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Vulgus et qui minus intellegunt

Vulgus et qui minus intellegunt:
Die Vita Sualonis Ermanrichs von Ellwangen
als Zeugnis monastischen Elitedenkens?
Britta Graening
In der den Einzelbeiträgen vorangehenden Einleitung wurde bereits auf die
Problematik hingewiesen, ob hagiographische Schriften eher der Volks- oder
der Elitekultur zuzuordnen sind.‘ Dienten Heiligenviten in erster Linie dazu,
das einfache Volk an den christlichen Glauben heranzuführen,2 oder läßt sich
zumindest eine Übernahme „volks-tümlicher Elemente“ in klerikale Schriften
zu Christianisierungszwecken nachweisen?3 Oder sind Heiligenviten – sowohl
in bezug auf ihre Entstehung• als auch auf ihre Rezeption5 – vielmehr Zeugnis
einer klerikalen „Eiitekultur“? Eine allgemeingültige Antwort auf diese
‚ Vgl. GOETZ, in diesem Heft, S. JSff.
‚ So Aaron J. GURJEWITSCH, Mittelalterliche Volkskultur, München 1987, S. 73 u. 90.
3 Nach Michel LAUWERS, „Religion populaire“, culture folklorique, mentalites. Notes
pour une anthropologie culturelle du moyen age, in: Revue d’histoire ecclesiastique 82,
1987, S. 221-258, hier S. 247-249, handelt es sich um einen reziproken Kulturaustausch
zwischen der „culture folklorique“ und der „culture ecclesiastique“. Die „elements
folkloriques“ seien aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgelöst und christianisiett
worden, um dem Volk als negatives oder positives Beispiel vorgetragen zu werden.
‚ Frantisek GRAUS, Volk, Herrscher und Heiliger im Reich der Merowinger. Studien zur
Hagiographie der Merowingerzeit, Prag 1965, S. 302, 443 u. 449, bezeichnet die
merowingische Hagiographie „ihrer literarischen Struktur und Durchflihrung nach [als]
ausgesprochen volksfremd.“ Heiligenviten seien keine „Volksschöpfung“, sondern
„hochkirchlich geprägt“.
‚ Während sich nach GRAUS (wie Anm. 4) S. 302 die Hagiographie der Merowingerzeit
noch bemühte, „das Volk zu beeinflussen“ und zu diesem Zweck „pseudovolkstümliche
und insbesondere soziale Motive“ verwendet wurden, betont Katrien HEENE,
Merovingian and Carolingian Hagiography. Continuity or Change in Public and Aims?,
in: Analeeta Bollandiana I 07, 1989, S. 41 5-428, hier S. 426ff., daß sich die Heiligenviten
der Karolingerzeit fast ausschließlich an klerikal-monastische Kreise richteten.
80
Fragen für das frühe Mittelalter geben zu wollen, scheitert bereits an der
Tatsache, daß sich innerhalb dieser Epoche die sozialen, politischen und
religiösen Rahmenbedingungen erheblich wandelten. Es ist zu vemmten, daß
die historische Entwicklung von der Merowinger- zur Karolingerzeit auch in
den hagiographischen Schriften ihren Niederschlag fand und daß sich die
Intention der Hagiographen, und damit die Funktion der Viten, ebenso
veränderten wie ihre Adressaten.6
Die kontroverse Zuordnung der Heiligenviten zur Volks- oder
Elitekultur erfordert, nicht allein nach volkstümlichen Elementen zu forschen,
sondem auch die Verfasser der Viten stärker in den Blick zu nehmen. Für den
Bereich der Karolingerzeit ist es insbesondere interessant, die Selbstsicht der
– meist monastischen – Hagiographen zu untersuchen. Das Kloster – als
Lebensraum einerseits und Entstehungsort der Viten andererseits – ist in
diesem Zusanunenhang von besonderer Bedeutung, denn die Klöster waren
im 8. und 9. Jahrhundert nicht nur „Zentren geistiger Kultur ( … )[,] geistlicher
Bildung [und] fränkischer Reichskultur“, sondem auch „religiöse Bewahrer
adeliger Familientraditionen und ständischen Selbstbewußtseins“ .7 Anband
der im 9. Jahrhundert von Ennenrich oder Ennanrich von Ellwangen
verfaßten Vita Sualonis soll hier daher zunächst nicht nach einer
„Volkskultur“ gefragt, sondem geprüft werden, wieweit diese Vita von
Elementen einer „Eiitekultur“ – z.B. in Fom1 eines monastischen
Elitebewußtseins oder einer elitären Heiligenverehrung – geprägt ist. Dabei
sind im einzelnen folgende Fragen an die Vita zu stellen: Gibt es explizite
oder implizite Textaussagen, die Rückschlüsse auf das Vorhandensein eines
elitären Selbstbewußtseins des Hagiographen – als Einzelperson oder Teil
einer Gruppe – zulassen? Wenn dies der Fall ist, wie definiert sich diese Elite
dann aus der Sicht des Mönchs Ennanrich? Welche Abgrenzungen gegenüber
anderen Gruppen kommen hierbei zum Tragen, und welches sind die
Abgrenzungskriterien? Zu berücksichtigen ist ebenfalls, daß mögliche
Berührungspunkte der einzelnen Gruppen nicht nur in Unterschieden,
sondem auch in Gemeinsamkeiten liegen können.
Neben dem biographischen und institutionellen Hintergrund des Autors
ist die Frage nach den Adressaten der Vita von leitendem Interesse. Auch
6 Zu Unterschieden zwischen der merowingischen und der karolingischen Hagiographie
vgl. HEENE (wie Anm. 5).
7 So Karl BOSL, Franken um 800. Strukturanalyse einer fränkischen Königsprovinz,
München 2 1 969, S. 1 15.
8 1
wenn bei dieser Untersuchung die „Eliten“ im Vordergrund zu stehen
scheinen, wird die Betrachtung des „Volkes“, das vorläufig allgemein als „die
anderen“ gekennzeichnet werden soll, notwendigerweise miteinbezogen.
Sollte der Nachweis einer in sich geschlossenen „ElitekuJtur“ gelingen, bleibt
folglich zu fragen, welchen Platz darin die Kultur der „anderen“ einnümnt.
1. Der biographische Hintergrund Ermanrichs von Ellwangen
Ermanrich ( 8 1 4-874Y erhielt seine erste geistliche Erziehung im Kloster
Ellwangen und fuhrte seine Studien dann unter den berühmten Lehrern
Hrabanus Maurus und Rudolf in Fulda fort. Bereits als junger Mönch weilte
der spätere Ellwanger Abt als Kapellan am Hofe Ludwigs des Deutschen,9
und es ist anzunehmen, daß der enge Kontakt zum Herrscherhaus seine
spätere Berufung zum Bischof von Passau (866) begünstigte.10 Nach seinem
Aufenthalt am Hofe (833–839) kehrte Ennanrich zunächst nach Ellwangen
zurück.“ Die Jahre 846-849 verbrachte er bei Walahfrid Strabo auf der Insel
Reichenau; anschließend hielt er sich bei Abt Grimald im Kloster St. Gallen
auf. Durch seine Ausbildung an den damals berühmtesten drei Lehrstätten
des Ostfrankenreichs verfugte Ennanrich über ein reiches Gelehrtenwissen.
Der Ellwanger Mönch gilt daher als Vertreter jener Bildungsreform des
ausgehenden 8. Jahrhunderts, die meist als karolingische Renaissance
bezeichnet wird, und in seinen Werken „spiegeln sich die kulturellen,
kirchenpolitischen und geisteswissenschaftlichen Verhältnisse des 9.
‚ F. J. WORSTBROCK, Ermenrich von Ellwangen, in: Die deutsche Literatur des
Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, hg. v. K. Ruh u.a., Berlin-New York 2 1980, Sp. 606-
6 1 1 , vermutet in Ermanrich den Sohn einer schwäbischen Adelsfamilie. Diese flir die
Fragestellung der Arbeit wichtige lnfmmation über die soziale Herkunft Ermanrichs bleibt
in den übrigen biographischen Darstellungen unerwähnt. Wilhelm FORKE, Studien zu
Ermenrich von Ellwangen, in: Zeitschrift ftir Württembergische Landesgeschichte 28,
1969, S. 1 – 1 04, hier S. 6, füh11 an: „Wer und welchen Standes seine Eltern waren, [ist)
( …) nicht überliefert“.
• Josef FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige. I . Teil: Grundlegung.
Die karolingische Hofkapelle (Schriften der Menumenta Germaniae historica. Deutsches
Institut für Erforschung des Mittelalters 16/ I) Stuttgart 1959, S. 1 79f.
“ Andreas BAUCH, Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt, Bd. I : Biographien der
Gründungszeit (Eichstätter Studien n.F. 19) Regensburg 2 1984, S. 193.
1 1 Nach WORSTBROCK (wie Anm. 8) Sp. 606 erfolgte die Rückkehr nach Ellwangen
spätestens 839.
82
Jahrhunderts wider“.12 Neben der Vita Hariolfi (-850), die über die Gründung
Ellwangens berichtet, und der Epistola ad Grimaldum (-850-855), die als ein
Kompendium der damaligen Schulweisheit betrachtet wird,13 verfaßte
Ennanrich von Ellwangen die Vita Sualonis (-839-842, auch bezeichnet als
Sermo de vita b. Soli), eine Lebensbeschreibung des angelsächsischen
Mönches Sualo (SoJa, latinisiert SoJus),“ die im folgenden näher untersucht
werden soll.
2. Die Vita Sualonis
Wie aus der Vita Sualonis1l hervorgeht, verfaßte Ennanrich sein
Erstlingswerk als Mönch und Diakon ( 1 63,8).16 Über den Entstehungsort der
Vita gibt die Quelle keine Auskunft; Wilhelm Forke hält jedoch eine
Abfassung im Kloster Ellwangen fli.r wahrscheinlich. 17 Für die Festlegung der
Abfassungszeit sind folgende Eckdaten ausschlaggebend: Der Auftraggeber
der Vita, Gundhram, war zum Zeitpunkt der Niederschrift Verwalter des
Fuldaer Klosterguts in Solnhofen ( 1 6 1 ,3/4). Da fur die Jahre 836-838
Santharat als Vorsteher von Solnilofen bezeugt ist, müssen der Amtsantritt
Gundhrams und die Entstehung der Vita nach 838 erfolgt sein. Als spätestes
Abfassungsdatwn ist das Jahr 842 zu betrachten, weil Hrabanus Maurus, der
“ So Viktor BURR, E. v. Ellwangen, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Josef
Höfer u. Kar! Rahner, Bd. 3, Freiburg 2 1 959, Sp. 1032.
“ Vgl. BAUCH (wie Anm. 10) S. 193.
1′ WORSTBROCK (wie Anm. 8) Sp. 608-610 sowie Walter BERSCHLN, Biographie und
Epochenstil im lateinischen Mittelalter, Bd. III: Karolingische Biographie 750-920 n. Chr.
(Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters I 0) Stuttgart
1991, S. 265 u. 267-269. Wilhelm SCHWARZ, Die Schriften Etmenrichs von Ellwangen,
in: Zeitschrift flir Württembergische Landesgeschichte 12, 1953, S. 1 8 1 – 1 89, hier S. 184-
187, vermutet in Ermanrich auch den Verfasser der Vita metrica s. Ga/li.
“ Die Vita Sualonis ist in einer Handschrift des 9. Jahrhunderts überliefert und liegt in
kritischer Edition durch Oswald HOLDER-EGGER, MGH SS XV, l , S. 153-163 vor.
Textgrundlage dieser Quellenarbeit ist die Edition von Andreas BAUCH (wie Anm. 10) S.
I 96-239 (mit dt. Übers.).
“ Quellenzitate werden im Folgenden direkt im Text in runden Klammem angegeben. Die
Seiten- und Zeilennumerietung der neueren Edition von BAUCH (wie Anm. 10) stimmt
mit der Edition von HOLDER-EGGER (wie Anm. 15) überein.
“ FORKE (wie Anm. 8) S. 7.
83
in der Vita mehrfach als Abt von Fulda erwähnt wird, zu diesem Zeitpunkt
seine Abtwürde niederlegte.18
Die Vita Sualonis beginnt mit einem Briefwechsel zwischen dem Autor
und seinem Auftraggeber Gundhram.19 Yennutlieh im Zusanunenhang mit
der Elevatio des heiligen Solus bittet der Diakon Gundhram Ermanrich als
seinen vertrautesten Freund um die Darstellung der Werke und Wunder des
Heiligen ( 1 53,3-5 u. 1 54, 1 7/1 8). Der Hagiograph macht für die Niederschrift
die Erlaubnis des Fuldaer Abtes Hrabanus Maurus ( 1 54, 1 9/20) zur
Bedingung, die ihm im nachfolgenden Antwortschreiben Gundhrams
übermittelt wird ( 1 55,4/5). Das Schreiben Gundhrams enthält sogar die
ausdrückliche Bitte Rudolfs von Fulda an den Diakon Ennanrich, das Leben
des heiligen SoJus niederzuschreiben ( 1 55,5). Auf Wunsch Gundhrams sollte
die Vita Rudolf von Fulda gewidmet werden, dem es gleichzeitig oblag, das
Werk zu korrigieren ( 1 5 5,7/8). Dem Lebensbericht des Heiligen sind
weiterhin ein Gedicht an den Widmungsträger ( 1 55 , 1 0-36) sowie ein
Schreiben Ermanrichs an Rudolf ( 155,37- 1 56, 19) mit der Bitte um
Korrekturhilfe ( 1 55, 1 6-20; 1 5 6, 1 1 – 1 4) vorangestellt.
Über das Leben des Heiligen weiß Ennanrich nur wenig zu berichten.
Der aus Angelsachsen stanunende Solus ( 1 57 , 1 1 1 1 2; 1 58,38) kam zur Zeit
der fränkischen Kirchenreform (-741 -745) auf Bitten des heiligen Bonifatius
(672/73-754) nach Deutschland ( 1 57, 10-12 u. 22). Nachdem er zwn Priester
und Mönch bestellt worden war ( 1 57, 1 3), ließ er sich aus Liebe zur
Einsamkeit ( 1 58 , 1 /2) als Einsiedler an einem Ort nieder, der nach seinem
Tode „Zelle des Solus“20 genannt wurde ( 1 58,3-5). Ennanrich berichtet von
einer Begegnung des Eremiten mit Karl dem Großen ( 1 58,34/35) sowie von
Bischof Willibald und seinem Bruder Wynnebald,21 die den heiligen SoJus
II Ebd. s. 6.
“ Nähere lnfonnationen zur Person Gundhrams folgen im Abschnitt 3.
“ Die Zelle des SoJus, in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunde1is erstmals urkundlich unter dem
Namen „Husen“ erwähnt und später Solnhofen genannt, befand sich in dem an der
Altmühl gelegenen Sualafeld. Der Ort gehörte zur Diözese Eichstätt und lag im bayrischfränkischen
Grenzraum. Solnhofen zählte zu den ersten geistlichen Zentren, von denen
seit dem 8. Jahrhundert die Erschließung Ostfrankens ausging. Vgl. Karl WITHOLD,
Solnhofen, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 7: Bayem, hg. v. Karl
Bosl, Stuttgart 1961, S. 661 f.
“ Willibald (-700-78617) und sein Bruder Wynnebald (701-761) waren Verwandte des hl.
Bonifatius. Wynnebald wurde in der Gefolgschaft des Bonifatius missionarisch tätig. Vgl.
HAUTHALER, Willibald, B. v. Eichstätt, in: Allgemeine deutsche Biographie, hg. durch
84
nach dem Tode des Bonifatius tatkräftig unterstützten ( 1 58,36-38). Besonders
ausführlich werden die Wundertaten des Heiligen dargestellt,22 mit denen der
Hagiograph die Lebensbeschreibung beschließt. Der eigentlichen Vita
werden noch ein Bericht Ennanrichs über seinen Besuch in Solnhofen
anläßlich der Erhebung der Gebeine des heiligen SoJus (-838/839, vgl.
1 6 1 ,5), eine Widmung an Rudolf von Fulda ( 1 62,37-163,9) sowie ein
Hymnus auf den heiligen SoJus ( 1 63, I 0-30) angeschlossen.
3. Auftraggeber und Verfasser der Vita Sualouis
Um Aussagen über eine mögliche elitäre Prägung der Vita Sualonis machen
zu können, ist es notwendig, über den biographischen Hintergrund
Ennanrichs hinaus auch seine Rolle als Verfasser der Vita zu betrachten. Wie
bereits erwähnt, erhielt der Hagiograph den Auftrag zur Erstellung der Schrift
von Gundhram, einem Neffen des berühmten Hrabanus Maurus (vgl. 1 54, 19;
1 55,4; 1 6 1 , 2 1 ; 161 ,26). Im Gegensatz zu Ennanrich wurde ihm jedoch trotz
seiner Erziehung der Eintritt in den Benediktinerorden verwehrt, und er
wurde statt dessen „gegen [s]einen Willen ( … ) vielmehr mit Gewalt ( … ) in die
Zahl der Höflinge ( … ) eingereiht“ ( 1 6 1 ,29/30). Em1anrich charakterisiert
seinen Freund als gebildeten, vomehmen und Iiteratisch gewandten Mann
( 1 53,32/33). Durch die Bezeichnung als con/evita tuus in den Grußworten
beider Briefschreiber werden besonders die gemeinsamen Studien
hervorgehoben ( 1 53,3 1/32; 1 54,26/27), und der vertraute Ton der Briefe (z.B.
1 6 1 ,3; 1 62,3 l/32) zeigt, daß Autor und Auftraggeber der Vita in tiefer
Freundschaft verbunden waren.
Auffallig ist die Betonung der Dringlichkeit, mit der Ennanrich um die
Niederschrift der Vita angegangen wird. Er wird „mit Eiden beschworen“
( 1 54,4), „heftig bedrängt“ ( 1 54 , 1 8), und in dem Brief Ennanrichs an seinen
Lehrer Rudolf gibt der Autor die Beschwötung des Freundes in wöttlicher
Rede wieder ( 1 56,8-1 0). Im letzten Kapitel der Vita wird berichtet,
Gundhram habe seinen Freund bei dessen Besuch in Solnhofen so lange
festgehalten, bis dieser versprach, die Vita des heiligen SoJus zu schreiben
die historische Commission bei der königlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 43,
Berlin 2 1 97 1 , S. 272-275 sowie den Beitrag von Ulla PILLE, in diesem Heft, S. 59-79.
“ Die Heilung eines Blinden und eines Gelähmten im siebenten Kapitel. Die Heilung eines
Taubstummen im achten Kapitel. Das Eselswunder im neunten Kapitel sowie die
wunderbare Erhebung der Gebeine des Heiligen im zehnten Kapitel.
85
( 1 6 1 , 1 5- 1 8). Es scheint, als wolle sich Ennanrich gegen den möglichen
Vorwurf der Anmaßung oder gegen anderweitige Kritik absichern. Er selbst
bezeichnet sich als zu unerfahren und dieser Aufgabe unwürdig ( 1 54,4-6;
162,28).23 Ermanrich will zunächst anderen Personen den Vortritt lassen, die
er in bezug auf ihre Stellung (Abtwürde, Magisterwürde) und Gelehrsamkeit
als ihm überlegen darstellt: Dem Abt Hrabanus Maurus folgt Rudolf, dann
Gundhram ( 1 54,20-23). Auch die von Ermanrich erbetene Erlaubnis durch
den Fuldaer Abt und die Korrekturhilfe des Lehrers Rudolf‘ sind in diesem
Kontext zu verstehen. Aus den bisherigen Ausfuhrungen lassen sich zwei
Schlußfolgerungen ziehen: Zum einen scheint die Einhaltung bestinunter
Fonnalia bei der Abfassung der Vita von hoher Wichtigkeit gewesen zu sein.
Zum anderen wird neben dem Inhalt auch der Fonn des Werkes eine
entscheidende Bedeutung beigemessen.
“ Die für die Heiligenviten charakteristischen Topoi erschweren die Interpretation der
Autorenaussagen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Äußerung Wilhelm
Forkes: „Vielleicht darf man bei Ermenrich sogar so weit gehen zu sagen, daß er Topoi
nur dann benutzt, wenn sie im wesentlichen einer gewissen Realität entsprechen.“ FORKE
(wie Anm. 8) S. 7 1 .
“ Ermanrichs F01mulierung: En Ruadolfe, I Doctor amande, I Te peto scribens. I Corrigas
unca I Verba benignus, I Et plano firma … ( 155, 16-21) spricht ftir sein Selbstverständnis
als Schüler des berühmten Rudolf von Fulda, der vermutlich wegen seiner stilistischen
Überlegenheit um Hilfe gebeten wurde. Ein weiterer Grund liegt in der Tatsache, daß
Rudolf über das Leben des heiligen SoJus gut informiert war ( I 56,13/14). Tatsächlich ist
ein Aufenthalt Rudolfs in Solnhofen für das Jahr 836 anläßlich der Translation des
heiligen Venantius bezeugt, währenddessen er die Gelegenheit hatte, sich ebenfalls über
den heiligen Solus zu unterrichten. Vgl. Miracula Sanetarum in Fuldenses Ecclesias
Translatorum. Auetore Rudolfo, ed. Georg WAITZ, MGH SS XV, I , S. 333, Franz
HEIDINGSFELDER, Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt (Veröffentlichungen der
Gesellschaft ftir Fränkische Geschichte. VI. Reihe) Innsbruck 1 9 1 5, S. 23 Nr. 49 sowie
Adam HIRSCHMANN, Der heilige Sola. Ein historischer Versuch, Ingolstadt I 894, S. 23
u. 26.
86
4. „Elite“ und „Elitebewußtsein“ in der Vita Sualonis
4.1. Sprachlichkeit und Bildung als Abgrenzungskriterien?
4.1.1. Die Namen des Heiligen
Der heilige SoJus wird namentlich mit den Worten: Solus, vulgariter Sualo25
cognominatus… ( 1 54, 16) eingefuhrt. Bei der später erwähnten
etymologischen Deutung des Namens des Heiligen und des nach ihm
benannten Ortes steht wiederum der volkssprachliche Name So/on neben der
lateinischen Bezeichnung Solus. Der Autor respektiert die „volkstümliche“
Deutung anderer, gibt jedoch der latinisierten Fonn den Vorzug, da sie dem
bezeichneten Gegenstand, dem Einsiedlertwn, besser entspräche: . . . . quem
tarnen quidam vulgarice Cellam Solonis vocant. Ast ego, salva caeterorum
estimatione, dico eum melius monachum, id est Solum, quam Solonem, et
cellam ipsam beati Soli quam cellam Solonis posse nuncupari, . . . ( ! 58,3-6).
Walter Berschin weist darauf hin, daß „die Deklination Solus-Solonis
karolingisch nicht mehr vertretbar war“ und daher von Ermanrich durch
Solus-Soli ersetzt wurde.26 Die Sprachunterschiede stehen demnach im
Zusammenhang mit der karolingischen Bildungsrefom1, die sich insbesondere
in klerikal-monastischen Kreisen vollzog.
Die scheinbar wertfreie Darstellung der Sprachunterschiede wird
relativiert durch die Verwendung der Begriffe vulgariter ( 1 54, 16) und
vulgarice (1 58,4), die im Lateinischen durchaus eine negative Konnotation
beinhalten können. Ennanrich von Ellwangen stellt also nicht nur
Unterschiede in der Sprachlichkeil fest, sondern deutet hier möglicherweise
zudem eine Hierarchisierung der Sprachen zugunsten des Lateinischen an.
Die sprachliche Abgrenzung zwischen Latein und Volkssprache
bedeutet nicht ohne weiteres eine Abgrenzung sozialer Gruppen. Eine
Trennungslinie Klerus/Latein – Laien/Volkssprache erscheint nach Rosamond
McKitterick nicht sinnvoll, da sich auch der Klerus der Volkssprachen
bediente, während der Adel zum Teil auch das Lateinische beherrschte.27
“ Sualo ist der volkstümliche und althochdeutsche, SoJa vielleicht der angelsächsische,
SoJus der latinisierte Name. Vgl. HIRSCHMANN (wie Anm. 24) S. 33.
“ BERSCHIN (wie Anm. 14) S. 265, Anm. 402.
“ Vgl. Rosamond McKlTTERICK, The Carolingians and the Written Word, Cambridge
1989, s. 272.
87
Dennoch war das Lateinische im neunten Jahrhundert nur wenig, d.h. vor
allem in geistlichen und monastischen Kreisen, verbreitet.28 Wenn der
Verfasser der Vita We11 darauf legte, beide Sprachvarianten anzuflihren, so
weist dies also möglicherweise darauf hin, daß der heilige Solus auch in
Bevölkerungsteilen verehrt wurde, die in der Volkssprache kommunizierten.
Der Anteil dieser Gruppen war jedenfalls so bedeutend, daß Em1anrich es flir
wichtig erachtete, die volkssprachliche Bezeichnung mehnnals anzuflihren.
Gleichzeitig bezeugt der Verfasser eine Abgrenzung des gewöhnlichen
Namens gegenüber der latinisierten Fonn, die nur von einer kleinen, des
Lateinischen mächtigen Gruppe verwandt wurde.
Zwar reichen die unterschiedlichen Namensbezeichnungen kaum als
Beweis flir eine sprachliche Abgrenzung der „Elite“ vom „Volk“ aus, doch
könnten sie bereits ein Hinweis auf die Adressaten der Vita sein: Einerseits
spricht die latinisierte Namensfom1 für einen gebildeten, lateinkundigen
Adressaten; andererseits zeigt die Erwähnung des volksprachlichen Namens,
daß ein weiterer Adressatenkreis nicht auszuschließen ist.
4.1.2. Das „Volk“ (vulgus) als „die weniger Einsichtigen“?
Aufschlußreich in bezug auf die tetminologische Abgrenzung verschiedener
Gruppen ist Ennanrichs kontextspezifische Verwendung der lateinischen
Begriffe gens, populus, vulgus und plebs. Während gens29 und populus30
wertneutral sind, taucht vulgus stets in negativem Kontext aurl‘ Im
Zusammenhang mit den Wundertaten des Heiligen schreibt Ennanrich:
Etenim haec vulgus et qui minus intellegunt nosque cum eis pro maximis
“ Ygl. Herbert GRUNDMANN, Litteratus-illitteratus. Der Wandel einer Bildungsnorm
vom Altertum zum Mittelalter, in: Archiv flir Kulturgeschichte 40, 1958, S. 1-65. Zum
volkssprachlichen Schrifttum bes. S. 34ff. Auch wenn Herber1 Grundmann (S.8) anders
als später Rosamond McKitterick den Adel bis ins späte Mittelalter weitgehend als
i/literati kennzeichnet, betont er, daß dieser Begriff keineswegs mit „ungebildet“ zu
übersetzen sei.
29 ln dieser Quelle wird gens allein auf die regionale Herkunft der Person bezogen
( 1 56,20; 1 5 7, 1 1 ; 1 57,23 u. 1 58,38).
,. PopultiS kommt vor allen Dingen im Zusammenhang mit der christlichen Mission vor
und meint als umfassendste Bezeichnung „eine große Volksmenge“ oder „das gesamte
Volk“ ( 1 57,16; 157,30; 160,1 u. 1 63 , 1 6).
“ In diesem Zusammenhang verstärken die Begriffe vulgariter ( 154, 16) und vu/garice
( 1 58,4), wie oben angedeutet, die Tendenz einer negativen Bewertung der Volkssprache.
88
laudibus tenent . . . ( 1 60,5/6). Bei dieser Aufzählung werden diejenigen, mit
denen Errnanrich sich identifiziert (nos}/2 den weniger Einsichtigen
gegenübergestellt. Auch wenn sich nicht eindeutig bestinunen läßt, ob die
Beschreibung et qui minus intelleguni mit dem Volk (vulgus) übereinstinunt
oder ob hier eine weitere Gruppe gemeint ist, belegt diese Stelle eine
Abgrenzung, die das Volk als weniger gebildet erscheinen läßt. Eindeutig
negativ bewertet wird die im Volk praktizierte Heiligenverehrung, die der
Hagiograph als inanes vulgi rumusculos ( 1 60,38) bezeichnet. Der lateinische
Ausdruck plebs erscheint nur einmal in Verbindung mit dem
volkssprachlichen Namen des Heiligen.33 Sollte Em1anrich die hier
aufgefiihrten Begriffe bewußt eingesetzt haben und nicht, um dem Grundsatz
der Variatio gerecht zu werden,34 so könnte eine negative Kennzeichnung des
Volkes ein eigenes Überlegenheitsgefiihl implizieren und das Volk als
möglichen Adressaten der Vita in Frage stellen. Dies lenkt den Blick zugleich
auf den institutionellen Hintergrund des Verfassers: das Kloster als
Lebensraum im allgemeinen sowie das Kloster Fulda im besonderen.
4.1.3. Das Kloster als Hort einer Bildungselite
ln seinem Brief an Em1anrich erwähnt Gundhram, die Freunde stünden beide
im Dienst Gottes, jedoch in „verschiedener Gewandung“ ( 1 54,3 1 ).ll Die
Formulierungen Gundhrams erwecken den Eindruck, dieser empfinde sein
weltliches Leben als gefahrvolle Last und beneide seinen Freund um das
Leben in der Zurückgezogenheit des Klosters.36 Dort sind die besten
“ Aus der Quelle läßt sich nicht erkennen, welche Personen die mit „wir“ umschriebene
Gruppe umfaßt. Allenfalls liefern andere Textstellen Hinweise für die Annahme, es handle
sich um Ermanrich und ihm in Bildung und Lebensführung Gleichgestellte, also
vermutlich Klosterangehörige (vgl. 1 56,43-45). Dies setzt aber voraus, daß die jeweils mit
nos gekennzeichneten Gruppen identisch sind.
“ So/um quem vocitat nomine typico I Plebs sacra sie Germanica ( 163, 13f.).
,. Zur Variatio bei Ermanrich von Ellwangen vgl. FORKE (wie Anm. 8) S. 42-47.
‚5 Ermanrich als Mönch, Gundhram als Weltpriester. Vgl. BAUCH (wie Anm. 10) S. 241,
Anm. 12 der Vita sowie im Quellentext 1 6 1 , 32/33.
,. Sane cum non ignorem me hactenus in activa et periculosa vita er te, ceu remotiorem a
saeculari militia, positum in theorica. non dubirem, quin recorderis mei sedulo, ur me
Deus omnipotens conse1vet a mundi retiaculo ( 1 54,27-29). Über seine Versetzung als
Verwalter nach Solnhofen heißt es: Ad haec et hoc mentem saepiuscule movet, quid in me
boni domnus rex potuisset nancisci. quod servitii mei est dignatus appetere, 1•e/ cur
89
Bildungsmöglichkeiten gegeben, und dort findet Ennanrich die Muße, die
Taten des heiligen Solus niederzuschreiben: … quia et maiora otia te habere
censui ob beatam consuetudinem coenobii. . . ( 1 55,2). Die mehrfache
Betonung der „glücklichen“ Lebensfuhrung im Kloster deutet darauf hin, daß
es von Gundhram als Privileg empfunden wurde, Klosterangehöriger zu sein,
und impliziert die Anerkennung der Besonderheit und Auserwähltheil
monastischen Lebens durch einen „Nichtzugehörigen“. Auf seiten der
Klosterangehörigen mochte dem ein Elitebewußtsein entsprechen.
Ein solches Bewußtsein gründete sich nicht zuletzt auf die Bildung. In
den letzten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts setzte eine von Kar! dem Großen
eingeleitete und geförderte Refonn der Bildung ein, woraufbin in den
Kapitularien den Kirchen und Klöstern die Pflege des geistigen Lebens als
Pflicht vorgeschrieben wurde.37 So wird in der Epistola de litteris colendis
betont, daß rechtes Leben und rechtes Sprechen zusammen gehöt1en und daß
ein eifriges Bemühen um die studia litterarum „recht betrieben der Wahrheit
und der Ehre Gottes dienten“ .’8 Diese Aussage behielt vemmtlich auch zu
Ennanrichs Zeit ihre Wirkung. Bereits im dtitten Satz der Vita verweist der
Verfasser nicht ohne Stolz auf die hohe geistige Blüte der karolingischen Zeit
( 1 53,33-1 54,2). Seine Bemühungen um einen elaboriet1en Stil sowie seine
Bemerkungen, die den „Fleiß“ als eine christliche Tugend erscheinen lassen,39
erhalten vor diesem historischen Hintergrund einen tieferen Sinn.
Sowohl der Verfasser der Vita als auch ihr Auftraggeber, Gundhram,
wurden im Kloster Fulda ausgebildet. Das schlägt sich insofern auf die
Interpretation der Vita nieder, als eine Reihe von Em1anrichs Äußerungen,
die heute unter mentalitätsgeschichtlichem Blickwinkel betrachtet werden,
vor diesem Hintergmnd zu verstehen sind. Über das Fuldaer Kloster schreibt
Ermanrich, es handle sich um „jene Klosterfamilie, die überall als edle
vo/uisset me a quietissima coenobii vita, quamvis hactenus non ligato in ea, educere et in
haec asperrima montium iuga statuere ( 1 6 1 ,30-33).
37 Mil der Übernahme der antiken lateinischen Bildung hatte sich den Franken ein
bedeutender Bildungsschatz erschlossen, der jedoch mühevoll zu erwerben war und die
Trennung /itterati-illiterati bedeutete. Vgl. dazu Josef FLECKENSTEIN, Bildungsreform
Karls des Großen, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. II, München-Zürich I 983, Sp. 1 87ff.
“ Karoli Epistola de litteris colendis. 780-800, ed. Alfred BORETTUS, MGH Capitularia
Regum Franeorum I, Nr. 29, S. 78f. Ebd. S. 79: Quamobrem hortamur vos litteramm
studia non so/um non neglgi ere, verum etiam humillima et Deo placita intentione ad hoc
certatim discere . . .
“ Z.B. das Bienengleichnis 154,617 o. 1 56,17: … dimissa acediosa excusatione.
90
Befolgerin der Weisungen ihres Lehnneisters [Bonifatius] gilt“ ( 1 59,6).
Bonifatius hatte das Kloster Fulda 744 im Zuge der fränkischen
Kirchenreform gegründet und seinen Schüler Stunni als ersten Abt eingesetzt.
Fulda galt als das Musterkloster benediktinischer Zucht, und dort fand auch
Bonifatius nach seinem Märtyrertod während der Friesenmission seine letzte
Ruhestätte.•o Besonders erwähnenswert aber ist das Fuldaer Schulwesen. Seit
748 bestand dmt eine Klosterschule mit einer bedeutenden Bibliothek, die
sich neben den theologischen Fächern der Verschmelzung christlichen,
antiken und gennanischen Gedankengutes widmete.’1 Auf literarischem
Gebiet ist Fulda durch seine einzigartige Folge individueller Abtbiographien
als interessantestes karolingisches Großkloster zu betrachten.’2 Insbesondere
unter dem bedeutenden Abt Hrabanus Maurus:1 einem der angesehensten
Theologen und Gelehrten seiner Zeit, der auch in der Vita Sualonis als
Bewunderer des Bonifatius und glanzvoller Leiter des Klosters erwähnt wird
( 1 59,4-6), konnte Fulda seine Stellung als herausragendes geistiges,
politisches und wirtschaftliches Zentrum stärken … Ab 822 war Rudolf Leiter
•• Ygl. Kar) SCHMID, Die Frage nach den Anfangen der Mönchsgemeinschaft in Fulda,
in: Die Klostergemeinschaft von Fulda im frühen Mittelalter, Bd I : Grundlegung und
Edition der fuldischen Gedenküberlieferung, hg. von Kar) Schmid (Münstersche
Mittelalter-Schriften 8/1) München 1978, S. I 08-135.
‚1 Heinrich HAHN, Fulda, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 4:
Hessen, hg. v. Georg W. Sante, Stuttgart 1960, S. 144f. Vgl. jetzt: Kloster Fulda in der
Welt der Karolinger und Ottonen, hg. v. Gangolf SCHRJMPF, Frankfurt/Main 1996.
“ BERSCHIN (wie Anm. 14) S. 239ff.
“ Hrabanus Maurus (-780-856) war ein Schüler Alkuins in Tours und leitete das Kloster
Fulda als Abt von 822-842. Während seiner Amtszeit sorgte er gleichetmaßen für einen
Zuwachs des Klosters an weltlichem Besitz wie für die Pflege der monastischen Zucht,
des geistlichen Lebens und der Studien. Ygl. Franz BRUNHÖLZL, Hrabanus Maurus, in:
Neue deutsche Biographie. Bd. 9, hg. v. der Historischen Kommission bei der bayerischen
Akademie der Wissenschaften, Berlin 1972, S. 674-676.
“ Karl BOSL (wie Anm. 7) S. 1 14-135 legt dar, daß Fulda seinen reichen Besitz nicht nur
der großfränkischen Reichsaristokratie, sondern ebenso dem karolingischen Hen·scherhaus
zu verdanken hatte. Während jene von einem päpstlichen Schreiben (748) zu
Klostergtiindungen und Schenkungen angeregt wurde, ist ein Grund für die bevorzugte
Behandlung Fuldas seitens des Königs in Dankbarkeilsbezeugungen gegenüber Bonifatius
zu sehen. Ygl. auch Winfried BÖHNE, Zur ftiihmittelalterlichen Geschichte Ellwangens
nach Fuldaer Quellen, in: Ellwangen 764-1964. Festschrift zur 1 200-Jahrfeier, Bd. I , hg.
v. Yiktor BUlT, Ellwangen 1 964, S. 73f. Grundlegend zur wirtschaftlichen Situation des
Klosters Fulda: Ulrich WEIDINGER, Untersuchungen zur Wirtschaftsstruktur des
Klosters Fulda in der Karolingerzeit (Monographien zur Geschichte des Mittelalters Bd.
36) Stuttgart 1991. Der politische Einfluß des Klosters lag darin begründet, daß den
91
der Klosterschule.’5 Ennanrichs Wertschätzung fiir seinen Lehrer, der als
Widmungsträger und Korrektor der Vita eine besondere Rolle spielte, konunt
an mehreren Textstellen deutlich zum Ausdruck (vgl. 1 5 5 , 1 6/17; 1 55,38-44;
162,37 /38).
Die bisherigen Ausfiihrungen zeigen, daß zwischen der Vita Sualonis
und dem Kloster Fulda in mehrfacher Hinsicht ein institutioneller Bezug
gegeben ist, der noch dadurch gesteigert wird, daß der heilige Solus
vermutlich dort die priesterliche Weihe empfing46 und dem Kloster Fulda mit
seinem Tode seinen gesamten Besitz (1 59,2/3) übertrug.“ Die
Eingebundenheit der Vita Sualonis in das monastische Umfeld läßt darüber
hinaus vennuten, daß die Vita auch fiir den klösterlichen Gebrauch bestimmt
war. Das als Ideal betrachtete Klosterleben verbindet sich vor dem
biographischen Hintergrund des Hagiographen eng mit der von Ennanrich
hervorgehobenen Bildung, und in beiden Bereichen grenzt sich der Verfasser
als Teil einer elitären Gruppe gegenüber anderen ab.
adeligen Tradenten als Gegenleistung hohe geistliche Ämter zugesichert wurden. Viele
von den meist politisch und wi11schaftlich einflußreichen Gönnern verbrachten auch ihren
Lebensabend in der entsprechenden Institution oder brachten ihre Verwandten dort unter.
Vgl. BÖHNE, S. 89 u. 105. Zur Sozialstruktur des Klosters vgl. Eckhard FREISE,
Studien zum Einzugsbereich der Klostergemeinschaft von Fulda, in: Die
Klostergemeinschaft von Fulda im frühen Mittelalter Bd. 2.3, hg. von Kar! Schmid
(Münstersche Mittelalter-Schriften 8/2.3) München 1978.
“ Zu den Schülern des bedeutenden Hagiographen und Poeten Rudolf von Fulda (* vor
800, gest. 865) zählten neben Errnanrich Ercanbert und Meginha11. Rudolf war früh in das
Kloster Fulda eingetreten, übernahm dort von seinem Lehrer Hrabanus Maurus im Jahre
822 die Leitung der Klosterschule und wurde 834 Priester. Vgl. Klaus NASS, Rudolf von
Fulda, in: Verfasserlexikon (wie Anm. 8) Bd. 8, Berlin-New York 2 1 992, Sp. 3 5 1 -356.
“ BAUCH (wie Anm. 10) S. 242, Anm. 26 der Vita.
“ Dieser dürfte nicht unerheblich gewesen sein, da neben der Schenkung seines
Wohnortes, dem späteren Solnhofen, durch Kar! den Großen ( 1 58,34/35) auch von
Grundstücksübertragungen seitens der Anwohner die Rede ist ( 1 59,2). HIRSCHMANN
(wie Anm. 24) S. 47 schreibt hierzu: „Um nun alle E1werbungen und seine Zelle selbst
vor den Gefahren einer unsicheren Zukunft zu schützen, übergab Sola vor seinem
Hinscheiden sein Eigentum testamentarisch dem Kloster Fulda.“ Nachdem Solnhofen
lange Zeit Hofkaplanei mit Oratorium gewesen war (vgl. 158,35), erhielt es in der
Folgezeit den Titel einer Propstei mit Santharat als ersten Propst. Ebd. Zur
wirtschaftlichen Bedeutung Solnhofens für das Kloster Fulda vgl. auch WEIDINGER
(wie Anm. 44), zur Besitzübertragung durch den heiligen SoJus ebd. S. 187.
92
4.2. Vorstellungen von einer „religiöse Elite“ in der Vita Sualonis?
4.2.1. Antike Schriftsteller versus Hagiographen: Heidentum versus
Christentum ?
Nach Ennanrich von Ellwangen erhoben zahlreiche heidnische Schriftsteller
„törichten Geistes und vollständig blind fur das Licht des Glaubens“
( 1 56,40/4 1 ) die Helden ihrer Ruhmeslieder zu Göttern.“ Diese Äußerung
bezieht sich auf die Autoren der Antike, die in bezug auf den Bildungsstand
ebenfalls eine elitäre Gruppe darstellen, sich jedoch in ihrer religiösen
Überzeugung grundlegend von den karolingischen Hagiographen
unterscheiden. Ennanrichs negative Bewertung erstreckt sich sogar auf die
Werke Vergils und Homers, die er als inutiles fabulae betrachtet ( 1 57 ,3). Im
Gegensatz zu den christlichen Heiligenviten schreibt Ermanrich den Sagen
der Antike keine pädagogische Intention zu. Von den antiken Schriftstellern
grenzt sich Ennanrich durch das Personalpronomen nos ab. Hiermit
bezeichnet er sich selbst und andere im Glauben gestärkte Christen, die den
Ruhm der Heiligen verkünden und e1forschen ( 1 56,42-45). Auch die
dargestellten Helden werden indirekt miteinander verglichen. Den in den
Ruhmesliedern emporgehobenen römischen Imperatoren stehen die Heiligen
als gloriosi belligerati gegenüber ( 1 5 6/43 ). Der Vergleich wird durch die
ungewöhnliche Bezeichnung der Heiligen noch unterstrichen. Wie die
christlichen Autoren ihre antiken Vorgänger durch „noch größere[n] Eifer und
Glauben“ ( 1 56,44/45) übe11reffen, wird auch die Überlegenheit der Heiligen
explizit wie implizit zum Ausdruck gebracht: Die „noch Größeren“ ( 1 57,4)
schlugen sich „fiir den allein wahren König“ ( 1 56,44), und auch ihre Wunder
sind „nicht erdichtet“ ( 1 56,45).
Ennanrichs Aneinandeneihung rhetorischer Fragen’Y wirkt wie eine
Rechtfertigung fur das Schreiben von Heiligenviten. Als Abgrenzungs-
“ Es handelt sich um eine Anspielung auf den römischen Kaiserkult bzw. auf die per
Senatsbeschluß zu Göttern erhobenen Kaiser. Vgl. BAUCH (wie Anm. 10) S. 24 1 , Anm.
19 der Vita.
“ … cur nos. qui christiani sumus signaculoque muniti stigmatis Christi, quo levato, omnia
Aegypti delubra, cadentibus idolis, dimta srmt. taceamus gloriosomm belligeratorum pro
jide Christi in omni vita sua decertantium? (. . .) cur non magis libet perscrutari dicta ac
facta maiorum, ad quarum tttmbas sedulo procumbimus, divinam clementiam implorantes.
quatenus per intercessionem eorum qui iam sunt in caelo cum eo coronati nos, qui adhuc
93
kriterium der Hagiographen gegenüber den antiken Autoren steht zunächst
das „Christ sein“ im Vordergrund. Eine subtilere Abgrenzung des
literarischen „wir“ als B ildungselite gegenüber Ungebildeteren könnte darin
gesehen werden, daß die von Ennanrich beschriebene Heiligen-verehrung in
einer ganz bestimmten Weise erfolgte: Die Taten und das Leben der Heiligen
sollten verkündet bzw. beschrieben werden.so Dazu bedurfte es rhetorischer
bzw. l iterarischer Fähigkeiten, die für die mit „wir“ gekennzeichnete Gruppe
offenbar vorausgesetzt wurden.
Die elitäre Haltung Ennanrichs, die sich im Vergleich der
Hagiographen mit den Autoren der Antike zeigt, begründet sich in der
negativen Abgrenzung des Heidentums gegenüber dem Christentum. Auch
wenn es vordergründig erneut um den „elitären“ Bereich der Bildung geht,
reicht dies allein zur Kennzeichnung der von Ennanrich gemeinten Elite nicht
aus. Diese Elite bedarf ebensosehr der „rechten“ religiösen Überzeugung und
Lebensfiihrung.
4.2.2. Die Wunder: Volksglauben versus Kirchenglauben?
Einen bedeutenden Platz im Rahmen der Vita nehmen die Wundertaten des
heiligen SoJus ein. Es handelt sich um typische Heilungswunder der
hagiographischen Literatur, zum Teil nach dem Vorbild des Neuen
Testaments, in denen gängige Legendenmotive verarbeitet wurden.s1
Ennanrich fügt an dieser Stelle auch dogmatische Erörterungen über die
Wunderdeutung und die Heiligenverehrung ein. In verschiedenen Wendungen
wiederholt der Verfasser, der heilige SoJus diene nur als Werkzeug Gottes,
durch dessen Allmacht alle Wunder erst geschähen. Dieser Gedanke wird
durch das Handeln des Heiligen bestätigt: Er heilt Kranke „durch Anwendung
des Kreuzeszeichens“ ( 1 59, 1 3) und durch „ein Gebet zu Gott unter Tränen“
( 1 59,36). Bereits in den kurzen Überschriften des Kapitelverzeichnisses
finden sich ähnlich lautende Hinweise: invocato Christi nomine ( 1 56,3 1 ) und
in Christi nomine ( 1 56,32). Ennanrich räumt ein, daß „der Verstand des
in dubio scammate assistimus. auxiliare ad gloriam sui triumphi dignetur? ( 1 5 6,42-44 u.
157,3-6).
5 0 Siehe Anm. 49.
“ Vgl. FORKE (wie Anm. 8) S. 82f. Zum „biblischen Hintergmndstil“ allgemein vgl.
BERSCHIN (wie Anm. 14) Bd. I, S. 7 1 -74.
94
Menschen sehr schwer ermessen“ könne, welche Wertschätzung Gott dem
Heiligen in diesen Wundertaten zukommen ließ (1 60,2-5). Der Allgemeinheit
des lateinischen Begriffes mens humana entspricht die sich anschließende
und bereits erwähnte Aussage, sowohl das Volk (vulgus) und die weniger
Einsichtigen (qui minor intellegunt) als auch sie selbst (nosque) hielten die
Wunderheilungen „fur die größten Lobeserhebungen“ ( 1 60,5/6). Die hier
begrifflich und in ihrer Bildung voneinander abgegrenzten Gruppen
unterscheiden sich demnach nicht im Wunderglauben an sich, wohl aber in
ihrer Wahrnehmung der Wunder: Nach Ermanrichs Einschätzung bedurfte es
nämlich einer höheren Einsicht, um zu erkennen, daß den körperlichen
Heilungen das Seelenheil der Betroffenen vorangeht, welches weit höher zu
schätzen sei ( 1 60,9- I l ).Sl Die Aufzählung vulgus et qui minor intellegunt
nosque cum eis ( 160,5/6) hat den Charakter einer Klimax, die suggeriert, das
zuletzt genannte Glied dieser Kette stünde der als nonnativem Ziel
formulierten Einsicht am nächsten. Im gemeinsamen Wunderglauben von
Volk und Elite zeichnet sich eine Hierarchisierung ab, welche die
Uneinsichligen von den Einsichtigeren unterscheidet. Der materiellen, auf die
Person des Heiligen gerichteten Religiosität des Volkes wird eine
theologische Wunderdogmatik als nonnativer Anspruch entgegengestellt.
An das Eselswunder im neunten Kapiteln schließt sich eine religiöse
Betrachtung Ennanrichs an, .die eine Begründung daftir liefert, weshalb die
Wunder des Heiligen erst nach seinem Tode verkündet werden sollten. Der
heilige SoJus verpflichtete aus Sorge vor dem Bekanntwerden seiner Taten
die Zeugen zum Stillschweigen „bis zum Heimgang seiner Seele“ ( 1 60,29).
Er wollte „das eitle Rühmen des Volkes (inanes vulgi rum.usculos) nicht fur
sich in Anspruch nehmen, sondern lenkte alles zum Lobe Gottes“
( 1 60,38/39). Mit dieser Fonnulierung kritisiert Ermanrich den vom Volk
praktizierten Heiligenkult, bei dem der Heilige als Person in den Mittelpunkt
gerückt wird. Im Gegensatz zu dieser Textstelle heißt es jedoch im siebten
Kapitel: „( … ) [die Heiligen), zu deren Gräbern wir voll Eifer eilen und unsere
“ Mentalitätsgeschichtlich interessant sind Ermanrichs Vorstellungen über das Phänomen
der Verbindung zwischen Krankheit, Sündenschuld und Besessenheit ( 1 60, 10/1 1). „Und
jedes körperliche Leiden kommt vom Menschen und durch den Teufel“, der durch den
Heiligen besiegt wird ( 159,19-21 ).
“ Im Eselswunder wird beschrieben wie der heilige SoJus seinem Esel im Namen des
Herren befiehlt, gegen einen Wolf zu kämpfen, der eine Herde weidender Schafe bedroht
( 1 60, 14ff.).
95
Sünden beweinen ( . . . )“ ( 1 59,24). Der Heiligenverehrung nach dem Ableben
der Heiligen, die Ermanrich auch für sich selbst in Anspruch nitmnt und die
durch die adverbiale Umschreibung eine positive Bewertung erfährt, steht
also als negatives Beispiel „das eitle Rühmen des Volkes“ zu Lebzeiten des
Heiligen gegenüber. Ermanrichs Ausführungen über den Wunderglauben
bzw. die Heiligenverehrung geben somit auch Hinweise auf die Adressaten
der Vita. Es scheint, als richte sich Ermanrichs pädagogische Intention hier
nicht an das „Volk“, sondern an die geistliche Elite. Der Hagiograph könnte
mit Hilfe dieses negativen Beispiels die Elite vor dem schlechten Einfluß des
„Volkes“ bewahren wollen. Die Tatsache, daß wiederholt betont wird, es sei
Gott und nicht der Heilige selbst, der die Wunder wirke, legt zwei
Verumtungen nahe: Der personifizierte Heiligenkult könnte auch im Klerus
verbreitet gewesen sein, oder es bestand die Gefahr der Verbreitung dieser
Praxis, so daß es galt, die Elite davon abzuhalten. 54
4.2.3. Die Gewährsleute: Frömmigkeit versus Standesdenken?
Sowohl der Auftraggeber als auch der Autor der Vita legen hohen Wert auf
den Wahrheitsgehalt bzw. die Glaubhaftigkeit der Lebensbeschreibung des
heiligen SoJus. Gundhram fordert die Niederschrift einer „zuverlässigen“
Darstellung ( 1 55, I ) des „wahren Sachverhaltes“ ( 1 6 1 , 1 9). Die „wahren und
offensichtlichen Werke Gottes“ sollen geschildert werden ( 1 55,6), und der
mit der Korrektur betraute Rudolf soll „das Wahre“ stützen ( 1 55,22).
Der Verfasser nennt als Quelle seiner Infonnationen „Überlebende“
(1 54,40/4 1 ) und Augenzeugen ( 1 59 ,25/26; 1 60,14/ 1 5 u. 1 6 1 , 1 ). und auch die
Schilderung seines eigenen Besuches in Solnhofen steht in diesem
Zusammenhang. Die von Em1anrich angeftihrten Zeugen zeichnen sich
unabhängig von ihrer sozialen Herkunft durch ihre Frömmigkeit aus.
Ermanrich filtert das Berichtete folgendermaßen: Nam ego tantum ea quae
“ Zum Heiligenkuh allgemein vgl. die Literaturangaben von Goetz, in diesem Band, S.
1 5. Zur theologischen Vorstellung des Heiligen als „Gottesmensch“ und der Wirkung
seiner Wunder vgl. Arnold ANGENENDT, Der Heilige: auf Erden – im Himmel, in:
Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter, hg. v. Jürgen Petersohn (Vorträge und
Forschungen 42) Sigmaringen 1 994, S. 1 1-52, insbesondere Kapitel 8-10. Vgl. auch
GRAUS (wie Anm. 4) Kapitel VI: Die Funktionen des Heiligenkults und der Legende,
besonders S. 440ff.
96
auditu percepi scribere malui, etsi non omnia, tamen ipsa quae a religiosis
viris audieram praeterire dignum non censui .. . ( 1 56, 1 4/1 5). Kurz zuvor lautet
Gundhrams Aufforderung an Ennanrich: . . . uti in amore Domini vitam sancti
Soli monachi conscribas gestaque eius propales, in quantum a jidelibus
referentibus conperta sint tibi. .. ( 156,9/l 0). Diese sicherlich toposhaften
Aussagen, die im Text kurz aufeinanderfolgen, lassen zumindest erkennen,
daß ein enger Zusammenhang zwischen der Zuverlässigkeit und der
Frömmigkeit der Zeugen besteht. Interessant ist der sich implizit aus dieser
Fonnulierung ergebende Gedanke, daß Ennanrich seine Urteilsfähigkeit, die
Zeugen in bezug auf die oben erwähnten Kriterien richtig auszuwählen, mit
keinem Wort in Frage stellt. Die soziale Herkunft der Zeugen war für den
Hagiographen nicht von Bedeutung. Neben Gundhram wird der Diener des
heiligen Solus als Infonnationsquelle angeführt ( 1 59,8). Das dem Heiligen
widerfahrende Eselswunder geschieht vor den Augen einiger Hirten ( 1 60,26),
und der Taubstumme fällt bei seiner Heilung „angesichts des Volkes“
(populus) nieder ( 1 60, I ). Als Beweis für die vollbrachten Wunder werden
außerdem die Krücken des ehemals Gelähmten sowie Votivbilder genannt
( 1 59, 1 51 1 6; 1 60, 1 ).
Die Beteuerungen der Glaubwürdigkeit der Vita dienen dazu, die
Adressaten der Vita von der Wahrheit der aufgezeigten Taten und Wunder
des Heiligen zu überzeugen. Im Hinblick auf die Zeugen fällt auf, daß diese –
abgesehen von Ennanrich selbst – nicht zum monastischen Umfeld gehören,
sondern sich fast ausschließlich aus dem Volk rekrutieren. In diesem Bereich
läßt sich also keine elitäre Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen
ausmachen. Zuverlässigkeit und Frönunigkeit wird allen genannten Zeugen
gleichermaßen zugestanden. Auch wenn Ennanrich also einerseits den vom
„einfachen Volk“ praktizierten Heiligenkult kritisiert, so akzeptiert er
andererseits, daß diese „einfachen Leute“ zur konkreten Lebenswelt des
Heiligen gehörten und als Zeugen der Wunder eine wichtige Funktion
erfüllten. Dies bestätigt noch einmal, daß der Heiligenkult im Volk eine große
Rolle spielte und die Heiligen keineswegs der Kirche vorbehalten waren.
In bezug auf die Wundergläubigkeit ergibt sich aber eine weitere
interessante Feststellung. Gegen die Meinung, der Wunderglaube im
Mittelalter sei primär volkstümlich gewesen, spricht, daß in dieser Vita auch
die Elite zum Glauben an die dargestellten Wunder angehalten wird. Diese
Folgerung erhält ein besonderes Gewicht, wenn es sich bei den Adressaten
der Vita um Klosterangehörige handelt.
97
4.2.4. Die Mönche als Adressaten der Vita Sualonis?
Als Gundhram seinen Freund mit der Abfassung der Vita Sualonis beauftragt,
wünscht er einen luculentus sermo ( 1 55,6).11 An wen wendet sich nun
Ermanrich in „lichtvoller“ Rede? Zunächst läßt sich feststellen, daß die Vita
über den Widmungsempranger hinaus Verbreitung finden soll. Auf
Gundhrams Wunsch sollen die Taten des SoJus „verkündet“ werden ( 1 56, 1 0),
und an anderer Stelle richtet sich der Verfasser explizit an mehrere Leser
( 1 60,41).
Der letzte Hinweis deutet darauf hin, daß es sich bei den Adressaten
um einen begrenzten Leserkreis handelt, der sich gerade hier durch seine
Bildung, nämlich seine Lesefahigkeit, auszeichnet. Diese Vennutung wird
durch Aufbau und Form der Vita bestätigt. Der vom Verfasser angewandte
Stil läßt sich mit den Attributen wortreich, gelehrt und ausgefeilt
umschreiben. Der Text enthält Zitate und einzelne Worte aus dem
Griechischen und ist mit Zitaten aus der christlichen Literatur durchzogen.16
Der kompliziette Aufbau der Vita, der sich etwa in dem an Rudolf
adressierten Gedicht in Fonn eines metrum bipedale ( 1 55, 1 0-36) oder in dem
Namenakrostichonn „SOLUS“ des funfstrophigen Hymnus am Ende der Vita
erkennen läßt, setzt einen literarisch gebildeten Leser voraus. An einer
anderen Stelle heißt es in direkter Ansprache an den Adressaten: Obsecro
autem per eius amorem, quem felix Solus feliciter sequebatur, qui haec forte
legere dignamini, ne rusticitatis meae verba ore scyllatico attendatis …
( 1 60,40/41 ). So toposhaft eine solche weithin gebräuchliche Wendung auch
klingen mag, läßt sie doch das Bewußtsein eines Verfassers erkennen, der
furchtet, der Stil seines Werkes könnte den Ansprüchen seiner Leser nicht
genügen. Erneut wird damit ein gebildeter Leser vorausgesetzt. Über das
Heiligendasein der Einsiedler konstatiert Ennanrich entsprechend: Quorum
“ Aus dem Kontext ist nicht ersichtlich, ob das lateinische Woti luculentus im Sinne von
erhaben oder klar, eindeutig zu verstehen ist.
16 Vgl. Das Bienengleichnis des Sokrates ( 154,6/7). Der Herausgeber der Quelle weist
darauf hin, daß hier eine Rekonstruktion über Platon oder Aristoteles vorliegen muß.
Biblische Zitate finden sich u.a.: 154, 1 1 ; 154,13; 154,14; 154.26; 1 54,32; 1 55,44; 156,2.
“ Der Autor verwendet fiir das Akrostichon das griechische Wort sfroda statt lateinisch
valde. Vgl. BERSCHIN (wie Anm. 14) S. 267 m. Anm. 407.
98
omnium gesta scribere non solum super meas vires est, sed et omnium pene
lingum·um doctorumfortium series cessat. ( 1 5 8,9110).58
Wie die Aussagen des Hagiographen zeigen, geht Ermanrich von
einem kritikfähigen Publikum aus, das die Vita lesend rezipiert. In der Tat
erschließt sich dem Adressaten die stilistische Finesse des Textes nur bei
einer intensiven Lektüre. Ermanrich nennt sein Werk abwechselnd littera
( I 55,24), oratio ( 1 56, 1 4; 1 6 1 ,6), oratinunculus ( 1 6 1 ,2), narratio ( 1 59,8),
opusculum ( 1 60 , 1 4; 1 62,36), sermo ( 1 56,36; 1 57,7; 1 57,8; 1 61 ,5; 1 63,4;
1 63,8) und sermunculus ( 1 61 ,9). Während Wilhelm Forke diesen reichen
Wortschatz auf die vom Verfasser eingesetzte Variatio zurückfiihrt,59 betont
Walter Berschin, der ungewöhnliche Zusatz sermo weise auf eine Vita hin,
die „nicht immer den üblichen Bahnen folgt“.60 Aufgrund des Inhalts, der weit
über das Leben des Heiligen hinausgeht, und des geringen Anteils der
eigentlichen Vita am Gesamttext erscheint die Bezeichnung sermo61
tatsächlich weitaus passender als der Begriff vita. Als Kanzelpredigt scheint
die Vita jedoch schon deshalb ungeeignet zu sein, da sie keinen einheitlichen
Handlungsstrang verfolgt. Um die eigentliche Vita gruppieren sich eine
Anzahl anderer Texte. Biographische Eckdaten des Heiligen wie z.B. das
Geburts- oder Todesdatum fehlen, und auch das in vielen Viten behandelte
Wirken nach dem Tode wird ausgelassen. Bemerkenswert ist, daß auch im
Hauptteil des Werkes die Heiligengestalt zugunsten anderer Personen
(Bonifatius, Karl der Große, Willibald und Wynnebald) und zugunsten
auktorialer Einschübe, die eher ereignis-, kultur- und mentalitätsgeschichtliche
Informationen liefern, in den Hintergrund rückt. In seinem
Streben, die Vollkonunenheit des Heiligenlebens durch die fonnale
Vollkommenheit der Vita auszudrücken, verknüpft Ermanrich Inhalt und
Fom1 des Werkes bishin zur Zahlensymbolik des formalen Aufbaus: Die
Zehnzahl der Kapitel entspricht dem Dekalog.62 Das Besondere der Vita
“ Diese Aussage bleibt doppeldeutig, da sie sowohl als Gleichstellung Ermanrichs mit den
sprachgewaltigen Lehrem als auch als Abgrenzung zu diesen ausgelegt werden kann.
“ FORKE (wie Anm. 8) S. 42.
60 BERSCHIN (wie Anm. 14) S. 265.
“ Sermo kann sowohl im einfachen Sinne als „Rede“ oder „Gespräch“ als auch im
besonderen Sinne als „gelehrte Unterredung“ oder „Disputation“ übersetzt werden, meint
jedoch im Mittelalter meist „Predigt“.
62 In der Forschungsliteratur liegen unterschiedliche Interpretationen vor, die zusätzlich
die Versinnbildlichung einer Vierzahl parallel zu den Evangelien annehmen. FORKE (wie
Anm. 8) S. 66 sieht die Vierzahl in den erzählten vier Wundem, wohingegen
99
Sualonis, die in bezug auf den Syllogismus Vorgänger hatte, sieht Walter
Berschin in der Tatsache, daß Ermanrich sein Vorgehen explizit zum
Ausdruck bringt (1 56,36 u. 163,4-7).63 Es entsteht der Eindruck, der
Hagiograph habe die Vita instrumentalisiert, um ein stilistisch wertvolles
literarisches Werk zu schaffen, das nicht nur dem Heiligen, sondern auch
dem Autor selbst Ansehen verleiht.64
5. Fazit
Lassen sich aus den Inhalten der Vita und den dort angesprochenen Gruppen
durchaus Indizien für eine Rezeption der Heiligendarstellung im Volk
ableiten, so sprechen vor allen Dingen Stil und Aufbau der Vita eher fur ihren
Gebrauch im Kloster. Die Schwierigkeiten bei dem Versuch, „die Elite“ in
der Vita Sualonis zu definieren bzw. eine entsprechende E litekultur
nachzuweisen, zeigen sich in der Fülle von Zuordnungskriterien, wie
Bildung, Sprachlichkeit, Lebensfuhrung und Religiosität, durch die sich die
einzelnen Gruppen jeweils neu mischen und überschneiden. Mit Hilfe der
Quelleninterpretation läßt sich kein einheitliches Bündel von Merkmalen
herausarbeiten, das zur Kennzeichnung einer Elite über den Rahmen der
Quelle hinaus Gültigkeit hätte. Für den Fall der Vita Sualonis können jedoch
folgende Aussagen getroffen werden: In Ermanrichs Fonnulierungen ist ein
monastisches Elitedenken erkennbar. Mehrere Textbelege stützen die
Vermutung, es handle sich bei der mit „wir“ bezeichneten Personengruppe
um Klosterangehörige, die sich gegenüber anderen Gruppen abgrenzen. Diese
„Elite“, deren Exponent Ermanrich selbst ist, stellt nur einen kleinen Teil der
Gesamtbevölkerung dar. Die besonders hervorgehobene Position des
WORSTBROCK (wie Anm. 8) Sp. 608 ein vierteiliges Beiwerk in Form des
Briefwechsels zwischen Gundhram und Ermanrich, des Gedichts und Briefes an Rudolf
von Fulda und des Hymnus annimmt. Da sich der Verfasser selbst nur über die Zehnzahl
der Kapitel äußert, bleibt unklar, ob eine Vierzahl in der Vita überhaupt beabsichtigt war.
“ BERSCHIN (wie Anm. 14) S. 267.
“ Gemeint ist hier das hohe Ansehen vor Gott, das sowohl der Hagiograph als auch der
Auftraggeber durch die Abfassung der Vita Z1l erlangen wünschen, und von dem sie sich
„reichen Lohn für die Zukunft erhoffen“: ldcirco et te quasi caeteris familiariorem
poposci, quatenus Soli beati monachi 11itam et gesta conscribas. 111 meritis ipsius tui
laboris mercedem apud omnipotentem Retributorem accipias ac mihi in eo satisfacias. et
uterque cumulwn sudoris recipiat in futuro, ego petitionis. et tu scriptionis ( 1 54,34-38).
100
Mönchtums ist durch eine Reihe charakteristischer Merkmale
gekennzeichnet. Neben dem Privileg einer gewissen Besonderheit und
Auserwähltheil des Klosterlebens stellt vor allem der Bildungsstand das
entscheidende Abgrenzungskriteriwn dar. Das schlägt sich besonders im
Sprachstil nieder, der nahelegt, daß sich die Vita nicht an das Volk, sondern
an eine geistliche, sehr wahrscheinlich ebenfalls monastische Elite richtete.
Da die Rezeption des Werkes in erster Linie lesend erfolgen sollte, kommt
hier die Trennung litteratilillitterati zwn Tragen. Um die Vita nicht nur
sprachlich, sondern auch inhaltlich verstehen zu können, muß der Leser
darüber hinaus über einen bestinunten Wissenshorizont verfugen. Die
Abgrenzung der christlichen Hagiographie gegenüber den heidnischen
Werken antiker Schriftsteller zeigt jedoch, daß eine Bildung, wie sie
Ennanrich für die monastische Elite in Anspruch nimmt, auch eine
entsprechende religiöse Überzeugung und Lebensführung beinhalten muß.
Hier liegt auch die besondere Bedeutung der Heiligenverehrung für den
Hagiographen wie vennutlich für die monastische Elite insgesamt.
Sowohl der Verfasser und der Auftraggeber als auch die Adressaten der Vita
Sualonis gehörten zur Bildungselite. Die Vita wurde mit einer pädagogischen
Intention geschrieben; sie bot dem Autor die Möglichkeit, seine
dogmatischen Ansichten zu vennitteln und darüber hinaus seine stilistischen
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Auch wenn Em1anrich anscheinend kein
konkretes Interesse am Volk hatte, können der Lebensbeschreibung des
heiligen Solus dennoch Aussagen über eine Volkskultur bzw. einen
Volksglauben entnommen werden. Eine Trennung zwischen Volks- und
Elitekultur ergibt sich insofern, als Ennanrich die personifizierte
Heiligenverehrung des Volkes negativ hervorhebt. Kulturelle Unterschiede
bestehen auch auf dem Gebiet der Sprachlichkeit, wobei auf die
problematische Zuordnung von VolksspracheNolk und Latein/Elite/Klerus
hingewiesen wurde. Aus Ermanrichs Beschreibungen läßt sich jedoch ebenso
die Vermutung ableiten, es habe kulturelle Überlagerungen gegeben. So ist
der Glaube an die Wundertätigkeit des Heiligen an sich allen Schichten
gemeinsam, auch wenn die Wunder unterschiedlich gedeutet werden.
Die hier dargelegten Aussagemöglichkeiten haben jedoch in mancher
Hinsicht ihre Grenzen. Die modeme Fragestellung nach einer Volks- bzw.
Elitekultur wird auf die Vita eines Autors angewandt, für den diese Thematik
in dieser Zuspitzung nicht existiet1e oder zumindest nicht im Vordergrund
stand. Die Quellenarbeit stützt sich daher – über explizite Quellenaussagen
101
hinausgehend – vor allem auf implizite Schlußfolgerungen. Der zum Teil
normative Charakter der Vita kann nicht nur erheblich von den realen
Gegebenheiten abweichen, vielmehr beruhen alle Vermutungen über eine
Volks- und Elitekultur überhaupt nur auf der individuellen Sichtweise
Ermanrichs von Ellwangen. Über den Rahmen der Arbeit hinaus stellt sich
die Frage, ob die vorliegende Vita mit der geistigen Haltung Ermanrichs
insgesamt übereinstimmt. Sollte sich aus einem Stilvergleich mit seinen
übrigen Werken65 eine positive Antwort ergeben, bliebe weiterhin durch einen
Vergleich der Vita Sualonis mit Viten anderer Autoren dieser Epoche zu
klären, inwiefern Ermanrichs Gesinnung dem karolingischen Zeitgeist entsprach.
“ Einen Stilvergleich der Vita Hariolfi und der Vita Sualonis von Ermanrich von
Ellwangen unternimmt FORKE (wie Anm. 8) S. 38-57.
102
VOLKSKULTUR UND ELITEKULTUR
IM FRÜHEN MITTELALTER:
DAS BEISPIEL DER HEILIGENVITEN
MEDIUM AEVUM QUOTIDIANUM
HERAUSGEGEBEN VON GERHARD JARITZ
36
GASTHERAUSGEBER DIESES HEFTES:
HANS-WERNER GOETZ UND FRIEDERIKE SAUERWEIN
VOLKSKULTUR UND ELITEKULTUR
..
IM FRUHEN MITTELALTER:
DAS BEISPIEL DER HEILIGENVITEN
Krems 1997
GEDRUCKT MIT UNTERSTÜTZUNG
DER KARL H. D ITZE-STIFTUNG (HAMBURG)
UND DER KULTURABTEI LUNG
DES AMTES DER NIEDERÖSTERREICHISCHEN LANDESREGIERUNG
T itelgraphik: Stephan J. Tramer
Herausgeber: Medium Aevum Quotidianum. Gesellschaft zur Er·forschung der materiellen
Kultur des Mittelalters. Körnermarkt 13, A-3500 Krems, Österreich. – Für
den Inhalt verantwortlich zeichnen die Autoren, ohne deren ausdt-ückliche Zustimmung
jeglicher Nachd􀂎uck, auch in Auszügen, nicht gestattet ist. – Druck: KOPITU
Ges. m. b. H., Wiedner Hauptstraße 8-10, A-1050 Wien.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Hans-Werner Goetz: Volkskultur Wld Elitekultur im frühen Mittelalter:
Eine ForschWlgsaufgabe Wld ihre Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 9
Imke Lange: ‚Teste Deo, me nihil audisse modo saeculare de cantico.‘
„Volk“ und „Elite“ als kulturelle Systeme in
„De vita s. RadegWldis libri duo “ ………….. . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . ………… . . . . 20
Nicole Suhl: Die „Vita Bertilae Abbatissae Calensis“ –
eine Quelle fur mögliche Unterschiede in der Religiosität
von „Volk“ Wld „Elite“ im frühen Mittelalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 39
Ulla Pille: Die Pilgerreise des Heiligen Willibald –
Ansätze für eine Unterscheidung von Volks- und Elitekultur? … . . . . . ….. 59
Britta Graening: Vulgus et qui minus intel!egunt:
Die Vita Sualonis Ennanrichs von Ellwangen
als Zeugnis rnonastischen Elitedenkens? . . . .. . . . . … . . . ….. . .. . . …. . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Karsten Uhl: „Der Pöbel, der nicht in gebildeten Wendungen
zu sprechen versteht.“ Unterschiede zwischen der Kultur
des Volkes und der Kultur der Eliten in den Viten
der Heiligen Wiborada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . … . . . . .. . . . . . . … . .. . . 1 03
Schlußbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. .. . . . . . 1 19
Vorwort
Die Frage nach einer Volkskultur im fiühen Mittelalter liegt in der Konsequenz
der Volkskulturforschung der letzten beiden Jahrzehnte, sie ist aber noch selten
gestellt und alles andere als erschöpfend oder gar abschließend behandelt
worden, ja tatsächlich ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Frage erst zu
überpriifen, sind zumindest auf das Frühmittelalter zugeschnittene, methodische
Wege zu finden. Diesem Ziel diente ein im Sommersemester 1 995 an der
Universität Hrunburg durchgefühttes Hauptseminar, das im Sommersemester
1 996 in einem Oberseminar weitergeführt wurde. Mögen Publikationen studentischer
Arbeiten auch auf sicherlich nicht immer unberechtigte Skepsis stoßen, so
haben die hier abgedruckten, im Rahmen des Oberseminars noch eiiUllal von
allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern kritisch diskutierten Beiträge wohl nicht
nur das fur eine Veröffentlichung erforderliche Niveau erreicht, sie betreten
darüber hinaus Neuland, indem sie methodische Wege erschließen helfen und an
ausgewählten Beispielen, die sich sämtlich auf die sich in Heiligenviten widerspiegelnden
religiösen Vorstellungen konzentrieren, abtesten. Damit bieten sie
einen fiuchtbaren exemplarischen Zugang zu wichtigen Aspekten der fiillunittelalterlichen
Volkskultur und Elitekultur. Dank gemeinsamer Fragestellungen und
Diskussionen weisen die jeweils einzelnen Viten gewidmeten Beiträge zudem
eine hinreichende methodische und thematische Geschlossenheit auf.
Herausgeber, Autoritmen und Autoren haben der Gesellschaft „Medium
Aevum Quotidianum“ und dem Herausgeber ilu-er gleichnamigen Zeitschrift,
Gerhard Jaritz, sehr dafi.ir zu danken, daß sie dieses Heft fi.ir einen solchen Versuch
zur Verfugung gestellt haben. Das Thema selbst geht auf eine Anregung
des ehemaligen Direktors des Instituts fi.ir Realienkunde, Harry Kühne!, zurück,
der das Konzept fi.ir die erste, geplante Sommerakademie des Mediävistenverbandes
unter dem Titel „Die ambivalente Kultur des Mittelalters“ entworfen
und den Herausgeber mit der Leitung einer Sektion zum Thema „Volkskultur
und Elitekultur im Mittelalter“ betraut hatte. Daß das Vorhaben sich zunächst
nicht wie geplant realisieren ließ, resultiette aus organisat01ischen und
finanziellen Problemen, die durch den unerwarteten Tod Hany Kühnels, der das
7
Projekt mit Energie und Engagement betrieben hatte, vollends verschärft worden
wären. Seinem Gedenken soll dieses Heft daher gewidmet sein.
Hans-Wemer Goetz (Hamburg)
8

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