mit den
„Eliten“ gleichsam voraus, da nur deren Selbstverständnis unmittelbar aus den
Quellen erfaßbar wird. Daher ist stets auch nach ihrer Zusammensetzung und
ihren Sichtweisen zu fragen.
e) „Volk“ und „Elite“ sind zunächst relativ weit zu fassen, aber in sich zu
differenzieren. Es empfiehlt sich daher, nicht einfach nach der Volkskultur,
sondern nach der Kultur bestimmter Gruppenn und nach der Heraushebung und
Abgrenzung der als „Elite(n)“ zu bezeichnenden Schicht(en) zu fragen. Auch
dabei ist die Sichtweise der Quellen zu berücksichtigen.
Für dasfrühe Mittelalter wurden solche Fragen bislang noch kawn gestellt,29
so daß hier weithin Neuland zu beschreiten ist und die Allgemessenheit der
diskutierten Kriterien sowie die Aussagekraft der fast ausnahmslos von einer
monastisch-klerikalen Bildungselite verfaßten Quellen besonders sorgfaltig zu
prüfen sind. Das „Volk“ wird darin ausschließlich aus der Sicht dieser „Eliten“
gesehen und charakterisiert. Da die schwierige Erfassung einer frühmittelalterlichen
„Volkskultur“ gleichwohl ein methodisches und erkenntnistheoretisches
Problem darstellt und nicht zwangsläufig auf eine mangelnde Differenzierung in
der damaligen Gesellschaft zurückzufuhren sein dürfte, besitzt die Thematik an
sich hier keine geringere Relevanz als in anderen Epochen. Die Andersartigkeit
dieses Zeitalters verleiht der mentalitätsgeschichtlichen Frage nach der
Selbstsicht zeitgenössischer Autoren hier jedoch eine besondere Bedeutung.
Erkenntnisse über das frühe Mittelalter sind in diesem Rahmen am ehesten
im Bereich der Re ligion als einer wichtigen Dimension der „Kultur“10 in einer
Gesellschaft, die, wie das Mittelalter, von der Religion durchdrungen war,11 also
in der Frage nach einer möglichen Unterscheidung eines „Kirchen-“ und eines
„Volksglaubens“, zu erzielenn Die umfassende Thematik der Volks- und
11 Vgl. Günter WIEGELMANN, Prinzipien zur Gliederung der Volkskultur, in: Volkskultur Geschichte
– Region (wie Anm. 6) S. 30-43. Für die Behandlung kleinerer Gruppen plädiert
auch GILOMEN (wie Anm. 18) S. 208.
“ Im größeren Rahmen ist die Frage allein bei Aaron J. GURJEWlTSCH, Mittelalterliche
Volkskultur, München 1987, behandelt.
,. So LAUWERS (wie Anm. 5) S. 234.
“ SCHMITT (wie Anm. 26) S. 34f. möchte „Kultur“ und „Religion“ deshalb hier sogar gleichsetzen.
“ Zur mittelalterlichen Volksreligion vgl. Volksreligion (wie Anm. 26), darin Peter
DINZELBACHER, Zur Erforschung der Geschichte der Volksreligion. Einführung und
Bibliographie, ebd. S. 9-27. Unter der Überschrift „Vulgus“ widmet Heinrich F!CHTENAU,
Lebensordnungen des 10. Jahrhunde11s. Studien über Denkrut und Existenz im einstigen
Karolingerreich, Stuttgart 1984, S. 399ff., dem Volksglauben ein ganzes Kapitel seines
Standardwerks. Zur Laienreligiosität im frühen Mittelalter vgl. jetzt Julia M.H. SMITH, Reli-
1 4
Elitekultur soll hier daher schwerpunktmäßig an diesem einen Aspekt und darin
um der Geschlossenheit willen wiederum an einem einzigen Schriftgenre, der
Hagiogra phie, diskutiert werden, die seit geraumer Zeit als eine wichtige Quelle
für die Sozial- und Mentalitätsgeschichte erkannt ist.)} Damit sind bereits
Vorentscheidungen bezüglich des Aussagespektrums der folgenden Beiträge
gion and lay society, in: The New Camb1idge Medieval History, Bd. 2: c. 700-c. 900, hg. v.
Rosamond McKitterick, Cambridge 1995, S. 654-678.
“ Vgl. Frantisek GRAUS, Sozialgeschichtliche Aspekte der Hagiographie der Merowingerund
Karolingerzeit. Die Viten der Heiligen des südalemannischen Rawnes und die
sogenannten Adelsheiligen, in: Mönchtum, Episkopat und Adel zur G1ündungszeit des
Klosters Reichenau, hg. v. Amo Borst (Vorträge und Forschungen 20) Sigmaringen 1974, S.
131-176; DERS., Hagiographische Schriften als Quellen der „profanen“ Geschichte, in: Fonti
medioevali e problematica storiografica. Atti del congresso intemazionale tenuto in occasione
del 90• anniversario della fondazione dell’lstituto Storico Italiano, Bd. I, Rom 1976, S. 375-
396; Friedrich LOTTER, Methodisches zur Gewinnung historischer Erkenntnisse aus
hagiographischen Quellen, in: Historische Zeitschrift 229, 1979, S. 298-356; Friedlich PRINZ,
Der Heilige und seine LebensweiL Überlegungen zum gesellschaftlichen und
kultw·geschichtlichen Aussageweit von Viten und Wundererzählungen, in: Santi e demoni
nell’alto medioevo occidentale (secoli V-Xl), Bd. I (Settimane di studio 36) Spoleto 1989, S.
285-318; DERS., Hagiographie als Kultpropaganda: Die Rolle der Auftraggeber und Autoren
hagiographischer Texte des Frühmittelalters, in: Zeitschrift fur Kirchengeschichte 103, 1992,
S. 175-194. Zur frühmittelalterlichen Hagiographie vgl. vor allem Frantisek GRAUS, Volk,
Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur Hagiographie der Merowingerzeit,
Prag 1965 (zur Forschungsgeschichte ebd. S. 25fT., zu volkstümlichen Elementen ebd. S.
197fT.); Mare van UYTFANGHE, Stylisation biblique et condition humaine dans l’hagiographie
merovingienne (600-750) (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor
wetenschappen, Ietteren en schone kunsten van Belgie. Klasse der Ietteren 49,120) Brüssel
1987; zur Gattung ferner Rene AIGRAJN, L’hagiographie. Ses sources, ses methodes, son
histoire, Paris 1953; Baudouin de GAlFFJER, Etudes critiques d’hagiographie et d’iconologie
(Subsidia hagiographica 43) Brüssel 1967; Hagiographie, cultures et societes. IVe -Xlle
siecles, Paris 1981; Waller BERSCHIN, Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter,
Bd. I -3 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 8-1 0)
Stuttgart 1986-1991; Dieter von der NAHMER, Die lateinische Heiligenvita. Eine Einfiihrung
in die lateinische Hagiographie, Darmstadt 1994; zur Funktion: Les fonctions des saints dans le
monde occidental (lll‘-XJIJ‘ siecle). Actes du colloque organise par l’Ecole franr,;aise de Rome
avec le concow·s de l’Universite de Rome „La Sapienza“ (Rom 1988), Ecole franr,;aise de Rome
1991. Zur Bestandsaufnahme der merowingischen Viten vgl. Franr,;ois DOLBEAU/Martin
HEINZELMANN/Joseph-Claude POULIN, Les sources hagiographiques nan-atives
composees en Gaule avant l’an Mil (SHG). Inventaire, examen critique, datation, in: Francia
15, 1987, 701-731.
1 5
getroffen, die sich an den Aussagen der religiösen Schriftkultur orientieren und
den Aspekt einer oralen (Volks-)Kultur ausklarnmernJ•
Wenn die Spannung zwischen den beiden sich nach Gurjewitsch diametral
entgegenstehenden Weltmodellen der christlichen Religion und der Volksreligion
sich kaum auflösen läßt,35 dann ist das ebenfalls ein Warnzeichen gegen
eine unreflektierte Unterscheidung beider „Kulturen“. Folglich ist auch hier
vorab stets sorgsam zu prüfen, was „volkstümlich“ in diesem Zusammenhang
jeweils für die Zeitgenossen heißt (und zwar unabhängig davon, ob uns die
betreffenden Inhalte als volkstümlich erscheinen) und woran es zu messen ist:
etwa an der Patristik, die zwar fleißig rezipiert wurde, aber erst auf die praktischen
Bedürfnisse zugeschnitten werden mußte? Oder an den kirchenrechtlichen
und theologischen Überzeugungen des fiühen Mittelalters? Oder umgekehrt an
heidnischen Einflüssen? Wenn Gwjewitsch nach der Wechselwirkung zwischen
der amtlichen „kirchlichen Ideologie und der vorctuistlichen (oder besser: nichtchristlichen)
Volkskultur“ fragt,36 dann wird mit dieser an sich berechtigten
Thematik in fränkischer Zeit tatsächlich nur ein Teilaspekt der „Volksreligion“
erfaßt, da der „Volksglaube“ zwar immer noch heidnische Reste aufweisen
mochte, inzwischen aber auch christlich beeinflußt war,37 auch wenn man
zugeben muß, daß der Gegensatz „ctuistlich – heidnisch“ in den friilunittelalterlichen
Quellen weit häufiger und expliziter belegt ist als ein Gegensatz „kirchlich –
volkstümlich“, der sich nur vage abzeichnet.31 Heidenturn an sich war zudem
keineswegs von vornherein „Volksglaube“, sondern konnte überhaupt erst in
christlicher Zeit, als Abgrenzung vom Kirchenglauben, dorthin tendieren,
während umgekehrt heidnisches Denken auch in die kirchliche Religiosität eindringen
konnte. Da stets mit einer Entwicklung zu rechnen ist, ist folglich –
bislang selten beachtet – sorgsam zu unterscheiden, ob etwas nur ursprünglich
oder noch zur betreffenden Zeit als „volkstümlich“ bewe1tet wurde: Die hier
gestellte Frage nach einer Volkskultur des fiühen Mittelalters untersucht strikt
den „aktuellen“ Zustand; sie ist folglich zu lösen von der Frage nach den
,. Zur Oralität des friihen Mittelalters vgl. zuletzt Michael RICHTER, The Formation of the
Medieval West. Studies in the Oral Culture of the Barbarians, Dublin 1994; zu ihren Quellen
DERS., The Oral Tradition in the Early Middle Ages (Typologie des sources du moyen age
occidental 71) Turnhaut 1994.
„GURJEWITSCH, Volkskultur (wie Anm. 29) S. 161fT.
„Ebd. S. 23.
“ Deshalb greift es auch zu kurz, wenn Friedrich PRINZ, Grundlagen und AnHinge.
Deutschland bis 1056, München 1985, S. 357, vom „heidnischen Volksglauben“ spricht.
“ Zu solchen Schwierigkeiten vgl. GRAUS, Volk (wie Anm. 33) S. 197ff, der eine
Unterscheidung ursprünglich volkstümlicher Elemente fur unmöglich hält, aber doch auf eine
deutliche Unterscheidung im Märchen- und Sagengut verweist (bes. S. 248fT.).
16
Ursprüngen und Traditionen eines Volksglaubens. Inunerhin gibt es jedoch
Belege dafür, daß den Zeitgenossen entsprechende Unterscheidungen nicht
gänzlich fremd waren, indem die kirchlichen Autoren nicht nur Heidnisches als
„Aberglauben“ bekämpften, sondern auch mit dem „Volk“ in Verbindung
brachten. So warfRegino von Prüm dem vulgus Tanz und Gesang an Heiligentagen
vor,39 und Wolfhard von Henieden unterschied zwischen dem „rechten“,
wissenden Glauben und den Vorstellungen des „unwissenden Volkes“ . . scheint also durchaus berechtigt, die Frage nach einem Volksglauben weiter zu
verfolgen.
Die Zuordnung hagiographischer Quellen wie überhaupt des Heiligen- und
Reliquienkultes ist allerdings gerade in bezug auf unsere Thematik strittig. Oft
genug ist die Volkstümlichkeit eines solchen Denkens betont worden, und noch
Gwjewitsch zählt Viten (neben Bußbüchem und Predigten) zu den Schriften, die
sich an die breite Schicht der „Nichteingeweihten“ richteten:‘ der Heilige ist fur
ihn „der volkstümlichste Held der mittelalterlichen Gesellschaft“.’2 Dagegen
sieht Frantisek Graus in der Hagiographie eine Schöpfung kirchlich-klerikaler
Kreise; für ihn sind die Viten „hochkirchlich geprägt“.’3 Auch wenn man – mit
einem Großteil der Forschung – der Ansicht von Graus zuneigt, läßt sich gleichwohl
die Frage nach einer eventuellen Volkstümlichkeit wenn nicht der Viten an
sich, so doch einzelner, sich darin niederschlagender religiöser Anschauungen
und Inhalte stellen. Friedrich Prinz betrachtet die Hagiographie entsprechend als
ein Produkt der Elitekultur, das aber doch Auskünfte über die Träger der Volkskultur
gibt.44 Damit ist zugleich die Frage nach den (klerikal-monastischen) Verfassern
und ihren (möglicherweise weitergreifenden) Adressaten berührt. Gibt es
39 Regino von Prüm, De synodalibus causis 1,392, ed. F.G.A. WASSERSCHLEBEN, 1840,
ND. Graz 1964, S. 178.
•• Wolfhard von Herrieden, Miracula s. Waldburgis 1,7, ed. Andreas BAUCH, Quellen zur
Geschichte der Diözese Eichstätt, Bd. 2: Ein bayerisches Mirakelbuch aus der Karolingerzeit
Die Monheimer Walpurgis-Wunder des Priesters Wolfhard (Eichstätter Studien n.F. 12)
Regensburg 1979, S. 162/164: Ego autem i/lis qui nesciunt e/ u/ populares ignari videntur …
“ GURJEWITSCH (wie Anm. 29) S. 19fT., 37ff. Vgl. ebd. S. 84: „Wiewohl als Verfasser
eines Heiligenlebens stets ein Geistlicher auftritt, ven-ät sein Werk deutlich die Züge des
Volksschaffens.“ Gwjewitsch wertet seine Quellen daher unter der Voraussetzung eines
Zusammenhangs aus, der erst zu überprüfen wäre.
“ Ebd. S. 74. Auch FICHTENAU (wie Anm. 32) S. 436 betrachtet den Heiligenkult an sich
als Zeichen einer oberflächlichen Christianisierung. Erst kürzlich hat auch Lothar KOLMER,
Heilige als magische Helfer, in: Mediaevistik 6, 1993, S. 153-175, den Wunderglauben als
„volkstümlich“ eingestuft.
“GRAUS, Volk (wie Anm. 33) S. 302.
“ PRINZ, Lebenswelt (wie Anm. 33), der den unmittelbaren Bezug zum Volk über die
Funktion der Kultpropaganda gewährleistet sieht.
1 7
in der Merowingerzeit noch mancherlei Hinweise dafür, daß die Viten vom
„Volk“ rezipiert und verstanden wurden:1 so nehmen solche Belege in der
Karolingerzeit merkJich ab,“ während der Bezug zur (eigenen) geistlichen Institution
zunehmend wichtiger wird. Schon das steht jeder vorschnellen Verknüpfung
mit dem „Volk“ entgegen.
Die folgenden Beiträge tragen -jeweils für sich und mit eigenen Fragen und
Ansätzen – den dargelegten Schwierigkeiten Rechnung, indem sie „Volkstümliches“
nicht unreflektiert bereits als klar erkennbar voraussetzen, sondern vorsichtig
fragen, ob und woran in ausgewählten Heiligenviten überhaupt
Unterschiede zwischen Volks- und Elitekultur festzumachen sind, wie sich diese
in der zeitgenössischen Sicht, der „Selbsteinschätzung“ der Autoren, Handelnden
und Rezipienten darstellen und welchen Kriterien sie folgen. Erst auf dieser
Grundlage sind, unter quellenkritischer Berücksichtigung des Einflusses der
„Gattung“ Hagiographie und der Intentionen der einzelnen Vita, also im Hinblick
auf das völlig divergierende Verhältnis von heutiger Fragestellung und damaliger
Absicht, vorsichtige Aussagen über eine frühmittelalterliche Volkskultur bzw.
eine Volksreligion möglich. Das schließt konkret Aspekte der Auftraggeber,
Autoren und Adressaten ebenso ein wie (selten genug) explizit geäußerte oder
(häufiger) implizit enthaltene inhaltliche Aussagen über religiöse Vorstellungen,
beispielsweise über das Heiligenbild, den Wunder- oder den Dämonenglauben,
Aussagen, die sowohl auf Leben und Handlungen der Heiligen und ihrer
Zeitgenossen wie vor allem auf deren oder des Verfassers Vorstellungswelt
abzielen können. Es bedingt auf der anderen Seite, wie erwähnt, eine eingehende
Untersuchung der Selbstsicht der schreibenden (und rezipierenden) Eliten und
ihres Selbstverständnisses. Darüber hinaus bleibt schließlich stets die Bedeutung
und Anwendbarkeit der hier behandelten Thematik für das fiühe Mittelalter an
sich zu hinterfragen.
Auf der Grundlage weniger, exemplarisch behandelter und ausgewählter
Viten werden sicherlich weder feste noch gar allgemeingültige Antworten gegeben
werden können. Die Verallgemeinerung hier vorgetragener „Ergebnisse“
bliebe also noch zu prüfen. Vielmehr geht es in erster Linie um die Frage, auf
welchem Wege Elemente einer Volks- und Elitekultur bzw. Volks- und
Elitereligiosität erfaßbar sind, werden methodische Ansätze diskutiert und
getestet, die einer weiteren Behandlung als Grundlage dienen können und die aus
der (an sich selbstverständlichen) Erkenntnis erwachsen sind, daß die
“ Vgl. Michel BANNlARD, Viva voce. Comrnunication ecrite et comrnunication orale du IV
au IX‘ siecle en Occident latin, Paris 1992, bes. S. 254fT.
•• Vgl. Katlien HEENE, Merovingian and Carolingian Hagiography. Continuity or Change in
Public and Aims? in: Analeeta Bollandiana I 07, 1989, S. 415-428.
1 8
mittelalterlichen Quellenaussagen hinsichtlich moderner Fragestellungen alles
andere als für sich selbst sprechen, sondern seitens der Geschichtswissenschaft
erst behutsam zum „Sprechen“ zu bringen sind.
19
VOLKSKULTUR UND ELITEKULTUR
IM FRÜHEN MITTELALTER:
DAS BEISPIEL DER HEILIGENVITEN
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
36
GASTHERAUSGEBER DIESES HEFTES:
HANS-WERNER GOETZ UND FRIEDERIKE SAUERWEIN
VOLKSKULTUR UND ELITEKULTUR
..
IM FRUHEN MITTELALTER:
DAS BEISPIEL DER HEILIGENVITEN
Krems 1997
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG
DER KARL H. D ITZE-STIFTUNG (HAMBURG)
UND DER KULTURABTEI LUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
T itelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Er·forschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für
den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdt-ückliche Zustimmung
jeglicher Nachd􀂎uck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: KOPITU
Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Hans-Werner Goetz: Volkskultur Wld Elitekultur im frühen Mittelalter:
Eine ForschWlgsaufgabe Wld ihre Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 9
Imke Lange: ‚Teste Deo, me nihil audisse modo saeculare de cantico.‘
„Volk“ und „Elite“ als kulturelle Systeme in
„De vita s. RadegWldis libri duo “ ………….. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ………… . . . . 20
Nicole Suhl: Die „Vita Bertilae Abbatissae Calensis“ –
eine Quelle fur mögliche Unterschiede in der Religiosität
von „Volk“ Wld „Elite“ im frühen Mittelalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 39
Ulla Pille: Die Pilgerreise des Heiligen Willibald –
Ansätze für eine Unterscheidung von Volks- und Elitekultur? … . . . . . ….. 59
Britta Graening: Vulgus et qui minus intel!egunt:
Die Vita Sualonis Ennanrichs von Ellwangen
als Zeugnis rnonastischen Elitedenkens? . . . .. . . . . … . . . ….. . .. . . …. . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Karsten Uhl: „Der Pöbel, der nicht in gebildeten Wendungen
zu sprechen versteht.“ Unterschiede zwischen der Kultur
des Volkes und der Kultur der Eliten in den Viten
der Heiligen Wiborada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . … . . . . .. . . . . . . … . .. . . 1 03
Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . . . . 1 19
Vorwort
Die Frage nach einer Volkskultur im fiühen Mittelalter liegt in der Konsequenz
der Volkskulturforschung der letzten beiden Jahrzehnte, sie ist aber noch selten
gestellt und alles andere als erschöpfend oder gar abschließend behandelt
worden, ja tatsächlich ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Frage erst zu
überpriifen, sind zumindest auf das Frühmittelalter zugeschnittene, methodische
Wege zu finden. Diesem Ziel diente ein im Sommersemester 1 995 an der
Universität Hrunburg durchgefühttes Hauptseminar, das im Sommersemester
1 996 in einem Oberseminar weitergeführt wurde. Mögen Publikationen studentischer
Arbeiten auch auf sicherlich nicht immer unberechtigte Skepsis stoßen, so
haben die hier abgedruckten, im Rahmen des Oberseminars noch eiiUllal von
allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kritisch diskutierten Beiträge wohl nicht
nur das fur eine Veröffentlichung erforderliche Niveau erreicht, sie betreten
darüber hinaus Neuland, indem sie methodische Wege erschließen helfen und an
ausgewählten Beispielen, die sich sämtlich auf die sich in Heiligenviten widerspiegelnden
religiösen Vorstellungen konzentrieren, abtesten. Damit bieten sie
einen fiuchtbaren exemplarischen Zugang zu wichtigen Aspekten der fiillunittelalterlichen
Volkskultur und Elitekultur. Dank gemeinsamer Fragestellungen und
Diskussionen weisen die jeweils einzelnen Viten gewidmeten Beiträge zudem
eine hinreichende methodische und thematische Geschlossenheit auf.
Herausgeber, Autoritmen und Autoren haben der Gesellschaft „Medium
Aevum Quotidianum“ und dem Herausgeber ilu-er gleichnamigen Zeitschrift,
Gerhard Jaritz, sehr dafi.ir zu danken, daß sie dieses Heft fi.ir einen solchen Versuch
zur Verfugung gestellt haben. Das Thema selbst geht auf eine Anregung
des ehemaligen Direktors des Instituts fi.ir Realienkunde, Harry Kühne!, zurück,
der das Konzept fi.ir die erste, geplante Sommerakademie des Mediävistenverbandes
unter dem Titel „Die ambivalente Kultur des Mittelalters“ entworfen
und den Herausgeber mit der Leitung einer Sektion zum Thema „Volkskultur
und Elitekultur im Mittelalter“ betraut hatte. Daß das Vorhaben sich zunächst
nicht wie geplant realisieren ließ, resultiette aus organisat01ischen und
finanziellen Problemen, die durch den unerwarteten Tod Hany Kühnels, der das
7
Projekt mit Energie und Engagement betrieben hatte, vollends verschärft worden
wären. Seinem Gedenken soll dieses Heft daher gewidmet sein.
Hans-Wemer Goetz (Hamburg)
8

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